Table of contents

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Anfangsgründe
der
Physiologie
.
Aus dem Lateinischen übersetzt, und mit Zu-
sätzen vermehrt
von
Joseph Eyerel.

Mit Kupfern.

Zweyte Auflage.

Wien,
bey Christ. Friedr. Wappler.
1795
.
[titlePage_verso]
NIEDERS.
STAATS- U. UNIV.-
BIBLIOTHEK
GÖTTINGEN

Vorbericht
des
Uebersetzers
.

[[III]]

Wenn die Physiologie vielmehr ei-
ne Geschichte der menschli-
chen Gesundheit
, als eine Ge-
schichte physiologischer Lehrmei-
nungen
seyn soll, so glaube ich
durch die Uebersetzung dieses vor-
trefflichen physiologischen Lehrbu-
ches sowohl für Aerzte, als für Phi-
losophen eine nützliche Arbeit gelie-
fert zu haben. Ich hatte zwar an-
fangs den Entschluß gefaßt, die Ue-
[[IV]] bersetzung mit verschiedenen, theils
litterarischen, theils erläuternden
Anmerkungen zu begleiten: wobey
besonders auf solche Werke, welche
erst nach der Ausgabe des Blu-
menbachischen
Handbuches im
Drucke erschienen sind, Rücksicht soll-
te genommen werden; allein ein Zu-
sammenfluß ungünstiger Umstände,
die übrigens dem litterarischen Pu-
blikum vollkommen gleichgültig sind,
vereitelten mein Vorhaben, und ge-
statteten mir kaum so viel Muße, die
Uebersetzung selbst vollenden zu kön-
nen.

Vorrede
des
Verfassers
.

[[V]]

Die nämlichen Beweggründe, welche
einst einen Boerhaaven, und nach
ihm einen Haller zur Herausgabe ih-
rer physiologischen Lehrbücher antrieben,
haben auch bey mir den Entschluß her-
vorgebracht, meine Vorlesungen über
die Physiologie durch den Druck bekannt
zu machen.

[[VI]]

‘„Es ist, sagt Boerhaava), für
einen Lehrer zuträglicher, wenn er sei-
ne eigene Gedanken, als wenn er die
Sätze eines andern Schriftstellers er-
läutert – sein Vortrag wird dadurch
deutlicher, und lebhafter u.s.w.“’

Herr von Haller aber sagt*):
‘„daß er zwar bisher des Boerhaavi-
schen
Lehrbuches bey seinen Vorlesun-
gen sich bedient habe, daß er aber in
der Folge genöthiget worden, ein eige-
nes Lesebuch zu entwerfen, nachdem die
[[VII]] Zergliederungskunst durch die Menge
der Entdeckungen eine ganz neue Ge-
stalt gewonnen hatte.“’

Was hier von Haller von dem da-
maligen Zustande der Zergliederungskunst
behauptete, kann auf die großen Fort-
schritte, die die Physiologie in unserm Zeit-
alter gemacht hat, mit desto größerem
Rechte angewandt werden; wenn man
die wichtigen Hauptstücke von dem Haupt-
nutzen des Athemholens, von der thieri-
schen Wärme, von der Verdauung, von
den Bestandtheilen, und von dem Nutzen
der Galle, u.a.m. die von den Neuern
[[VIII]] in ein so helles Licht gesetzt worden, in
Erwägung zieht.

Wenn also in diesen Anfangsgrün-
den, nach so beträchtlichen Erweiterun-
gen des Gebietes, einige Lehren richtiger,
und mit der Natur übereinstimmender
vorgetragen werden, als in einigen Lehr-
büchern älterer Schriftsteller, so ist dieß
nicht so sehr für ein eigenes Verdienst des
Verfassers, als vielmehr für einen Vor-
zug unsers Zeitalters zu halten.

Wieviel ich aber aus meinem eigenen
Vorrathe hinzugethan, theils entdeckt,
[[IX]] theils anders beobachtet und erläutert ha-
be, werden gelehrte, und billige Leser von
selbst beurtheilen; besonders habe ich in
den Noten einige Gegenstände genauer
erörtert, als in der gedrängten Para-
graphenordnung thunlich war.

Ueberdieß habe ich mich bestrebt, die
Hauptstücke dieses Lehrbuches in einer un-
gezwungenen und natürlichen Ordnung
auf einander folgen zu lassen.

Ich habe eine Auswahl von Büchern
angeführt, woben ich mir einen doppelten
Endzweck vorsetzte. Ich habe nämlich zum
[[X]] Beßten der Anfänger sowohl die Haupt-
schriftsteller, als auch diejenigen, welche
einzelne Gegenstände am beßten abgehan-
delt haben, überall angeführt; sodann ha-
be ich auch minder bekannte Quellen, die,
wie es mir schien, von den Physiologen
noch nicht, wie sie es verdienten, benutzt
worden, an gehörigen Orten angezeigt;
z.B. Reisebeschreibungen, Naturlehren,
u. f. w.

Sodann habe ich auch die beßten ana-
tomischen Zeichnungen, und zwar vorzüg-
lich die Albin-Eustachischen, als das
vollkommenste Werk, das ich allen ange-
[[XI]] henden Aerzten nicht dringend genug em-
pfehlen kann, bey jedem Hauptstücke an-
gezeigt.

Von einigen Theilen, die in dem
Eustachischen Werke gar nicht, oder
unrichtig vorgestellt sind, habe ich Zeich-
nungen beygefügt.

Endlich war mein Hauptendzweck bey
der Verfassung dieser Anfangsgründe,
meinen Zuhörern einen wahren, gedräng-
ten, und faßlichen Unterricht in einer Wis-
senschaft zu ertheilen, die in dem ganzen
Umfange medizinischer Kenntnisse durch
[[XII]] ihre Wichtigkeit und Brauchbarkeit sich
auszeichnet; den Galens Ausspruch
hat ganz das Gepräge der Wahrheit:
‘„Die Größe der Krankheit besteht in der
Abweichung von dem gesunden Zustan-
de – Diesen Abstand kennt nur derje-
nige, der von dem gesunden Zustande
einen vollkommenen Begriff sich erwor-
ben hat.“’

Göttingen den 15. Novemb. 1786.

Inhalt.

[[XIII]]

Blumenbach's
Anfangsgründe
der
Physiologie
.

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Erster Abschnitt.
Von dem belebten menschlichen Körper
überhaupt.

[[3]]

§. 1.

In dem belebten menschlichen Körper, dessen
Verrichtungen die eigentlichen Gegenstände der
Physiologie sind, müssen vorzüglich drey Stücke
betrachtet werden.*)

Die festen, oder enthaltenden Theile: die flü-
ßigen, welche von den festen enthalten wer-
den: endlich, und vorzüglich die Lebens-
kräfte, wodurch die festen Theile sowohl zur
Aufnahme und Bewegung der Flüßigkeiten,
als auch zu andern Verrichtungen fähig ge-
macht werden; diese Lebenskräfte kommen je-
doch den festen Theilen nicht ausschließungs-
weise zu, sondern erstrecken sich auch auf die
flüßigen, und machen überhaupt das Wesen
organisirter Körper aus.

§. 2.

[Seite 4]

Allein obgleich diese drey Stücke in der That
von einander unterschieden sind, und folglich einzeln
abgehandelt werden müssen, so sind sie doch in dem
belebten thierischen Körper, mit dem sich die Phy-
siologie einzig und allein beschäftiget, so innig un-
ter einander verbunden, daß man sich keine deutli-
che Vorstellung davon machen kann, wenn sie nicht
in ihrem Zusammenhange dargestellt werden.

Denn auch die lautersten Säfte unsers Kör-
pers enthalten noch immer einen erdigten Stoff,
und die festen, nach dem äußerlichen Ansehen sprö-
desten Theile, ihre ursprüngliche Bildung aus dem
Flüßigen abgerechnet, enthalten noch immer wäs-
serigte Ueberbleibsel; endlich ist keine Faser in dem
belebten Körper anzutreffen, worinnen man nicht
noch eine Spur der Lebenskraft entdeckte.

§. 3.

Wir wollen nun von jedem besonders handeln,
und zwar zuerst von den Flüßigkeiten; da sie über-
haupt den größten, a) und den ursprünglichen Be-
standtheil des menschlichen Körpers ausmachen.

a) Chr. Andr. Koch de proportione solidorum ad
fluida in c. b. Götting
. 1737. 4.

Zweyter Abschnitt.
Von den flüßigen Theilen des menschli-
chen Körpers überhaupt, und von dem
Blute besonders.

[Seite 5]

§. 4.

Alle Flüßigkeiten des menschlichen Körpers lassen
sich füglich unter drey Hauptklassen bringen:

A) Rohe Säfte, worunter vorzüglich der Nah-
rungssaft gehört, der sich in den ersten We-
gen befindet, und erst in Blut verwandelt
werden muß; sodann diejenige Feuchtigkeit,
die von der äußern Oberfläche des Körpers
aus der Atmosphäre eingesogen wird.

B) Das Blut selbst;

C) Endlich die aus dem Blute abgesonderten
Säfte; sie mögen nun zu einem besondern
und einheimischen Gebrauche bestimmt seyn,
oder als unnütze Auswürfe aus dem Körper
fortgeschaft werden.

§. 5.

Von der ersten und dritten Klasse wird in der
Folge bey der Lehre von der Bereitung des Nah-
[Seite 6] rungssaftes, und von der Absonderung der Säfte
gehandelt werden. Wir wollen hier von dem Blute
als dem wahren Lebenssaft, und dem Urquell aller
thierischen Säfte handeln; denn der rohe Saft
wird in Blut verwandelt, woraus sodann alle übri-
gen Feuchtigkeiten entspringen; das Blut strömmt,
einige Theile, z.B. das Oberhäutchen, die Spin-
newebhaut, das Schaafhäutchen, und den Schmelz
der Zähne ausgenommen, durch die ganze Substanz
des Körpers.

§. 6.

Es ist aber das Blut eine eigne, mehr oder
weniger rothe, klebrige und warme Flüßigkeit,
deren Zusammensetzung unter die Naturgeheimniße
gehört; denn alle Versuche der Scheidekünstler,
eine ähnliche flüßige Masse hervorzubringen, waren
bisher umsonst.

§. 7.

Wenn das Blut frisch aus der Ader gelassen,
und in einem Gefässe aufgefangen wird, bemerkt
man folgende Erscheinungen. a)

So lange das Blut noch warm ist, steigt
ein flüchtiger Duft in die Höhe, der sich unter ei-
ner Glasglocke in thauförmigen Tropfen ansamm-
let, wie klares Brunenwasser aussteht, aber ei-
nen brenzlichten, eigenen, wahrhaft thierischen Ge-
ruch hat (bey fleischfressenden Thieren noch auffal-
lender) und demjenigen Geruch ähnlich ist, der
aus dem frischgelassenen, noch warmen Urin, und
bey Leichenöffnungen, die sogleich nach dem Tode
[Seite 7] angestellt werden, aus dem Bauche und der Brust-
höhle aufsteigt. Ein großer Theil dieser wässerig-
ten Flüßigkeit bleibt den übrigen Bestandtheilen des
Blutes beygemischt.

a) Jo. Mart. Butt. de spontanea sanguinis separa-
tione. Edimb
. 1760. 8. recus. in Cl. Sandifort
thesauro dissertat. Vol. II.

§. 8.

So wie das Blut in dem Gefäße allmählig
erkaltet, trennt es sich von selbst in zwey Haupt-
bestandtheile. Es entstehet nämlich zuerst eine zu-
sammengeronnene Maße, aus deren ganzen Ober-
fläche eine röthlich gelbe Flüßigkeit ausschwitzt,
die man das Blutwasser nennet; je mehr aber
von diesem Blutwasser in der Folge durchschwitzt,
in einen desto kleinern Raum zieht sich die übrige
geronnene Blutmaße zurück, die alsdann den Na-
men des Blutkuchens erhält.

§. 9.

Aber auch diese geronnene Maße zerfällt,
durch starkes Rütteln, oder durch wiederholtes Ab-
schlemmen, wieder in zwey Bestandtheile; näm-
lich in den rothen Theil, (cruor) von dem die
rothe Farbe des Blutes herrühret, und durch das
Abschlemmen, von der Lymphe, als dem zweyten
Bestandtheile, getrennt wird, und daher auch der
Grund des Blutkuchens heißt. Daß der rothe Theil
mit der Lymphe inniger verbunden ist, als mit dem
Blutwasser, erhellet schon daraus, daß sich die
Lymphe nur mit grosser Gewalt von dem Cruor
[Seite 8] trennen läßt. Sobald aber die Lymphe von dem
rothen Theil getrennt worden, wird sie immer
blässer, bis sie endlich einer weissen, und ziemlich
zähen Gallerte ähnlich wird.

§. 10.

Dies sind die vier Hauptbestandtheile des Blu-
tes – der wässerichte; das Blutwasser; der
rothe Theil; endlich die gerinnbare Lymphe;
doch sind alle diese Theile in der natürlichen Wär-
me des thierischen Körpers innigst gemischt, und
stellen in diesem Zustande eine durchaus gleicharti-
ge Flüßigkeit vor.

Ich werde nun von den letzten drey Bestand-
theilen umständlicher handeln; denn der wässerichte
Theil hat für uns nichts Auszeichnendes, und kann
so wenig als die Luft, die in den übrigen Theilen
unsers Körpers sich befindet, als ein eigner Be-
standtheil des Blutes angesehen werden.

§. 11.

Das Blutwasser ist eine gallertartige Feuch-
tigkeit, von der vorzüglich die Klebrigkeit des Blu-
tes abhängt. Es hat mit dem Eyweis a) die größte
Aehnlichkeit; denn es gerinnt bey einer Wärme
von 150 Grad (nach dem Fahrenheitischen Ther-
mometer) zu einer weißen, schneidbaren, eyweis-
ähnlichen Masse, welches sogar nach 20 und meh-
rern Stunden sich ereignet, wenn man das Blut-
wasser nach Moskatis b) Versuchen, mit leben-
digem Kalch vermischt. Wird aber das Blutwasser
gelinde getrocknet, so verwandelt es sich von freyen
Stücken in eine durchsichtige, dem arabischen Gum-
[Seite 9] mi nach dem äußern Anschein ähnliche Substanz,
die allmählig, so wie das getrocknete Eyweis, un-
zählige, spiralförmige, und höchst sonderbar gestal-
tete Risse bekommt.

a) Poerner experimenta de albuminis ovorum, &
seri sanguinis convenientia. Lips
. 1754. 4.

b) Moscati nuove osservaz. ed experienze sul san-
gue &c. In seelta di opusc. interessanti. Mediol.
Vol
. XVI. p. 102.

§. 12.

Außer den übrigen Eigenschaften des Blut-
wassers, ist auch dies noch merkwürdig, was ich
nach Priestley's a) Versuchen so oft bestättigt ge-
funden habe: nähmlich die schnelle Einwirkung der
äußern Luft auf den Blutkuchen, die sich sogar
durch das darüberstehende Blutwasser erstreckt, und
die Farbe des rothen Theils zu verändern im Stan-
de ist; dahingegen die Luft auf denselben Blutku-
chen eine sehr unmerkliche, oder gar keine Wirkung
äussert, wenn der Blutkuchen, anstatt des Blut-
wassers, mit andern Flüßigkeiten, z.B. Wasser
oder Oel, oder mit andern thierischen Säften, z.
B. mit Speichel oder Urin bedeckt ist.

a) Philosoph. Transact. Vol. LXVI. P. I. p. 244.

§. 13.

Ein anderer uns höchst merkwürdiger Bestand-
theil des Blutes ist der Cruor, oder rothe Theil
des Blutes, der sich sowohl durch seine Farbe
[Seite 10] als durch die Figur seiner Theilchen, und sogar
durch die Elemente, welche durch die Gewalt des
Feuers ausgeschieden werden, besonders auszeichnet.
Dieser rothe Theil des Blutes scheint einer der
ausgearbeitetsten Säfte des thierischen Körpers zu
seyn, denn er kommt bey dem noch zarten unge-
bohrnen Kinde kaum vor der vierten Woche nach
der Empfängniß, in dem unausgebrüteten Hühn-
chen aber kaum vor der vierzigsten Stunde, zum
Vorschein, und wird nach häufigem Blutverlust,
unter allen Bestandtheilen am schwersten ersetzt.

§. 14.

Dieser rothe Theil besteht aus Blutkügel-
chen, die Leeuwenhoek zuerst beobachtet hat; sie
haben in dem frischen Blut eine bestimmte Figur
und Größe, und haben in keiner andern Flüßig-
keit des Körpers eine so gleichförmige Gestalt
(nur in der Milch findet etwas ähnliches statt),
sie scheinen also ein wesentliches Unterscheidungs-
zeichen von den übrigen Bestandtheilen des Blu-
res auszumachen, obgleich ihre Figur ungleich
einfacher seyn mag, als sie von verschiedenen
Gelehrten angegeben wird. Denn Leeuwenhoeks
eingebildete in einem sechsfachen Verhältniße ab-
nehmende Figur dieser Blutkügelchen, oder ihre
kettenförmige Gestalt, die della Torre a) gesehen
haben will, zu geschweigen, so habe ich doch auch
Hewsons b) Bläschen nie gesehen; sie schienen
mir allezeit kugelrund, und wenn mich meine Au-
gen nicht getäuscht haben, gallertartig zu seyn.
Auch will ich die linsenförmige Gestalt, welche
andere Beobachter angeben, zwar nicht läugnen,
[Seite 11] doch kann ich sie, meinen Wahrnehmungen zufolge,
auch nicht behaupten.

Man hat darüber gestritten, ob diese Kügel-
chen, wenn sie durch die Mündungen der kleinsten
Gefäße gehen, ihre Figur verändern. Es ist mir
nach Reichels c) Versuchen sehr wahrscheinlich,
daß sie ihre sphärische Gestalt in eine eyrunde ver-
wandeln, sobald sie aber in ein weiteres Gefäß
kommen, ihre vorige Gestalt wieder annehmen.

Diese kugelrunde Gestalt zeigt sich aber nur
in dem lebendigen, oder wenigstens frisch gelas-
senen Blute; denn mit der Zeit geht diese Gestalt
verlohren, und die Kügelchen scheinen gleichsam zu
zerfließen.

a) Jo. Mar. Della Torre nuove osservaz. intorno
la storia natur. Neap
. 1768. 8. p. 95.

Nuove osservaz. microscop. ibid. 1776. 4.
p. 83.

Daß dieß eine optische Täuschung gewesen, hat
Herr Köstlin durch Versuche dargethan, die er
mit der Vergrößerungslinse des della Torre selbst
anstellte, S. Fascic. animadvers. Stuttg. 1780.
4. p. 12.

b) Philos. Transact. Vol. LXIII. P. II. p. 303.

c) Reichel de sanguine ejusque motu experimenta,
Lips. 1767. 4. p. 27.

§. 15.

Auch über die Größe dieser Blutkügelchen sind
die Physiologen uneinig. Hales setzt ihren Durch-
messer auf 1/3240, Senak auf 1/3300 eines Zolles,
andere anders.

§. 16.

[Seite 12]

Die Farbe dieser Kügelchen ist roth, und
von ihnen rührt überhaupt die rothe Farbe der
ganzen Blutmaße her. Es giebt aber mannigfal-
lige Abstuffungen dieser Farbe; so ist das Blut
bey Thieren, die eine schlechte Nahrung haben,
oder nach einem beträchtlichen Blutverlust, über-
haupt blässer; das Blut, welches in den Arterien
fließt, oder aber der äußern, besonders der de-
phlogistisirten Luft ausgesetzt ist, pflegt eine hell-
rothe Farbe zu haben; dahingegen, wenn das Blut
in den Venen fließt, oder von der fixen und brenn-
baren Luft berührt wird, dunkler gefärbt ist.

§. 17.

Ueberhaupt sind die Ursachen, welche die ro-
the Farbe des Blutes erhöhen, leicht anzugeben;
allein worinn eigentlich die erste Anlage zu dieser
Farbe bestehen möge, ist schwer zu entscheiden.
Haller setzt die Ursache in der Eisenerde, die in
dem Blute häufiger, als in den übrigen Säften
enthalten ist; obgleich die Menge derselben im
Ganzen ziemlich unbeträchtlich ist, und von ver-
schiedenen Schriftstellern verschiedentlich angegeben
wird; sie verhält sich z.B. nach Menghin zur gan-
zen Blutmaße wie 1 : 110. Nach Rhades aber wie
1 : 427. Nach andern Versuchen aber wie 1 : 50.

Wobey jedoch zu bemerken ist, daß das Eisen
erst nach der Calcination des rothen Bluttheils zum
Vorschein kommt; dahingegen der Blutkuchen lang-
sam getrocknet und fein gepülvert, weder mit Was-
ser noch mit Quecksilber vermengt, von dem Mag-
net nicht im geringsten angezogen wird.

§. 18.

[Seite 13]

Zuletz haben wir noch die gerinnbare Lym-
phe zu betrachten, die man auch den Grund des
Blutkuchens, oder den schleimigten, gallertartigen,
oder auch den faserigen Theil des Blutes nennt.

Dieser Grundtheil wird fälschlich mit dem
Blutwasser für einerley Bestandtheil gehalten, von
dem er doch wesentlich unterschieden ist; indem
er bey dem Zutritt einer etwas kühlern Lust gerin-
net, durch beygemengtes Kalkwasser hingegen, wo-
durch das Blutwasser gerinnet, flüßig erhalten wird,
oder durch die Beymischung desselben aus dem geron-
nenen Zustande in einen Flüßigen übergehet.

§. 19.

Die Weise, wodurch die gerinnbare Lymphe
von dem rothen Bluttheile getrennt wird, haben
wir oben (§. 9.) angezeigt. Sie wird aber auch
durch andere Kunstgriffe z.B. durch Peitschen
mit Ruthen, in eine Art von Membran verwan-
delt, die man die Royschische zu nennen pflegt. a.)

Aus der Aehnlichkeit zwischen dieser künstlichen
Membran, und einigen merkwürdigen Erscheinun-
gen, besonders bey Entzündungskrankheiten, er-
hellet, daß die gerinnbare Lymphe den größten An-
theil daran hat.

Hieher gehört das sogenannte Entzündungs-
fell beym Seitenstich; und andere dergleichen un-
ächte Membranen, welche aus den entzündeten Ein-
geweiden durchzuschwitzen, und dieselben zu umzie-
hen pflegen; hieher gehört auch einigermassen Hun-
ters abfallende Haut, welche aus der Höhle der
durch den Beyschlaf erhitzten und geschwängerten Ge-
[Seite 14] bährmutter ausduftet; ferner das zellichte Gewebe,
wodurch bey Lungenentzündungen die Lungen mit
dem Rippenfell verwachsen, oder nach großen Blur-
ergiessungen in die Bauchhöhle angetroffen wird;
oder wodurch, damit ich ein besonderes Beyspiel
anführe, eine versteinerte, in der Bauchhöhle lan-
ge Zeit aufbehaltene Leibesfrucht mit den benach-
barten Eingeweiden, fest zusammen hienge. b) Auch
die Schleinpfröpfe, und andere dergleichen Gerin-
nungen scheinen dieses Ursprunges zu seyn.

a) Ruysch thesaur. anat. VII. P. II. tab. III. fig. 6.
cf. thesaur. I. p. 14. sq. tab. II. fig. E.

b) Commentar. Soc. Scient. Götting. Tom. VIII.

§. 20.

Aus diesen und andern, in der Folge anzufüh-
renden Erscheinungen läßt sich die Wichtigkeit die-
ses Bestandtheiles einsehen; und überhaupt, wofern
anders in dem Blute ein belebter Grundstof vorhan-
den ist, wie mir sehr wahrscheinlich vorkommt, so
hat die gerinnbare Lymphe den größten Antheil
daran.

§. 21.

Außer diesen jetzt angeführten Bestandtheilen
des Blutes, giebt es auch noch andere, wie ich be-
reits oben (§. 10.) erinnert habe.

Hieher gehört vorzüglich die Luft, welche 1/33
Theil der ganzen Blutmaße ausmachen soll; die
aber in dem lebendigen und gesunden Blute nicht
in einer losgebundenen und elastischen Gestalt er-
[Seite 15] scheint, sondern auf das innigste damit vermischt,
und gleichsam verkörpert ist, und sich nur mit großer
Mühe davon trennen läßt. Ich bin sogar durch
Versuche überzeugt worden, daß die Luft, wenn sie
in einer noch so kleinen Menge in die Droßelader
eines lebendigen Hundes eingesprützt wird, die hef-
tigsten Zufälle, nämlich Herzklopfen, Betäubung,
Zuckungen, und in größerer Menge, den Tod ver-
ursacht. a)

a) Von diesen Versuchen sehe man meine medizini-
sche Bibliothek. B. I. S. 177.

§. 22.

Das Verhältniß dieser jetzt angeführten Be-
standtheile ist nach der Verschiedenheit des Alters,
der Nahrungsmittel, und andere Umstände, wor-
innen die eigentliche Gesundheit jedes einzelnen
Menschen bestehet, äußerst verschieden.

§. 23.

Eben st wenig läßt sich mit Zuverläßigkeit das
Verhältniß der Blutmaße gegen den ganzen Kör-
per bestimmen. Haller setzt sie in einem erwach-
senen Menschen auf 30-36 Pfund Blut an;
andere geben andere Verhältnisse an.

Dritter Abschnitt.
Von den festen Theilen des menschlichen
Körpers überhaupt, besonders aber
von dem Zellgewebe.

[Seite 16]

§. 24.

Selbst die festen Theile a) haben ihren Ursprung
von den flüßigen. So entstehen aus den ersten
Anfängen des noch gallertartigen ungebohrnen Kin-
des, allmälig an den gehörigen Orten feste Thei-
le, die durch unzählige Grade des Zusammenhan-
ges von einander unterschieden sind b) nämlich von
den weichsten, beynahe breyartigen Theilen z.B.
der Marksubstanz des Gehirns, bis zu der härte-
sten Substanz, nämlich die Glasur der Zähne.

a) Hier. Dav. Gaubii Spec. exhibens ideam genera-
lem solidorum c. h. partium L. B
. 1725. 4.

b) Abr. Kaau Boerhaave de cohaesione solidorum in
corpore animali in Nov. comment. acad. Petropo-
litan. Tom
. IV. p. 343. seq.

§. 25.

Die Grundlage aller festen Theile besteht aus
einer mehr oder weniger, größtentheils kalkartigen
[Seite 17] Erde, die aber mit Säuern (meistens mit Phos-
phorsäuere, und auch Zuckersäuere) verbunden ist.
Der Zusammenhang aber, wird theils durch die
Menge der fixen Luft, a) die (nach Hales Ver-
suchen) desto größer ist, je dichter diese Theile sind;
theils mittelst des sogenannten thierischen Leimes,
desgleichen z.B. der gemeine Tischlerleim ist, der
aus den festen Theilen der Thiere ausgezogen wird.
Die Entstehung dieses leimigten Wesens läßt sich
aus dem, was von der klebrigten Beschaffenheit
des Blutes oben gesagt worden, leicht erklären.

Die Eisentheilchen, die nach einigen, soviel
zur Festigkeit beytragen sollen, scheinen mir hier
kaum in Anschlag zu kommen, da ihre Menge sehr
unbeträchtlich ist; indem zwey Pfund der dichtesten
Theile, nämlich der Knochen, kaum 1/2 Gran Eisen
enthalten.

a) Die Eigenschaften der Luft sind uns noch nicht
durchgängig bekannt. – Nur so viel ist ausge-
macht, daß die Luft einen Bestandtheil des thie-
rischen Leimes ausmacht, wodurch die Elemente
aller festen Körper in dem ganzen Naturreiche
zusammen hangen; so zwar, daß kein Metall,
kein Stein, keine Muschel, kein Salz aufgelöset
werden kann, woben nicht Luft entwickelt wird.
Halleri Physiol. Vol. III. p. 271.

§. 26.

Die meisten festen Theile haben einen fase-
rigten Bau, der aus mehr oder weniger gleichlau-
fenden Faden zusammengewebt ist. Dies sieht man
bey Knochen, besonders noch ungebohrner Kinder,
[Seite 18] in dem Muskelfleisch, in den Sehnen, Bändern,
sehnigen Ausbreitungen, und einigen Membranen,
z.B. der harten Hirnhaut u.s.w.

§. 27.

In andern Theilen hingegen bemerkt man
keinen faserigten Bau; sie scheinen vielmehr aus
einem eigenen Gewebe, daß die Griechen Paren-
chyma
nannten, zu bestehen, wie dies vorzüglich
bey absondernden Eingeweiden, z.B. den Nieren,
der Leber u.s.w. der Fall ist.

§. 28.

Aber alle diese Theile, ihr Bau mag nun aus
Fasern bestehen, oder ein eigenes Gewebe vorstellen,
hangen mittelst des Zellgewebes, das unter die vor-
nehmsten und merkwürdigsten Theile des thierischen
Körpers gehöret, auf das innigste zusammen. a)

a) Dav. Chr. Schobinger (praef. Hallero) de telae cel-
lulosae in fabrica c. h. dignitate. Gött
. 1748. 4.

§. 29.

Denn zuerst bestehen viele unserer festen Theile
beynahe ganz aus einem solchen Zellgewebe, z.B.
die meisten Membranen und Knorpel, die sich durch
eine fortgesetzte Mazeration, in ein lockeres Zellge-
webe wiederum auflösen lassen. Bey anderen Thei-
len ist diese Zellhaut so innig einderwebt, daß sie
den übrigen Bestandtheilen gleichsam zur Hülle und
Stütze dienet; so bestanden ehemals die härtesten
[Seite 19] Knochen aus einem Knorpel, der selbst nichts an-
ders als ein dichtes Zellgewebe war, in der Folge
aber von dem sich ergißenden Knochensaft in ein
lockeres Gewebe ausgedehnet, und gleichsam ganz
davon durchdrungen wurde. Dieses Zellgewebe er-
streckt sich auf alle festen Theile des Körpers, die
Glasur der Zähne ausgenommen, worinn ich auch
durch die stärksten Säuern keine Spur davon ent-
decken konnte.

§. 30.

Ferner macht dieses Zellgewebe gleichsam Schei-
dewände zwischen den angrenzenden Theilen, beson-
ders bey Muskeln und Membranen anderer Theile,
z.B. Blutgefäße und Nerven werden davon unter-
stützt. Ueberhaupt ist dieses Zellgewebe das gemein-
schaftliche Band aller festen Theile des Körpers.

§. 31.

Hieraus folgt zweyerley:

1) Daß dieses Zellgewebe gleichsam die Grund-
lage des ganzen thierischen Körpers ausmacht, so
daß, wenn wir in Gedanken alles übrige, was nicht
Zellgewebe ist, von dem Körper absondern, und
uns nur dieses zurückbleibende Gewebe vorstellen,
dem ungeachtet die ganze Gestalt des Körpers und
seiner Theile unverändert zurückbleibt.

2) Daß eben mittelst dieser allgemeinen Grund-
lage, zwischen allen, auch noch so verschiedenen,
und von einander entfernten Theilen des Körpers,
ein gemeinschaftlicher Zusammenhang und Weg offen
steht; woraus man sowohl die Streitigkeiten über die
[Seite 20] Fortsetzung der Membranen, als auch verschiedene
Erscheinungen in dem kranken Körper erklären kann.

§. 32.

So wie nun dieses Zellgewebe den meisten
festen Theilen des Körpers den ersten Stof und
Grundlage mittheilt, so hat es selbst seinen Ur-
sprung, wie es mir wahrscheinlich ist, aus der ge-
rinnbaren Lymphe des Blutes; so sahe ich in Lun-
genentzündungen diese gerinnbare Lymphe in ein sol-
ches Zellgewebe übergehen, welches sodann jene un-
ächte Membranen bildet, wodurch nachmahls die
Lungen mit dem Rippenfell verwachsen.

§. 33.

Dieses mag von der Natur und Wichtigkeit
des Zellgewebes hinreichen. Ich werde nur noch
einige Besonderheiten desselben anführen.

Das Zellgewebe ist nicht überall gleich dicht,
überhaupt scheint es in dem Menschen im Ganzen
genommen, ungleich feiner zu seyn, als bey den
übrigen Thieren; und in dieser Zartheit scheint mir
sogar ein gewisses Vorrecht der menschlichen Natur
zu liegen, wodurch unser Körper nicht nur für fei-
nere Rührungen der Sinne, sondern auch zur Her-
vorbringung mannigfaltiger Bewegungen, und Ver-
vollkommung verschiedener thierischer Verrichtungen,
fähiger gemacht wird.

Aber auch in dem menschlichen Körper ist die-
ses Zellgewebe nach Verschiedenheit des Alters, des
Geschlechts, der Lebensweise, des Clima u.s.w.
dichter oder lockerer.

[Seite 21] Auch die Verschiedenheit der Theile des Kör-
pers macht einen Unterschied: es ist z.B. lockerer
an den Augenliedern, und an der Vorhaut, straffer
hinter den Ohren u.s.w.

§. 34.

Außer diesem allgemeinen Nutzen, den das
Zellgewebe dem Körper gewähret, (§. 29. 30.)
ist noch ein anderer Vortheil anzuführen, dieser
nämlich, daß die Zellen dieses Gewebes zur Auf-
nahme verschiedener Flüßigkeiten bestimmt sind.

Und zwar nehmen sie vorzüglich jenen wäßri-
gen Duft auf, wovon fast alle Theile des Körpers
befeuchtet und schlüpfrig gemacht werden, und denn
dieses Zellgewebe gleichsam wie ein Schwamm ein-
saugt. a)

a) Wofern man diese zarten Zwischenräume, die wie
ein Schwamm einsaugen, Gefäße nennen will,
so bin ich mit Hunter ganz einig. (Medical ob-
serv. and inquiries Vol
. II. p. 27.) daß dieses
Zellgewebe, so wie alle andere Theile des Kör-
pers, aus Gefäßen bestehet. In dem Sinne
hingegen, als ob dieses ganze Zellgewebe aus lau-
ter kleinen zurückführenden Röhrchen bestehe, bin
ich ganz anderer Meinung, indem mich meine mi-
kroscopischen Versuche, die ich mit der größten
Genauigkeit angestellt, und wobey ich mich vor
allen optischen Täuschungen auf das sorgfältigste
verwahret habe, das Gegentheil belehren.

§. 35.

An einigen andern Stellen des menschlichen
Körpers nimmt das Zellgewebe auch andere Flü-
[Seite 22] ßigkeiten auf. – So enthält z.B. jenes Zellgewe-
be des Auges, welches der Glaskörper heißt, die
Glasfeuchtigkeit.

So die Markhaut der Knochen (die man sehr
unschicklich die innere Beinhaut nennet) das Kno-
chenmark.

Ein großer Theil endlich dieses Zellgewebes,
das zwischen den weichen Theilen lieget, enthält
das übrige Fett.

§. 36.

Bey diesem Fett findet folgende dreyfache
Verschiedenheit statt:

Denn Erstens giebt es einige Theile des Kör-
pers, deren Zellgewebe, obschon es ungemein zart
und locker ist, nicht das geringste Fett enthält; z.
B. an den Augenliedern, und an den männlichen
Geschlechtstheilen u.s.w.

Ferner ist das Fett an unzähligen Stellen des
Körpers mehr oder weniger ausgegossen, und zwar,
wie es scheint, in eben denjenigen Zellen, welche
gewöhnlich jenen wäßrigen Duft, von dem oben
die Rede war, einsammeln; obgleich Hunter a. a.
O. S. 33. anderer Meinung ist.

Endlich aber ist das Fett an einigen Stellen
des Körpers in eigenen und begränzten Fächern
eingeschlossen, weil es auch dort zu einem besondern
Nutzen bestimmt ist; hieher gehört das Fett an
dem Schaamhügel, das nach meinen Beobachtun-
gen eine eigene und begränzte Fettmaße bildet. a)

a) Dieß habe ich sehr deutlich in dem weiblichen
todten Körper einer Meerkatze, (Simia cynomol-
[Seite 23] gus) den ich in der Kälte liegen ließ, gesehen;
wo ich diese Fettmaße ganz ausschälen konnte.

§. 37.

Uebrigens scheint mir hier der schicklichste Ort
zu seyn, von dem Fette selbst zu handeln. a)

Das Fett ist eine ölichte Substanz, die mit
den schmierigen Pflanzenölen eine große Aehnlich-
keit hat b), dabey mild, geruchlos, leichter als
Wasser ist, und Brennstoff enthält der mittelst ei-
ner eigenen Säure, mit den wäßrigen Theilen sich
verbindet. c)

a) GH. Xav. Jansen pingnedinis animalis consideratio
physiologica pathologica. LB
. 1784. 8.

b) Joach Died. Brandis comm. (praemio regio ornata)
de oleor. unguinosor, natura. Götting. 1785. 4.
p. 13. seq.

c) Jaach. Jacob. Rhades de ferro sanguinis hum. aliis.
que liquidis animalium. Götting
. 1753. 4. cap.
IV. de adipe humano.

Dav. H. Knape (praes. Seguero) de acido pingnedinis
animalis. ibid
. 1754. 4.

Laur. Crell chemisches Journal 1778. 1. Thl.
S. 102 u. f.

§. 38.

In dem ungebohrnen Kinde entstehet das Fett
sehr spät, so daß man vor dem fünften Monate
nach der Empfängniß, kaum eine Spur davon un-
terscheiden kann.

Auch seine Flüßigkeit ist nach den verschiede-
nen Theilen verschieden. Es ist z.B. flüßiger in-
[Seite 24] den Augenhöhlen; dichter hingegen, und fast wie
Inselt, in der Nierengegend.

§. 39.

Man hat gestritten, ob das Fett mittelst eige-
ner Drüsen, wie Hunter glaubt, abgesetzt wird,
oder nur aus den Arterien durchschwitzt. Die letz-
tere Meinung ist, außer andern Gründen, auch
darum wahrscheinlich, weil man zuweilen das Fett
auf eine widernatürliche Weise, auch an solchen
Stellen, wo gewöhnlich keines enthalten ist, ange-
troffen hat: eine Erscheinung, die sich viel leichter
aus einer fehlerhaften Beschaffenheit der fettabse-
tzenden Gefäße, als aus widernatürlich entstande-
nen neuen Drüsen erklären läßt; so hat man z.B.
in dem Augapfel selbst Fett gefunden, und eine ähn-
liche schmierige Substanz pflegt den leeren Raum
eines ausgerotteten Hoden einzunehmen, und es ist
beynahe keine Höhle in dem menschlichen Körper,
worinnen man nicht zuweilen Speckgeschwülste an-
getroffen hat.

Ueberhaupt gehören die fettabsetzenden Drü-
sen unter die Geschöpfe der anatomischen Einbil-
dungskraft.

Soviel ist indessen gewiß, daß sowohl die
Absonderung, als Einsaugung des Fettes schleunig
von statten gehet.

§. 40.

Der Nutzen des Fettes ist mannigfaltig. Es
macht die festen Theile schlüpfrig, und befördert
die Muskelbewegung. Es vermindert die allzugroße
[Seite 25] Empfindlichkeit; schützt vor Kälte; dehnt die Haut
in gleiche Verhältniße aus, und trägt nicht wenig
zur Schönheit des Körpers bey.

Ich übergehe hier den örtlichen Nutzen des
Fettes an einigen Theilen, z.B. das Knochen-
mark.

Zur Ernährung des menschlichen Körpers
scheint mir das Fett nicht das geringste beyzu-
tragen. a)

a) Daß aber die blutlosen Insekten aus ihrem über-
flüßigen Fett den größten Theil ihrer Nahrung
ziehen, hat Lyonet sehr wahrscheinlich gemacht.

P. Lyonet Tract. anat. de la Chenille qui ronge les
bois de Saule p
. 428. 483. seq. & praefat.
p
. XIII.


Vierter Abschnitt.
Von den Lebenskräften überhaupt, be-
sonders aber von der Zusammenzieh-
barkeit.

[Seite 26]

§. 41.

Wir schreiten nun zu einer schweren Abhandlung,
nämlich zur Betrachtung des belebten Stoffes, a)
und der Lebenskräfte, die unsern Körper gleichsam
beseelen, und denselben, sowohl für die sinnlichen
Reitze empfänglich, als zur Hervorbringung ver-
schiedener Bewegungen fähig machen.

a) Gualt. Forsten Verschuir Oratio de recentiorum
medicorum, imprimis Belgarum meritis, in phae-
nomenis & effectibus principii, quod vitam ani-
malem constituit, indagandis. Groning
. 1781. 4.

Math. van Geuns de eo, quod vitam constituit in
corpore animali. Groning.
1758. 4. recus, in
Sandifort thesaur. Voll. II.

Joh. Theod. van der Kemp, de vita & vivificatione mate-
riae humanum corpus constituentis. Edimb
. 1782. 8.

§. 42.

Wir müssen also hier vorzüglich die Gränzen
des belebten thierischen Stoffes bestimmen; wobey
[Seite 27] jedoch diejenigen Kräfte, welche der menschliche
Körper in der Natur mit andern Körpern gemein-
schaftlich hat, z.B. die Elasticität (die übrigens
einen großen Einfluß auf die thierische Haushaltung
hat, a) eben so wenig in Anschlag kommen, als
die Seelenkräfte, obgleich auch diese auf die thieri-
schen Kräfte eine große Herrschaft ausüben. Nur
von denjenigen Kräften soll hier gehandelt werden,
die den verschiedenen Arten des organisirten Stof-
fes eigen sind, und sich nach meiner Meinung auf
folgende Klassen zurückführen lassen.

a) Jo. Henr. Schulze de elasticitatis effectibus in ma-
china humana. Hallae
1738. recus. in Halleri
collect. anatom. Vol. III.

§. 43.

Die erste und allgemeinste dieser Kräfte, die
unter den übrigen den niedrigsten Rang behauptet,
ist die Zusammenziehbarkeit, oder das Bestreben
sich zusammenzuziehen. Diese Kraft scheint mir ihren
Sitz vorzüglich im Zellgewebe zu haben, und ist da-
her, wie das Zellgewebe selbst, über den ganzen
Körper verbreitet. Vielleicht könnte man diese Kraft
ganz schicklich die Kraft des Zellgewebes nennen.

§. 44.

Die zweyte Art der Lebenskräfte ist die Hal-
lerische Reitzbarkeit, die eine besondere Eigen-
schaft der Muskelfaser ist, und daher auch die
Muskelkraft heißt. Sie äußert sich durch eine be-
sonders schwingende, und gleichsam bebende Bewe-
[Seite 28] gung; von der einfachen Zusammenziehung unter-
scheidet sie sich hinlänglich dadurch, daß sie von ei-
nem jeden schärfern Reitz leicht wieder erweckt wird.

§. 45.

Die dritte Art ist die Empfindlichkeit, die
auch, weil sie ein Vorrecht des mit dem Gehirn
verbundenen Nebenmarkes ist, die Nervenkraft
heißt, von der es herrührt, daß die empfindlichen
Theile, wenn sie auf irgend eine Weise gereitzt
werden, die Empfindung dem Gehirn mittheilen.

§. 46.

Diese drey Arten könnte man die gemein-
schaftlichen Lebenskräfte nennen, da sie in allen
gleichartigen Theilen unsers Körpers sich mehr
oder weniger äußern.

§. 47.

Aber außer diesen kommt noch eine vierte Le-
benskraft in Betrachtung, nämlich das besondere
Leben, worunter ich diejenigen Kräfte befasse, die
man an einzelnen, zu einzelnen Verrichtungen bestimm-
ten Organen wahrnimmt, und nicht wohl unter die
vorhergehenden Klassen gebracht werden können.

Daß Theile, welche an Bau und Verrichtun-
gen von den übrigen Theilen sich unterscheiden, auch
mit besondern Kräften dazu ausgerüstet seyn können,
ist an sich keine so ungereimte Vorstellung.

Aller auch aus der Erfahrung, aus einer ge-
nauen Beobachtung der Natur, können wir uns
überzeugen, daß einige Theile, besonders Einge-
weide, so sonderbare Bewegungen hervorbringen,
die sich unmöglich aus einer der vorerwähnten Le-
[Seite 29] benskräfte erklären lassen, sondern ein gewisses
eigenes Leben vorauszusetzen scheinen.

Hieher gehört z.B. die Bewegung des Augen-
sterns; das Steifwerden der Brustwarzen; die Be-
wegung der fallopischen Gänge; die Trennung der
Nachgeburt; und das Geschäft der Gebährmutter
bey der Geburt; das Heruntersinken der Hoden in
dem ungebohrnen Kinde; und wenn ich mich nicht
irre, fast das ganze Absonderungsgeschäft der thie-
rischen Säfte.

§. 48.

Endlich ist hier noch der Bildungstrieb zu
betrachten übrig, der als die würkende Ursache des
ganzen Zeugungsgeschäftes (nämlich in der weitesten
Bedeutung) in sofern sowohl Ernährung und Wie-
derersetzung blosse Modificationen der Zeugung sind,
angesehen werden muß; denn von diesem Bildungs-
triebe rührt es her, daß sowohl der Zeugungs- als
Nahrungsstof in ihren gehörigen Werkzeugen auf-
genommen, zur gehörigen Reife gebracht werden,
ihre gehörige Gestalt erlangen, und auf diejenigen
Theile hingeleitet werden, welche in der Folge durch
ihre vierfache oben angeführte Lebenskraft, nämlich
Zusammenziehbarkeit, Reitzbarkeit, Empfindlichkeit,
und durch ihr eigenes Leben sich auszeichnen.

§. 49.

Von diesem Bildungstriebe wird nachher bey
der Betrachtung des Zeugunsgeschäftes umständ-
licher gehandelt werden.

Die Reitzbarkeit kommt bey der Muskelbe-
wegung vor.

Die Empfindlichkeit gehört in den Abschnitt
des Nervensystems.

[Seite 30] Von dem eigenen Leben wird allzeit an seinem
gehörigen Orte gehandelt werden.

Nur von der Zusammenziehbarkeit habe ich
hier noch ein und anderes zu erinnern.

§. 50.

Diese Zusammenziehbarkeit erstreckt sich über
den ganzen Körper, so weit nämlich das Gebier
des Zellengewebes reicht.

Sie findet sich also zuerst bey solchen Theilen,
die ganz und gar aus einem Zellengewebe bestehen,
z.B. in Membranen; denn daß diese sich zusam-
menziehen erhellet aus der Zusammenziehung der
Fleischhaut des Hodensacks, (Membrana tardos)
aus dem Krämpfen der Haut, oder des Darmfells,
welches öfters die eingeklemmten Därme fest zusam-
menschnürt.

Ferner in denjenigen Eingeweiden, die vorzüg-
lich aus dieser Zellenhaut zusammengewebt sind;
hieher gehören die Lungen, deren äußere Oberflä-
chen, wie ich bey Zergliederungen lebendiger Thie-
re oft gesehen habe, die Fähigkeit haben sich zu-
sammenzuziehen, aber nicht im geringsten reitzbar
sind, wie unlängst Varnier behaupten wollte.

Sogar die Knochen besitzen diese Eigenschaft;
den die Zahnhöhlen ziehen sich nach dem Ausfallen
der Zähne zusammen; in der Beinfäule zieht sich
das neue Bein, welches vorher den abgestorbenen
und abgeblätterten Knochen umgab, allmälig zu
seiner ehemaligen Dicke und Gestalt zurück.

Da aber der Schmelz der Zahne kein Zellge-
webe aufzuweisen hat, (§. 29.) so scheint er auch
keine Zusammenziehbarkeit zu besitzen; welches vor-
züglich daher wahrscheinlich ist, weil der Rest eines
[Seite 31] angefressenen oder abgebrochenen Zahnes, sich nicht
wie die Zahnhöhlen zusammenziehet, sondern eine
immer offene Spalte zurückläßt.

§. 51.

Auf dieser Zusammenziehbarkeit des Zellgewe-
bes beruhet vorzüglich die Stärke und Gesundheit
des menschlichen Körpers. Sie macht eigentlich das-
jenige aus, was Stahl die Spannung der festen
Theile zu nennen pflegte; denn dieses Zellgewebe,
um nur ein Beyspiel anzuführen, saugt in dem ge-
sunden Körper die ausgedünsteten Feuchtigkeiten wie
ein Schwamm in sich und treibt dieselben, ver-
möge seiner zusammenziehenden Kraft, in die Lymph-
gefäße fort; in dem kranken, und so zu sagen ent-
spannten Zustande hingegen wird das Zellgewebe mit
stockendem Gewässer angefüllt, und giebt zu Wasser-
geschwülsten, und andern Ausartungen der Säfte,
Anlaß.

§. 52.

Da sich nun diese Zusammenziehbarkeit des
Zellgewebes durch den ganzen Körper verbreitet, so
fällt ihr Einfluß auf die übrigen Lebenskräfte, deut-
lich in die Augen; so wie von der verschiedenen
Beschaffenheit und von den unzähligen Graden des
Zusammenhanges, den man an verschiedenen Thei-
len des Körpers bemerkt, die eigene Gesundheit
eines jeden einzelnen Menschen, und ihre verschie-
dene Leibesbeschaffenheit abhängt.

Fünfter Abschnitt.
Von der Gesundheit und von der mensch-
lichen Natur.

[Seite 32]

§. 53.

Diese drey Stücke, (§. 1.) mit denen wir uns
bisher beschäftigt haben, befinden sich in dem
menschlichen Körper in einer beständigen wechselsei-
tigen Wirkung und Gegenwirkung. Die flüßi-
gen Theile wirken als eben so viele Reitze auf die fe-
sten; und diese sind vermöge ihrer Lebenskraft für
diese Reitze empfänglich, und wirken zugleich auf die
flüßigen Theile zurück. In dem gesunden Zustande
des Menschen sind Wirkung und Gegenwirkung dieser
Theile, in einem vollkommenen Gleichgewicht.

§. 54.

Hieher gehört auch die besondere Mitempfin-
dung, die zuweilen zwischen den entferntesten Thei-
len Statt findet, und von ganz verschiedenen Ursa-
chen herrühret. a) Eine Ursache der Mitempfindung
liegt in dem Nerven, ihren sonderbaren Anreihun-
gen, (Annastomosis) und dem verwickelten Bau
ihrer verschiedenen Geflechte und Knoten, wodurch
es geschieht, daß die Reizungen der Nerven, wenn
[Seite 33] sie auf das allgemeine Sensorium fortgepflanzt wer-
den, auf die entferntesten Theile wieder zurückwir-
ken können.

Andere Mitempfindungen von dem System
der Blut- und Lymphgefäße.

An einigen Stellen entsteht die Mitempfindung
aus dem ähnlichen Bau der Theile.

Ich übergehe hier den Einfluß des Zellgewe-
bes, das, indem es alle Theile des Körpers unter-
einander verbindet, auch die gegenseitige Einwirkung
dieser Theile nothwendig befördern muß.

a) Langhaus de consensu partium c. h. Goett.
1749. 4.

§. 55.

Hieher gehört endlich auch die große und un-
erklärbare Symphathie, die zwischen dem Körper
und der Seele eintritt; wovon ich vorläufig nur
dieß erinnern will, daß ausser der Macht, die der
Wille über die meisten Muskeln zu äußern pflegt,
noch andere Veränderungen in dem Körper sich
ereignen, welche ganz ausserhalb dem Gebiete des
Willens liegen.

Hieher gehören die blinden und angebohrnen
Naturtriebe; z.B. der Geschlechtstrieb.

Auch die inneren Sinne, besonders die Ein-
bildungskraft und die daraus entstehenden Gemüths-
bewegungen haben eine große Herrschaft über den
menschlichen Körper.

Und eben durch diese Dazwischenkunft kommt
der Körper auch mit den höhern Fähigkeiten in eine
nähere Verbindung.

§. 56.

[Seite 34]

Aus dieser mannigfaltigen Uebereinstimmung
der festen und flüßigen Theile und den Lebenskräf-
ten, (§. 53.) aus dieser Mitempfindung der verschie-
denen Theile, (§. 54.) und aus dieser innigen Ver-
bindung der Seele und des Körpers (§. 55.) quillt
Leben und Gesundheit, die aber beyde nicht von
gleicher Ausdehnung sind, aber nur durch unzählige
Abstuffungen von einander unterschieden sind.

§. 57.

Denn die verschiedenen Grade des Lebens be-
finden sich zwey Extremitäten, deren eine das größ-
te das andere aber das kleinste ist.

Das größte Leben besteht darinnen, wenn
in der Blüte des menschlichen Lebens, alle Ver-
richtungen des Körpers den höchsten Gipfel der
Vollkommenheit erlangt haben.

Das kleinste Leben hingegen ist alsdann vor-
handen, wenn die Verrichtungen des Körpers nach
gewissen Umständen zwar vollkommen, nur ungleich
langsamer von statten gehen; so ist das Leben des
neugebohrnen Kindes in Mutterleibe, und zwar de-
sto kleiner, je zarter und näher es noch an seinem
Ursprunge ist; so ist das Leben eines schlafenden
Menschen im Ganzen betrachtet kleiner, als eines
wachenden; das Leben des Greises ist kleiner als
das Leben des Mannes.

§. 58.

Aber auch die Gesundheit hat unzählige Gra-
de, und fast kann man sagen, daß jeder einzelne
[Seite 35] Mensch nach einer eigenen Weise gesund sey: a)
denn auch die gesundesten Menschen, sind nach der
verschiedenen Mischung des Blutes, nach der
Spannung ihres Körpers, und in Beziehung auf
ihre übrigen Lebenskräfte, sehr von einander un-
terschieden, so daß nicht alle Körper von einem und
demselben Reitzmittel auf gleiche Weise gereitzt wer-
den. Vielleicht besitzt jeder Körper eigene, nur
minder auffallende Besonderheiten; fast jeder Mensch
kann durch Macht der Gewohnheit gewisse, an sich
noch so unschuldige Dinge nicht vertragen; oder
verträgt auch ungewöhnliche Dinge, ohne alle Be-
schwerde, und sehnt sich sogar darnach.

a) Ge. Fr. Ad. Gerresheim de sanitate cuivis homini
propria L. B
. 1704. 4.

§. 59.

Hierauf beruhe vorzüglich die Beschaffenheit
und Mannigfaltigkeit der Temperamente, die so-
wohl von dem verschiedenen Verhältniß und Mischung
des Blutes, (§. 22.) als von der verschiedenen
Stärke der Lebenskräfte, ihrer verschiedenen Ein-
wirkung auf die Seele, und von der Zurückwirkung
der Seele auf dieselben herrühret, wodurch sowohl
eine besondere Empfänglichkeit für die Reitzungen,
als auch eine größere oder geringere Leichtigkeit, ge-
wisse Bewegungen hervorzubringen, entstehen muß.

§. 60.

Die Mannigfaltigkeit der Temperamente ver-
lieret sich ins unendliche, und läßt sich niemals auf
[Seite 36] gewisse und bestimmte Klassen zurückführen. Will
man aber ja Eintheilungen machen, so können wir
es bey den bekannten vier Hauptgattungen bewenden
lassen: nämlich das phlegmatische, sanguinische,
cholerische und melancholische.

§. 61.

Diese Eintheilung baute zwar Galen auf ei-
nen sehr unsicheren Grund, den er von willkührlich
angenommenen Bestandtheilen des Blutes hernahm;
doch kann sie den unschicklichen Grund abgerechnet,
beybehalten werden, da sie mit der Natur so ziem-
lich übereintrift. Diesem zufolge kann man die
Temperamente sowohl einzelner Menschen als der
verschiedenen Lebensalter unter vier Klassen bringen.
Das zarte Kind ist phlegmatisch, der Jügling san-
guinisch; der Mann cholerisch; der Greis melan-
cholisch.

Aber wie gesagt, die Mischung und Man-
nigfaltigkeit der Temperamente ist so unendlich, daß
jeder der es nur versuchen will, Verbindungen und
Klassificationen derselben festzusetzen, in einem un-
absehbaren Felde sich verlieren muß.

§. 62.

Der Inbegrif aller Anlagen und Gesetze, wo-
durch die Verrichtungen des menschlichen Körpers
von dem Anbeginne des Lebens bis zum Tode ge-
leitet und befördert werden, wird die menschliche
Natur genannt.

§. 63.

Diese Verrichtungen aber selbst werden ganz
schicklich in vier Klassen getheilt; eine Eintheilung,
[Seite 37] die zwar nicht im strengsten Sinne vollständig ist,
aber doch dem Gedächtniß gut zu statten kommet.

Und zwar:

1) Die Lebensverrichtungen, weil sie an-
haltend und unverletzt fortwirken müssen, wenn das
Leben bestehen soll; wohin der Kreislauf des Blu-
tes, und bey Erwachsenen das Athemhohlen gehört.

2) Thierische Verrichtungen, wodurch sich
die Thiere vorzüglich von den organischen Körpern
des Pflanzenreichs auszeichnen; hieher gehört bey
dem Menschen die Gemeinschaft der Seele mit dem
Leibe, das Empfindungsvermögen, und die Mus-
kelbewegung.

3) Natürliche Verrichtungen, die für die
Ernährung des Körpers bestimmt sind.

4) Geschlechtsverrichtungen, welche auf
die Fortpflanzung des Geschlechts sich beziehen.

Wir wollen nun diese Verrichtungen besonders
betrachten, und machen mit den Lebensverrichtun-
gen den Anfang.


Sechster Abschnitt.
Von dem Umlauf des Blutes über-
haupt.

[Seite 38]

§. 64.

Dem Blut haben die meisten Theile ihren Grund-
stoff, die übrigen aber ihre immerwährende Ernäh-
rung zu verdanken; es muß daher das Blut in die
innersten und entferntsten Theile, wenig ausge-
nommen, (§. 5.) hingeleitet werden; daß aber
dieses wirklich geschieht, lehren sowohl die anatomi-
schen Einspritzungen der feinsten Gefäße, als auch
die Alltagserfahrung, indem die meisten Theile,
wenige ausgenommen, wenn sie auch mit der fein-
sten Nadelspitze geritzt werden, bluten.

§. 65.

Dieser Lebenssaft aber strömt nicht, wie die
Alten glaubten, in den Venen ab und zu, sondern
macht einen ordentlichen Kreislauf, so daß er aus
dem Herzen durch die Arterien nach allen Theilen
des Körpers hingetrieben, durch die Venen aber,
dem Herzen wiederum zugeführt wird.

§. 66.

[Seite 39]

Dieser Kreislauf des Blutes ist, von dem un-
sterblichen Harvey, einige wenige und a) schwan-
kende Begriffe seiner Vorgänger ausgenommen,
zuerst auf das überzeugendste dargestellet wor-
den. b)

In der Folge ist dieser Umlauf des Blutes,
durch mikroskopische Versuche, c) durch anatomische
Einspritzungen, durch die Transfusion des Blutes
von einem Thiere in das andere, durch die Infu-
sion der Arzneyen in die Blutmasse, und durch
verschiedene andere an lebendigen Thieren angestellte
Versuche außer allen Zweifel gesetzt worden. d)

a) Der unglückliche Servet, und der berühmte
Andr. Cesalpin scheinen dieser Entdeckung am
nächsten gewesen zu seyn.

Hierauf beziehen sich einige Worte des Servet's
in einer physiologischen Abhandlung, die er seinem
berüchtigten, ihm so äusserst nachtheiligen, und
nun ungemein seltenem Werke: Christianismi resti-
tutio &c
. (Viennae Allobrog. 1553. 8.) einverleibt
hat. Diese Abhandlung befindet sich vor dem fünf
ten Buche; De trinitate divina, in quo agitur de
spiritu sancto
: wo unter andern folgende Worte
stehen: ‘„vitalis est spiritus, qui per anastomoses
ab arteriis communicatur venis, in quibus dicitur
naturalis
.’

Cesalpin, indem er von den Venen spricht, die un-
ter, nicht über den angelegten Bande anschwel-
len hat den wahren Kreislauf des Blutes, we-
nigstens in der Ferne gesehen. Quaestionum me-
dicarum L
. II. Quaest. 17. p. 234.

[Seite 40]

b) Exercitatio anatomica de motu cordis & sanguinis,
in animalibus
, Guil. Harvei Angli, med. regii &c.
Francof. sumptib. Guil. Fitzeri a
. 1628. 72. pa-
ginis
4. c. f. aen.

c) Zu Beobachtung des Kreislaufes an Fröschen ist
Lieberkühns Froschmaschine am bequemsten.

Zu Beobachtung des Kreislaufes in warmblütigen
Thieren schicken sich am besten bebrütete Eyer,
die man am fünften oder sechsten Tage nach der
Bebrütung mit einem einfachen Vergrößerungs-
glas, z.B. dem Lyonetischen betrachtet.

d) G. Remus experimenta circa circulationem san-
guinis instituta. Gött
. 1732. 4.

V. Haller de sanguinis moto experimenta anatomica.
Comment. Societ. scient. Gött
. T. IV. ad a. 1754.
Ej. de eodem argumento Sermo II. operum mi-
nor. Tom
. I. p. 63. seq.

Laz. Spallanzani v. cl. de' fenomeni della circolazione
etc. Mutin
. 1773. 8.

§. 67.

Mit welcher Geschwindigkeit das Blut sich be-
wege läßt sich unmöglich bestimmen. Denn die
Geschwindigkeit ist nicht nur in jedem einzelnen Men-
schen, sondern in einem und demselben Körper,
nach dem verschiedenen Alter und sogar nach der
Verschiedenheit der Theile, verschieden.

Ueberhaupt scheint das Blut durch die Venen
langsamer als durch die Arterien, und schneller durch
die Stämme als durch die kleinsten Gefäße zu
strömen; obgleich dieser Unterschied der Geschwin-
digkeit von einigen Physiologen zu hoch angegeben
wird.

[Seite 41] Gemeiniglich setzt man die Geschwindigkeit des
Blutes, das in die große Schlagader ausströmt,
so an, daß es mit jedem Pulsschlage, ungefähr
acht Zoll durchläuft, welches ohngefehr in einer
Minute fünfzig Fuß beträgt.

§. 68.

Die rothen Blutkügelchen scheinen zunächst an
der Achse der Gefäße fortgerollt zu werden; auch
sollen sie eine schnellere Bewegung haben, als die
übrigen Theile des Blutes. Letzteres scheint mir
aber auf keine ausgemachten Versuche zu beruhen,
und nur von den gewöhnlichen hydraulischen Gese-
tzen, die man sehr unschicklich auf den menschlichen
Körper anwendet, hergenommen zu seyn; denn
welche Ungereimtheit, die Bewegung des Blutes,
das durch belebte Gefäße des thierischen Körpers
hinströmt, auf die gemeinen Gesetze der Bewe-
gung, womit das Wasser durch hydraulische Ma-
schinen fließt, zurückführen wollen! Ich wenigstens
habe diesen Vorzug der Blutkügelchen noch nie
beobachtet.

§. 69.

Ich halte vielmehr dafür, daß diese Blutkü-
gelchen mit den übrigen Theilen des Blutes zugleich
fortbewegt, und noch weniger um ihre eigene Achse
gerollet werden; auch glaube ich nicht, daß man,
außer dieser fortschreitenden Bewegung des Blu-
tes, von der itzt eben die Rede war, noch eine an-
dere, innere annehmen dürfte; obgleich die ver-
schiedenen Bestandtheile des Blutes, nachdem sie
[Seite 42] nach verschiedenen Richtungen der Gefäße fortströ-
men, und auf verschiedene Anmündungen stossen,
mehr oder weniger untereinander gemengt werden.

§. 70.

So viel von dem Kreislaufe des Blutes über-
haupt. Wir schreiten nun zur besonderen Unter-
suchung des Kreislaufes, die sich am deutlichsten
entwickeln wird, wenn wir zuerst von den Blutge-
fäßen handeln, und sodann die Kräfte, welche das
Blut in die Gefäße forttreiben, und zurückführen,
näher betrachten.


Siebenter Abschnitt.
Von den Arterien.

[Seite 43]

§. 71.

Die Gefäße, welche das Blut von dem Herzen
empfangen, und durch die ganze Substanz des
Körpers vertheilen, heißen Arterien.

Sie sind überhaupt enger, als die Venen;
aber ihre Membranen sind fester, dicker, sehr
elastisch, und nach Winteringham's Versuchen,
von ungemeiner Stärke.

a) Gerard. van Swieten de arteriae fabrica & efficacia in
corpora humana. L. B.
1725. 4.

§. 72.

Sie bestehen aus einer dreyfachen Membran: a)

1) Die zellige, oder nach Haller die eigen-
thümliche Haut. Sie bestehet ganz aus einem
Zellgewebe, das nach außen lockerer ist, aber
nach innen zu immer dichter, und von kleinen
Blutgefäßen durchschlängelt wird. Von dieser Haut
rührt vorzüglich die Stärke, und die Schnellkraft
der Arterien her. b)

2) Die mittlere Schichte besteht aus quer-
laufenden, sichelförmigen, fleischartigen Fasern,
[Seite 44] daher sie auch die muskulöse Membran heißt,
worinn die Lebenskraft der Arterien ihren Sitz
haben mag.

3) Die innerste Schichte, womit die Arterien
überzogen werden, ist äußerst glatt und poliert.

Dieser Bau der Arterien fällt zwar bey grö-
ßeren Stämmen und Zweigen deutlich in die Au-
gen; bey kleinern Zweigen hingegen ist dieser Un-
terschied der Membranen undeutlicher.

a) Alex. Monre (der Vater) in medical essays and
observations Vol
. II.

De Lassone in Memoir. de l'academie des Sc. de
Paris
1756.

B. S. Albini annot. academ. L. IV. p. 30.

Vinc. Malacarne della osservaz. in chirurg. Taurin
1784. Vol. II. p. 103.

b) Frid. Ruisch respons. ad op. problemat. III. ir.
Thesaur. anat
. IV. T. III.

§. 73.

Alle Arterien des menschlichen Körpers ent-
stehen aus zwey Hauptstämmen:

Ein Hauptstamm ist die Lungenarterie, welche
aus der vorderen Herzkammer entspringt, und in
die Lungen fortgehet. (T. I. f. g. h.)

Der zweyte Hauptstamm ist die Aorta, oder
große Schlagader, die aus der hintern Herzkam-
mer entsteht, und das Blut zu allen übrigen Thei-
len des Körpers hinführet. (Tab. I. n. t.)

Diese Stämme vertheilen sich in Aeste, die
Aeste in Zweige u.s.w.

§. 74.

[Seite 45]

Nach der gewöhnlichen Lehre der Physiologen
sollen die Aeste der Blutgefäße zusammengenommen,
weiter seyn, als die Hauptstämme, woraus sie ent-
standen sind. Ich zweifle aber sehr an der allgemei-
nen Richtigkeit dieses Satzes; denn zu geschweigen,
daß man zuweilen die Größe des Durchmessers mit
dem Flächeninhalt verwechselt hat, so habe ich selbst
öfters Gelegenheit gehabt, das Gegentheil zu beob-
achten; nicht nur bey anatomischen, oft sehr übel
angebrachten Wachsausspritzungen der Gefäße, son-
dern auch bey Versuchen, die ich an frischen Leich-
namen anstellte, z.B. an der arteria innomina-
ta
, und der daraus entspringenden arteria caro-
tido
, und subclavia dextra, auch an der arte-
ria radiali
und cubitali; ich fand allezeit, daß
der Durchmesser des Hauptstammes mit dem Durch-
messer der Aeste ein rechtwinklichtes Dreyeck bilde-
te, wo das Quadrat der Hypothenuse, den beyden
Quadraten der beyden übrigen Seiten zusammen-
genommen gleich war. a)

Selbst Haller macht bey den Haargefäßen
eine Ausnahm, bey denen die Summe ihrer Zwei-
ge nicht größer, als der Durchschnitt ihres Stam-
mes seyn soll; so daß wenigstens der allgemein an-
genommene Calcul nicht auf das ganze System der
Blutgefäße, sondern nur von einigen wenigen
Stämmen gilt.

a) Kemp. l. c.

§. 75.

Gemeiniglich betrachtet man die Stämme und
Zweige der Arterien als Kegel, die mit einer brei-
[Seite 46] ten Grundfläche, aus einer der Herzkammern ent-
springen, und endlich in eine engere Spitze sich ver-
lieren. Allein auch diese Gestalt ist ganz willkühr-
lich angenommen, denn bey einer genauen Betrach-
tung des ganzen Systems zeigt es sich ganz deutlich,
daß die Arterien wahre cylindrische Canäle sind;
einige Arterien erweitern sich sogar in ihren Ver-
lauf, z.B. die mammaria interna, sogar der
Bogen der Aorta ist zunächst am Herzen enger.
Ueberhaupt scheinen alle Arterien, bevor sie sich in
Aeste vertheilen, wenigstens die größern Stämme,
sich etwas zu erweitern.

§. 76.

Uebrigens läßt sich wegen der überaus großen
Mannigfaltigkeit, die in verschiedenen Eingeweiden
und Theilen des Körpers vorkommt, kein allgemei-
nes Gesetz, nach welchem die Abzweigung der Ar-
terien bis zu ihren äußersten Endungen fortschrei-
tet, ausfindig machen. Daher so ganz verschiede-
ne Angaben der Physiologen. Keil nimmt 50,
Haller aber nur 20 solche Hauptabtheilungen der
Stämme an.

§. 77.

Nach unzähligen Abzweigungen und Anmün-
dungen, (anastomoses) wodurch die benachbarten
Aeste unter einander sich vereinigen, verlieren sich
endlich die Arterien in die Anfänge der Venen, indem
sie allmählig in zurückführende Blutgefäße umgebogen
werden, und also das nämliche Blut, welches noch
kurz vorher durch die Arterien von dem Herzen aus-
strömte, nun durch Venen zum Herzen zurückfließt.

§. 78.

[Seite 47]

Obgleich diese unmittelbare Vereinigung die-
ser ausführenden und zurückführenden Blutgefäße
an unzähligen Stellen des Körpers deutlich in die
Augen fällt, so scheint doch diese Endigung der
Arterien in Venen nicht die einzige Art des Ueber-
ganges zu seyn, und es ist nicht ganz unwahrschein-
lich, daß das Blut, wenigstens an einigen Thei-
len des Körpers, aus den kleinsten Endungen der
Arterien mittelst eines dazwischen liegenden Paren-
chyma in die Venen zurückgeführt wird.

Denn einige Erscheinungen, z.B. das Steif-
werden des männlichen Gliedes, vielleicht auch das
Erröthen, begünstigen die Meinung von dem Da-
seyn einer solchen unmittelbaren Vereinigung der
Blutgefäße.

§. 79.

Die Arterien endigen sich aber auch in andere
Gefäße, die von doppelter Art sind: nämlich in
Wassergefäße, (vasa serosa) die so enge sind,
daß sie keine Blutkügelchen, sondern bloß den wäs-
serichten Theil des Blutes durchlassen; (§. 69.)
sodann die Absonderungsgefäße, (vasa secreto-
ria
) die aus der Blutmaße nur gewisse bestimmte
abzuscheidende Säfte anziehen. (§. 4.)

§. 80.

Von den Wassergefäßen ist jedoch zu bemer-
ken, daß ich darunter nicht Boerhaavens eingebil-
dete für gelbe und weiße Kügelchen gemodelte Ge-
[Seite 48] fäßchen, nicht Leewenhoeks eben so grundlose
Meinung von den immer sechsfach verkleinerten
Blutkügelchen, und eben so wenig Vieussens und
Ferreins nervenlymphatische Gefäße, aus de-
nen die Eingeweide größtentheils bestehen, sollen, ge-
meint haben will.

Ich rede hier nur von jenen farbelosen Arte-
rien, die nur durch einen heftigen Andrang des
Blutes bey einigen Entzündungskrankheiten, oder
erst durch anatomische Einspritzungen sichtbar wer-
den; z.B. die Wassergefäße der Hornhaut, die
nur an Leichnamen solcher Menschen, die an den
heftigsten Augenentzündungen starben, mit Wachs
eingespritzt werden können.

§. 81.

Die absondernden Gefäße hingegen sind da-
von verschieden, und sind den absondernden Ein-
geweiden und zusammengesetzten Drüsen vorzüglich
zugetheilt; auch diese Gefäße kommen nur durch
feinere Einspritzungen zum Vorschein; z.B. wenn
die Maße durch die Schlagader der Ohrdrüse ein-
gespritzt wird, und durch den Stenonischen Spei-
chelgang ausfließt. Doch von dieser Gattung der
Gefäße wird in der Folge umständlicher gehandelt
werden.


Achter Abschnitt.
Von den Venen.

[Seite 49]

§. 82.

Das Blut, welches durch die Arterien zu allen
Theilen des Körpers hinströmte, fließt durch die
Venen in das Herz zurück.

Sie unterscheiden sich von den Arterien sowohl
durch ihre Verrichtung, als durch ihren Bau; die
kleinsten Venen ausgenommen, wo dieser Unter-
schied nicht so in die Sinnen fällt.

§. 83.

Die Venen sind überhaupt, die Lungenvene
ausgenommen, weiter als die Arterien, vertheilen
sich in mehrere Aeste, sind aber in der Vertheilungs-
art selbst äußerst unbeständig; übrigens weicher, und
nicht so elastisch, wie die Arterien; jedoch sehr zähe,
und einer ungemeinen Ausdehnung fähig.

§. 84.

Ihre Membranen sind dünner, so daß man
das Blut einigermassen durchscheinen sieht; und
auch ihre Anzahl ist geringer, als in den Arterien;
[Seite 50] denn die Venen bestehen bloß aus einer doppelten
Membran, nämlich aus einer zellichten, die mit
der sehnichten Membran der Arterien einige Aehn-
lichkeit hat, und sodann aus einer innern glatten,
die gleichfalls mit der polirten Membran der Ar-
terien verglichen werden kann.

Muskelfasern sieht man nur an den großen
Stämmen, die zunächst am Herzen liegen.

§. 85.

In den meisten größern Venen, die nämlich
mehr als eine Linie im Durchmesser haben, erhe-
ben sich von der innern Membran niedlich gebildete
Klappen (valvulae); sie haben eine sichelförmige
Gestalt, sind nachgiebig, meistens einfach, aber
auch doppelt und dreyfach; ihre innere convexe Wand
erhebt sich in den Venenkanal, aber die Oeffnung
der klappichten Höhle innerhalb der Vene, ist all-
zeit gegen das Herz zu gerichtet.

Doch fehlen diese Klappen an den Venen ei-
niger Theile des Körpers, z.B. im Gehirn, in den
Lungen u.s.w. ferner im ganzen Pfortadersystem.

§. 86.

Die venösen Zweige (oder richtiger, die Wur-
zeln der Venen) vereinigen sich in Aeste, und diese
fließen endlich in sechs Hauptstämme zusammen;
nämlich: zwey Hohladern, eine obere, (Tab. I. a.)
und eine untere; (Tab. I. b.) und in vier Stäm-
me der Lungenvene (Tab. I. i.)

Nur die Pfortader hat das Besondere, daß
der Stamm bey seiner Einsenkung in die Leber,
[Seite 51] wie eine Arterie in Aeste sich ausbreitet, deren
äußerste Zweige jedoch mit den Zweigen der untern
Hohlader sich vereinigen, und endlich in einem Haupt-
stamm zusammen stoßen.

§. 87.

Was ich oben (§. 74. 75.) gegen den zu all-
gemein angenommenen. Satz von dem Verhältniß
der Mündungen arteriöser Zweige zu den Mündun-
gen ihrer Hauptstämme, und von der Figur der
Arterien erinnert habe, gilt auch einigermassen von
den Venen.

Denn nur selten werden die Venen, je ent-
fernter sie vom Herzen sind, weiter; wie dieß der
Fall bey der poplitaea ist, da wo sie über die con-
dylos femoris
geht.

Eben so ist dasjenige, was von den Endun-
gen der Arterien gesagt worden (§. 77. 78. 80.)
mit gehörigen Abänderungen auf die Venen an-
wendbar.


Neunter Abschnitt.
Von dem Herzen.

[Seite 52]

§. 88.

Zwischen den Venen und Arterien findet, wie wir
gesehen haben, (§. 65.) eine zweyfache Art des Zu-
sammenhanges statt: nämlich in den äußersten Zwei-
gen beyder Arten von Blutgefäßen, (§. 77.) so-
dann in ihrer gemeinschaftlichen Quelle, nämlich in
dem Herzen, wo alle Hauptstämme dieser blutfüh-
renden Gefäße zusammentreffen.

§. 89.

Das Herz ist aber gleichsam die erste und vor-
nehmste Triebkraft des menschlichen Körpers, wo-
durch die Hauptverrichtung des Lebens, nämlich der
Umlauf des Blutes, wenigstens von der vierten Wo-
che nach der Empfängniß an gerechnet, bis an den
letzten Augenblick des Lebens ununterbrochen auf die
bewunderungswürdigste Weise fortgesetzt wird. a)

a) Guil. Cowper myotomia reformata (posth. Lond.
1744. Fol. max. Tab. XXXVI – XL.

Raym. Vieussen traité nouveau de la structure du coeur.
Tolos.
1715. 4.

[Seite 53]

Jo. de Senac traité de la structure du cocur. de son
action
, & de ses maladies. Ed. II. curante cl.
Portal Paris 1777. II. Vol. 4.

Rob. Perceval tentam. physiol. de corde. Edinb.
1780. 8.

§. 90.

Die Art aber, wie das Herz das Blut wech-
selsweise aufnimmt, und forttreibt, ist folgende.
Das Blut strömt durch beyde Hohladern, nämlich
die obere (– T. I. a. –) und die untere (– b –),
ferner aus der eigenen fleischigten Substanz des Her-
zens durch die gemeinschaftliche, mit einer Klappe
versehene Mündung der Kranzadern in den vordern
Blutbehälter (– c –), und die angränzende Vor-
kammer (– d –), und sodann in die vordere Herz-
kammer, (– e –)

a) Casp. Fr. Wolf. v. cl. de orificio venae coro-
nariae magnae in Act. acad. scient. Petropol. an.

1777. p. 1.

Petr. Tabarrani in Atti di Siena Vol. VI.

§. 91.

Aus dieser vordern Herzkammer wird das Blut
in die Lungenarterien (– f. g. h. –) getrieben; aus
denen es durch 4 Venen (– i –) in ihrem gemein-
schaftlichen Blutbehälter (– k –) und die daran
stoffende hintere Vorkammer (– l –) zurückfließt.

§. 92.

Aus dieser Vorkammer tritt sodann das
Blut in die hintere Herzkammer (– m –), aus
der es endlich durch die grosse Schlagader (– n
[Seite 54] t
–) in das Arteriensystem des übrigen Körpers,
und zugleich durch die Kranzarterien in die eigene
Substanz des Herzens hingeleitet wird. a)

a) Achill. Mieg v. cl. Specimen II. observationum
botanicarum
etc. Basil. 1776. 4. p. 12. sq.

§. 93.

Nachdem nun das Blut aus den letzten En-
dungen des Arteriensystems in die ersten Zweige
der Venen übergetreten ist, kommt es wieder in
beyde Hohladern, wohin auch das Blut aus den
Kranzarterien wieder zurückfließt, und so den vor-
erwähnten Kreislauf von neuem fortsetzt.

§. 94.

Dieser regelmäßige Umlauf des Blutes durch
die Behältnisse des Herzens wird vorzüglich durch
Hülfe der Klappen, womit die Hauptöffnungen des
Herzens versehen sind, geleitet, und in Schranken
gehalten; denn sowohl die Herzkammern sind da,
wo sie mit den daran liegenden Blutbehältern zu-
sammenhängen, als auch die beyden weiten arteriö-
sen Oefnungen mit Klappen ausgerüstet.

§. 95.

So bildet der membranöse Ring, welcher in
die vordere Herzkammer sich hineinsenkt, und diesel-
be von dem vordern Blutbehälter trennt, gleichsam
eine dreyfache Klappe, a) deren jede besondere Ab-
theilung, nach der Beschreibung der Alten, mit drey
Zacken versehen ist; daher sie auch die dreyzackigten
Klappen (triglochines) genannt worden. Diese
Klappen sind durch die sogenannten zizenförmigen
Muskeln an das Herz befestigt.

[Seite 55]

a) Eustach. tab. VIII. fig. 6. – tab. XVI. fig. 3. –
Santorini tab. posth. IX. fig. 1.

§. 96.

Eben so werden die Gränzen der hintern Herz-
kammer, und des hintern Blutbehälters durch einen
ähnlichen Ring, der sich in zwey Klappen theilt a),
die wegen ihrer Gestalt die Muzenklappen heißen,
bezeichnet.

a) Eustach. tab. XVI. fig. 6.

§. 97.

Die Oefnungen sowohl der Lungenarterie a),
als der grossen Schlagader b) haben eine kleinere
jedoch zierlich gebildete und mit sehnigten Fasern
versehene dreyfache Klappe, die sich in halbmond-
förmige (sigmoideae) Lappen theilet.

a) Eustach. tab. XVI. fig. 4.

b) Eustach. tab. XVI. fig. 5.

Morgagni adversar. anat. I. tab. IV. fig. 3.

Santorini I. c.

§. 98.

Man begreift nun leicht, wie diese Klappen
den ungestümen und gesetzlosen Rückfluß des Blutes
in das Herz zu verhindern im Stande sind. Sie
weichen dem herbeyflüßenden, widerstehen aber dem
zurückdrängenden Blut, indem sie wie Segel sich
ausspannen, und so die Oefnung verschließen.

§. 99.

[Seite 56]

Die Eustachische Klappe, welche in dem un-
gebohrnen Kinde an der Mündung der untern Hohl-
ader liegt, verliert sich in dem erwachsenen Men-
schen endlich ganz, und wird zu ihrer ehemaligen
Verrichtung vollkommen unbrauchbar; sie ist aber
auch entbehrlich, nachdem das Blut einen Weg durch
die Lungen genommen hat, und durch die halb-
mondfärbigen Klappen das Zurücktreten desselben
aus der Lunge in die Herzkammer hinlänglich ge-
hindert ist.

Findet aber das Blut bey seinem Ausfluß aus
der vordern Herzkammer in die Lungen, einen Wi-
derstand, dann tritt das Blut aus der vordern Herz-
kammer in die Hohladern zurück, wovon man sich
alsdann aus dem widernatürlichen Klopfen an dem
obern Theil der Hohladern überzeugen kann.

§. 100.

Man hat darüber gestritten, ob sich beyde
Herzkammern ganz entleeren können, und nicht etwa
ein Theil des Blutes wegen der Ausspannung der
mondförmigen Klappen in das Herz zurückfällt? a)

Den Beobachtungen zufolge, die man an Frö-
schen, und sogar an dem Herzchen gebrüteter Hühn-
chen angestellt hat, wird zwar in diesen Thieren
alles Blut aus den Herzkammern ausgeleert; ob
sich aber dieses in dem menschlichen Körper auch so
verhalte, ist noch unentschieden; und wenn man den
Bau und den Mechanismus dieser Klappe genau
betrachtet, sollte man vielmehr das Gegentheil be-
haupten.

[Seite 57]

a) So dachten Weitbrecht und Fontana S. Fel.
Fontana
ricerche filosofiche sopra la fisica animale.
Florent
. 1775. 4. p. 101.

Allein auf die Einwendungen dieser Gelehrten hat
Haller selbst in d. G. A. geantwortet, und auch
Herr Prof. Hebenstreit in den Anmerkungen zur
Uebersetzung des Fontanischen Werkes. Leipz.
1785. p. 328.

§. 101.

Das Herz hat einen ganz eigenen Bau. Es
besteht zwar größtentheils aus Fleischfasern, die
aber äusserst straff und dicht sind, und überhaupt
von den gewöhnlichen Muskelfasern höchst verschie-
den sind.

Diese Fleischfasern haben eine mehr oder we-
niger schiefe Richtung, durchkreuzen einander auf
eine besondere Weise, haben eine mannigfaltige ge-
wundene Gestalt, liegen schichtenweis auf einander,
sind in beyden Herzkammern an die Scheidewände
des Herzens befestigt, und an der Grundfläche der
Herzkammer mit einer vierfachen Knorpelfaser um-
geben. Diese höchst merkwürdige Struktur des Her-
zens ist erst durch die neuern Bemühungen des
berühmten Wolfs a) deutlich entwickelt worden.
Uebrigens unterstützen diese Fleischfasern die flei-
schichten Theile des Herzens, und bezeichnen die
Gränzen zwischen den Fasern der Herzkammer und
der Blutbehälter.

a) Act. acad. scient. petropol. pro anno 1780. P.
I. p. 211. de textu cartilagineo cordis, seu de
filis cartilagineo-osseis, eorumque in basi cordis
distributione
.

§. 102.

[Seite 58]

Diese Fleischfasern sind mit den weichsten Ner-
ven, und mit einem überaus grossen Vorrath von
Blutgefäßen versehen, die aus den Kranzadern
einspringen, und mit unzähligen Zweigen die Sub-
stanz des Herzens durchkreuzen; so daß Ruysch a)
das Herz für ein aus lauter Blutgefäßen zusammen-
gesetztes Eingeweid erklärte.

a) Ruysch Thesaur. anat. IV. Tab. III fig. 1. 2.

§. 103.

Durch diese Struktur (§. 90. u.s.w.) sowohl,
als durch dieses faserichte Gewebe (§. 101. u.s.w.)
ist das Herz im Stande alle seine Bewegungen un-
ausgesetzt und gleichmäßig fortzusetzen, die alle nur
darauf sich beziehen, daß die Vorkammern und
Herzkammern wechselweis zusammengezogen und er-
weitert werden.

§. 104.

Diese wechselseitigen Bewegungen der verschie-
denen Behältnisse des Herzens folgen also auf ein-
ander: Zuerst ziehen sich die Vorkammern zusam-
men, um das aus den Lungen und Hahladern zu-
rückfließende Blut in die Herzkammern zu treiben;
in diesem Augenblick befinden sich die Herzkammern
in dem Zustande der Erschlaffung, um die ein-
strömende Blutwelle aufnehmen zu können; in dem
nächsten Augenblick darauf ziehen sich beyde frisch
angefüllte Herzkammern zusammen, um das Blut
in die beyden Arterienstämme fortzutreiben, und
in demselben Zeitpunkt erweitern sich die beyden Vor-
kammern, um wieder einen frischen Blutvorrath
aus den Venen schöpfen zu können.

§. 105.

[Seite 59]

Bey der Zusammenziehung des Herzens (sy-
stole
), welche 1/3 des ganzen Pulsschlages ausma-
chen soll, nähern sich die äußern Wände der Herz-
kammern der Scheidewand des Herzens, welche die
rechte Herzkammer von der linken trennt, welches
zur vollkommenen Entleerung, wenn man die kegel-
förmige Gestalt dieser Kammern erwäget, hinzurei-
chen scheint.

Auch die Spitze nähert sich, wenn das Herz
sich zusammenzieht, der Grundfläche, welches man
so oft, sowohl bey kalt- a) als warmblütigen Thie-
ren, und auch bey lebenden Menschen b) beobach-
tet hat.

Die gemeine Erfahrung, daß das Herz wäh-
rend der Zusammenziehung mit seiner Spitze an die
Gegend der linken Brustwarze anschlägt, widerspricht
diesen Erscheinungen von der Verkürzung des Her-
zens nicht; denn dieses Anschlagen entsteht von dem
heftigen Andrang des Blutes, das durch die Venen
in die Herzkammern ein- und durch die Arterien aus-
strömt, wodurch das Herz selbst auf die linke Rip-
penwölbung hingedrängt wird.

a) Am deutlichsten habe ich diese Verkürzung des
Herzens bey einer Art Schlange (coluber natrix)
wahrgenommen, die in den umliegenden Wäldern
von Göttingen zuweilen vier Fuß lang gefunden
wird. Da ich eine solche Schlange lebendig öff-
nete, fand ich, daß das Herz in der jedesmali-
gen Erschlaffung, verglichen mit dem Zustande
der Zusammenziehung, wenigstens um zwey Li-
nien sich verlängerte.

[Seite 60]

b) Das aber auch diese Verkürzung des Herzens bey
feiner Zusammenziehung nicht schlechterdings er-
fordert wird, bin ich ausser andern Gründen durch
das Herz einer Endte überzeugt, das von der
Grundfläche an bis an die Spitze knöchern ist,
aber fleischartige Wände hat, durch deren Seiten-
bewegung die Herzkammer vollkommen entleert
werden können.

§. 106.

Die Gewalt, womit das Herz, indem es sich
zusammenzieht, das einströmende Blut austreibt,
erstreckt sich auf das ganze Arteriensystem; so daß
in einem jedesmaligen Zeitpunkt, wo das Herz sich
zusammenzieht, alle Arterien des ganzen Körpers,
wie man entweder durch das Befühlen, wofern die
Mündungen der Arterien wenigstens um 1/6 Linie
größer als ihr Durchmesser sind, oder auf eine an-
dere Weise wahrnehmen kann, z.B. am innern
Ohr, und ihm Auge, in den Zustand der Erwei-
terung (diastole arteriarum) gesetzt werden; ob
diese Erweiterung von den Arterien allein herrühre,
wird in der Folge erörtert werden.

§. 107.

So viel ist inzwischen durch die Erfahrung
entschieden, daß der Pulsschlag der Arterien mit
der Bewegung des Herzens genau übereinstimmt,
und mit der Zusammenziehung desselben gleichzeitig
ist; und sogar in dem krankhaften Zustande bey dem
ausetzenden Pulse hören die Bewegungen des Her-
zens und der Arterien zugleich auf, und beyde fan-
gen ihre Bewegungen zugleich wieder an.

§. 108.

[Seite 61]

Die Anzahl der Pulsschläge ist aber bey ver-
schiedenen Personen höchst verschieden, sowohl nach
dem Unterschied des Alters, als auch nach mancher-
ley andern Nebenumständen, die bey jedem einzelnen
gesunden Menschen vorzukommen pflegen, so daß sich
darüber nichts Gewisses sagen läßt. Ich will hier
nur diejenige Verschiedenheit anführen, die ich in
unserm Klima a), nach den verschiedenen Stufen des
menschlichen Alters, in den Pulsen bemerkt habe.

In dem neugebohrnen und ruhig schlafenden
Kinde zählt man einige Tage nach der Geburt un-
gefähr 140 Pulsschläge in einer Minute.

Im ersten Jahr bis an das Ende desselben
ungefähr 124.

Im zweyten 110.

Im dritten u.s.f. 96.

In dem Alter, wo die Milchzähne ausfallen, 86.

Gegen den Zeitpunkt der Mannbarkeit 80.

Im männlichen Alter 75.

Gegen das sechzigste Jahr 60.

In einem höhern Alter habe ich kaum zwey
Greise angetroffen, die bey einem gleich hohen Al-
ter eine gleiche Anzahl Pulsschläge gehabt hätten.

a) Dieses Verhältniß der Pulsschläge weicht von
demjenigen, das Heberden in England beobach-
tet hat, nicht sehr ab. Medical transactions. Vol.
II. p. 21.

§. 109.

Bey Frauenzimmern schlägt überhaupt der Puls
schneller, als bey Männern.

[Seite 62] Anlangend die Leibesgröße, so haben große
Personen einen langsamern Puls, als kleine, wie
ich selbst an Riesen und Zwergen beobachtet habe.

§. 110.

Was aber diejenige Verschiedenheit der Puls-
schläge betrifft, die von den sogenannten nicht na-
türlichen Dingen herrührt, so ist zu bemerken, daß
die Bewohner kälterer Klimaten einen langsamern
Puls haben, z.B. die Grönländer, deren Puls,
da sie doch übrigens ziemlich gesund sind, nur 30
bis 40 mal in einer Minute schlägt. a)

Daß übrigens der Puls auf das Essen, nach
dem Beyschlaf, nach anhaltenden Wachen, nach
heftigen Leibes- und Gemüthsbewegungen schneller
schlägt, ist eine allgemein bekannte Sache.

a) Mit dieser Beobachtung kommt der langsame Puls
jener Thiere überein, die in einem immerwähren-
den Winterschlaf begraben liegen. Das Herz z.B.
eines Hamsters, das im Sommer 150 Schläge
in einer Minute macht, schlägt in einem Win-
termonat in der nämlichen Zeit kaum fünfzigmal.
Sulzer Naturgeschichte des Hamsters. S. 169.

§. 111.

So viel von dem gesunden Pulse, dessen Be-
trachtung weit füglicher auf die Abhandlung von dem
Herzen folgt, das die Quelle der Pulsschläge ist,
als auf die Abhandlung von den Arterien, woran
man den Puls gemeiniglich zu befühlen pflegt.

So fährt das Herz unausgesetzt bis an den
letzten Augenblick des Lebens zu schlagen fort; aber
[Seite 63] nicht alle Theile des Herzens hören alsdann zugleich
zu schlagen auf, sondern die rechte Herzkammer
sammt seiner Vorkammer beweget sich etwas län-
ger als die linke Herzkammer a).

Dieß muß auch nothwendig so erfolgen. Denn
das Blut, welches durch die Hohlvenen in das Herz
so eben zurückfließt, kann nun nach dem letzten
Athemzug nicht mehr in die zusammen gefallenen
Lungen ausströmen; indessen hat derjenige Theil
der Blutmasse, der aus den Lungen in die linke
Herzkammer strömte, seinen Lauf durch die große
Schlagader in das ganze Arteriensystem bereits an-
getreten, und drückt nun auf die vor ihm stehende
Maße des venösen Blutes.

a) Doch geschieht es zuweilen, obgleich sehr selten,
daß die rechte Herzkammer von der Menge des
venösen Blutes unterdrückt wird, und gegen den
gewöhnlichen Lauf der Natur zuerst zu bewegen
sich aufhört. Ich habe dieß unlängst bey der
Oeffnung eines lebendigen Kaninchens beobach-
tet. Der Umlauf des Blutes kam gleich an-
fangs (wie dieß bey so furchtsamen Thieren ge-
meiniglich geschieht,) in die größte Unordnung,
so daß sich die Vorkammern viermal schnell auf-
einander zusammenzogen, indeß beyde Herzkam-
mern still standen; endlich schlug die linke Herz-
kammer immer fort, die rechte aber blieb unbe-
weglich. Nachdem diese Bewegung des Herzens
acht Minuten dauerte, ward das Herz, dessen
linke Hälfte noch klopfte, ausgeschnitten, und
im kalten Wasser ausgewaschen, worauf sodann
alle Bewegungen aufhörten. Als ich aber nach
drey Minuten das Herz, welches nicht mehr reitz-
[Seite 64] bar zu seyn schien, auf meine flache Hand legte,
fing die linke Herzkammer wieder einige Minu-
ten zu schlagen an, aber die rechte Herzkammer
sammt ihrer Vorkammer blieb unbeweglich.

Merkwürdig ist Hallers Versuch; er unterband in
einem lebendigen Thier beyde Hohladern, und
schnitt die Lungenarterie entzwey, da sodann die
linke Herzkammer ihre Bewegung länger behielt,
als die rechte. Dieß bezieht sich jedoch näher
auf den folgenden Abschnitt.

§. 112.

Aus dieser Anhäufung des Blutes gegen die
reckte Herzkammer in den letzten Augenblicken des
Lebens, sieht man ein, warum nach dem Tode
die größern Arterien von dem Blute entleert gefun-
den werden. a)

Von dieser Ursache suchen auch Aurivillius,
b), Weiß, c) und Sabathier, d) die größere
Weite der rechten Herzkammer herzuleiten.

a) Diese bekannte und nun leicht zu erklärende Er-
scheinung mag ehemals den Erasistratus ver-
leitet haben, daß er die Arterien mit Luft ange-
füllt zu seyn glaubte; dieß kann man ihm je-
doch bey dem damaligen Mangel anatomischer
Kenntnisse verzeihen.

Daß aber auch in unfern Zeiten ein Mann auf-
stand, der diese veraltete Meinungen aufwärm-
te, und sogar mit einem ungewöhnlichen Starr-
sinn in verschiedenen Schriften zu vertheidigen
suchte, wird unfern Nachkömmlingen unglaub-
lich scheinen.

[Seite 65]

Unter andern Schriften berühmter Physiologen, die
diese Grille ihres Landsmannes zu wiederlegen
suchen, zeichnen sich besonders aus:

P. Moscati osservazioni ed esperienze sul sangue flui-
do, e rappreso
&c. Mediolan. 1783. 8.

Pass. Carminati Risultati di sperienze, e osservazioni
sul vasi sanguigni, e sul sangue. Ticin
. 1783. 4.

b) Sam. Aurivillius de vasorum pulmonalium & ca-
vitatum cordis inaequali amplitudine. Götting
.
1750. 4.

c) Weiss. de dextro cordis ventriculo post mortem
ampliori. Altdorf
1767. 4.

d) Sabatier E. in vivis animalibus ventriculorum cor-
dis eadem capacitas. Paris
1772. 4.

§. 113.

Das Herz wird von dem Herzbeutel einge-
schlossen, wodurch die verschiedenen Bewegungen
dieses Eingeweides gehörig geleitet, und einge-
schränkt werden.

Dieser membranöse Sack hat eine beträchtli-
che Weite, und schmiegt sich nach der Gestalt des
eingeschlossenen Herzens; er hat seinen Ursprung von
dem Mittelfell a). So dünn auch diese Membran
zu seyn scheint, so übertrifft sie doch nach Winte-
ringham's Versuchen alle andere Membranen des
Körpers an Zähigkeit.

Die wichtige Bestimmung dieser Membran
erhellet schon daraus, daß alle Klassen der warm-
blütigen Thiere mit einem Herzbeutel versehen
sind b), und nur ein oder anderer Fall von Men-
schenherzen, die des Herzbeutels beraubt waren,
[Seite 66] wie z.B. von Dinkler c), aufgezeichnet wor-
den.

a) Haller Element. physiol. T. I. Tab. 1. fig. 1. 2.

b) Ob der Igel einen Herzbeutel habe oder nicht,
darüber sind die Zergliederer noch verschiedener
Meinung: einige streiten diesem Thiere den Herz-
beutel ab, einige legen ihn ihm zu; unter die
Erstern gehören Lamis, Haller u.a.m. unter
die Letztern Blasius Peyer, Harder, vorzüglich
aber Cozetti (Relaz. d'alcuni viagii in diverse
parti della Toscana Ed
. 2. T. VII. p. 166.) Du-
vernay scheint einen Mittelweg einzuschlagen,
indem er behauptet, daß den dem Igel das Mit-
telfell die Stelle des Herzbeutels vertrete.

Ich bin durch wiederholte Zergliederungen über-
zeugt, daß der Herzbeutel bey diesen, ganzen Thier-
geschlecht äußerst dünn und von einer unbestimm-
ten Gestalt ist, da er von dem zunächstliegenden
lockern Zellgewebe des Mittelfells entsteht: manch-
mal ist dieser Herzbeutel so fein, und aus so
zarten Fächern gewebt, daß man ihn nicht für
eine besondere Membran ansehen kann.

c) Sandifort Natur – en genees – kundige Bibliotheck.
Vol
. II. p. 661.

§. 114.

Der Herzbeutel ist mit einem feinen Duft be-
feuchtet, der ohne Zweifel aus den Arterien des
Herzens selbst ausdünstet.

Eine ähnliche Feuchtigkeit scheint in die Höh-
len des Herzens auszuduften, und die Wände des-
selben schlüpfrig zu machen.

[Seite 67] Beyde Feuchtigkeiten sind im gesunden Zustan-
de von seröser Beschaffenheit, und nur bey Ent-
zündungen des Herzens schwitzt eine gerinbare Lym-
phe durch, wodurch an der äußern Oberfläche des
Herzens die sogenannten Haare, und Verwachsun-
gen des Herzbeutels mit dem Herzen entstehen, in
den innern Höhlen des Herzens aber ächte Poly-
pen (§. 19.) erzeugt werden.


Zehnter Abschnitt.
Von den Kräften, welche das Blut in
Umlauf bringen.

[Seite 68]

§. 115.

Nachdem wir nun von dem Herzen und von den
Gefäßen, welche das Blut enthalten, gehandelt
haben, wollen wir nun auch die Kräfte, wodurch
das Blut in Bewegung gesetzt wird, genauer be-
trachten.

Und zwar zuerst diejenigen Kräfte, die in
dem Herzen selbst liegen, und unstreitig vor allen
andern den Vorzug besitzen; sodann die Beykräfte,
wodurch die Wirkung des Herzens nicht wenig be-
fördert wird.

§. 116.

Die Kraft, mit der das Herz die ganze Blut-
maße forttreibt, läßt sich wegen Unvollständigkeit
der Angaben nicht wohl bestimmen; denn wir wissen
nicht, wie viel Blut mit jedem Pulsschlag aus dem
Herzen strömt, wie groß der Raum ist, den diese
Blutwelle durchläuft, mit welcher Geschwindigkeit
dieselbe bewegt wird, und endlich sind wir nicht im
Stande die Widerstände zu berechnen, die das Herz
überwinden muß.

§. 117.

[Seite 69]

Doch ist, wenn man eine wahrscheinliche Ver-
hältniß dieser Angaben annimmt, eine beyläufige
Schätzung dieser Kraft des Herzens möglich: nimmt
man also nach einem mittlern Verhältniß an,
(§. 23.) daß die ganze Blutmaße 33 Pfund =
396 Unzen beträgt; die Anzahl der Pulsschläge in
eigner Minute = 75, folglich in einer Stunde
4500 (§. 108); das Herz aber bey einer jedesma-
ligen Zusammenziehung zwey Unzen forttreibt; so
folgt, daß die ganze Blutmaße in einer Stunde
zwey und zwanzigmal seinen Kreislauf durch das
Herz vollbringt.

Wie groß aber die Gewalt seyn mag, mit der
das Herz die Blutmaße fortstößt, sieht man aus
der Höhe des Blutstrahls, wenn eine große, zu-
nächst am Herzen liegende Arterie verwundet wird;
so sah ich z.B. in einem erwachsenen Menschen
aus der Hauptschlagader (carotis) das Blut bey
den ersten Zusammenziehungen des Herzens fünf
Fuß hoch herausspringen. a)

a) Die Versuche, welche Hales anstellte, indem
er in lebendigen Thieren das ausströmende Blut
durch gläserne an die Arterien angebrachte Röh-
ren auffieng, und so die Höhe des Blutstrahls
maß, sind, wie alle Versuche dieses vortreffli-
chen Mannes, sehr sinnreich, aber zur Bestim-
mung der Kraft des Herzens nicht zureichend.
Man überlege nur, wie groß bey diesen Versu-
chen die Blutsäule ist, die in der Röhre keinen
Ausweg findet, folglich mit ihrer ganzen Schwere
auf das Herz zurück drückt, u.s.w.

[Seite 70]

Hales berechnete, daß der Sprung des Blutes aus
der Hauptschlagader eine Höhe von 7 1/2 Fuß er-
reiche; der Flächeninhalt der linken Herzkammer
15 Quadratlinien austrage; folglich der Druck
der ganzen Blutsäule auf die linke Herzkammer
℔ 5. 1. betrage, und bey jeder Zusammenzie-
hung des Herzens überwältigt werde. Statical
Essays
. Vol. II. p. 40. Ed. Lond. 1733. 8.

§. 118.

Anlangend die Quellen dieser ausnehmenden
Kraft, und unausgesetzten Bewegung des Her-
zens, so ist gewiß die Reitzbarkeit eine der vor-
züglichsten, (§. 44) denn diese Kraft äußert sich
in dem Herzen weit länger, (§. 89.) als an ande-
ren muskelartigen Theilen des Körpers. a)

Daß aber die innern Wände der Herzkam-
mer von dem einströmenden Blut zur Zusammen-
ziehung gereitzt werden, erhellet aus dem (§. 111.
a) angeführten Hallerischen Versuch, wodurch er
im Stande war, die Reitzbarkeit der linken oder
rechten Herzkammer nach Willkühr länger zu erhal-
ten, je nachdem er nämlich der linken oder rechten
Herzkammer das Blut früher entzog. b)

a) Fontana bemühte sich zwar diesen Vorzug des
Herzens einzuschränken; allein H. v. Haller hat
in den G. A. längst hierauf geantwortet.

b) Huller de motu cordis a stimulo nato. In Com-
ment. Societ. scient. Götting. T.
I.

§. 119.

Solange nun das Blut in gehöriger Menge
vorhanden ist, und seine natürliche Mischung hat,
[Seite 71] geht der Kreislauf gleichmäßig und ordentlich von
statten, so daß ein Mensch, der sich ruhig verhält,
kaum etwas von diesem Umlauf gewahr wird.

Sobald aber Vollblütigkeit oder Blutmangel
eintritt, besonders aber, wenn fremdartige Theile
z.B. krankhafte Miasmen, oder elastische Luft, oder
Arzneyen durch die Blutadern dem Blut beygemischt
werden, dann wird das Herz widernatürlich ge-
reitzt, oder geschwächt, und alle Bewegungen
desselben gerathen dadurch in eine allgemeine Zer-
rüttung. Sogar ein fremder Reitz, z.B. in die
Blutadern eingeblasene Luft, vermag das Herz ei-
nes unlängst verstorbenen Thieres wieder in Bewe-
gung zu setzen.

§. 120.

Man hat aber, besonders in neuern Zeiten,
die Frage aufgestellt, ob diese ausnehmende Reitz-
barkeit des Herzens in den Muskelfasern des Herzens
selbst liege, oder aber vielmehr von dem Einfluß der
Nerven herzuleiten sey? Ich werde diese Frage in
dem Abschnitt von der Muskelbewegung umständlicher
erörtern. Soviel mag indessen vorläufig angemerkt
werden, daß die Reitzbarkeit, wie es höchst wahr-
scheinlich ist, eine besondere Art der Lebenskraft
ausmache, die der Muskelfaser ganz eigen ist, und
von der Nervenkraft unterschieden werden muß.
(§. 44. 45.) Inzwischen kann man doch nicht läug-
nen, daß auch die Nerven einen großen Einfluß auf
die Verrichtung des Herzens haben; dieß erhellet so-
wohl aus der besonderen Beschaffenheit der Herzner-
ven ihrer Zartheit, Blöße, und aus der besondern
Anlage der Herzgeflechte. a) Aber auch die Mit-
[Seite 72] empfindung des Herzens mit so vielen andern Ver-
richtungen des Körpers, kann uns von diesem Ein-
fluß überzeugen; denn wem ist die Macht der Ge-
müthsbewegungen auf die Bewegungen des Herzens,
auch bey dem gesundesten Menschen, wem die Mit-
empfindung unbekannt, die in so mancherley Krank-
heiten zwischen den ersten Wegen und dem Herzen,
oft augenblicklich entstehet?

a) Neubauer descriptio nervorum cordiacorum. Jenae
1772. 4. T. 1.

v. Haller Novi Comment. Soc. scient. Götting. T.
II. tab. ad. p. 1.

§. 121.

Außer diesen Lebenskräften des Herzens, kommt
noch die mechanische Einrichtung desselben in An-
schlag, die den Umlauf des Blutes nicht wenig
begünstiget. Denn indem die Herzkammern durch
ihre Zusammenziehung das Blut in die Arterien
treiben, entstehet ein leerer Raum, wohin nach
den Gesetzen der Ableitung das zunächstfolgende
Blut nothwendig sich ergießen muß; denn die ein-
mal vorwärts bewegte Blutwelle kann nicht zurück-
weichen, da ihr die Klappen den Rückfluß verweh-
ren; folglich muß das entleerte Herz alles aus den
Venen zurückströmende Blut an sich ziehen, und
gleichsam verschlingen. a)

a) Andr. Wilsons Enquiry into the moving powers
employed in the circulation of the blood. Lond.

1774. 8. p. 35.

§. 122.

[Seite 73]

Noch müssen wir untersuchen, ob, und was
für Kräfte des Kreislaufes außer dem Herzen, in
den übrigen blutenthaltenden Organen vorhanden
sind; denn, daß eine so wichtige Verrichtung, von
der das Leben der Thiere zunächst abhängt, auf
einem einzigen Organ beruhe, dessen fehlerhafte
Beschaffenheit das Leben in augenblickliche Gefahren
versetzen könnte, läßt sich ohnehin von dem weisen
Plane der Natur nicht erwarten. Wir sind aber
auch durch die Erfahrung von dem Daseyn solcher
Nebenkräfte, welche entweder der Kraft des Her-
zens nachhelfen, oder wohl gar die Stelle des Her-
zens ersetzen, gänzlich überzeugt. Hieher gehört z.
B. die Bewegung des Blutes in so entlegenen Ge-
genden, wohin die Kraft des Herzens kaum sich er-
streckt; ferner der Umlauf des Blutes durch das
Pfortadersystem, in dem Mutterkuchen u.s.w. Ich
übergehe die Menge der Leibesfrüchte, die ohne
Spur von einem Herzen gebohren worden. a)

a) Carl. Wern. Curtius de monstro humano cum in-
fante gemello. L. B
. 1762. 4. pag. 39. fig. 4.

v. Haller op. minora. T. III. p. 33.

Cooper philosoph. Transact. Vol. LXV. p. 316.

§. 123.

Zu diesen Nebenkräften des Kreislaufes gehö-
ren vorzüglich die Verrichtungen der Arterien, ob-
gleich die Art und Weise dieser Einwirkung der Ar-
terien auf den Umlauf des Blutes noch nicht ganz
in das Licht gesetzt ist.

Ueberhaupt hat die Structur der Arterien
mit dem Bau des Herzens eine große Aehnlichkeit.
[Seite 74] Daß sie mit einer muskulösen Membran versehen
sind, (§. 122.) ist bekannt.

Auch ihre Reitzbarkeit ist durch Verschuir's
Versuche a) ausgemacht.

Und so wie die Herznerven mit dem Herzen in
einer besondern Verbindung stehen, so werden auch
hier und dort die vornehmsten Zweige der Arterien
von weichen Nervennetzen umschlungen. b)

a) Gualth. Verschuir de arter. & venarum vi irri-
tabili: ejusque in vasis excessu
, & inde ori-
unda sanguinis directione abnormi. Groning
.
1766. 4.

b) Walther Tabulae nervorum thoracis. & abdomi-
nis. Hepatica dextra Tab
. II. O. Tab. III. I.
lin. tab. II. P. Tab. III. m. Tab. IV. a.
mesentericam superiorem. II. Q. Tab. III. s.
mesentericam inferiorem Tab. II. T.

Haller de nervorum in arteries imperio. Götting.
1744. 4.

§. 124.

Daß die Arterien schlagen, und zwar heftig,
ist allgemein bekannt: so daß eine klopfende Arterie,
z.B. die poplitaea, wenn man den einen Schen-
kel über das andere Knie legt, nicht nur diesen
Schenkel, sondern noch eine weit größere Last auf-
zuheben im Stande ist. Ueberhaupt hat man den
Arterien schon längst eine eigene wechselweise Zu-
sammenziehung und Erweiterung zugeschrieben, die
den wechselseitigen Bewegungen des Herzens ent-
sprechen sollen.

[Seite 75] Allein obgleich die Erfahrung diese abwechseln-
den Bewegungen der Arterien zu bestättigen scheint,
so erheben sich doch einige wichtige Zweifel dage-
gen, a) besonders, wenn man die Frage aufwirft,
ob diese klopfende Bewegung, die man bey der
Befühlung des Pulses wahrnimmt, von der eige-
nen Kraft der Schlagader, oder nur von dem Stoß
des Herzens herrührt; so daß die Bewegung der
Schlagader bloß von der Gewalt abhängt, mit der
das Blut aus der großen Schlagader getrieben wird,
und an die Wände der Arterien prellet.

Die Oeffnung lebendiger Thiere kann diese
Frage nicht entscheiden; denn manchmal sieht man
zwar in geöffneten warmblütigen Thieren die Arte-
rien klopfen; oft aber auch nicht. b) Sogar bey
einem lebenden Menschen sah man die größern
Zweige der Aorta und der Lungenschlagader puls-
los: doch war diese Beobachtung an einem mon-
strösen Körper gemacht. Auch fühlt man zuweilen
Arterien heftig schlagen, die doch, wie aus der
Anatomie bekannt ist, unbeweglich sind: z.B. die
carotis cerebralis, die an dem Kanal des Felsen-
beines fest anliegt.

a) Th. Kirkland's inquiry into the present state of
medical surgery. Lond
. 1783. 8. Vol. I. p.
306. seq.

b) De Lamure recherches sur les causes de la pulsa-
tion des arteres. Monspel
. 1769. 8.

§. 125.

Alles genau erwogen, scheint so viel gewiß
zu seyn, daß zwar die Arterien sich erweitern,
[Seite 76] in sofern ihre Membranen von der Gewalt des
einströmenden Blutes ausgedehnt werden a), aber
sogleich darauf ihren vorigen Durchmesser wieder
erlangen; von eben dieser Gewalt rührt auch die
schlängelnde Bewegung her, die man an größern
in mannigfaltigen Krümmungen fortlaufenden, und
durch ein lockeres Zellgewebe befestigten Arterien
zuweilen beobachtet.

Daß aber die Arterien im gesunden Zustan-
de, so lange das Herz seiner Verrichtung vorstehen
kann, ein Vermögen besitzen, sich in einen engern
Raum zusammenzuziehen, kommt mir nicht wahr-
scheinlich vor: ein anderes ist in dem kranken Zu-
stande, wenn das Herz mangelt, oder verknöchert
ist, wo alsdann die Arterien die Stelle des Her-
zens vertreten, und das Blut mittelst ihrer Lebens-
kraft forttreiben müssen.

a) Artband Diss. sur la dilation des arteres. Par.
1771. 8.

Jadelot Mem. sur la cause de la pulsation des arteres.
Nancy
1771. 8.

§. 126.

Da aber die Kraft des Herzens nicht auf die
kleinsten Endungen der Arterien und Venen sich
erstrecken kann, wie einige berühmte Physiologen,
besonders Whytt, dafür halten, so schreiben sie
den Forttrieb des Blutes in diesen entlegenen Ge-
genden gewissen Schwingungen dieser Gefäße zu;
und aus eben diesen zitternden Bewegungen erklären
sie auf eine nicht ganz unbefriedigende Weise die
Natur der Entzündung.

[Seite 77] Und in der That kommen dieser Theorie ver-
schiedene Erscheinungen sowohl im gesunden Zu-
stande, die ich in der Abhandlung von der thieri-
schen Wärme anführen werde, als auch im kran-
ken Zustande, z.B. bey Fieberkrämpfungen, sehr
zu statten; obgleich diese Schwingungen bey Er-
öffnung lebender Thiere auch dem bewaffneten Au-
ge sich entziehen.

a) Whytt Physiological essays, containing an inquiry
into the causes, vhich promote the circulation
of the fluids in the very small vessels of animals
etc. Edinb
. 1701. 12.

§. 127.

Wir wollen nun auch untersuchen, was für
Beförderungsmittel des Kreislaufes in den Venen
selbst liegen. Ueberhaupt scheinen die Venen mit
weniger Thätigkeit begabt zu seyn, als die übrigen
Werkzeuge des blutführenden Systems. Der Rück-
fluß des Blutes wird größtentheils durch den An-
drang der arteriösen Blutwellen, und durch die Ein-
richtung der Klappen, die das Blut nicht zurück-
treten lassen, befördert; wie sehr aber der Rück-
fluß des Blutes zum Herzen durch die in den Ve-
nen angebrachte Klappen erleichtert wird, sieht man
aus den so häufigen Anschoppungen in dem Blut-
adersystem des Unterleibes, dessen Venen mir klei-
nen Klappen versehen sind. a)

Doch sind auch die venösen Stämme nicht ganz
ohne Lebenskraft; wie man z.B. an den Venen
der Leber, des Mutterkuchens wahrnehmen kann.
(§. 122.)

[Seite 78] Aber auch Verschuir's Versuche bestättigen
die Reitzbarkeit der Venen.

Daß die Hauptstämme der Venen mit Mus-
kelfasern versehen sind, ist oben (§. 84.) angemerkt
worden.

a) Stahl de vena portae, porta malorum. Halae
1698. 4.

§. 128.

Dieß sind die vorzüglichsten Triebkräfte des
Kreislaufes, die unmittelbar in dem Bau der Blut-
gefäße gegründet sind; ich übergehe diejenigen Ne-
benkräfte, die von der Schwere, Anziehung, und
von andern allgemeinen Eigenschaften der Körper
herrühren.

Auch ist hier von jenen entfernten Beförde-
rungsmitteln des Kreislaufes, welche im erwach-
senen Menschen von andern Verrichtungen des Kör-
pers abhängen, z.B. von dem Athemhohlen, der
Muskelbewegung, u.s.w. nicht die Rede.


Eilfter Abschnitt.
Von dem Athemholen, und dem allge-
meinen Nutzen desselben.

[Seite 79]

§. 129.

Die Lungen, die mit dem Herzen sowohl durch
ihre angränzende Lage a), als durch ihren wechsel-
seitigen Einfluß genau verbunden sind, stellen zwey
geräumige, aber schwammichte Eingeweide vor,
die zwar so leicht sind, daß sie auf dem Wasser
schwimmen, aber demohnerachtet ein ziemlich dich-
tes Parenchyma zur Grundlage haben.

a) Eustachii tab. XV. fig. 1-6.

b) Malpigh hat den Bau der Lungen zuerst am
genauesten untersucht. Epist. II. ad Borellum.
Ich bediene mich der Ausgabe mit dem Anhang.
Th. Bartholini de pulmonum substantia & motu
diatribe. Hafn
. 1663. 4.

Eine gedrängte Beschreibung dieser Eingeweide hat
H. P. Hildebrandt diss. de pulmonibus. Götting.
1783. 4. aus guten Quellen geliefert.

§. 130.

Die Lungen füllen beyde Brusthöhlen aus,
und liegen an den Säcken des Rippenfells an a),
[Seite 80] nach denen sie sich so, wie an die übrigen in der
Brusthöhle enthaltene Theile, willig schmiegen.

a) Der Sieg, den Haller in den Jahren 1744-52
über Hamberger errang, ist berühmt. Mit ei-
nem unglaublichen Starrsinn behauptete Ham-
berger die Gegenwart einer elastischen Luft in
den Brusthöhlen, und die Gegenwirkung der äu-
ßern und innern Rippenmuskeln. Die vornehm-
sten hieher gehörigen Schriften sind folgende:

G. E. Hamberger de respirationis mechanismo &
usu genuino diss. una cum scriptis, quae ad con-
troversiam de mechanismo illo agitatam pertinent.
Jenae
1748. 4.

Haller Mem. sur plusieurs phenomenes importans
de la respiration, fondé sur les experiences,
ad calcem operis sur la formation du coeur dans
le poulet etc. Lausan
1758. 12. Vol. II. pag.
201-364.

C. F. T. (cl. Trendelenburg patr.) continuatio con-
troversiae de mechanismo respirationis
Hamberge-
riano etc. Gött. 1749. 4.

Desselb. fernere Fortsetzung der Hallerischen und
Hambergerischen Streitigkeiten vom Athemhoh-
len. Rostock 1752. 4.

Relationes Göttingenses de libris novis Vol. IV. p.
477. sq.

§. 131.

Sie hängen gleichsam an der Luftröhre,
die aus einer innern mit Schleim angefeuchteten,
einer darunter liegenden nervichten, äußerst em-
pfindlichen, und einer muskulösen Membran, die
[Seite 81] die nervichte umfaßt, gebildet ist, und nach vorne
zu aus knorplichten Ringen von unbestimmter Zahl
bestehet.

§. 132.

Diese Luftröhre theilt sich nun bey ihrem Ein-
tritt in die Brust in zwey Hauptäste (bronchia)
die, nachdem sie tiefer in die Lappen und Läppchen
der Lungen eindringen, immer in kleinere Aeste und
Zweige abgetheilt werden, bis sie endlich, indem
sowohl die knorplichten Ringe, als die muskulöse
Membran allmählig verschwinden, mit ihren äußer-
sten Endungen in Bläschen sich verlieren, welche bey-
nahe den vornehmsten Theil der Lungen bilden, und
womit wir die Luft ein- und ausathmen.

§. 133.

Sowohl die Gestalt, als die Größe dieser Lun-
genbläschen sind unbestimmt. a) Jene ist vielseitig;
diese aber in Rücksicht ihres Flächeninhalts schlech-
terdings nicht zu bestimmen, b) ihr innerer Raum
hingegen, mag bey dem tiefen Einathmen eines er-
wachsenen Menschen ungefähr 60 Kubiklinien betra-
gen; denn der große Raum, in den sich die Lungen
nach dem Tode, wenn die Brusthöhle geöffnet wird,
aufblasen lassen, gehört nicht hieher.

a) Keil gibt in seiner latromathematischen Schwär-
merey 1744000000 solche Luftbläschen in bey-
den Lungen an.

b) Lieberkühn schätzt die Oberfläche aller Luft-
bläschen eben so übertrieben auf 1500 Quadratfuß.

§. 134.

[Seite 82]

Die Lungenbläschen sind mittelst eines äußerst
zarten Zellgewebes, das, wie oben erwähnt wor-
den, das allgemeine Band der Theile des mensch-
lichen Körpers ausmacht, untereinander verbunden.
Doch muß man beyde Arten der Zellen wohl zu un-
terscheiden wissen. Die Luftzellen sind, wie ich bey
gesunden und frischen Körpern gefunden habe, be-
ständig von einander abgesondert; denn wenn man
den feinsten Zweig der Luftröhre mit gehöriger Be-
hutsamkeit aufbläst, so sieht man offenbar, daß
die Luft nur eine begränzte Gegend des Luftzellensy-
stems auftreibt; aber, weder in die benachbarte Zel-
len, noch viel weniger in die gemeine, zwischen die-
sen Luftbläschen durchgewebte Zellenhaut eindringt.
Wird aber die Luft heftiger eingeblasen, so reissen
die Luftbläschen, eröffnen sich in das Zellgewebe,
wodurch die Luft den freyen Eintritt erhält, und
gleichsam die ganze Substanz der Lungen aufbläßt.

§. 135.

Dieses feine Zellgewebe, welches zwischen
den Luftbläschen der Lungen sich befindet, wird von
unzähligen Zweigen der Lungenblutgefäße, nämlich
der Lungenarterie (– Tab. I. f. g. h. –) und der vier
Lungenvenen (– Tab. I. i. –) durchschlungen, die die
Zweige der Luftröhrenäste beständig begleiten a) nach-
her aber in unzählige, äußerst feine, netzartige An-
mündungen allmählig sich verlieren. Diese so äußerst
zarten Netze der Blutgefäße durchdringen überall das
Zellgewebe, und schließen die Lungenbläschen so fest
ein, daß die grosse Menge des durchströmenden Blu-
tes nur durch ungemein dünne membranöse Scheide-
[Seite 83] wände (die nach Hales kaum den tausendsten Theil
eines Zolls ausmachen) von der mittelbaren Berüh-
rung der eingeathmeten Luft getrennt ist.

§. 136.

So wie jeden einzelnen Zweig der Luftröhren-
äste eine eigene traubenförmige Reihe von Luftbläs-
chen entspricht (§. 134.), so entspricht einer jeden
solchen Reihe ein eigenes System von Blutgefäßen,
deren kleinste Zweige zwar untereinander, aber nicht
mit den Blutgefäßen der anderen Luftbläschenreihen
in Verbindung stehen. Dies beweisen nicht nur
die mikroskopischen Beobachtungen an den Lungen
lebendiger Frösche und Schlangen, sondern auch die
feinern Ausspritzungen der Lungen, und auch einige
pathologische Erscheinungen bey Eitersäcken, und
anderen Lungenkrankheiten.

§. 137.

Uebrigens sind die Lungen mit einer grossen
Menge einsaugender Gefäße versehen, die besonders
auf der Oberfläche der Lungen häufige Netze bilden,
aus welchen Aeste in die lymphatischen Drüsen ge-
hen, die man aber nicht, wie gemeiniglich geschieht,
mit den Drüsen der Luftröhrenäste verwechseln darf. a)

a) Portal Mem. de l'Ac. des sciences de Paris 1780.

§. 138.

Die Brust, worinn die Lungen enthalten sind,
stellt einen Behälter vor, der theils aus Knochen,
theils aus Knorpeln bestehet, und im Ganzen ge-
[Seite 84] nommen, zwar ziemlich fest und dauerhaft, dabey
aber doch so eingerichtet ist, daß seine meisten Thei-
le denjenigen Grad der Nachgiebigkeit besitzen, den
die verschiedenen Bewegungen beym Athmen er-
fordern. a)

Dies gilt besonders von den sechs ächten Rip-
penpaaren, die nach dem ersten Rippenpaare folgen,
und an Beweglichkeit zunehmen, je länger ihre
Mittelstücke, und ihre knorplichten Anhänge sind,
wodurch die Rippen auf beyden Seiten mit dem
Brustbein verbunden werden.

a) Den ächten Bau, und die Bewegungen der
Brust haben im verwichenen Jahrhundert ge-
nauer untersucht.

Jo. Swammerdam tractat. de respiratione usuque pul-
monum. L. B
. 1677. 8.

Jo. Mayow, tract. de respiratione &c. Oxon. 1668. 8.

Malach. Thruston de respirationis usu primario. Lond.
1670. 8.

Hallers Verdienste über diese Lehre haben wir be-
reits angeführet.

Unter den Neuern zeichnen sich vorzüglich aus I. G.
Amstein (praes. Oetinger) de usu & actione mu-
sculorum intercostal. Tubing.
1769. 4.

Theod. Fr. Trendelenburg fil. de sterni costarumque
in respiratione vera genuinaque motus ratione.
Götting
. 1779. 4.

Bordenave & Sabatier in Memoires de l'Ac. des sc.
de Paris
a. 1778.

§. 139.

[Seite 85]

Zwischen den Rändern dieser Rippenpaare be-
findet sich eine doppelte Lage der Interkostalmus-
keln, deren Fasern zwar in einer entgegengesetzten
Richtung laufen, aber doch nur einerley Wirkung
hervorbringen.

Die ganze Grundfläche der Brusthöhle wird
gleichsam durch ein Gewölb, das man das Zwerch-
fell heißt, von dem Unterleib getrennt a). Die-
ser merkwürdige Muskel, der, um mich Hallers
Ausdruck zu bedienen, nach dem Herzen der vor-
nehmste ist, hat an dem Geschäfte des Athemho-
lens den größten Antheil, wie an geöffneten leben-
den Thieren Galen b) schon längst gezeigt hat.
Die Wirkungen des Zwerchfells scheinen größten-
theils von dem nervo phrenico abzuhängen.

a) Haller de musculis diaphragmatis. Bern 1733. 4.

Icon. anat. Fascic. I. Tab. I.

I. S. Albin. Tab. musculor. Tab. XIV. f. 5. 6. 7.

J. G. Roederer de arcubus tendineis musculorum
Prog
. I. Götting. 1760. 4.

Santorini Tab. posth. X. fig. I.

b) Galen de anatomicis administrationibus L. VIII.
Cap. 8. Ueberhaupt ist dieses ganze Buch reich
an Versuchen, die sich auf das Athemholen be-
ziehen.

c) Krüger de nervo phrenico. Lips. 1759. recus in
cl. Sandifort thesaur. T
. III.

Walter Tab. nervor. thor. & abd. Tab. I. fig. I. n. 1.

§. 140.

[Seite 86]

So wird die Brust in dem erwachsenen Men-
schen bey jedem Athemzug erweitert, bey dem Aus-
athmen hingegen in einen engen Raum zusammen-
gezogen.

Und zwar wird die Brusthöhle während dem
Einathmen meistens seitwärts und unterwärts erwei-
tert, so daß die Mittelstücke der Rippen (§. 138.)
in die Höhe steigen, ihr innerer Rand aber einiger-
massen nach aussen gebogen wird; die Wölbung des
Zwerchfells aber steigt etwas nieder, und wird flächer.

Daß aber auch während dem Athemhohlen der
untere Theil des Brustbeins in die Höhe steige, ha-
be ich wenigstens bey dem ruhigen Athemhohlen ei-
nes gesunden Menschen nie beobachtet.

§. 141.

Diese wechselseitige Bewegung der Brust, die in
dem gesunden Menschen von der ersten Stunde seiner
Geburt bis an das Ende des Lebens ununterbrochen
fortdauert, geschieht bloß in der Absicht, damit auch
die Lungen, um die Luft einziehen zu können, wechsels-
weis erweitert, und zusammen gezogen werden.

§. 142.

Denn der Mensch kann, so wie die übrigen
warmblütigen Thiere, die eingeathmete Luft nicht
lange in den Lungen behalten, sondern muß sie bald
wieder ausathmen, und mit einem frischen Le-
bensstoff, wie die Alten die Luft nannten, vertau-
schen a); denn wir wissen aus der täglichen Er-
fahrung, daß auch die reinste eingeathmete Luft,
nach einem kurzen Aufenthalt in den Lungen, alle
Eigenschaften einer verderbten und nicht erneuer-
[Seite 87] ten Luft annimmt, und so wie diese zum Athem-
hohlen untauglich gemacht wird b).

a) Das Alterthum dieser Lehre von dem Lebensstoff
erhellet aus einem Buche des Hipokrates de flati-
bus
. Der Verfasser dieses Buches nimmt einen
dreyfachen Nahrungsstoff an, nämlich: Speise,
Getränke, und Luft; letztere unterscheidet er als
den Lebensstoff von den übrigen, weil das Leben
des Menschen auch nicht einen Augenblick ohne
Luft bestehen kann.

b) S. die Unterredung des unsterblichen Harvey über
die unentbehrliche Erneuerung des ernährenden
Luftstoffes, mit dem berühmten Astronomen Jo.
Greaves, in dessen Description of the pyramids
in Egypt. p
. 101. Lond. 1646.

Ferner Edm. Haleys Discourse concerning the means
of furnishing air at the Bottom of the Sea in any
ordinary Dephts. In philosoph. Transact. Vol.

XXIX. N. 349. p. 492.

§. 143.

Es entstehet aber hier die Frage, was für
Veränderungen die eingeathmete Luft in den Lun-
gen erleidet; Veränderungen, die nicht von dem
Verlust ihrer Elasticität herrühren, wie man eh-
mals glaubte, sondern vielmehr von der Entmi-
schung ihrer Bestandtheile herzuleiten sind. Denn
die atmosphärische Luft, welche der Mensch ein-
athmet, ist das seltsamste Gemische verschiedener
Bestandtheile. Sie ist (die fremdartigen Theile,
z.B. die feinsten Pflanzensaamen, riechbare Theil-
chen, Staub, und tausend andere Dinge zu ge-
[Seite 88] schweigen, die in der Atmosphäre immer schwe-
ben), mit wässerigten Dünsten geschwängert; ent-
hält elektrische und magnetische Materie; und end-
lich ist die Luft selbst aus verschiedenen Luftarten
zusammengesetzt, nämlich aus der dephlogistisirten,
phlogistischen und fixen Luft.

Das Verhältniß dieser Bestandtheile unterein-
ander ist nach Verschiedenheit der Oerter, und der
sich dort aufhaltenden Körper verschieden. Gemei-
niglich nimmt man an, daß die atmosphärische Luft
1/4 dephlogistisirte, 11/16 phlogistische, und 1/16 fixe
Luft enthalte a).

a) Fixe und phlogistische Luft scheinen wieder nur
dem Grade nach von einander unterschieden zu
seyn. Kirvan betrachtet beyde, als eine dephlo-
gisirte Luft, die, wenn sie mit Brennstoff ge-
sättigt ist, fixe Luft, wenn sie aber mit Brenn-
stoff übersättigt ist, phlogistische Luft genennet
wird. Dieser Unterschied erlangt durch Herrn
Lichtenbergs Versuche, einen hohen Grad der
Wahrscheinlichkeit.

§. 144.

Wir wissen aber aus der Erfahrung, daß der
erwachsene Mensch, wenn das Athemhohlen ruhig
von statten geht, mit jedem Athemzug dreyßig Ku-
bikzoll Luft einathmet; allein der vierte Theil der
dephlogistisirten Luft wird entmischt, und theils zur
festen, theils zur phlogistischen Luft; so daß die
ausgeathmete, in einem Gefäß behutsam gesam-
melte Luft, Licht oder glühende Kohlen plötzlich aus-
löscht, den Kalk aus dem Kalkwasser niederschlägt,
[Seite 89] und an specifischer Schwere die atmosphärische Luft
weit übertrifft a).

a) Um durch Versuche genau zu bestimmen, wie
lange ein Thier die nämliche Luftart einathmen
könne, ohne daran zu sterben, wählte ich drey
Hunde, die beynahe gleich groß und stark waren.
Dem ersten band ich eine Blase, die etwa 20
Kubikzoll dephlogistisirte Luft enthielt, mittelst
einem Röhrchen, an die abgeschnittene Luftröhre.
Dieser Hund starb nach 14 Minuten.

Bey dem zweyten ward die Blase mit atmosphäri-
scher Luft gefüllt; dieser war nach sechs Minu-
ten tod.

Dem dritten aber ward die Blase des zweyten Hun-
des, die von ausgeathmeter phlogistischer Lufe
strotzte, angebunden; daß Thier starb schon in
der vierten Minute.

Diese phlogistische Luft ward nachher in einem da-
zu bequemen Gefäß gesammelt, da man sodann
die vorerwähnten Erscheinungen beobachtete.

Die Geräthschaften, deren ich mich zu diesen Ver-
suchen bediente, stehen in meiner medicinischen
Bibliothek B. 1. beschrieben, und abgebildet.

§. 145.

Es ist höchst wahrscheinlich, daß bey dieser
Entmischung die losgebundenen Feuertheilchen der
dephlogistisirten Luft in das arteriöse Blut aufge-
nommen, und so in dem Körper herumbewegt
werden; die Grundlage der fixen Luft hingegen mit
dem Brennstoff in das venöse Blut übergehe, nach
der rechten Herzkammer zurückfließe, und so gleich-
[Seite 90] sam als ein Auswurf durch die Lungen ausgestos-
sen werde a).

Die lebhaftere Röthe des arteriösen, und die
dunklere Farbe des venösen Blutes, und die ähnli-
chen Farben, die das Blut, wenn es diesen ver-
schiedenen Luftarten (§. 16.) ausgesetzt wird, an-
nimmt, stimmen mit dieser Theorie genau über-
ein b).

a) Der größte Theil dieser merkwürdigen Erschei-
nungen von den künstlichen Luftarten, womit in
dem letztern Jahrzehente so ansehnlich bereichert,
und das ganze Geschäft des Athemholens in ein
so helles Licht gesetzt worden, waren bereits vor
hundert Jahren dem scharfsinnigen englischen Arzt
Majon bekannt. Jo. Mayon de sal-nitro, &
spiritu nitro-aëreo. Oxon.
1674. 8.

Jo. Andr. Hammerschmidt de notabili discrimine in-
ter sanguinem arteriosum & venosum. Götting.

1753. 4.

§. 146.

Ueberhaupt ist der Unterschied des arteriösen
und venösen Blutes in dem ungebohrnen Kinde
nicht so auffallend, als in dem erwachsenen Men-
schen, weil die Lungen des ungebohrnen Kindes noch
keine mit Feuerstoff geschwängerte Luft eingeath-
met haben.

Nachdem aber das Kind auf die Welt ge-
kommen ist, entstehen sowohl von dem fremden
Gefühl des neuen Elements, wohin das im Was-
ser bisher lebende Thier auf einmal versetzt wird,
als auch von so vielen anderen neuen Reitzen ver-
schiedene neue Bewegungen in dem Körper, be-
[Seite 91] sonders aber die Erweiterung der Brusthöhle, und
sogleich die Nothwendigkeit des ersten Athemholens.

Nachdem aber die Lungen durch den ersten
Athemzug einmal erweitert worden, gewinnt das
Blut, indem es durch die Nabelgefäße nicht mehr
ausströmen kann, einen neuen Weg durch die
Lungen.

Da nun diese eingeathmete Luft durch die er-
folgende Entmischung ihrer Bestandtheile den Lun-
gen nachtheilig und lästig wird, so veranstaltet die
heilende Natur, um dieses schädlichen Stoffes sich
zu entledigen, die unmittelbar darauf folgende
Zusammenziehung der Brust, um die faule Luft
auszustoßen, und mit einem frischen Luftvorrath
zu vertauschen.

Aus dem, was bisher gesagt worden, und
besonders aus dem großen Einfluß, den das Athem-
holen auf den ganzen Umlauf des Blutes hat, wie
der Hookische Versuch a) deutlich zeigt, läßt sich
das berühmte Harväische Problem b) weit leich-
ter auflösen, als durch die meisten übrigen Bemü-
hungen der Physiologen c).

a) Dieser Versuch hat den Nahmen von Hooke, der
ihn mit der größten Genauigkeit anstellte. Sprut
History of the royal society. Lond. 1667. p. 232.
Diesen Versuch hat schon lange vorher Vesal ge-
macht, und wegen seiner Simplicität empfohlen.
d. c. h. fabrica. p. 824.

b) Harvey de circulatione sanguinis ad Joh. Riolanum.
Glasgou 1751. 12. p. 258.

– – Exercitat. de generatione. p. 263. Edit. prin-
ceps. Lond
. 1651. 4.

[Seite 92]

c) Petr. Jac. Daoustenc de respiratione. Lugd.
1743. 4.

Rob. Whytt on the vital and other involuntary
motions of animals pag.
222. Ed. Edinb.
1751. 8.


Zwölfter Abschnitt.
Von der Stimme und von der Sprache.

[Seite 93]

§. 147.

Wir haben nun den Hauptnutzen des Athemho-
lens betrachtet; von dem Einfluß desselben auf die
innige Vermischung des Nahrungssaftes mit dem
Blute, überhaupt, auf die ganze Klasse der natür-
lichen Verrichtungen (§. 63. 111.), werde ich an
einem andern Orte handeln. Wir wollen nun noch
einige Nebenvortheile des Athemholens betrachten.

Und zwar zuerst die Stimme, die ein Vor-
recht des erwachsenen Menschen ist, a) und aus
den Lungen entspringt; wie schon längst Aristote-
les angemerkt hat, daß nur diejenigen Thiere, die
Luft durch die Lungen einathmen, mit einer Stim-
me begabt sind. Die Stimme ist aber eigentlich
derjenige Schall, der erzeugt wird, indem die aus-
geathmete Luft aus dem Kehlkopf, einem ungemein
künstlichen Werkzeuge, das an der Luftröhre, wie
ein Aufsatz an einer Säule angebracht ist, hervor
dringt. b)

a) P. L. M. Maloet & Jac. Savary. E. ut ceteris
animalibus, it a homini sua vox peculiaris. Paris

1757. 4.

[Seite 94]

b) Fabr. ab Aquapendente, de visione, voce, & au-
ditu. Patav
. 1603. fol.

Julius Casserius Placentinus de vocis, auditusque or-
ganis. Ferrar
. 1600. fol.

Jan. Marc. Busch de mechanismo organi vocis, hu-
jusque functione. Groning.
1770. 4.

§. 148.

Dieses Stimmwerkzeug bestehet aus verschie-
denen Knorpeln, die in Gestalt einer Kapsel unter-
einander verbunden, a) mit einem großen Muskel-
vorrath ausgerüstet b) sind, wodurch sowohl alle
Knorpeln zusammengenommen, als auch, nach Ver-
schiedenheit der Stimme, einige besonders, ihre Be-
weglichkeit erhalten.

a) Eustach. Tab. XLII.

Morgagn. advers. anatom. prim. T. II.

Santorini observ. anat. Tab. III. f. 1. 2. 3.

b) B. S. Albini Tab. muscul. tab. X. fig. 1–15.

Tab. XI. fig. 45–48. tab. XII. fig. 1–7.

§. 149.

Der vornehmste Theil an diesem Stimmwerk-
zeuge ist die Stimmritze, nämlich die enge Mün-
dung der Luftröhre, die von dem darüber schweben-
den Kehldeckel zugedeckt wird. Daß aber ausge-
athmete Luft, indem sie an die Ränder dieser Mün-
düng stößt, den Schall erzeuge, ist eine ausge-
machte Wahrheit.

§. 150.

Nur darüber wird noch gestritten, auf wel-
che Art die Stimmritze die Stimme hervorzubrin-
gen im Stande ist? ob sie nämlich erweitert, und
[Seite 95] dann wieder zusammengezogen wird, nach Ga-
len's und Dodarts Meinung, oder ob die Verän-
derung der Stimme von der Spannung und Er-
schlaffung ihrer Bänder herrühret, wie Ferrein
behauptet.

Diese vergleichen die Menschenstimmen mit den
Saiten einer Violine, diese mit einem Flötenton.

Am wahrscheinlichsten ist es, daß beyde Er-
klärungsarten zugleich statt finden, jedoch mit dem
Unterschiede, daß die Spannung der Bänder, be-
sonders die thyreo-arytaenoidei inferiores (Fer-
reins Stimmsaiten) den größten Antheil an der Bil-
dung der Menschenstimme haben. a)

a) Versuche zur Entscheidung dieser Streitfrage sind
hier in Göttingen angestellt worden. J. G. Run-
ge diss. de voce ejusque organis. L. B. 1753. 4.

Jos. Ballani comment. institut. Bonon. T. VI.

Vicq d' Azyr. Mem. de l'Acad. des scienc. de Paris
1779.

§. 151.

Daß aber alle Bewegungen der Stimmritze
von den Muskeln des Kehlkopfes hervorgebracht
werden, erhellet aus dem Versuche, indem man
die Stimme durch die Unterbindung oder Zerschnei-
dung der zurückkehrenden oder herumschweifenden
Nerven, entweder vertiefen, oder gar benehmen
kann. a)

a) Diesen berühmten Versuch hat bereits Galen
angestellt. Uebrigens sehe man:

W. Courten in Philos. Transact. N. 335.

[Seite 96]

Morgagni epistol. anatom. XII. n. 20.

Molinelli comment. institut. Bonon. T. III.

§. 152.

Das Pfeifen hat der Mensch mit den Sing-
vögeln gemein. Letztere haben zwar zu diesem End-
zweck einen bis zur Abtheilung der Luftröhre gespal-
teten Kehlkopf; doch ist der Mensch auch mit einem
einfachen Kehlkopf vorzüglich durch die Verengerung
der Lippen, den Gesang der Vögel nachzuahmen im
Stande. a)

a) Wie biegsam die Menschenkehle zur Nachah-
mung der Thierstimmen ist, lehren uns die Bey-
spiele der Wilden. Z.B. die Einwohner von
Neuguinea in den Südländern. Nic. Witsen
Nord-en Oost-Tartarye. Ed. 2. Amsterdam. 1705.
Vol. I. p. 165.

§. 153.

Singen heißt man, wenn die Stimme verschie-
dene Grade der Höhe und Tiefe harmonisch durchläuft.
Der Gesang ist dem Menschen eigen, und ein be-
sonderes Resultat seiner Stimmwerkzeuge. Das
Pfeifen ist den Vögeln angebohren; die meisten Vö-
gel, und sogar auch Hunde lernen zuweilen Wörter
aussprechen. Doch zweifle ich, ob Thiere jemals
einen ordentlichen Gesang hervorgebracht haben; so
wie es hingegen ausgemacht ist, daß bis itzt kein
wildes Volk ohne Gesang angetroffen worden. a)

a) Daß dieses bey den Aethiopiern, Grönländern,
Canadiern, Californiern, Kamtschadalen u.a.m.
sich so verhalte, wissen wir aus den glaubwür-
[Seite 97] digsten Reisebeschreibungen. Daher wir auch
Rousseaus Meinung, daß der Gesang der mensch-
lichen Natur zuwider sey, allerdings paradox
scheinet. Dictionaire de musique. Vol. I. p. 170.
Ed. Genev. 1781. 12.

§. 154.

Die Sprache selbst ist eine besondere Ver-
änderung der Stimme, wo die Töne durch Bey-
hülfe der Zunge, der Lippen, der Zahne, des Gau-
mes, und der Nase in Buchstaben umgeschaffen
werden.

Daher der Unterschied zwischen Stimme und
Sprache; jene entspringt aus dem Kehlkopfe; die-
se wird (einige Völker, z.B. die Sinesen aus-
genommen, bey denen gleichlautende Wörter bloß
durch die Höhe und Tiefe unterschieden werden)
durch Mitwirkung der übrigen Stimmorganen her-
vorgebracht.

Nicht nur der Mensch, sondern auch das
Thier, auch das neugebohrne Kind hat eine Stim-
me; sogar unter wilden Thieren, erwachsene Kin-
der, sogar stummgebohrne verrathen Spuren der
Stimme. Die Sprache aber ist ein Resultat des
gebildeten Verstandes und der Uebung, folglich
ein ausschließendes Vorrecht des Menschen. Denn
die Thiere werden durch Naturtriebe geleitet; der
Mensch hingegen, dem solche Beförderungsmittel
zu seiner Selbsterhaltung versagt sind, bedarf al-
lerdings dieses Vorzuges, des Verstandes und der
Sprache, um in dem gesellschaftlichen Leben, wozu
er von Natur bestimmt ist, seine Bedürfnisse aus-
drücken, und befriedigen zu können.

§. 155.

[Seite 98]

Bewunderungswürdig ist dieser Mechanismus
der Aussprache, der nach den ersten trefflichen Ver-
suchen des Franz Merc. Helmont a), durch die
Bemühungen eines Jo. Wallis b), und Conrad
Amman c), in ein helles Licht gesetzt werden.

Ammans Eintheilung der Buchstaben scheint
mir die natürlichste zu seyn, nämlich I. in Vo-
cale; II. Halbvocale; III. Consonanten. d)

I. Die Vocale theilt er wiederum

a) in einfache a. e. i. y. o. u.

d) in vermischte ä. ö. ü.

II. Unter die Halbvocale zählt er:

a) die durch die Nase ausgesprochen werden
(nasales.)

m. n. ng. (d. i. das n vor dem deut-
schen g).

b) die durch den Mund gebildet werden
(orales, nasales)

r. l.

III. Die Consonanten theilt er wieder ver-
schiedentlich ein:

a) in blasende (welche allmählig ausgespro-
chen werden)

h. g. chs. sch. f. v. ph.

b) in herausstoßende (explosivae)

k. q. d. t. b. p.

c) doppelte oder zusammengesetzte.

x. z.

a) Franc. Mercur. ab. Helmont alphabeti vere natu-
ralis Hebraici delineatio. Sulzbac.
1657. 12.

[Seite 99]

b) Io. Wallisii Gramatica linguae anglicanae cui
praefigitur de loquela, seu sonorum omnium lo-
quelarium formatione, tractatus grammatico-
physicus. Ed
. VI. Londin. 1765. (Ed. curante
Th. Hollis
).

c) Io. Conrad. Amman surdus loquens. Amsterd.
1692. 8. Ed. princeps.

d) Chr. Theoph. Krazenstein tentamen praemio co-
tonatum, resolvendi problema ab Acad. scien-
tiarum Petropolit. propositum: de natura &
charactere sonorum litterarum vocalium &c. Pe-
trop.
1781. 4.

§. 156.

Zum Beschluß will ich noch einige andere
Veränderungen der Stimme anführen, die ent-
weder als begleitende Zufälle gewisser Gemüths-
bewegungen anzusehen sind, oder auf eine heftige-
re Anstrengung der zum Athemholen bestimmten
Werkzeuge zu folgen pflegen; und von denen einige
z.B. das Weinen und Lachen, dem Menschen
ausschließungsweise zukommen.

§. 157.

Die meisten dieser Veränderungen sind mit
einander verwandt, und nicht selten verliert sich
eine in die andere; auch pflegen sich diese Neben-
veränderungen der Stimme nicht immer auf gleiche
Weise zu äußern.

Das Lachen besteht meistentheils aus kur-
zen, absatzweise auf einander folgenden Ausath-
mungen. a)

[Seite 100] Das Weinen fängt mit einer starken Ein-
athmung an, auf welche kleine Ein- und Ausath-
mungen wechselweise folgen. b)

Das Seufzen entsteht durch ein langsames,
anhaltendes Einathmen, und langsames Ausath-
men; und ist zuweilen mit Aechzen (gemitus)
verbunden. c)

Der Husten entsteht, wenn abwechselnde
starke Einathmungen auf starke Ausathmungen
schnell, und mit einem Schall erfolgen. d)

Das Nießen besteht in einem einzigen kur-
zen sehr starken Ein- und einen sehr heftigen
Ausathmen. e)

Das Schluchzen hingegen ist ein schallend,
starkes, und gleichsam convulsivisches Einath-
men. f)

Aber auch das Gähnen gehört hieher, das
in einer langsamen, und langen Einathmung be-
stehet, mit einer darauf folgenden, nicht minder
langsamen Ausathmung, wobey zugleich die Kie-
fern von einander sich entfernen, und die Luft
durch den offenstehenden Mund in die Eustachische
Röhre eindringen kann. Das Gähnen hat noch
das Besondere, daß es die Umstehenden so leicht
zur Nachahmung reitzt; wovon die Ursache wahr-
scheinlich in der Erinnerung der angenehmen Em-
pfindung, die uns das Gähnen verschaft, herzu-
leiten ist. g)

a) Fr. Lutichius de risu. Basil. 1738. 4.

b) Ioh. Frid. Schreiber de fletu. L. B. 1728. 4.

c) Dav. C. Imm. Berdot de suspirio. Basil. 1736. 4.

[Seite 101]

d) Joh. Melch. Fr. Albrecht (praes. Hallero) expe-
rimenta in vivis animalibus circa tussis organa ex-
ploranda instituta. Götting
. 1751. 4.

e) Marc. Beat. L. Jac. Porta de sternutatione. Basil.
1755. 4.

f) C. Io. Sig. Triel de singultu. Gotting. 1761. 4.

g) Joh. God. Günz (praes. Walthere) diss. de oscita-
tione. Lips
. 1738. 4.


Dreyzehnter Abschnitt.
Von der thierischen Wärme.

[Seite 102]

§. 158.

Der lebendige Mensch genießt mit den übrigen
Säugthieren und Vögel, vor anderen Thiergat-
tungen den Vorzug, daß die angebohrne Wärme
ihres Körpers, die Warme der Atmosphäre, in
der sie leben, bey weitem übertrifft. Doch ist es
sonderbar, daß unter diesen Thieren der Mensch
einen geringen Grad der Wärme besitzt, die in
unserm Klima nicht über den 96° des Fahrenheiti-
schen Thermometers zu steigen pflegt, da sie doch
in anderen Säugthieren, vorzüglich aber bey Vö-
geln, diesen Grad weit übersteigt a).

a) Es versteht sich von selbst, daß hier der Winter-
schlaf einiger warmblütigen Thiere ausgenommen
werden muß; denn so wie in diesem Zustande
alle Verrichtungen des thierischen Lebens stillste-
hen, oder wenigstens ermatten, so sinkt auch
die thierische Warme zu einer kaum fühlbaren
Lauigkeit herunter.

§. 159.

Dieser Stand der natürlichen Warme ist bey
dem gesunden Menschen so beharrlich, daß die Ab-
weichungen in einzelnen Körpern, sowohl unter den
[Seite 103] kältesten als heißesten Klimaten, nur wenige Gra-
de betragen. Denn Boerhaavens a) Meinung,
daß der Mensch in einer Atmosphäre, die an Wär-
me seinen Körper übertrifft, nicht leben könne, ist
sowohl durch die Beobachtungen des berühmten
Ellis b), als durch verschiedene in dieser Absicht
angestellte Versuche c) hinlänglich widerlegt. Es
ist sogar ein besonderer Vorzug des Menschen, daß
er an keinen Himmelsstrich gebunden ist, sondern
die ganze weite Welt bewohnen, und an der Hud-
son's Bay, wo das Quecksilber von freyen Stü-
cken gefriert d), oder in Nova Zembla e) eben
so gut, als an den glühenden Sandufern von Se-
negal f) ausdauern kann.

a) Philosoph. Transact. Vol. I. P. II. 1758. An
Thieren ist dieß schon früher beobachtet worden
von Arn. Duntze Experimenta calorem animalem
spectantia L. B
. 1754.

b) Duhamel & Thlet in Memoires de l'Academie des
Sciences de Paris
1704.

Bradgen & Dopson in Philosopical Transactions a.

1765.

c) Es ist bekannt, daß auch in den europäischen
Klimaten die Sommerhitze die Wärme des mensch-
lichen Körpers zuweilen übersteigt. Ich erfuhr
dieses an mir selbst, als ich am 3. August 1783
in Gesellschaft des Herrn Schnyder de Warten-
see, um die Mittagszeit auf den Luzerneralpen
mich befand. Das Thermometer, welches im
Schatten auf 100° stieg, sank, als es an den
Körper gehörig gelegt wurde, auf 96°.

[Seite 104]

d) Th. Hutchius (Governor of Albany fort in Hud-
sons Bay) Experiments for ascertaining the point
of mercurial congelation. London
1784. 4. p. 66.

e) Gerrit de Veer waterachtighe Feschryvinghe van
drie Soylagien, ter werelt neyt soo vreemt ghe-
boort &c. Amst
. 1598.

f) I. P. Schotte on the Synochus atrabiliosa wich
Reged at Senegal. a
. 1778. Lond. 1782. 8.

§. 160.

Es ist nun aber die Frage, woher die thie-
rische Wärme ihren Ursprung hat. Ohne itzt al-
le Hirngespinnste der Alten anzuführen, will ich
nur anmerken, daß einige neuere Physiologen die
Wärme von der elektrischen Materie und von den
Nerven a), andere von der Reibung und von der
fortschreitenden Bewegung des Blutes b), einige
von der Reibung der festen Elementartheile c), an-
dere aus anderen Ursachen zu erklären sich bemühet
haben.

a) Io. Schebheake's practice of physik. Vol. I.

b) Diese Boerhaavische Hypothese hat noch unlängst
an Herrn Crell einen Vertheidiger gefunden; am
Ende der deutschen Uebersetzung von Dobson's und
Blägden's Abhandlungen. Helmstädt 1778. 8.

e) Edward Tryer cogitationes phisiologicae de vita
animantium & vegetabilium. L. B.
1785. 8.

§. 161.

Allein gegen alle diese Hypothesen erheben sich
viele Schwierigkeiten; da hingegen diejenige Theo-
rie, der zufolge die natürliche Wärme in den Lun-
[Seite 105] gen durch die eingeathmete dephlogistisirte Luft er-
zeugt wird, sowohl durch ihre Simplicität, als
durch ihre Uebereinstimmung mir den Naturerschei-
nungen sich besonders auszeichnet. Den ersten
Grund zu dieser Theorie legte der oben erwähnte
Mayow; sie ist aber nachher erst in unserm Zeit-
alter, vorzüglich aber von Crawford verbessert,
und erweitert worden a).

a) Grawford Experiments and observations on ani-
mal heat, and the inflammation of combustible
bodies. Lond.
1779. 8.

§. 162.

Crawford's Theorie ist ungefähr folgende:
Sowohl das Athemholen als das Verbrennen be-
ruhet auf einer chemischen Operation, wobey das
in den Körpern befindliche Brennbare durch den
Beytritt des losgebundenen, oder fühlbaren Feuers
(das man von dem gebundenen Feuer wohl unter-
scheiden muß) ausgetrieben wird.

Denn das Brennbare, und die Feuermaterie
sind einander entgegengesetzte Elemente, und jemehr
von dem einen in dem Körper sich befindet, desto-
weniger ist von dem andern zugegen; so soll die
fixe Luft nur 1/67 derjenigen Feuermaterie, die in
einer gleich großen Menge atmosphärischer Luft vor-
handen ist, enthalten.

Aus den Versuchen erhellet aber, daß die at-
mosphärische Luft mit dem Brennbaren eine größere
Verwandtschaft hat, als mit der Feuermaterie, so
daß sie lieber mit dem Brennbaren, als mit der
Feuermaterie sich verbindet, und folglich von dem
Feuer, mit dem es bisher vereinigt war, sich einladet.

§. 163.

[Seite 106]

Wenn wir mit dieser Theorie die Erscheinun-
gen des Athemholens vergleichen, so wird es höchst
wahrscheinlich, daß die thierische Wärme durch eine
ähnliche chemische Operation erzeugt werde (145.)

§. 164.

Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß die
Feuertheilchen, welche wir mit der Luft einathmen,
in den Lungen von den feinsten Gefäßen, die von
den Luftzellen nur durch dünne Zwischenwände ge-
trennt sind (§. 135.) eingesogen, und so mit dem
venösen Blute in das arteriöse, und von da in den
ganzen Körper geführt werden.

Dieses mit Feuer bereicherte Blut läßt in sei-
nem Kreislaufe immer etwas von seinem Feuer fah-
ren, und bekömmt dafür Brennbares zurück. Die-
ses mit dem venösen Blute vermischte Brennbare
strömt zum Herzen, und wird durch die Lungenar-
terie in die Lungen geführt, wo es sodann, nach den
itzt eben angeführten Gesetzen der Verwandtschaft,
mit der frisch eingeathmeten Luft sich wieder ver-
mischt, und die Feuermaterie losbindet, die sodann
von neuem in die Blutmasse übertritt.

§. 165.

Mit diesem stimmt auch dasjenige überein, was
ich von dem Unterschiede des arteriösen und venösen
Blutes angeführt habe; auch die specifische Wärme
des Blutes in den Arterien und Venen a), denn die
Schwere des arteriösen Blutes wird auf 11 1/2 das
venöse aber nur auf 10 geschätzt; auch das, was
von der Wirkung der kleinsten Blutgefäße gesagt
worden, trifft mit dieser Theorie zu (§. 126.)

[Seite 107]

a) Schon Galen hat an verschiedenen Stellen be-
hauptet, daß die linke Herzkammer wärmer sey
als die rechte. De temperamentis L. II. p. 34.
Ed. op. Bas. L. de inaequali temperie Ed. cit. Cl
.
III. p. 88.

Swenke haematologia. Haag. 1743. 8. p. 31.

§. 166.

Es ist höchst wahrscheinlich, daß auch die
kleinsten Blutgefäße das ihrige zur Beschleunigung
oder Verzögerung dieser chemischen Operation bey-
tragen, wodurch die Feuermaterie des Blutes ge-
gen Brennbares abgesetzt, und folglich auch der
Grad der thierischen Wärme vermehrt oder der-
mindert wird.

Die Beharrlichkeit der thierischen Wärme,
die (wenn wir sie nach dem Thermometer, aber
nicht nach unserm tauschenden Gefühle beurtheilen
wollen) in der größten Sommerhitze, und in dem
heftigsten Winterfroste sich beynahe immer gleich
bleibt a), sogar beym Untertauchen in kaltem Was-
ser zuweilen zunimmt b), ist eine so sonderbare Er-
scheinung, aus der man einigermassen schliessen
kann, daß die Wirkung der kleinsten Gefäße, je
nachdem die Atmosphäre, worinnen wir leben, mehr
oder weniger warm ist, gleichfalls verschieden seyn
müsse; so daß sie in der Kälte (wodurch ihre Span-
nung ohne Zweifel mehr erhöht wird), eine grö-
ßere Menge Feuermaterie gegen Brennbares um-
setzen, und einen größern Grad der Hitze, in einer
feuchten und erschlaffenden Atmosphäre hingegen ei-
ne geringere Wärme hervorbringen.

[Seite 108]

a) Grawford Philosoph. transact. Vol. LXXI. P.
II.

b) G. Pickel Experimenta physico-medica de elec-
tricitae, & calore animali. Virceburgi
1778.
8.


Vierzehnter Abschnitt.
Von der Ausdünstung der Haut.

[Seite 109]

§. 167.

Die Haut, welche den menschlichen Körper über-
zieht, hat so mannigfaltige Verrichtungen, daß
man sie nicht alle zugleich befassen kann, sondern jede
einzeln an ihrem gehörigen Orte betrachten muß.

Denn die Haut ist einmal das Organ des Ge-
fühls; und in dieser Rücksicht gehört die Untersu-
chung zu den thierischen Verrichtungen.

Die Haut ist aber auch das Werkzeug der Ein-
saugung, und in sofern gehört die Betrachtung in
das System der einsaugenden Gefäße, folglich zu
den natürlichen Verrichtungen.

Sie ist aber auch das Organ der unmerklichen
Ausdünstung, und hängt also von dieser Seite mit
dem Geschäfte des Athemholens zusammen, daher
auch die Betrachtung der Hautausdünstung hier,
wie mich dünkt, an seinem rechten Orte steht.

§. 168.

Die Hau besiecht aus einer dreyfachen Mem-
bran: 1. die Haut selbst, 2. das Malpighische
Netz, 3. das Oberhäutchen.

§. 169.

[Seite 110]

Das Oberhäutchen a) ist die äußere Decke
des menschlichen Körpers, und, was nur die Gla-
sur der Zähne, die Werkzeuge des Athemholens,
und der Barmkanal ohne Nachtheil ertragen kön-
nen, der Luft unmittelbar ausgesetzt.

a) Al. Monro (patris) or. de cuticula humana.
Op. Ed. Angl. Edinb
. 1781. 4.

§. 170.

Ihr Bau ist äußerst einfach, ohne Nerven,
ohne Löcher, überhaupt wenig organisch, aber doch
besonders ausgezeichnet; a) sie besitzt, ihrer trüben
Durchsichtigkeit ohnerachtet, eine ausnehmende Zä-
higkeit, so daß sie der Maceration und andern Ar-
ten des Verderbnisses hartnäckig widersteht.

a) Bey einigen Thieren ist das Oberhäutchen unge-
mein dicht, und scheint aus geraden Fasern gewebt
zu seyn; ihre innere Flache ist durchlöchert, und
wird von wollartigen Fasern der darunterliegen-
den Haut durchdrungen. Diese sonderbare Struk-
tur des Oberhäutchens sieht man ganz deutlich
an anatomischen Präparaten von einer balaena
mysticeti
.

Auch das Oberhäutchen des menschlichen Körpers
hat im kranken Zustande manchmal diese Struk-
tur, z.B. in jener angeerbten Hautkrankheit,
womit in England der sogenannte Igelmann
sammt seinen Kindern behaftet war. G. Edwarts
Gleanings of natural history. Vol. I. Tab. CCXII.

[Seite 111]

Aber auch die Hühneraugen, und die Schwielen
an der Fußsohle, besonders bey Personen, die
bloßfüßig gehen, haben mit dieser Struktur viel
Aehnliches.

§. 171.

Die Entstehung des Oberhäutchens ist noch
etwas zweifelhaft. Wahrscheinlich ist es, daß das
Oberhäutchen sammt den Haarzwibeln aus der Haut
selbst hervorkeimt, an die es mit unzähligen und
äußerst zarten Faden befestiget ist. a)

Vor allen gleichartigen Theilen des Körpers
wird das Oberhäutchen am geschwindesten wieder
ersetzt.

a) G. Hunter in medical obs. and inquir. Vol. II.
Inzwischen scheint mir doch seine Meinung, in-
dem er diese Fäden für Ausführungsgänge der
Ausdünstungsmaterie hält, sehr unwahrscheinlich.

§. 172.

Da man das Oberhäutchen sowohl in dem
Pflanzen- als Thierreiche durchgängig findet, so
kann man schon hieraus auf den allgemeinen Nu-
tzen schließen, den diese Hülle allen organischen
Körpern verschaft; sogar in dem ungebohrnen Kinde
findet man, wenigstens schon im dritten Monate
nach der Empfängniß, Anfänge des Oberhäutchens.

§. 173.

Unter dem Oberhäutchen liegt ein schleimich-
tes Häutchen, das von seinem Erfinder das Mal-
pighische Netz genennt wird. a)

[Seite 112] Es hat die Gestalt eines leicht auflöslichen
Schleimes, und kann nur an dem Hodensacke des
Mohren als eine förmliche, sowohl von dem le-
der, als von dem Oberhäutchen deutlich abgeson-
derte Membran dargestellt werden. b)

a) Marcell. Malpighii tetras anatomicarum epistola-
rum. Bonon.
1665. 12.

b) Die Absonderung des Malpighischen Schleimes
an diesem Theile ist vom Herrn p. Sömmering
zuerst bewerkstelligt worden. Ueber die körper-
liche Verschiedenheit des Negers vom Euro-
päer. Augs. 2. 46.

§. 174.

In diesem Malpighischen Schleime ist der
Sitz der verschiedenen Farbe des Menschen. a)
Die wahre Haut ist fast bey allen Menschen weiß,
das Oberhäutchen aber fast bey allen weiß, und
halbdurchsichtig, den Neger ausgenommen, bey
dem es in das Graue und Dunkle fällt. Das
Malpighische Netz hingegen ist in dem erwachsenen
Menschen, nach Verschiedenheit des Alters, der
Lebensweise, und des Klima, und auch nach seiner
krankhaften Beschaffenheit verschieden. b)

In dieser Rücksicht können wir fünf Abarten
(race) des Menschengeschlechts annehmen:
1) Zur ersten Abart gehören, außer den Eu-
ropäern, die Bewohner des westlichen Asiens, und
des nördlichen Afrika's, ferner die Grönländer,
und Esquimoten, deren Malpighisches Netz mehr
oder weniger weiß ist.

2) Die zweyte Abart begreift die Asiaten,
die sich durch eine olivenbraune Farbe auszeichnen.

[Seite 113] 3) In der dritten Abart stehen die Negern. c)

4) Die Bewohner des übrigen Amerika ha-
ben eine tupferfahle Leibesfarbe.

5) Endlich die Neuseeländer, die mehr oder
weniger braun aussehen.

Aber alle diese Abstuffungen der Farben ver-
lieren sich, wie alle National- und Familienphysio-
gnomien so unvermerkt in einander, daß man sie
unmöglich auf festgesetzte Klassen zurückführen kann.

a) B. S. Albini de sede & causa coloris aethiop. &
caeteror. hominum, c. icon. colorib. distinct. L. B.

1737. 4.

b) Dieß habe ich in einer besondern Abhandlung
weitläuftiger abgehandelt. De generis humani
varietate nativa. Ed.
2.

c) Pechlin de habitu & colore aethiopum, qui vulgo
& nigritae. Kilon.
1667. 8.

Camper Oratio. in desselben kleinen Schriften. B. 1.
T. 1. S. 24–49.

§. 175.

Das Leder aber, oder die wahre Haut, das
von dem Malpighischen Netze, und dem Oberhäut-
chen bedeckt wird, ist eine besondere, durchlöcher-
te a), zähe, ausdehnbare, mehr oder weniger dichte
Membran, die größtentheils aus Zellgewebe besteht
das an der äußern Oberfläche straffer, an der in-
nern aber lockerer gewebt ist, wo (wenige Gegen-
den des Körpers ausgenommen), das gewöhnliche
Fett angesammelt wird. (§. 36.)

[Seite 114] a) B. S. Albini annotat. academ. L. VI. T. III.
f. 1–5.

§. 176.

Die Haut besteht außer den Nerven, und
einsaugenden Gefäßen, von denen ich an einem
andern Orte handeln werde, aus unzähligen Blut-
gefäßen, die, wie man durch glücklich gerathene
anatomische Einspritzungen erweisen kann, ihre äus-
sere Oberfläche mit gefäßreichen Netzen überziehen.

§. 177.

Ueberdieß ist beynahe die ganze Oberfläche
der Haut mit unzähligen Talgdrüsen besetzt, die ein
sehr feines, klares, und schwer auszutrocknendes, a)
Oel absondern, b) das weder mit dem gemeinen
Schweiße, noch mit dem böckelnden Sweiße ge-
wisser anderer Theile zu verwechseln ist.

a) Lyonet lettre a. Mr. le Cat.

b) Chr. Gottl. Ludwig de humore cutim inungente.
1748. 4.

§. 178.

Endlich ist beynahe die ganze Haut mit ver-
schiedenen Arten von Haaren besetzt a); sie sind
meistens kurz, zart, und wollartig, und fehlen
nirgends als bloß an den Augenliedern, an dem
männlichen Zeugungsgliede, in der flachen Hand,
und an der Fußsohle; an einigen Orten sind sie
länger, und zu besondern Absichten bestimmt, näm-
lich: das Haupthaar, die Augenbraunen, die
Augenwimpern, die Nasenhaare, der Bart, und
[Seite 115] die Haare unter den Achseln, und an den Schaam-
theilen.

a) J. Ph. Withoff de pilo humano. Duisburg 1750.
4. Comment. Societat. scient. Götting. Vol. II.

§. 179.

Obgleich der Mensch in Vergleichung, mit an-
dern Thieren weniger beharret ist, so bemerkt man
doch bey verschiedenen Nationen einen auffallenden
Unterschied. Denn so, wie einige Völker den Bart,
oder die Haare anderer Theile ausreißen, so giebt
es andere; die von Natur kahl sind, z.B. die Tun-
gusen. So wissen wir hingegen aus glaubwürdigen
Reisebeschreibungen, das die Einwohner von Na-
disga, welche zu den südlichen Kurilikischen In-
seln gehören, auf eine ganz sonderbare Weise be-
haaret sind. a)

a) King a voyage to the pacifice Ocean for making.
discoveries in the northern hemisphere. Vol
. III.
p. 377.

Müller Rußische Geschichte. B. 3.

§. 180.

Eben so verschieden sind die Haare an Länge,
Biegsamkeit, Krause, und besonders an Farbe,
worauf sowohl Klima, Alter, und andere nicht na-
türliche Dinge, als auch besonders die krankhafte
Beschaffenheit des Körpers, wie z.B. bey den Ka-
kerlacken, einen mächtigen Einfluß haben.

§. 181.

[Seite 116]

Auch die Richtung der Haare ist an den ver-
schiedenen Theilen des Körpers verschieden; spi-
ralförmig auf dem Scheitel, emporstrebend an
der Schaam; an der Rückseite des Armes laufen
die Haare in entgegengesetzter Richtung, fast wie
bey der simia satyro (nämlich von der Schulter
abwärts, von der Mittelhand aber aufwärts; der
Augenlieder und Augenwimpern nicht zu gedenken.

§. 182.

Die Haare entspringen aus der innern, mit
Fett angefüllten Fläche der eigentlichen Haut, an
die sie mittelst kleiner Knötchen (bulbi) befestigt
sind. a) Diese Knötchen bestehen aus einer dop-
pelten Hülle; b) einer äußern, gefäßreichen, eyför-
migen, und einer innern, cylindrischen, die, wie
es scheint, eine Fortsetzung des Oberhäutchens ist, c)
und den elastischen Fäden, deren 5–10 zusamm-
genommen, in einen Bündel gefaßt, ein Haar aus-
machen, zu einer Scheide dienet.

a) Dieses Knötchen scheint mir vielmehr zur Be-
festigung, als zur Ernährung der Haare bestimmt
zu seyn; denn diejenigen Borsten der Haare, die
man in Brey- und Honiggeschwülsten des Netzes,
vorzüglich aber der Eyerstöcke findet, haben kei-
ne solche Knötchen, und liegen frey und unbe-
festigt in dieser breyweichen Materie.

b) Duverney oeuvres anatomiques. Vol. I. Tab. XVI.
f. 7. 9–14. Tab. XVII. f. 3. seqq.

c) B. S. Albini annot. anatomicae L. VI. Tab. III.
fig. 4. 5.

§. 183.

[Seite 117]

Die Haare sind beständig mit einem ölichten
Dufte befeuchtet, und sind unverweslich. Sie sind
vor allen Theilen des menschlichen Körpers vorzüg-
lich idioelektrisch. Sie werden leicht ernährt, und
wenn sie auch ausfallen, wofern nur die Haut noch
unverletzt ist, leicht wieder ersetzt.

§. 184.

Alle diese Decken des Körpers gehören, ihren
Nebennutzen abgerechnet, vorzüglich zu den Reini-
gungsorganen, wodurch sich die Blutmasse von allen
fremdartigen, oder zu fernerem Gebrauche untaug-
lichen, folglich schädlichen Materien, entlediget. a)

Dieß sieht man besonders an den Krankheits-
miasmen, die in Gestalt der Hautausschläge auf die
Oberfläche des Körpers geworfen werden; an dem
Bisamgeruch der Ausdünstung auf eingenommenen
Moschus; an dem Schweiße, und andern derglei-
chen Erscheinungen.

a) Abr. Kaau Perspiratio dicta Hippocrati, per uni-
versum corpus anatomice illustrata. L. B
. 1738. 8.

§. 185.

Durch diese Organe dringt vorzüglich jene Aus-
dünstungsmaterie, die von dem scharfsinnigen
Sanctorius zuerst mit der erforderlichen Genauig-
keit untersucht worden ist. a)

Nur muß ich vorläufig anmerken, daß man
gemeiniglich ganz verschiedene und fremdartige Aus-
wurfsmaterien unter der Ausdünstung zu verstehen
pflegt, die man doch wohl von einander unterschei-
[Seite 118] den muß. Vorzüglich aber ist der Schweiß von
der Ausdünstung unterschieden.

Denn der Schweiß ist eine wäßerigte, etwas
salzigte Feuchtigkeit, die in einem gesunden und ru-
henden Körper fast nie von freyen Stücken ausbricht.

Die Ausdünstung hingegen ist eine luftartige,
beständig elastische, und dem Dufte, den wir aus
den Lungen ausathmen, ungemein ähnliche Flüßig-
keit.

a) A. Sanctorii de statica medicina aphorismi. Sec-
tionibus
VII. comprehensa. Venet. 1634. Dieß
ist die vollständigste, und ächte, von dem Ver-
fasser selbst besorgte Ausgabe jenes berühmten
Werkes, das Boerhaav selbst den Aphorismen
des Hippokrates vorzuziehen kein Bedenken trug.

Milly & Lavoisier Memoires de l'Acad. des sc. à
Paris
1777.

§. 186.

Denn auch die Ausdünstungsmaterie ist mit
Brennbarem geschwängert, fällt den Kalk aus dem
Kalkwasser, und ist gleichfalls zur Unterhaltung ei-
ner Flamme, und zur Fortsetzung des Athemhoh-
lens untüchtig.

§. 187.

Die Menge dieses flüßigen Wesens, das aus
der Oberfläche unsers Körpers, (die man bey einem
Erwachsenen von mäßiger Leibesgröße auf 15 Qua-
dratfuß schätzt) auszudünsten pflegt, läßt sich auf
keinen bestimmten Kalkul zurück führen.

[Seite 119] Denn daß alle Waagen, die man seit den
Zeiten des Sanctorius ersonnen hat, um das Ge-
wicht unsers Körpers ausfindig zu machen a), ih-
ren Endzweck nochwendig verfehlen müssen, erhel-
let aus dem, was ich kurz vorher von der Beymi-
schung fremdartiger Materien erinnert habe.

Daß aber die Ausdünstung bey einzelnen Men-
schen ungemein verschieden zu seyn pflege, ist eine
allgemein bekannte Sache. Es giebt hierinn sogar
Nationalverschiedenheiten, wie wir aus den Nach-
richten glaubwürdiger Reisebeschreiber zuverläßig
wissen; so hat die Ausdünstung der Caraiben, b)
der Grönländer, c) der Mohren, d) und ande-
rer wilder Völker, einen ganz eigenen, und spe-
cifischen Geruch.

a) Sanctorii comment. in Jam Fen. lmi L. Canon
Avicennae, Venet
. 1646. 4. p. 781.

Jo. Andr. Segner de libra, qua sui quisque corporis
pondus explorare possit. Götting.
1748. 4.

b) Thibault de Chantalon voyage à la Martinique.
Paris
1763. 4. p. 43.

c) David Cranz Historie von Grönland. Ausg. 2.
S. 179.

d) Estwik History of Jamaica. Lond. 1774. 4. Vol.
II. p. 352. seq. 425.

Diesen specifischen Geruch, den die Ausdünstung
der Mohren hat, besonders bey denen aus An-
gola, habe ich selbst an Mohren von verschiede-
nem Alter und Geschlechte öfters wahrzunehmen
Gelegenheit gehabt.

§. 188.

[Seite 120]

Aus dem, was ich von der gefäßreichen Struk-
tur der Haut, (§. 176.) von der Aehnlichkeit zwi-
schen der ausgeathmeten Luft, und der Ausdün-
stungsmaterie, (§. 186.) und von dem Vermögen
der kleinsten Gefäße Wärme zu erzeugen, (§. 166.)
angeführt habe, ist es sehr wahrscheinlich, daß zwi-
schen den Verrichtungen der Lungen und der Haut
eine große Aehnlichkeit, und eine wechselsweise Ue-
bereinstimmung Statt finde, so daß eine Verrich-
tung ver andern zu Hülfe kömmt, und wenn eine
in Unordnung geräth, einigermassen zu ersetzen im
Stande ist.

§. 189.

Verschiedene Erscheinungen, sowohl im ge-
sunden als kranken Zustande, stimmen mit dieser
Theorie genau überein.

Z.B. Der Unterschied des ungebohrnen Kin-
des, und der übrigen Säugthiere, von dem bebrü-
teten Hühnchen. a)

Die besondere Kälte, die man an einigen Thei-
len warmblütiger Thiere wahrnimmt (z.B. die Na-
se bey den Hunden) kann am schicklichsten aus der
schwächern phlogistischen Einwirkung der an diesen
Theilen befindlichen Gefäße hergeleitet werden.

So wie man hingegen aus der verstärkten
Einwirkung der kleinen Gefäße an gewissen Theilen
einige krankhafte Symptomen erklären kann, z.B.
die besondere Hitze der Schwindsüchtigen an der
flachen Hand.

Diese wechselsweise Uebereinstimmung zwi-
schen den Verrichtungen der Lungen und der Haut
[Seite 121] wird noch durch einige besondere pathologische Er-
scheinungen unterstützt. Man hat nämlich beobach-
tet, daß erwachsene Personen, deren Lungen größ-
tentheils vereitert, oder auf eine andere Weise ver-
dorben waren, dem ohnerachtet noch einige Zeit ihr
Leben fortsetzen, und sogar mehrere Jahre, ohne
Athem zu holen, gelebt haben. b)

a) In der ungebohrnen Leibesfrucht, sowohl beym
Menschen, als bey den übrigen Säugthieren,
wird die thierische Wärme aus dem Leibe der
Mutter mittelst dem Mutterkuchen mitgetheilt.
Die Mutter giebt der Leibesfrucht die Feuerma-
terie, und nimmt dafür Brennbares zurück. Da-
her das ungebohrne Kind weder Athem zu holen,
noch auszudünsten braucht.

Nicht so in dem bebrütteten Hühnchen. Zwar ist
auch bey diesem das Athmen unnöthig, indem
es von der brütenden Mutter mit Feuermaterie
versehen wird. Damit aber das Brennbare,
welches durch den Eintritt der Feuermaterie ent-
wickelt worden, ausströmen kann, so sind die
Eyer mit einer durchlöcherten Schaale überzo-
gen, wodurch sie, besonders in der Wärme,
stark ausdünsten können.

Wie leicht aber der Uebergang der Feuermaterie
aus der Mutter in das Hühnchen, und der Rück-
fluß des Brennbaren aus dem Hühnchen in die
Mutter zurückfließt, erhellet aus der Aehnlich-
keit zwischen dem Eyweiß und Blutwasser, (§.
11.) und aus der schnellen Einwirkung der
Luft durch das Blutwasser in den Blutkuchen.
(12.)

[Seite 122]

b) Ein merkwürdiges Beyspiel hat Canoni auf-
gezeichnet in Commentar. instituti Bononiensis.
Vol
. VI. p. 74.

§. 190.

Daß aber auch die innere Fläche des Speise-
kanals, außer seinen Hauptverrichtungen, auch noch
diese phlogistische Verrichtung leiste, ist höchst
wahrscheinlich.

Denn nebst den Lungen ist dieß der einzige
Theil, dessen innere Oberfläche keiner freyen Luft
beständig ausgesetzt ist; denn daß wir eine große
Menge Luft hinterschlingen, ist außer allem Zweifel.

Daß aber die heruntergeschluckte Luft, eben
so wie in den Lungen verändert werde, zeigt die
Beschaffenheit der in den ersten Wegen befindlichen
Luft an. a)

Diese Meinung erlangt endlich durch die gros-
se Menge der Blutgefäße, womit die ganze Ober-
fläche der Gedärme, die man der Oberfläche des
ganzen Körpers gleich schätzt, so reichlich versehen
ist, sehr ein großes Gewicht.

a) Schon van Helmont wußte dieß. de flatibus.
I. Sect. LXIX. p. 405. Ed. op. 1682. 4.


Fünfzehnter Abschnitt.
Von dem Sensorium, und von den
Nerven.

[Seite 123]

§. 191.

Wir gehen nun zur zweyten Klasse der Verrich-
tungen des menschlichen Körpers über, nämlich zu
den thierischen, (§. 63. 11.) wodurch die Ge-
meinschaft zwischen Körper und Seele unterhalten
wird; sie sind nur das Vorrecht belebter organisir-
ter Körper, und haben sogar, indem sie durch das
ganze Thierreich sich erstrecken, einen weitern Um-
fang, als die Lebensverrichtungen.

§. 192.

Die vornehmsten Werkzeuge dieser Verrichtun-
gen sind das große und kleine Gehirn, das daran-
hangende Rückenmark, und die aus dieser dreyfa-
chen Quelle entspringenden Nerven. a) Alle diese
Werkzeuge werden ganz schicklich in zwo Hauptklas-
sen eingetheilt, nämlich in das Sensorium, und
in Nerven; das Sensorium begreift alles dasje-
nige, was außer den Nerven und ihren ersten An-
fängen zum Nervensystem gehört, und zwischen den
Nervenverrichtungen und unserer Geistesfähigkeit die
eigentliche Verbindung auszumachen scheint.

[Seite 124]

a) Eustachii Tab. XVIII. f. 2.

Mayer vom Gehirn und Rückenmark, und Ur-
sprung der Nerven.

Monro (Fil.) observations on the structure and
functions of the nerveous system. Edinburg

1783. fol.

Vicz d'Azyr. Mem. de l'Academ. des scien. Paris
1781.

Planches anatomiques.

§. 193.

Diese Eintheilung gründet sich auf Herrn
Sömmerings Beobachtung a), daß die Seelen-
fähigkeit des Menschen, und die Gelehrigkeit der
übrigen Thiere von dem größern Ueberschuße der
Hirnmasse zu den Nerven herrühre; denn der Mensch
hat unter allen Thieren bey dem größten Gehirn
die kleinsten Nerven.

a) Sömmering de basi encephali. Götting. 1778.
4. p. 17.

§. 194.

Das Gehirn a) selbst besteht außer dem Hirn-
schädel aus einer dreyfachen Hülle: aus der harten
und weichen Hirnhaut, und aus der Spinnenwe-
benhaut.

a) Eustach. Tab. XVII. XVIII.

Halleri icon. anat. fasc. VII. Tab. I. II. III.

§. 195.

Die harte Hirnhaut a) umkleidet den gan-
zen Knochenschädel; sie macht mit ihren Fortsä-
[Seite 125] tzen verschiedene Scheidewände; mit dem sichel-
förmigen Fortsatze theilt sie sowohl bas große als
kleine Gehirn in zwo Hälften; die Zelte b) aber
stützen die hintern Lobos des Gehirns, damit sie
nicht das kleine Gehirn drücken.

Ferner bildet und unterstützt diese Membran
durch ihre Umschläge die sogenannten Blutbehälter,
durch welche das Geblüt aus dem Gehirne nach dem
Herzen zurückfließt. Dieses aus dem Gehirne zu-
rückfließende Blut zeichnet sich nicht allein durch
seine eigenthümliche Schwere, c) sondern noch über-
dieß durch seine Menge aus, indem es ungefähr
den zehnten Theil der ganzen Blutmasse ausmachen
soll.

a) Vieussens neurograph. univers. Tab. XVII.
fol. I.

Duverney oeuvres anatomiques. Vol. I. Tab. IV.

Haller icon. anatom. fascic. I. Tab. VI.

Walther de morbis peritonaei & apoplexia. Berolin.
1785. Tab. III. IV.

b) Ruyschii resp. ad epistol. problem. novam. Amst.
1670. Tab. X.

c) Taube de sanguinis ad cerebrum tendentis indole.
Götting.
1747. 4.

§. 196.

Zunächst folgt die Spinnenwebhaut, die mit
keinen Blutgefäßen versehen ist, (§. 5.) aber eben
so, wie die harte Hirnhaut, in alle größere und
kleinere Furchen des Gehirns legt, und Hirnmasse
vergrößert.

§. 197.

[Seite 126]

Anders verhält es sich mit der weichen Hirn-
haut, welche überall genau an die graue Substanz
anliegt, a) und unzählige, in diesem Theil des Ge-
hirns eindringende Blutgefäße aufnimmt. Das
äußere Blatt dieser von dem Gehirne abgesonderten
Membran ist glatt, das innere hingegen ist zottig,
und gleicht dem Moose, das mit seinen Wurzel-
faserchen in der Erde festsitzt.

a) B. S. Albini annot. acad. L. I. T. II. f. 1–3.

§. 198.

Das große Gehirn besteht aus mannigfaltigen
Theilen von verschiedener Gestalt und Struktur,
deren Nutzen aber noch wenig bekannt ist; besonders
zeichnen sich die sogenannten Gehirnhöhlen aus, die
unlängst vom Herrn Monro genauer untersucht
worden sind; die zwo vordern, und die vierte Hirn-
höhle schließen das Adergeflecht ein, dessen Nutzen
eben so wenig bekannt ist.

§. 199.

Das ganze, sowohl große als kleine Gehirn
besteht aus einer zweyfachen Substanz, aus einer
aschgrauen, die man auch die Rinde nennt, ob
sie gleich nicht immer auf der Oberfläche sich be-
findet, und einer markichten, wozu noch eine mitt-
lere Substanz kömmt, die Herr Sömmering zu-
erst entdeckt hat, a) und die man an den hintern
Lappen des Gehirns, und an dem sogenannten Lebens-
baum des kleinen am deutlichsten wahrnimmt.

a) Sömmering de basi encephali p. 63.

Gennari de peculiari structura cerebri. 1782. 8. Tab.
II. III.

§. 200.

[Seite 127]

Die graue Substanz nimmt a) im Verhält-
nisse mit dem Hirnmarke mit dem zunehmenden
Alter immer ab; denn sie ist bey Kindern stärker,
als bey Erwachsenen. Sie besteht größtentheils
aus unzähligen, sowohl blutführenden, als auch
aus einer kleinen Gattung Gefäßen (§. 79.), von
denen aber nur wenige in die Marksubstanz selbst
eindringen; b) übrigens scheint diese Substanz aus
einem sehr zarten Zellgewebe, und einem breyarti-
gen Parenchyma zu bestehen, an dem man auch
mit Vergrößerungsgläsern bis itzt keine bestimmte
Struktur entdecken konnte. c)

a) Malpighi de cerebri cortice, cum reliquis de vi-
scerum structura exercit. Lond.
1669. 12.

Ruysch de cerebri substantia epistola problematica
XII. Amstelod. 1669. 4.

Chr. Frid. Ludwig de cinerea cerebri substantia. Lips.
1779. 4.

b) B. S. Albini annot. acad. L. I. Tab. II. §. 4. 5.

c) Metzgeri animadversiones in doctrinam nerverum.
Regiomonti
1783. 4.

§. 201.

Das Gehirn ist in einer beständigen, aber
mäßigen Bewegung, a) die mit dem Athmen in
wechselweiser Beziehung steht, so daß das Hirn,
wenn die Lungen bey dem Ausathmen zusammen-
fallen, sich erhebt, sobald aber die Brust durch
das Einathmen erweitert wird, wieder sinkt. b)

a) Diese merkwürdige Erscheinung hat zuerst Joh.
Daniel Schlichting beschrieben in Commerc.
[Seite 128] litter. Noric. anno 1744. Und weitläuftiger in
Memoires présentés à l'Academie des sciences de
Paris T
. I. p. 113.

Die Ursachen dieser Erscheinung hat Herr v. Haller
durch zahlreiche an lebendigen Thieren angestellte
Versuche auseinandergesetzt. Auch Walstorf ex-
perimenta circa motum cerebri, cerebelii &c.
Götting
. 1753.

La Mure & Larry dissert. in Memoir. présentés.
Tom
. III. p. 277.

b) Ich hatte erst vor kurzem Gelegenheit diese Be-
wegung des Gehirns an einem erwachsenen Men-
schen wahrzunehmen, und Versuche darüber an-
zustellen. Ein Jüngling von 18 Jahren hatte
sich vor zehn Jahren durch einen hohen Fall den
Hirnschädel oberhalb dem Stirnbeine bis an die
linke Seite der Kranznath gebrochen. Seit die-
ser Zeit standen die Knochen von einander, und
waren nur mit den allgemeinen Bedeckungen,
und einer dünnen Narbe überzogen. Diese Spal-
te stellte eine Grube vor, die bald mehr, bald
weniger tief war; sie war am tiefsten, wenn der
Mensch schlief, am vollsten hingegen, wenn er
wachte. Sie veränderte auch ihre Gestalt mit
dem Aus- und Einathmen; sie fiel stark ein,
wenn ich den Kranken den Athem an sich halten
ließ, erhob sich aber in eine strotzende Geschwulst,
wenn er heftig ausathmete, und eine Weile kei-
nen Athem holte. Auch konnte man in dieser Ver-
tiefung das Pulsiren wahrnehmen; dieser Puls war
mit dem Pulse des ganzen Arteriensystems gleich-
zeitig; Petriolus, Vandell, und andere Gegner
[Seite 129] des Herrn von Haller verwechselten dieß Pulsiren
der Arterien sehr ungereimt mit der Bewegung
des Einathmens. Beyläufig will ich hier an-
merken, daß dieser junge Mensch, dessen linke
Seite des Hauptes verwundet worden, an dem
rechten Arm und Schenkel gelähmt war.

§. 202.

Das verlängerte Mark geht in das Rücken-
mark a) über, welches in dem längsten Rückgrad-
kanale enthalten ist, und von den fortgesetzten Hül-
len des Gehirns bekleidet wird. Es besteht gleich-
falls aus einer zweyfachen Substanz, nur mit dem
Unterschiede, daß die graue Substanz nach innen
zu, das Mark aber auswärts liegt.

Ioh. Iac. Huber de medulla spinali. Götting. 1741.
Haller icon. anatomicae fasc. I. Tab. II. fasc. VII.
Tab. IV. V.

Monro (Fil.) on the nervous system. T. X. f. 1.

§. 203.

Aus dieser doppelten Quelle, nämlich aus dem
grossen und kleinen Hirn, und aus dem Rücken-
mark entspringen die Nerven, a) diese mehr oder
weniger weiße, markigte Bündel, die in alle wei-
chen Theile des menschlichen Körpers vertheilt
werden.

a) Rol. Martin. de proprietatibus nervorum genera-
lioribus; praemissa ejus
institutionibus neurologicis.

§. 204.

[Seite 130]

Denn es ist nun durch die unzähligen Versu-
che des Herrn von Hallers, und so vieler anderer
großer Beobachter, entschieden, a) daß es in
dem menschlichen Körper mehrere gleichartige Thei-
le giebt, an denen man durch die genauesten und
behutsamsten Zergliederungen nicht die mindeste Spur
eines Nerven, oder weder den chirurgischen Ope-
rationen, b) noch durch wiederholte Versuche an
lebendigen Thieren, c) den geringsten Grad der Em-
pfindung entdecken konnte.

Zu diesen unempfindlichen Theilen gehört das
Zellengeweb, das Oberhäutchen mit dem Malpighi-
schen Netze, den Haaren, und Nägeln.

Ferner die Knorpeln, und Knochen sammt ih-
rem Mark.

Die Flechsen, sehnichte Ausbreitungen, und
Bänder.

Die meisten breitern Membranen, die harte
Hirnhaut, und die Spinnenwebhaut; das Rippen-
fell, sammt dem Mittelfell und Herzbeutel; das
Darmfell, die Hornhaut, u.s.w.

Die meisten Theile des einsaugenden Systems,
besonders die Milchbruströhre. Endlich der Mutter-
kuchen, und der Nabelstrang.

a) v. Haller de partibus c. h. sensibilibus in comment.
societ. sc. Götting. T. I.

Sermo III. in nov. comment. Götting. T. III.

Petri Castell experimenta, quibus constitit, varias h. c.
partes sentiendi facultate carere. Götting.
1753. 4.

Soll' insensibilita dissertazioni transportate de I. G. v.
Petrini. Rom. 1755. 4.

[Seite 131]

Sull' insensibiltà ed irritabilità Halleriana opuscoli
raccolti da G. B.
Fabri. Bonon. 1757–59.
IV. Vol. 4.

v. Haller Memoires sur la nature sensibile & irritable
des parties du corps bumain. Lausan.
1756–59.
IV. Vol. 12.

b) Anlangend die verschiedenen, und sogar wider-
sprechenden Meinungen über die Empfindlichkeit
oder Unempfindlichkeit gewisser Theile des Kör-
pers, so halte ich die negativen Zeugnisse über-
zeugender als die positiven; denn nichts ist un-
zuverläßiger, als das Urtheil des Kranken über
den Sitz der innerlichen Schmerzen; denn zu
geschweigen, daß zuweilen Personen, denen ehe-
mals irgend ein Glied abgelöset worden, noch
über Schmerzen an dem nämlichen Theile sich
beklagen, so wissen wir auch aus Alltagserfah-
rungen, daß viele Personen über festsitzende und
anhaltende Schmerzen an irgend einem Theile sich
beschweren, den man doch nach dem Tode ganz
gesund fand; da hingegen ein anderer entfernter
Theil schadhaft war, den der Kranke für un-
schmerzhaft hielt.

Auf diese Weise lassen sich die Knochenschwerzen der
mit der Lustseuche behafteten Kranken leichter er-
klären; denn aus vielen, und auch aus meinen
Erfahrungen ist vielmehr das Gegentheil erwie-
sen, daß das Knochenmark, wenn es auch mit
Bewußtseyn des Kranken gereizt wird, nicht den
geringsten Grad von Empfindung verräth.

c) Ich werde täglich mehr überzeugt, wie viel Be-
hutsamkeit, und Uebung zu dergleichen Versuchen
[Seite 132] erfordert wird, wie oft derselbe Versuch an ver-
schiedenen Gattungen von Thieren angestellt wer-
den muß, um physiologische Gesetze daraus her-
leiten zu können. Denn der nämliche Versuch,
z.B. über die Empfindlichkeit des Knochenmarks,
den ich sowohl an Säugthieren, als Vögeln an-
gestellt, hatte oft einen ganz verschiedenen Erfolg.
Denn bey einigen Thieren konnte ich das Mark
in den Knochenröhren ohne allen Schmerz zerstö-
ren, da hingegen andere schon von der bloßen
Berührung des Messers in Zuckungen verfielen,
heulten u.s.w. Vielleicht erregte bey diesen
schon die bloße Furcht vor neuen Schmerzen Kon-
vulsionen; da hingegen jene, von einem vorher-
gegangenen heftigen Schmerz betäubt, den an
den Knochenmarke angebrachten schwächern Reiz
nicht fühlten, obgleich dieser Theil vielleicht
nicht ganz ohne Nervenzweige war.

§. 205.

Wir können aber die Nerven weder durch
die Zergliederung, noch durch die Schärfe des Ge-
sichts bis zu ihrem ersten Ursprung verfolgen: es
ist sogar noch zweifelhaft, ob die Nerven einer
Seite des Körpers auch aus derselben, oder von
der entgegengesetzten Seite des Sensoriums ent-
springen. a) Die letzter Meinung wird durch ei-
nige pathologische Erscheinungen sehr wahrschein-
lich. b) Daß wenigstens bey den Sehnerven eine
solche Durchkreuzung vorhanden ist, hat Herr
Sömmering erwiesen. c)

[Seite 133]

a) Die verschiedenen Meinungen der Physiologen
über diesen Gegenstand hat Lassus gesammelt.

Lassus sur les decouvertes faites en anatomie. Pa-
ris
1783. p. 299.

b) Du Pui de homine dextro & sinistro. L. B. 1780.
8. p. 107.

c) Hessische Beyträge zur Gelehrsamkeit Th. I. u. IV.

Nöthig de decussatione nervorum opticorum. Mogunt.
1786. 8. (Praes. Sömmering).

§. 206.

Die Nerven werden in ihrem Verlauf a) mit
der Fortsetzung der weichen Hirnhaut bekleidet, und
gleichsam mit einer gefäßartigen Hülle überzogen b).
Sobald aber die Nerven aus dem Gehirn, oder aus
dem Rückenmarke hervorgehen, nehmen sie eine ganz
eigene Gestalt an, wodurch sie sich von allen an-
dern gleichartigen Theilen des Körpers auszeichnen;
sie bilden querlaufende, mehr oder weniger schief-
winkligte Falten, wie sie Mollinelli c) beschreibt,
der sie ganz schicklich mit den Gliedern des Regen-
wurms, oder mit den Ringen der Luftröhre vergleicht.

a) Pfeffinger de structura nervorum. Argent. 1782. 4.

b) Battie de principiis animalibus, Lond. 1757. 4.
p. 126.

c) Molinelli Comment. institut. Bononiens. T. III.
1755. p. 282. f. 1. 2.

Diese Beobachtung des Molinelli haben neuerdings
Fel. Fontana, und Alexander Monro bestätigt.
Dieser in seinem schon oft angeführten Werke;
jener im: Traité sur le venin de la vipere. Flor.
1781. 4. Vol. II.

§. 207.

[Seite 134]

Einige Nerven, besonders von einem gewissen
Range, z.B. der Interkostal- und der herumschwei-
fende Nerve, sind mit Nervenknoten (ganglia)
versehen, die aus einer festern, röthlichgrauen Sub-
stanz bestehen; deren Nutzen noch nicht hinlänglich
bekannt ist. Zinn's Meinung scheint mir die wahr-
scheinlichste zu seyn, a) diese Knoten scheinen in der
Absicht vorhanden zu seyn, um die verschiedenen
Nervenfaden, welche aus ganz verschiedenen Quel-
len entspringen, und in diesen Knötchen zusammen-
treffen, inniger unter einander zu verbinden; so daß
jedes Nervenästchen, indem es aus diesem Knoten
austritt, mit allen übrigen Aestchen in einiger Ver-
bindung steht. a)

a) Haase disser. de gangliis. Lips. 1772. 4.

Io. Caverbill Tr. of ganglious. Lond. eod. 8.

Scarpa anatom. annot. L. I. de nervorum gangliis &
plexubus. Mutin. 1779. 4.

Prochaska de struct. nervorum. Vindob. 1780. 8.
Monro l. c.

§. 208.

Einen ähnlichen Nutzen scheinen auch die Ner-
vengeflechte (plexus) zu haben, die gleichfalls aus
solchen netzförmigen Verbindungen mehrerer Nerven
entstehen.

§. 209.

So wenig wir aber die Uranfänge der Ner-
ven genau kennen, eben so sehr liegen auch die
letzten Endungen, in die die Nerven sich allmä-
[Seite 135] lig verlieren, noch im Dunkeln. Denn außer ei-
nigen Nerven, die gleichsam in eine Markhaut
übergehen, z.B. der Sehnerve in die Netzhaut,
und die weiche Portion des siebenten Paares zwi-
schen den Spiralblättchen der Schnecke, zerfliessen
die letzten Nervenändungen in dem Parenchyma
der Haut, der Muskeln, und der Eingeweide in
ein markigtes Wesen, und werden dem Auge des
Forschers unsichtbar.


Sechzehnter Abschnitt.
Von den Verrichtungen des Nervensy-
stems überhaupt. a)

[Seite 136]

a) Tissot Tr. des nerfs & de leurs maladies. T. I.

Stuart de systematis nervosi officiis. Edindb. 1781. 8.

Prochaska annot. acad. fasc. III. Sc. L. I.

§. 210.

So macht nun das Sensorium in Verbindung
mit den Nerven, die aus demselben entspringen,
und zu allen Theilen des Körpers hingeleitet wer-
den, ein eigenes System aus, wodurch, so lange
der Mensch lebt, die Gemeinschaft zwischen Seele
und Körper unterhalten wird. a)

a) Io. H. Rahn Exercit. de causis physicis sympathiae
I
. (de miro inter animum & c. h. consensu)
Turic. 1786. 4.

§. 211.

Mit dem Gehirn steht die Seele in der genaue-
sten Verbindung: dieß erhellet sowohl aus der Nach-
barschaft der Sinnorgane, als auch aus dem sonder-
baren Bau der verschiedenen Theile des Gehirns, und
aus einigen Krankheiten dieses edlen Eingeweides.

[Seite 137]

§. 212.

Einige Physiologen haben sogar durch die Ge-
stalt und Lage gewisser Theile des Gehirns sich ver-
leiten lassen, irgend einen besondern Theil für den
eigentlichen Sitz der Seele zu erklären; einige ha-
ben der Zirbeldrüse a), einige dem kleinen Gehirn
b), dem großen markigten Querbande (corpus
callosum
), andere endlich der Varolischen Brü-
cke diese Ehre erwiesen.

a) Des Cartes Meinung erhielt durch Leichenöff-
nungen wahnsinniger Personen, in deren Zir-
beldrüse Steinchen gefunden wurden, einige
Wahrscheinlichkeit. Allein genauere Beobachtun-
gen zeigten, daß fast alle, auch die gesundesten
Menschen, schon von dem zwölften Jahre an,
solche Steinchen in der Zirbeldrüse haben. Söm-
mering
de lapillis vel prope, vel intra glandulam
pinealem sitis: seu de acervulo cerebri. Mo-
gunt
. 1785. 8.

b) Diese eingebildeten Vorzüge, sowohl des klei-
nen Gehirns, als des großen markigten Queer-
bandes sind von Zinn nachdrücklich widerlegt
worden. Zinn Experimenta circa corpus callosum,
cerebellum, duram meningem in vivis animalibus
institut. Götting
. 1749. 4.

§. 213.

Doch hängt nicht die ganze Wirksamkeit des
Nervensystems von dem Gehirn allein ab, son-
dern auch das Rückenmark, und sogar die Nerven
haben Antheil daran; auch besitzen die Nerven
Kraft genung, Zuckungen in den Muskeln hervor
[Seite 138] zu bringen – eine Kraft, die den Nerven wahr-
scheinlich durch ihre gefäßartige Rinde (§. 205.)
zugeführt, und beständig erneuert wird. Inzwischen
ist diese eigenthümliche Kraft der Nerven im Men-
schen viel geringer, ihre Abhängigkeit hingegen von
dem Gehirn ungleich größer, als man bey andern,
besonders kaltblütigen Thieren, beobachtet.

§. 214.

Das Nervensystem hat überhaupt eine zwey-
fache Verrichtung. Es setzt andere Theile, beson-
ders diejenigen Muskeln, welche der Willkühr der
Seele unterworfen sind, in Bewegung, sodann ist
es die Quelle der Empfindungen, indem es alle
Rührungen der äußerlichen Sinnorgane auf das
Sensorium fortpflanzt, und dadurch das Bewußt-
seyn der Seele hervorbringt.

§. 215.

Das Sensorium hat noch überdieß das Ver-
mögen, die empfangenen Nervenrührungen sogar auf
andere Nerven, die nicht die Leiter dieser Rührun-
gen waren, überzutragen, und so gleichsam auf die
Nerven zurückzuwirken. So wirkt die Markhaut
des Auges, wenn es von den Lichtstrahlen berührt
wird, auf das Sensorium, dieses aber wirkt auf
den Regenbogen (iris) zurück, wodurch derselbe ent-
weder erweitert, oder zusammengezogen wird.

§. 216.

Und zwar besonders aus dieser letztern Quelle
entspringen die Wirkungen der Einbildungskraft und
der Gemüthsbewegungen auf den menschlichen Kör-
per, die über den ganzen Körper ausgebreitete
[Seite 139] Mitempfindung a) (§. 54), und ihr Einfluß auf
die ganze thierische Oekonomie.

a) Egger (auctore Laur. Gasser) de consensu ner-
vorum. Vindob
. 1766. 8. recus. in Wasserberg
collect. Fasc. II.

Camper de consensu nervorum observationes. in
Coopmanns comment. in Alex. Monro (patr.)
tract. de nervis. Harling. 1763. 8.

Isenflamm Versuch einiger praktischer Anmerkungen
über die Nerven. Erlang. 1774. 8. p. 116.

§. 217.

Diese Geschäfte des Nervensystems sind durch
Versuche und Beobachtungen außer allen Zweifel
gesetzt; aber desto schwerer läßt sich die Art und
Weise erklären, wie diese Organe solche Bewegun-
gen hervorzubringen im Stande sind.

§. 218.

Diese verschiedene Erklärungsarten können auf
zwo Hauptklassen zurückgeführt werden. Einige lei-
ten die Einwirkungen des Nervensystems von einer
schwingenden Bewegung her. Andere aber erklären
die Nervenwirkungen aus der Bewegung einer Flüs-
sigkeit, über deren Natur und Beschaffenheit die
Physiologen eben so wenig einerley Meinung sind;
denn einige nehmen Lebensgeister an a), die in den
Nerven fortströmen, andere eine elektrische Feuer-
oder wohl gar magnetische Materie.

a) Micheliz scrutinium hypotheseos spiritum anima-
lium. Prag
. 1782. 8.

§. 219.

[Seite 140]

Ohne mich zu einer oder der andern Erklä-
rungsart zu bekennen, will ich nur so viel hier an-
merken, daß die mehresten Beweisgründe, mit de-
nen eine Parthey die Meinung der andern gewöhn-
lich zu bestreiten pflegt, für das Daseyn so feiner
Nervenschwingungen, oder einer so feinen Nerven-
flüßigkeit allzusinnlich ausfallen.

§. 220.

Vielleicht liessen sich beyde Meinungen verei-
nigen, wenn man nämlich annähme, daß eine flüs-
sige Nervenmaterie durch einwirkende Reitzmittel
(stimulos) in schwingende Bewegung gesetzt wird.

§. 221.

Die Meinung von dem Daseyn einer flüßigen
Nervenmaterie wird außer andern Gründen, durch
die Struktur des Nervensystems, vorzüglich aber
des Gehirns, das mit andern absondernden Einge-
weiden eine große Aehnlichkeit hat, nicht wenig be-
günstigt. Daraus folgt aber noch nicht, daß noth-
wendig Röhrchen und Gefäße vorhanden seyn müs-
sen, so wenig als im Fließpapiere, und in jedem
andern Siebe.

Ich übergehe hier die abgeschmackten Berech-
nungen über die Geschwindigkeit, mit der die Le-
bensgeister in den Nerven bewegt werden sollen.

§. 222.

Was aber die Nervenschwingungen betrifft,
so stimmen die mehresten Erscheinungen mit die-
ser Theorie genau überein; doch muß man sich
die Nerven nicht wie gespannte Saiten vorstellen,
[Seite 141] sondern nur als so feine Bewegungen denken, deren
auch die so äußerst weiche Substanz des Gehirns
fähig ist. Von dem Gehör ist es nun entschieden,
daß es durch solche Schwingungen hervorgebracht
wird. Daß beym Sehen etwas Aehnliches sich zu-
trage, ist, wenn man auch nicht ganz Eulers
Meinung annimmt, sehr wahrscheinlich. Aber
auch die Wirkung der übrigen Sinnorgane läßt sich
aus solchen Schwingungen erklären; schon der gro-
ße Newton a) äußerte diese Muthmassung; der
scharfsinnige Hartley b) wußte diese Meinung zu
einem so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit auszu-
bilden, daß er daraus die Association der Ideen,
und aus dieser endlich die vornehmsten Fähigkeiten
der menschlichen Seele mit einem ungemeinen Scharf-
sinne erklären konnte.

a) Newton Quaestiones ad calcem optices. R. 23.
Ed. Lond. 1719. 8.

b) David Hartley's Observations on man, his frame,
his duty, and his expectations. Lond. 1749.
II. Vol. 8.


Siebenzehnter Abschnitt.
Von den äußerlichen Sinnen überhaupt
und von dem Gefühle besonders.

[Seite 142]

§. 223.

Die andere Hauptverrichtung der Nerven besteht,
wie ich bereits angezeigt habe, darinn, daß sie
die Eindrücke der äußern Gegenstände dem Senso-
rium überliefern; dieß geschieht nun durch die
Sinnwerkzeuge, welche den menschlichen Körper
gleichsam bewachen, und der Seele von allem
Nachrichten ertheilen.

Und nur von diesen soll hier die Rede seyn;
denn auch den Reiz zum Stuhlgange, den Hunger,
und andere solche Naturtriebe unter die Sinne
zählen, ist, wie schon Haller angemerkt hat, eine
übertriebene Spitzfindigkeit.

§. 224.

Es ist allerdings merkwürdig, daß in der
ganzen thierischen Oekonomie keine Verrichtung
des Körpers bey verschiedenen Personen so man-
nigfaltigen Abänderungen ausgesetzt ist, als die
sinnliche Empfindung; denn die Abstuffungen an
Schärfe, Feinheit, und an verschiedener Empfäng-
lichkeit der Sinnorgane für verschiedene Reiz-
[Seite 143] mittel verlieren sich ins Unendliche; dieser Unterschied
der äußern Sinne ist entweder angebohren, a) oder
wird erst durch die Uebung der Sinnwerkzeuge her-
vorgebracht.

a) So haben einige Personen, die übrigens feine
Sinne haben, die besondere Anlage, daß sie von
einem oder dem andern Reizmittel, das auf an-
dere Menschen einen heftigen Eindruck macht,
gar nicht gerührt werden.

Ich kannte einen vortrefflichen Engländer, der ei-
nen sehr feinen Geruch hatte, keinen Toback
schnupfte u.s.w. aber an der reseda odorata nicht
den geringsten Geruch wahrnehmen konnte.

Beyspiele solcher Menschen, welche nur diese oder
jene Farbe nicht unterscheiden konnten, sind nicht
so ungewöhnlich.

§. 225.

Wir machen billig den Anfang mit dem Ge-
fühle, das bey dem neugebohrnen Menschen zuerst
sich äußert, dessen Organ über die ganze Oberflä-
che des Körpers verbreitet ist, und von ganz ver-
schiedenen Eigenschaften der äußern Gegenstände
Eindrücke annimmt.

§. 226.

Wir erhalten durch das Gefühl nicht blos
Vorstellungen von solchen Eigenschaften der Kör-
per, die auf dieses Sinnorgan allein wirken, z.B.
von der Wärme, der Härte, der Schwere, sondern
auch von andern Eigenschaften, welche zwar auch
auf andere Sinnwerkzeuge wirken, aber durch Bey-
hilfe des Gefühls zu einem größeren Grad der Ge-
[Seite 144] wißheit gedeihen, z.B. unsere Vorstellungen von
der Figur, Entfernung der Körper u.s.w.

§. 227.

Auch ist das Gefühl nicht so vielen Täuschun-
gen unterworfen, als die übrigen Sinne: es kann
durch Uebung und Fleiß so sehr verfeinert werden,
daß es den Mangel anderer Sinne, besonders des
Gesichts einigermassen ersetzen kann. a)

a) Rol. Martin. in Schwed. Abhandl. Vol. XXXIX.

§. 228.

Das Organ dieses Sinnes ist die Haut, a)
deren Struktur ich oben beschrieben habe; der ei-
gentliche Sitz des Gefühls ist eigentlich in den Haut-
wärzchen, die an verschiedenen Theilen des Kör-
pers eine verschiedene Gestalt haben, aber doch
meistens warzenförmig, a) pilsenförmig, b) an ei-
nigen Stellen aber fadenartig c) sind u.s.w. In
diese kleine Erhabenheiten der Haut endigen sich die
letzten markigten Endungen der Nerven in Gestalt
kleiner Bündel.

a) Corn. de Courcelles icones musculorum capitis.
T
. I. f. 2. 3.

b) B. S. Albini Annotat. academ. L. III. T. IV. f. 1. 2.

c) Ruysch Thesaur. anat. III. Tab. IV. f. 5. Th. VII.
Tab. II. f. 5.

B. S. Albini l. c. L. VI. Tab. II. f. 3. 4.

§. 229.

Die Hauptwerkzeuge des Gefühls sind die
Hände, deren Haut besondere Eigenschaften hat.
[Seite 147] In der flachen Hand, und an den Fingergliedern
ist die Haut faltig, und unbehaart. Der Finger-
spitzen, sowohl an Händen, als Füßen sind inwen-
dig mit spiralförmigen, zierlichen Streifen gezeich-
net, a) auswendig aber mit Nägeln besetzt.

a) Greew in philosophical Transact. p. 159.

§. 230.

Diese schildförmigen Nägel a) sind nur Men-
schen, und einigen Gattungen der Säugthiere (die
gleichfalls Hände und ein sehr feines Gefühl haben)
in der Absicht verliehen worden, b) damit sie dem
Drucke des fühlenden Fingers gelinde widerstehen,
und so das Gefühl selbst befördern helfen.

Sie sind hornartig, und haben überhaupt mit
dem Oberhäutchen eine große Aehnlichkeit; denn
auch unter dem Nagel liegt der Malpighische
Schleim, der in dem Mohren schwarz ist, und
unter diesem Schleime befindet sich erst die eigent-
liche Haut, welche mit der Beinhaut der letzten
Fingerglieder verwachsen ist. Alle diese Bestand-
theile der Nägel bestehen aus länglichten mit Fur-
chen durchzogenen Fasern; an dem hintern Rande
(der an den Händen mit einem halbmondförmigen
Einschnitt bezeichnet ist), sitzt der Nagel in einer
Furche der umgestülpten Haut fest, wächst bestän-
dig vorwärts, und wird fast jedes halbes Jahr
ganz von neuem ersetzt.

a) Besonders die Affen, Papiones, und lemures,
und die meisten Krecophiten; alle ihre Finger-
[Seite 148] spitzen sowohl an Händen, als Füßen sind un-
gemein weich, und wie die Fingerspitzen der
Menschenhände mit spiralförmigen Streifen
durchschlängelt.

b) B. S. Albini de habitu & colore Aethiopum.


Achtzehnter Abschnitt.
Von dem Geschmack.

[Seite 149]

§. 231.

Der Geschmack wird mit der Zunge, und eini-
germassen auch mit den angrenzenden häutigen Thei-
len des innern Mundes empfunden; besonders durch
Beyhilfe des Gaumes, des Rachen, der Backen-
höhle, und sogar der Lippen; doch sind diese Theile
nur zur Empfindung sehr scharfer, und sehr bitte-
rer Dinge geschickt. a)

a) Grews anatomy of plantes.

Luchtmann de saporibus & gustu. L. B. 1758. 4.

§. 232.

Das Hauptwerkzeug des Geschmacks ist die
Zunge, a) die ungemein beweglich, nachgebend,
und mannigfaltige Gestalten anzunehmen geschickt
ist; sie hat eine wunderbare fleischigte Strucktur,
die einigermaßen dem Herzen ähnlich ist.

a) Malpighi & Fracassati epistolae de lingua. Bon
1665.

§. 233.

Die Decken der Zunge sind den Decken der
Haut ähnlich; sie hat zuerst einen dünnen Ueber-
[Seite 150] zug (epithelium) der die Stelle des Oberhäut-
chens vertritt; darauf folgt der Malpighische
Schleim, a) und endlich die warzenförmige Haut,
deren Bau von der gemeinen Haut nicht besonders
verschieden ist.

a) Bey Hunden und Schaafen von verschiedener
Farbe habe ich auch die Zunge und den Rachen
gemeiniglich mit einem buntfärbigen Schleime
überzogen gefunden.

§. 234.

Nur darinn unterscheidet sich diese Haut von
der gemeinen, daß das Oberhäutchen nicht mit ei-
ner Hautschmiere, sondern mit einem Schleime be-
feuchtet wird, der aus dem sogenannten blinden
Loche, a) und aus der übrigen drüsenförmigen Aus-
breitung dieser Haut, wie Morgagni b) gezeigt
hat, abgesondert wird; sie unterscheidet sich ferner
durch die besondere Bildung der Geschmackwärzchen,
welche gemeiniglich in gestielte, stumpfe, und ke-
gelförmige eingetheilt werden; c) die gestielten
Wärzchen, deren es nur wenige giebt, sitzen an
dem hintersten Theile der Zunge in einer halbmond-
förmigen Reihe; die übrigen Wärzchen sind von
verschiedener Größe, und sitzen zerstreut auf dem
Rücken, besonders aber an dem Rande und an der
Spitze der Zunge, wo nämlich der Sitz des fein-
sten Geschmackes ist. d)

a) Schröder Observat. & Histor. e Harvaei L. de
generat. animal
.

[Seite 151]

b) Morgagni adversar. anatom. prima. Tab. I.

c) Ruysch observ. anatom. Tab. IV.

B. S. Albini annot. acad. L. I. Tab. I. fig. 6-11.

d) v. Hallers vortreffliche Beschreibung der Zunge
in Dictionaire encyclop. Ed. Ebrod. Vol. XXII.
p. 28.

§. 235.

In diese Zungenwärzchen gelangen die äußer-
sten Endungen des Zungennervens von dem fünften
Nervenpaare a), die, wie es wahrscheinlich ist, zur
Empfindung des Geschmackes am meisten beytragen.

Denn das neunte Nervenpaar b), und der
Zweig des achten Paares c) scheinen vielmehr zu
den mannigfaltigen Bewegungen der Zunge beym
Essen, Schlucken, Sprechen, u.s.w. bestimmt
zu seyn.

a) Io. Fr. Meckel de quinto pare nervorum cerebri.
Götting
. 1748. p. 97. fig. I. n. 80.

b) Io. F. W. Böhmer de nono parc nervorum ce-
rebri. Götting
. 1777. 4.

c) v. Haller Icon. anat. fasc. II. Tab. I. lit. g.

Monro on the nervous system. Tab. XXVI.

§. 236.

Zur Empfindung des Geschmackes wird erfor-
dert, daß die Zunge feucht ist, die schmackhaften
Körper aber flüßig, und mit Salztheilchen an-
gefüllt sind a), wenn aber die Zunge, oder die
Gegenstände des Geschmackes trocken sind, so
kann die Zunge, da sie sehr empfindlich ist, diese
[Seite 152] Körper zwar fühlen, aber nicht eigentlich schme-
cken.

Wenn die Zunge am feinsten schmeckt, so
bemerkt man gar deutlich, daß die Wärzchen,
die an der Zungenspitze sitzen, sich in die Höhe
richten.

a) Bellini gustus organum novissime deprehensum.
Bonon
. 1665. 12.


Neunzehnter Abschnitt.
Von dem Geruch.

[Seite 153]

§. 237.

Wir empfinden durch den Geruch die flüchtigen
und riechbaren Bestandtheile der Körper, welche
durch das Einathmen angezogen, und auf die
Schleimhaut, welche sowohl die Scheidewand;
als die Muskeln der Nase begleitet, abgesetzt
werden. a)

a) Conr. Vict. Schneider de osse cribriformi & sensu
& organo odoratus. Witteb. 1655.

Dieses klassische Werk machte in der Geschichte der
Physiologie Epoche, indem der Verfasser dessel-
ben nicht nur die Verrichtung des Geruchs zuerst
deutlich entwickelte, sondern auch die Träume
der Alten, von der Reinigung, des Hauptes
durch die Nase, vernichtete.

§. 238.

Obgleich die ganze innere Höhle der Nase a)
mit ihren angrenzenden Nebenhöhlen b) mit einer
ähnlichen befeuchteten Membran überzogen, ist, so
ist doch diese Schleimhaut selbst nicht überall von
gleicher Beschaffenheit.

[Seite 154] Zunächst an den Nasenlöchern ist diese Mem-
bran der gemeinen Haut ähnlicher, mit Talgdrüsen
und Hauthaaren (Fibriflae) besetzt.

Da, wo sie die Scheidewand und Muscheln
der Nase überzieht, ist sie schwammigt, und mit
Schleimhöhlchen angefüllt.

Wo sie hingegen die größern Nebenhöhlen der
Nase begleitet, ist sie am feinsten, und mit unzäh-
ligen kleinen Blutgefäßen durchwebt, aus denen
eine feine wäßerige Feuchtigkeit ausduftet.

a) Sam. Aurevillius de naribus internis. Upsal.
1760. 4.

b) Haller icones anat. fasc. IV. Tab. VI.

Duverney oeuvr. anatomiques. Vol. I. Tab. XIV.

Santorini Tab. posthum. IV.

§. 239.

Dieß scheint auch der vorzüglichste, und viel-
leicht der einzige Nutzen dieser Nebenhöhlen zu
seyn a), da sie einen wässerigen Duft erzeugen,
der zuerst in die Nasenmuscheln, sodann aber in
das eigentliche Werkzeug des Geruchs sich ergießt,
und dasselbe in dem Maße, als die Feinheit die-
ses Sinnes erfordert, anfeuchtet.

In dieser Absicht haben diese Nebenhöhlen ei-
ne so verschiedene Lage erhalten, daß bey jeder
Haltung des Kopfes wenigstens etwas von dieser
Feuchtigkeit in das Geruchwerkzeug ausduften kann.

a) Daß diese Nebenhöhlen für den Geruch, aber
wenig oder gar nicht zur Stimme oder Sprache,
bestimmt sind, (wie so viele Physiologen ge-
[Seite 155] glaubt haben) habe ich ausführlich erwiesen in
Prolusion, de sinubus frontalibus. Götting.
1779. 4.

§. 240.

Der schwammigte Theil der Schleimhaut,
der das Hauptwerkzeug des Geruchs ist, wird
nicht nur von unzähligen Blutgefäßen durchdrun-
gen, (welches schon aus dem so häufigen Nasen-
bluten erhellet) sondern ist auch mit Nerven ver-
sehen, die zwar vorzüglich von dem ersten Ner-
venpaare a), aber auch von zweyen Zweigen des
fünften Paares entspringen; doch scheint das erste
Nervenpaar den größten Antheil an dem Geruche
zu haben b), die übrigen Nerven scheinen vielmehr
zur gemeinschaftlichen Empfindung dieser Theile,
z.B. zu derjenigen, welche das Niesen erregt, be-
stimmt zu seyn.

a) Metzger nervorum primi paris historia. Argen-
tor
. 1766. 4. recus. in Sandiforti Thesauro Vol. III.
Monro on the nervous system. Tab. XXIV.

b) Loder observatio tumoris scirrhosi in basi cranii
reperti. Tem
. 1779. 4. – Diese Schrift ent-
hält die Geschichte einer Geruchlosigkeit, welche
von dem Drucke des ersten Nervenpaares her-
rührte. Man könnte zwar dieser Beobachtung
eine andere Wahrnehmung des Mery entgegen-
setzen, der diese Nerven verletzt sah, aber ohne
Verlust des Geruches. Demohnerachtet nehme
ich keinen Anstand dem ersten Nervenpaare den
größten Einfluß auf den Geruch zuzuschreiben,
wozu ich durch Betrachtungen aus der verglei-
[Seite 156] chenden Anatomie besonders berechtiget zu seyn
glaube; denn auch bey denjenigen Säugthieren,
welche den feinsten Geruch besitzen, z.B. Ele-
phanten, Bären, Hunden, u.s.w. ist das hori-
zontale Plätchen des Siebbeines am breitesten, und
von unzähligen feinen Rohrchen durchbohrt.

§. 241.

Die äußersten Fäden des ersten Nervenpaa-
res endigen sich nicht, wie in den Werkzeugen des
Gefühles und des Geschmacks, in Wärzchen, son-
dern zerfließen gleichsam in ein schwammichtes, der
Schleimhaut ähnliches Gewebe.

§. 242.

Bey neugebohrnen Kindern ist das Geruch-
werkzeug noch ziemlich eng, und unausgebildet.
Man sieht noch kaum eine Spur von den Neben-
höhlen: daher auch bey Kindern der Geruch sich
später einstellt, sobald nämlich die innere Nasen-
höhle ausgebildet ist, und wird in dem Maße fei-
ner, je weiter und vollkommener diese Werkzeuge
werden. a)

a) So wie diejenigen Säugthiere, welche den Men-
schen an Feinheit des Geruchs übertreffen, Ge-
ruchswerkzeuge von einem größern Umfange be-
sitzen, so zeichnen sich auch die Geruchswerkzeuge
der Wilden, welche einen ungleich feinern Ge-
ruch haben als die Europäer, durch die Größe
ihrer Geruchswerkzeuge aus.

So sieht man an dem Hirnschädel eines Nordame-
rikanischen Wilden (der als ein Heerführer seiner
[Seite 157] Nation vor ungefähr dreyßig Jahren zu Phila-
delphia enthauptet wurde) mit dem Herrn Pro-
fessor Michaelis mein Hirnschädelkabinet zu be-
reichern die Güte hatte, die Nasenhöhle von ei-
nem außerordentlichen Umfange: so daß z.B.
die mittlere Muschel gleichsam in weitumfassende
Blasen aufgetrieben war, und die besondern
Schleimhöhlen, die Santorini zuerst entdeckte,
eine außerordentliche Größe erreicht hatten.

Zunächst kommen alsdann die Mohrenschädel, de-
ren ich drey vor mir liegen habe, und die, so
sehr sie übrigens von einander unterschieden sind,
doch darinnen übereinkommen, daß ihre Nasen-
höhlen von einem ungemein weiten Umfange sind,
welches auch Herr Sömmering bey dieser Na-
tion beobachtet hat.

Sömmering über die körperliche Verschiedenheit
des Negers u.s.w. S. 22.

Mit diesem besonderen Baue der Geruchswerkzeuge
stimmen auch die Nachrichten überein, welche
uns Reisende von dem äußerst feinen Geruche
der Wilden aufgezeichnet haben.

Von den Nordamerikanischen Wilden lese man:
Urlsperger Nachrichten von der Großbrittanni-
schen Kolonie. Salzburg. Emigranten in Ame-
rika. Vol. 1. p. 862. Von Negern aber: Jour-
nal des scavans. a
. 1667. p. 60.

§. 243.

Es ist äußerst merkwürdig, daß kein Sinn
sowohl mit dem Sensorium, als mit den innern
Sinnen, in einer so genauen und wichtigen Ver-
bindung steht.

[Seite 158] Kein Sinn ist so vielen Eigenheiten unter-
worfen; kein Sinn ist so leicht im Stande Ohn-
machten zu erregen, oder zu vertreiben.

Fast kein anderer Sinn ist für feinere und
angenehmere Rührungen so empfänglich, als der
Geruch; daher ihn auch Rousseau sehr passend den
Sinn der Einbildungskraft nannte. a)

Fast keine andern sinnlichen Eindrücke lassen
so lebhafte Erinnerungsideen zurück, als die Ein-
drücke des Geruchs.

a) Emile Tom. I. p. 367.


Zwanzigster Abschnitt.
Von dem Gehör.

[Seite 159]

§. 244.

Der Schall, welcher durch die Schwingungen
elastischer Körper erzeugt, und durch die Luft fort-
gepflanzt wird, gelangt auf folgende Weise zu dem
Gehörwerkzeuge. a) Die Luftwellen werden zuerst
von der äußern und knorplichten Ohrmuschel, b)
(welche nur bey sehr wenigen Menschen beweglich
ist,) c) aufgenommen in der Muschel gleichsam
gesammelt, und in den Gehörgang, der mit einem
bittern, ölichten Safte überzogen ist, d) gebracht,
und prellen dort an das Pauckenfell an, das der
Höhle des Felsenbeines vorgespannt ist, und diesen
Gehörgang von dem mittleren Ohre trennt.

Außer den bekannten Werken des Düverney, Val-
salva, und Cassebohm, über das Gehörwerk-
zeug, sind noch folgende Schriften merkwürdig:

a) Mery ap. Lamy explication des functions de l'ame
sensitive. Paris
1683. 12.

Vieussens de la struction de l'oreille. Tolos. 1714. 4.

B. S. Albini annotat. acad. L. IV. Tab. I. II.

Le Cat. theorie de l'ouie. Paris 1768. 8.

Monro on the nervous system. Tab. XXVI-XXXI.

[Seite 160]

b) B. S. Albini annotat. academ. L. IV. Tab. IV.

c) I. Rhodius ad Scribon. Largum. p. 44. seq.

Io. Alb. Fabricius de hominibus ortu non differenti-
bus. Opusculor. p
. 441.

d) Io. Haygart in medical observat. and Inquiries.
Vol
. IV.

§. 245.

Hinter dem Trommelfelle liegt das mittlere
Ohr, oder die Pauckenhöhle, deren Grund et-
was schrege nach innen und oden liegt. In diesem
Behältnisse liegen die drey kleinen Gehörknochen,
a) nämlich der Hammer, welcher der äußerste, und
mit seinem Griffe an das Pauckenfell befestiget ist;
der dornförmige Fortsatz des Hammers, (processus
spinosus
) der wenigstens bey Erwachsenen mit dem
Pauckenfellringe verwächst; der stumpfrunde Fort-
satz (capitulum) aber liegt in der Gelenkfläche
des Amboses auf.

Der Ambos ragt mit seinem schlankern Fort-
satze bis in die Pauckenhöhle hinab, wo er mit
dem Steigbügel eingelenkt ist.

Dieser Steigbügel sitzt mit seinem Fußtritte
an dem eyförmigen Fenster, und ist gegen den Vor-
hof des Labyrints gerichtet, wohin der Schall, in-
dem er an das Pauckenfell anschlägt, durch die Ver-
bindungen dieser drey Gehörknöchelchen fortgepflanzt
wird.

a) Denn der vierte kleine Gehörknochen, den man
seit den Zeiten des Sylvius angenommen hatte,
und den linsenförmigen nannte, verdient nicht,
wie ich in meiner Beschreibung der Knochen an-
[Seite 161] gemerkt habe, als ein besonderes Beinchen an-
gesehen zu werden.

§. 246.

In dem hintersten Rachen entsteht die Eusta-
chische Trompete, a) welche bis in die Paucken-
höhle dringt: auch der untere Gang der Schnecke
reicht bis in die Pauckenhöhle, dessen Oeffnung,
welche das rundliche Fenster heißt, b) mit einer
zarten Haut verschlossen ist. Der Nutzen dieser
beyden Theile scheint uns noch nicht hinlänglich be-
kannt zu seyn.

a) Eustachius de auditus organis Opusculorum. p.
161. seq.

b) Scarpa de structura fenestrae rotundae &c. Matin.
1772. 8.

§. 247.

Tief in dem Felsenbeine liegt endlich das Laby-
rinth, oder das innere Ohr, das wieder in drey
Abschnitte eingetheilt wird.

Nämlich der Vorhof, der zwischen den beyden
andern mitten inne liegt, in den sich außer dem ey-
förmigen Fenster nach hinten die fünf runden Mün-
dungen der Bogengänge, nach vornen aber der obe-
re Gang der Schnecke öffnen.

§. 248.

Das Labyrinth selbst enthält einen wässerigen
Duft, der, wie Cotunni entdeckt hat, von zwey
Röhrchen eingesogen wird, die er Wasserleitungen,
a) Meckel aber, diverticula nennt, b) deren eine
aus dem Vorhofe, die andere aber aus der Schnecke
entspringt.

[Seite 162]

a) Cotunni de aquaeductibus auris humanae. Neapol.
1760. 4.

b) Ph. Fr. Meckel de labyrinthi auris contentis. Ar-
gent
. 1777. 4.

§. 249.

Nachdem der weiche Gehörnerve mit dem har-
ten (welcher nachher seinen Weg durch den Fallopi-
schen Gang nimmt, a) in dem innern Gehörgange
herauskömmt, dringen seine markigte Faden durch
die siebförmigen Oeffnungen b) theils in den Vor-
hof, und in die Bogengänge, größtentheils aber
in den Grund der Schnecke selbst, wo sie zwischen
den Knochenblätchen der knöchernen Zone in ein brey-
artiges zartes Netz sich ausbreiten. c)

a) Fallopii observat. anatom. p. 276. seq. Ed. Ve-
net
. 1561. 8.

b) Brendel analecta de concha auris humanae. Göt-
ting
. 1747.

Idem de auditu in apice conchae. ibid. eod. 4.

c) Zinnii observat. botanic. Götting. 1753. 4. p.
31. seq.

§. 250.

Diese Schwingungen also, die wir vorher (§.
245.) bis an das eyförmige Fenster verfolgt haben,
kommen nun bis in den Vorhof, wo sie mittelst die-
ses wässerigen Duftes (§. 248.) die Gehörnerven
selbst berühren, welche durch alle Schraubengänge
des Labyrinths auf eine so künstliche Weise ver-
theilt sind.

§. 251.

[Seite 163]

Um aber die Gewalt des Schalles, welcher
auf das Pauckenfell fällt, und durch die Paucken-
höhle fortgepflanzt werden soll, zu verstärken oder
zu dämpfen, sind der Hammer und der Steigbügel
mit, Muskeln a) versehen, wodurch sie nach Will-
kühr angespannt, oder erschlafft werden können b);
auch die Trommelsehne c), die zwischen dem
Griffe des Hammers und dem schlanken Fortsatze
des Amboses liegt, scheint etwas dazu beyzutra-
gen d).

a) B. S. Albini Tab. muscul. Tab. XI. fig. 29.

b) Eustach. de auditus organ. p. 157.

Caldani institut. physiolog. p. 245. seq.

c) Jo. Frid. Meckel de quinto pare nervor. cereb.
fig
. I. p. 71.

d) Cotunni l. c. §. LXXXVIII.

Marrberr praelect. in Boerh. institut. Vol. III. p. 343.


Ein und zwanzigster Abschnitt.
Von dem Gesichte a).

[Seite 164]

§. 252.

Die Organe' des Sehens sind die kugelartigen,
äußerst schnell beweglichen Augen b); sie hängen
an ihrem Sehenerven (von dessen Durchkreuzung
bereits Erwähnung geschehen §. 205.), gleichsam
wie ein Apfel an seinem Stiele, doch so, daß der
Sehenerve nicht in der Mitte des Augapfels befe-
stigt ist, sondern neben dem hintern Ende der läng-
lichten Axe, die man sich durch das Auge denken
kann, etwas mehr nach innwärts (– Tab. II.
fig. 1. h. –).

a) Priestley History and present state of discovery
relating to vision. London
1772. II. Vol. 4.

Für Anfänger Hanselers Beobachtungen über das
menschliche Aug. Hamburg 1771. 8.

b) Eustach. Tab. XL.

Haller icon. Fasc. VII. Tab. VI.

Zinnii descriptio oculi humani. Götting. 1755. 4.
Recus. 1780.

§. 253.

Der Augapfel besteht aus vielen Häuten und
Feuchtigkeiten, welche letztere in den erstern einge-
[Seite 165] schlossen, und von verschiedener Dichtigkeit sind;
damit die Lichtstralen durch die vordere Oeffnung
der Hornhaut bis auf den Grund des Auges unge-
hindert eindringen können.

§. 254.

Die äußerste Hülle des Augapfels besteht aus
der, Sclerötica (– Tab. II. fig. I. a: fig. II. a –)
in welcher vorwärts die durchsichtige Hornhaut
(– fig. I. b –), welche blättrig, mehr oder we-
niger convex ist, und wie ein kleiner Kugelschnitt
aus dem größern hervorraget, eingefügt ist a).

a) Ad. Jul. Bose de morbis corneae ex fabrica de-
claratis. Lips
. 1767. 4.

§. 255.

Zunächst folgt die Gefäßhaut (chorioidea)
(= fig. I. c) die mit vielen Blutgefäßen beson-
ders mit strotzenden Venen angefüllt ist; sie ist an
beyden Flächen mit einem schwärzlichten Safte
überzogen, der besonders an der innern Fläche ohne
Mühe sich abstreifen läßt.

§. 256.

Von der Gefäßhaut wird die Markhaut a)
eingeschlossen, welche die innerste Augenhülle, und
eine Verlängerung des Sehenervens ist, (der die
Sclerotica und die Gefäßhaut durchbohret b), und
eine sehr niedliche Struktur hat c).

a) B. S. Albini annot. academ. L. III. pag. 59. seq.
L
. IV. p. 75. L. V. p. 66. seq.

b) Walter de venis oculi etc. Berol. 1778. 4. Tab.
I. fig. 2. Tab. II. fig. 2.

[Seite 166]

c) Wie man die schönen Blutgefäße der Markhaut
in einer ertränkten Katze vorzeigen kann, hat zu-
erst Mery gelehrt in Memoir. de l'Acad des Sc.
de Paris avant
. 1699. T. X. p. 656. & a. 1704.
p. 265.

Eine sehr schöne Zeichnung von der stralenförmigen
Gestalt der Markhaut in dem Auge eines Haa-
sen hat Zinn geliefert. Commentar. soc. scient.
Götting. Tom
. IV. a. 1754. Tab. VIII. fig. 5.

In einem Kaninchen aber Fontana sur le venin de
la vipere. Vol
. VI. fig. 12.

Sehr niedlich gefaltet finde ich die Markhaut eben
itzt in dem Auge einer Eule.

§. 257.

Der vordere Theil der Gefäßhaut endiget sich
in einem zellichten Kreise, (– fig. I. d –) den
man den Ciliarkreis (orbiculus ciliaris) nennt.
Er ist in einer Furche der Sclerotica stark befestigt.
Von diesem Ringe trennen sich sodann zwey andere
Membranen, nämlich die Blendung, (iris) und
die Ciliarfortsätze (processus ciliares) die wie
entfaltete Ringe in einer Entfernung von einander
stehen.

§. 258.

Die Blendung (ihre hintere, mit einem
schwarzen Pigmente überzogene Fläche heißt die
Traubenhaut – uvea –) liegt vorwärts, ist
gegen die Hornhaut etwas convex, und wird überall
von der wässerichten Feuchtigkeit umflossen; sie ist
gegen die Nase schmäler, gegen die Schläfe zu
weiter. Die Blendung besteht übrigens aus einem
[Seite 167] festen zellichten Gewebe, ohne Spuren von einer
Muskelfaser. Sie ist überhaupt eine für sich beste-
hende Membran, wie schon Zinn a) angemerkt hat,
und keineswegs eine Fortsetzung der Gefäßhaut; das
vordere Blatt der Blendung (– fig. I. e –) ist in
verschiedenen Menschen von verschiedener Farbe, und
hat noch in kraftvollen Körpern ein flockigtes Ansehen.

a) Comment. Societ. scient. Götting. T. IV. p. 199.

§. 259.

Die Blutgefäße der Blendung befinden sich
größtentheils auf dieser vordern Fläche, und ver-
längern sich in dem ungebohrnen Kinde in die Se-
helochhaut (– fig. II. d –) a); der Nutzen dieser
Sehelochmembran scheint mir darinn zu bestehen,
daß sie die Blendung bey einem so schnellen Wachs-
thume des Augapfels in der gehörigen Lage erhält,
und zu den in der Folge erforderlichen Bewegungen
vorbereitet: wovon ich bey einer andern Gelegen-
heit ausführlicher gehandelt habe b).

Gegen den siebenten oder achten Monat der
Schwangerschaft, wenn der Augapfel zu einer be-
trächtlichen Größe angewachsen ist, geht diese Mem-
bran allmälig verloren; die elliptischen aus Gefäs-
sen gebildeten Bögen ziehen sich unmerklich zurück,
und bilden auf diese Weise, wie mir scheint, den
innern Ring der Blendung; denn vor diesem Zeit-
punkte findet man in den Augen ungebohrner Kin-
der keine Spur dieses Ringes.

a) Dieses Häutchen, das Franz Sandys zuerst be-
obachtet hatte, ist von Jakob Wachendorf zuerst
[Seite 168] beschrieben, und abgebildet worden. Commerc.
litt. noricum. a
. 1740. hebd. 18.

b) Comment. Soc. scient. Götting. T. VII.

§. 260.

Der hintere dieser beyden Ringe (§. 257.)
heißt das Ciliarbändchen, (ligamentum ciliare)
liegt mehr rückwärts in einiger Entfernung von der
Blendung; der äußere, und dickere Rand a) hängt
an dem Ciliarkreise, (§. 257.) der innere, und
dünnere Rand legt sich an die Linsenkapsel; auch
dieser Ring ist, wie ich schon erwähnt habe, mit
dem Pigmente überzogen.

Die vordere, gegen die Traubenhaut gekehrte
Fläche dieses Ringes, (– fig. I. a –) ist streifigt.

Die hintere Fläche, (– fig. II. b) welche auf
der gläsernen Feuchtigkeit liegt, besteht aus ohn-
gefähr siebenzig ungemein feinen und gefäßreichen
Falten, die den Namen der Ciliarfortsätze führen.

a) In diesem Wulste von Zellstoff bleibt noch ein
dreyeckigter Kanal übrig, den Fontana zuerst
entdeckt. sur le venin de la vipere. Vol. II. Tab.
VII. f. 8. 9. 10.) und Adolph Muray noch
genauer beschrieben hat: Nov. acta upsaliens.
Vol
. III.

§. 261.

In diesen Membranen des Augapfels sind
vorzüglich dreyerley Feuchtigkeiten enthalten.

Den hintern und fast größten Theil des Aug-
apfels füllt die Glasfeuchtigkeit aus, die aus
[Seite 169] unzähligen Zellen, welche von einer eigenen zarten
Membran (membrana hyaloidea) gebildet werden,
tropfenweis vertheilt sind; so daß dieser ganze zel-
licht-wässerige Körper eine zitternde, gallertartige
Feuchtigkeit vorstellt.

§. 262.

Vorwärts verbindet sich dieser Glaskörper mit-
telst des Petitischen Zirkels mit der Kapsel der
Kristalllinse, welche in der Morgagnischen
Feuchtigkeit schwebt.

Die Kristalllinse hat zwar auch einen zelligten,
aber dichtern Bau als der Glaskörper; enthält aber
so wenig Feuchtigkeit in sich, daß sie vielmehr einer
klebrigten aber durchsichtigen Gallerte ähnlich sieht.

§. 263.

Der übrige Raum des Augapfels wird von der
wässerigen, durchsichtigen Feuchtigkeit ausgefüllt,
und durch die Blendung in zwey Kammern ab-
getheilt: die vordere und geräumigere liegt zwischen
der Hornhaut und Blendung; die hintere und kleinere
zwischen der Traubenhaut und der Kapsel der Linse.

§. 264.

Diese so wichtigen Werkzeuge des Körpers wer-
den sowohl durch ihre Lage, als durch die beweglichen
Augenlieder gegen äußere Verletzungen geschützt.

Zwischen der Hautfalte der Augenlieder lie-
gen die Meibomischen Fettdrüsen a) in kleinen
Haufen traubenförmig bey einander: an den bey-
den wülstigen Rändern der Augenlieder befinden
sich nach auswärts dreyfache oder vierfache Rei-
[Seite 170] hen von Haaren, welche Augenwimpern (cilia b)
heißen, und sehr genau an einem Knorpel (tarsus)
in einer ausgespannten Richtung erhalten werden,
damit die Augenlieder desto leichter über den Aug-
apfel hinglitschen.

a) H. Maibomii de vasis palpebrarum novis cp.
Helmst
. 1666. 4.

b) B. S. Albini annotat. academ. L. III. Tab. III.
fig. 4.

§. 265.

Die Thränen haben den Nutzen, daß sie die
Augen befeuchten, bey ihren Glanz erhalten, und
fremde in das Aug gefallene Körper wegwaschen.
Ihre Hauptquelle ist die Thränendrüse, welche in
einer eigenen Grube am äußern Theile der Decke der
Augenhöhle liegt, und zum Geschlechte der zusam-
mengesetzten Drüsen gehört. Sie hat sehr viele
höchst feine Ausführungsgänge, welche in beyden
Augen innerhalb vier und zwanzig Stunde ungefähr
zwey Unzen Thränenfeuchtigkeit absondern, die so-
dann von den Thränenpunkten eingesogen, von da
durch die kleinern gekrümten Thränenkanäle in den
Thränensack, und endlich in den untern Nasengang
hingeleitet wird.

§. 266.

Soviel von der Anatomie des Auges; wir
wollen nun die Verrichtung des Sehens genauer
betrachten.

Die Lichtstralen fallen unter einem spitzeren
Winkel, als den von 48. Grad, auf die convexe
Haut, und werden in derselben sowohl wegen ihrer
[Seite 171] Gestalt, als wegen ihrer größern Dichtigkeit ge-
brochen; etwas geringer ist diese Stralenbrechung
in der wässerigten Feuchtigkeit.

Diejenigen Stralen aber, welche durch das
Seheloch (pupilla) auf die Krystalllinse fallen,
werden, da dieses Medium dichter, noch näher
aneinander gebrochen.

Die gläserne Feuchtigkeit, welche dünner ist,
als die Krystalllinse, verhindert die zu frühe Ver-
einigung der Stralen; so daß die Gegenstände hin-
ter dem verlängerten Brennpunkte auf der Mark-
haut verkehrt abgebildet werden.

§. 267.

Diese verschiedene Dichtigkeit der Feuchtigkei-
ten zeugt von der hohen Weisheit des Schöpfers;
denn durch diese Einrichtung werden die Stralen,
welche sonst wegen der mannigfaltigen Zurückwer-
fung der Farben zerstreut würden, in einem Brenn-
punkte vereinigt a).

a) Leon. Euler sur la perfection des verres objectifs
des lunettes, in Mem. de l'Acad. des sc. de
Berlin
1747. p. 274.

§. 268.

Die Frage, warum wir die Gegenstände, die
doch auf der Markhaut verkehrt abgebildet werden,
aufrecht sehen, ist leicht aufzulösen; denn die Ge-
genstände werden nur in Beziehung auf andere Ge-
genstände, die aufrecht dargestellt werden, verkehrt
genennt.

Da nun alle äußere Gegenstände, und auch
das Bild unsers eigenen Körpers in gleicher Ord-
nung und Lage verkehrt auf der Markhaut erschei-
[Seite 172] nen, so behalten alle diese Gegenstände die näm-
liche Lage gegen einander so gut, als ob sie auf-
recht dargestellt würden; und auf diese Weise wird
die Seele (der nicht das Bild, sondern nur der Ein-
druck, den dieses Bild auf die Markhaut macht,
mitgetheilt wird), vor aller Verwirrung gesichert a).

a) Grimm de visu. Götting. 1758. 4.

§. 269.

Da übrigens sowohl die Schärfe als Deut-
lichkeit des Gesichts mannigfaltige Abänderungen
voraussetzt, so sind auch in dieser Rücksicht ver-
schiedene weise Einrichtungen getroffen worden.

Da nun zum deutlichen Sehen vorzüglich er-
fordert wird, daß keine überflüßige, und blendende
Lichtstralen in das Aug fallen, so war hier auch eine
doppelte Einrichtung nothwendig: es müssen nämlich
nach Verhältniß des stärkern oder schwächern Lichts
mehr oder weniger Lichtstralen auf die Krystalllinse
fallen; die überflüßigen Lichtstralen aber, welche
das Bild nur undeutlich machen würden, müssen
eingesogen werden.

Die erste Absicht wird durch die Bewegung
der Blendung, die zweyte durch das schwarze Pig-
ment erreicht.

§. 270.

Denn die Blendung besitzt eine ganz eigene Be-
weglichkeit, die der Menge und Entfernung des ein-
fallenden Lichts genau entspricht; sie wird breiter,
und verenget das Seheloch (pupilla) wenn starkes
Licht einfällt, und die Gegenstände nahe sind; bey
matten Lichte hingegen, wo die Gegenstände entfernt
sind, wird die Blendung schmäler, und das Sehe-
loch erweitert a).

[Seite 173]

a) Zinn de motu uveae. 1757. in Comment. societ.
scient. Götting. T. I.

Fel. Fontana dei moti dell' iride. 1765. 8.

Die Physiologen haben diese Beweglichkeit der Blen-
dung auf verschiedene Weise zu erklären gesucht;
einige leiten diese Bewegung von dem Andrang
des Blutes in die Gefäße der Blendung her; an-
dere haben sich Muskelfasern erdichtet; mir scheint
aber keine dieser Ursachen gegründet zu seyn.
Es ist mir daher wahrscheinlicher, wie ich auch
unlängst in einer eigenen Abhandlung gezeigt ha-
be, daß die nächste Ursache dieser Beweglichkeit
von der eigenthümlichen Belebung der Blendung
(vita propria §. 75.), die entfernte Ursache aber
von der Zurückwirkung des Sensoriums (§. 255.)
hergeleitet werden muß.

§. 271.

Daß aber das schwarze Pigment (§. 255.
258. 260.) zum Einsaugen der überflüßigen Licht-
stralen bestimmt sey, erhellet, außer andern Grün-
den, am deutlichsten an den Augen einiger Thiere,
und besonders an den Augen der Kakerlacken, die
ein äußerst schwaches Gesicht haben, und kein star-
kes Licht ertragen können. a)

a) Ich habe von dieser Materie weitläuftiger ge-
handelt, sowohl in meiner Abhandlung de gene-
ris humani varietate nativa. Ed
. 2. p. 106–
122. als auch in der Abhandlung de oculis leu-
caethiopum
.

§. 272.

[Seite 174]

Ferner muß der Brennpunkt der gebrochenen
Stralen in einem bestimmten Verhältnisse von der
Markhaut entfernt seyn, so daß der Sehepunkt we-
der zu sehr sich verlängert, und hinter die Mark-
haut, aber auch nicht zu kurz wird, und auf den
Glaskörper fällt.

Den letzteren Fehler haben die Kurzsichtigen,
(myopes) bey denen sowohl die Hornhaut, als
Krystalllinse eine convexere Gestalt hat.

Den erstern Fehler findet man bey Weitsich-
tigen (presbytae) deren Hornhaut und Krystalllinse
eine entgegengesetzte Bildung erhalten haben.

§. 273.

Da der Mensch im gesunden Zustande sowohl
entfernte als nahe Gegenstände deutlich sehen muß,
so ist das Aug so eingerichtet, daß es auf die ver-
schiedene Entfernung der Gegenstände paßt; a) diese
innerlichen Veränderungen des Augapfels werden
größtentheils durch die geraden Augenmuskeln her-
vorgebracht; dieß sieht man deutlich an dem Au-
ge des Grönländischen Robbe (phoca Grönlandi-
ca
) den die Natur, indem er als ein Amphibium
durch verschiedene Zwischenkörper sehen muß, mit
einer ganz besondern, und äußerst nachgebenden
Sclerotica versehen hat. b)

a) Math. Olbers de oculi mutationibus internis.
Götting
. 1780. 4.

b) Comment. Societ. scient. Götting. T. VII. p.
62. fig. II.

§. 274.

[Seite 175]

Durch diese Muskeln werden die Augen in dem
wachenden Menschen in einer beständigen, obgleich
unmerklichen Bewegung erhalten, und gerade nach
dem Gegenstand, der betrachtet werden soll, hin-
gerichtet.

Denn obgleich die ganze Markhaut empfind-
lich ist, so ist sie doch nicht in alle Gegenden zur
deutlichen Empfindung der auf ihr sich formenden
Bilder geschickt.

Daß das menschliche a) Aug an der Stelle,
wo der Sehenerve eintritt, keinen Gegenstand deut-
lich empfindet, ist aus dem Mariotischen Ver-
suche bekannt.

Der Hauptbrennpunkt der Markhaut, der das
eigentliche Werkzeug des Sehens ist, fällt in das
hintere Ende der länglichten Axe, die man sich von
der Mitte der Hornhaut mitten durch den Augapfel
hindurch denken kann. Doch ist dieß nicht so zu
verstehen, wie unlängst Herr Kästner gegen Bo-
erhaaven b) angemerkt hat, als ob der Mensch
mit unverwandtem Auge nur einen einzigen Punkt
eines Gegenstandes deutlich wahrnehmen könne,
und seine Richtung, um den ganzen Gegenstand
nach und nach zu empfinden, beständig ändern müs-
se; da doch vielmehr der ganze Gegenstand einem
einzigen Totaleindruck auf die Markhaut macht.

a) Bey dem menschlichen Auge; denn in den Au-
gen einiger Thiere, z.B. in dem Robbe, im
Igel, sind die wahre und eingebildete Axe eine
und dieselbe.

[Seite 176]

b) In optica quaedam Boerhaavii & Halleri com. Abr.
Gotth
. Kaestner. Lips. 1785. 8. p. 7.

§. 276.

Die Fertigkeit, die Augen schnell von einem
Gegenstande auf den andern zu richten, wird erst
durch öftere Uebung erlangt. Dieß steht man an
Blindgebohrnen, denen das Gesicht in erwachsenen
Jahren hergestellt wurde; a) auch bey Kindern,
die kaum vor dem dritten Monate ihres Alters zu
dieser Fertigkeit gelangen.

a) Bortolazzi sopra una cieca nata guarita. Veron.
1781. pag. 99. seq.

§. 277.

Von eben dieser Fertigkeit und Gewohnheit
scheint es herzurühren, daß wir mit beyden Au-
gen nur einen Gegenstand sehen; denn auch neu-
gebohrne Kinder sehen die Gegenstände doppelt;
und auch nach einigen Augenkrankheiten bleibt die-
ser Fehler des Doppelsehens (Diplopia) zurück,
der sich nur durch eine lange Uebung verbessern läßt.

Uebrigens ist die Schärfe, mit den beyden
Augen einen Gegenstand, nach Jurin's Berechnung,
von der Schärfe eines einzelnen Auges nur um 1/13
unterschieden.

Und schon Leon da Vinci hat angemerkt, daß
wir die Entfernung der Gegenstände viel besser mit
einem Auge messen können. a)

a) Lambert sur la partie photometrique de l'art du
peintre in Mem. de l'Acad. des sciences de Ber-
lin
. 1768. p. 80.

§. 278.

[Seite 177]

Uebrigens muß der Sehewinkel nach Tobias
Mayers a) Versuchen wenigstens vier und dreyßig
Sekunden groß seyn, wenn sich noch ein deutlich
empfindbares Bild des Gegenstandes im Auge dar-
stellen soll. Diese Einrichtung ist in der That das
optische Meisterstück des menschlichen Auges, in-
dem auf diese Weise sowohl im hohen Mittagslich-
te, als bey dem matten Scheine einer Lampe der
Sehewinkel fast einerley Grösse behält, und das
Gesicht auch bey einem so grossen Abstande vom
Licht, wenig oder nichts an Deutlichkeit verliert.

a) Tob. Mayer experimenta circa visus aciem. in
Comment. Soc. scient. Götting. T.
IV.

§. 279.

Man kann hieraus auf die Kleinheit der Bil-
der schließen, welche von den äußern Gegenständen
auf die Markhaut hingeworfen werden, a) aber
dem ohnerachtet so lebhaft sind, daß sie unter ge-
wissen Umständen, wenn die Gegenstände nicht mehr
vor Augen stehen, Eindrücke zurücklassen. b)

a) de la Hire Accidens de la vue. p. 375.

b) Gassendi Vita Peireskii. p. 175. Ed. Hagens.
1655. 4.

Franklin's lettres on philos. subjects am Ende der
Exper. on electricity. Lond. 1769. 4. p.
469. seq.

[Seite 178]

Rob. War. Darvin Experimenta nova de spectris
seu imaginibus ocularibus, quae objectis lucidiori-
bus antea visis, in oculo clauso vel averso per-
cipiuntur. L. B
. 1785. 4.

Meister im Hamburgischen Magazin. B. XXIII.
Th. 3.


Zwey und zwanzigster Abschnitt.
Von den innern Sinnen, und andern
Geistesfähigkeiten. a)

[Seite 179]

a) Sulzers Abhandlung über dle Geistesfähigkei-
ten in seinen vermischten Schriften. B. 1. Leipz.
1773. 8.

Platner's Anthropologie.

Bonnet Essai de psychologie. Oeuvres. T. VIII.

§. 280.

Die äußern Sinne, welche wir nun einzeln durch-
gegangen sind, müssen unserer Seele die Ideen
herbeyführen; daher der bekannte Lehrsatz entstan-
den ist, daß keine Vorstellung in dem Verstande
sich befindet, die nicht durch den Weg der äußerli-
chen Sinne dahin gelangt wäre.

§. 281.

Die Uebernehmung, Aufbewahrung, und Be-
nutzung dieser sinnlichen Ideen ist das Werk ver-
schiedener Geistesfähigkeiten, die zwar von den kör-
perlichen Lebenskräften (§. 42.) ganz unterschieden,
aber doch mit denselben mittelst des Nervensystems
dergestalt verbunden sind, daß eine allgemeine Ver-
bindung zwischen Körper und Seele daraus ent-
springt, und unterhalten wird. (§. 210.)

§. 282.

[Seite 180]

Die erste und gleichsam die unterste dieser
Fähigkeiten ist das Wahrnehmungsvermögen,
wodurch sich die Seele der auf die Sinnwerkzeuge
gemachten Eindrücke bewußt ist.

§. 283.

Diese Fähigkeit wird durch eine andere und
wichtigere unterstützt, nämlich durch die Aufmerk-
samkeit, wodurch die Seele auf eine durch die
Sinne hervorgebrachte Idee dergestalt gerichtet
wird, daß sie sich einzig und allein mit dieser Vor-
stellung beschäftigt.

§. 284.

Sowohl die Aufbewahrung dieser Wahrneh-
mungsideen, als ihre lebhaftere Darstellung, und
mannigfaltigere Verbindung untereinander, wird
durch zwo andere Fähigkeiten bewirkt, welche man
die innern Sinnen nennt, nämlich von dem Ge-
dächtnisse und der Einbildungskraft; obgleich
diese beyden Fähigkeiten sehr nahe mit einander ver-
wandt sind, so sind sie doch durch bestimmte Merk-
male von einander unterschieden. Das Gedächt-
niß beschäftigt sich vielmehr mit der Sammlung
und Aufbewahrung willkührlicher Zeichen; a) die
Einbildungskraft hingegen erzeugt die Bilder selbst,
die sie als gegenwärtig darzustellen, und zu erhe-
ben weis, besonders alsdann, wenn sie von einem
lebhaften Gefühle von Lust oder Unlust begleitet
werden.

a) G. Gottl. Richter de natura, labe, & praesidiis
memoriae humanae. Götting
. 1752. 4.

[Seite 181]

E. Platner de vi corporis in memoria. Spec. I. II.
Lips. 1767. 4. recus. in cl. Baldingeri sylloge
opusc. medico practic. Vol
. III.

§. 286.

Die Einbildungskraft ist auch die Quelle der Ge-
müthsbewegungen, die bey einzelnen Menschen nach
der Verschiedenheit ihrer Temperamente (§. 59.) so
verschieden sind, und die sich durch ihren genauen,
und oft augenblicklichen Einfluß auf verschiedene Ver-
richtungen des Körpers auszeichnen; a) denn es
giebt beynahe keine Gemüthsbewegung, die nicht auf
den Kreislauf des Blutes, auf die Eßlust, und
Verdauung mehr oder weniger wirkt: die be-
sondern Einwirkungen zu geschweigen, z.B. die
Wirkung der Schaam auf das Erröchen, der Liebe
und des Haßes auf die Geschlechtstheile, des Zorns
auf die Absonderung der Galle, u.s.w.

Die Gemüthsbewegungen können sogar in Rück-
sicht ihrer allgemeinen Veränderungen, welche sie
in dem Körper hervorbringen, in erweckende und
niederschlagende eingetheilt werden.

In die erste Klasse gehören Freude, Liebe,
Hoffnung, Zorn, u.s.w.

In die zweyte Klasse gehören Furcht, Trau-
rigkeit, Heimwehe, und ander Arten der Sehn-
sucht, Schrecken, Neid, u.s.w.

a) de Marées de animi perturbationum in corpus
potentia specim. Götting
. 1775. 4.

§. 287.

Diese bisher angezeigten Fähigkeiten besitzt
zwar der Mensch mit den übrigen Thieren gemein-
[Seite 182] schaftlich, obgleich in einer ungleich größern Voll-
kommenheit; denn keine Gattung der Thiere hat
ein so viel befassendes, dauerhaftes Gedächtniß,
eine solche Lebhaftigkeit der Einbildungskraft, und
so einherstürmende Leidenschaften.

§. 288.

Allein das größte und einzige Vorrecht der
Menschenseele besteht in dem Gebrauche des Ver-
standes, der nicht nur die Quelle unserer Beurthei-
lungskraft und unserer abgezogenen Begriffe ist,
sondern auch über alle andere Geistesfähigkeiten
seine Herrschaft verbreitet; da hingegen die Thiere,
damit die Verrichtungen den Absichten der Natur
entsprechen, in Ermanglung des Verstandes mit
blinden und unwillkührlichen Trieben (instinctus)
ausgerüstet sind, die dem Menschen, den Geschlechts-
trieb ausgenommen, versagt sind.

§. 289.

Der Unterschied aber, welcher zwischen dem
Instinkt der Thiere, und zwischen dem menschlichen
Verstande Statt findet, fällt deutlich in die Augen.

Der Instinkt ist eine angebohrne Fähigkeit,
der Verstand hingegen ein Resultat der Kultur,
und der Erziehung.

Die Instinkte bleiben immer dieselben, sind
keiner Erweiterung fähig, u.s.w. Die Erweite-
rung des Verstandes hat keine bestimmten Grenzen.

Der Instinkt entspricht genau der Lebenswei-
se, dem Klima u.s.w. einer jeglichen Thiergat-
tung, und paßt also schon aus diesem Grunde
nicht auf dem Menschen, der an kein Klima, an
[Seite 183] keine Lebensweise gebunden, in allen Theilen der
Welt seinen Wohnplatz aufschlagen kann: aber eben
dieser unbeschränkte Vorzug wird eine reichhaltige
Quelle so mannigfaltiger Bedürfnisse, die keines-
wegs durch blinde Triebe, sondern nur durch eine
sehr mannigfaltige Anwendung des Verstandes be-
friedigt werden können.

Mit diesem ausgezeichneten Gebrauche des
Verstandes ist noch ein anderer Nebenvorzug ver-
bunden, nämlich der Gebrauch der Sprache, von der
wir im vorhergehenden gehandelt haben (§. 154.),
die dem Menschen ausschließungsweise zukömmt,
indem die Thiere nur mit der bloßen Stimme be-
gabt sind.


Drey und zwanzigster Abschnitt.
Von den körperlichen Verrichtungen,
welche der Willkühr der Seele un-
terworfen sind.

[Seite 184]

§. 290.

Wir wissen aus dem Vorhergehenden (§. 214.),
daß die Nerven eine doppelte Verrichtung haben,
nämlich zu empfinden, und zu bewegen. Wir ha-
ben das erstere Geschäft bereits untersucht, und
wollen nun auch über das letztere einige Betrach-
tungen anstellen.

§. 291.

Alle Bewegungen in dem menschlichen Körper
lassen sich auf zwey Hauptklassen zurückführen; ei-
nige nämlich sind der Willkühr unterworfen, an-
dere aber nicht.

Zur letztern Klasse zählt man gewöhnlich die
Bewegung des Herzens, die wurmförmige Bewe-
gung der Gedärme und anderer Eingeweide.

In die erste Klasse aber setzt man die Bewe-
gung der meisten übrigen Muskeln.

Von einigen Arten der Bewegungen, z.B.
dem Athemholen, dem Nießen, Anspannung des
Pauckenfells u.a.m. ist es noch zweifelhaft, ob
sie zu den willkührlichen oder unwillkührlichen ge-
[Seite 185] hören, oder eine gemischte Klasse der Bewegungen
ausmachen.

§. 292.

Allein bey einer genauern Erwägung sieht man,
daß diese Eintheilung großen Schwierigkeiten aus-
gesetzt ist, und daß überhaupt zwischen diesen bey-
den Gattungen der Bewegung keine bestimmten
Grenzen sich ziehen lassen.

Denn einmal ist es gewiß, daß es nur we-
nige Verrichtungen des menschlichen Körpers gibt,
die ganz außer dem Gebiethe des Willens liegen,
besonders wenn man auf die Verbindung der Ein-
bildungskraft und Leidenschaften mit dem Willen
Rücksicht nimmt.

Auf der andern Seite hingegen haben wir
Beyspiele von Muskelbewegungen, welche zwar nach
ihrer natürlichen Bestimmung der Willkühr unter-
worfen sind, aber durch die Macht der Gewohnheit
(die überhaupt auf alle thierische Bewegungen einen
großen und wichtigen Einfluß hat) in unwillkühr-
liche Bewegungen übergehen.

§. 293.

Unter diese letzteren gehören vorzüglich diejeni-
gen Muskelbewegungen, die zwar von der Willkühr
abhangen, aber doch unter gewissen Umständen,
ohne Bewußtseyn, und sogar wider den Willen der
Seele sich ereignen.

So z.B. schließen wir wider unsern Willen
das Aug, wenn ein Freund mit dem Finger vorbey-
fährt, obschon er das Aug selbst nicht berühret; –
oder die Beugung des Ringfingers, den die meisten
Menschen mit dem kleinen Finger zugleich biegen.

[Seite 186] Wir bewegen zuweilen die Glieder ohne Be-
wußtseyn der Seele, auch in dem tiefsten Schlafe.

Hingegen gibt es auch einige Bewegungen
der Muskeln, die zwar gewöhnlich ganz unter der
Bothmäßigkeit des Willens stehen, aber doch un-
ter gewissen Umständen sich widerspenstig bezeigen;
hieher gehört die Schwierigkeit mit der Hand und
mit dem Fuße einer und derselben Seite zugleich
einen Kreis in entgegengesetzter Richtung zu be-
schreiben, und andere dergleichen Bewegungen,
die zwar einzeln sehr leicht, und ganz nach Will-
kühr, in Verbindung aber mit andern Bewegun-
gen sehr schwer von statten gehen a).

a) Winslow Mem. de l'Acad. des sciences de Paris
1739.

§. 294.

Was aber diejenigen Bewegungen betrifft,
die der Willkühr, wie man sagt, nicht unterwor-
fen sind, so zweifle ich, ob man dieses von an-
dern Bewegungen, die Krämpfe der Gebährmut-
ter bey der Entbindung ausgenommen, so allge-
mein behaupten kann.

So haben wir das Beyspiel eines Englän-
ders, der, wie uns sehr glaubwürdige Augenzeu-
gen, Baynard und Chenay a) versichern, die
Bewegung des Herzens in seiner Gewalt hatte.

Das auch die Bewegung des Magens will-
kührlich ist, sieht man an dem Widerkauen, wie
ich erst vor Kurzem ganz deutlich an einem Manne
sah, der diese Bewegung ganz nach Willkühr her-
vorbrachte.

[Seite 187] So weis ich aus dem Munde glaubwürdiger
Zeugen das Beyspiel von einem Manne, der durch
eine eigene Art von Anstrengung die Blendung will-
kührlich bewegen, und das Seheloch sogar im
Dunkeln zusammenziehen konnte:

Ueberhaupt gibt es mannigfaltige Arten thie-
rischer Bewegungen, die zwar gemeiniglich nicht
unter der Herrschaft der Seele stehen, aber doch
bey einigen Menschen von der Willkühr abhangen,
besonders wenn Aufmerksamkeit und eine entflammte
Einbildungskraft mitwirken b). So kenne ich Per-
sonen, die bey einer jedesmaligen Erinnerung an
eine unangenehme Empfindung nach Willkühr sich
eine fieberartige Gänsehaut machen können.

a) Cheynes Treat. of nervous diseases. p. 307.

b) Rapport des commissaires chargés par le Roi de
l'examen du magnetisme animal. Paris
1784.
4. p. 16.

§. 295.

Vielleicht lassen sich diese Erscheinungen aus
der zurückwirkenden Kraft des Sensoriums erklä-
ren, die, wie es scheint, eben so leicht durch den
von der Einbildungskraft vorgestellten sinnlichen
Reiz, als von dem sinnlichen Gegenstande selbst,
erweckt werden kann. Viele Erscheinungen lassen
sich aus dieser Theorie ganz leicht erklären, z.B.
die verschiedenen Ursachen des Steifwerdens des
männlichen Zeugungsgliedes.

§. 296.

Ueberhaupt sind diese willkührlichen Bewe-
gungen die wesentlichen Unterscheidungszeichen zwi-
[Seite 188] schen dem Thier- und Pflanzenreich; kein Pflanzen-
gewächs kann sich nach Willkühr bewegen: aber
auch die einfachste Thiergattung ist mit der will-
kührlichen Bewegung begabt.

§. 297.

Wir haben an uns selbst die auffallendsten
Beyspiele der innigsten Verbindung, welche zwi-
schen Körper und Seele festgesetzt ist: man denke
sich nur die außerordentliche Geschwindigkeit, mit
der die Finger eines geübten Violinspielers auf ein-
ander folgen, oder die schnellen und abwechselnden
Bewegungen der Sprachorgane beym Sprechen.


Vier und zwanzigster Abschnitt.
Von der Muskelbewegung.

[Seite 189]

§. 298.

Die vornehmsten Werkzeuge der meisten körper-
lichen Bewegungen sind die Muskeln, die unter
allen gleichartigen Theilen des Körpers die größte
Masse ausmachen.

§. 299.

Die Muskeln unterscheiden sich von den übri-
gen gleichartigen Theilen des Körpers, sowohl
durch ihre besondere Struktur, als auch durch ihre
eigenthümliche Lebenskraft.

§. 300.

Der Bau der Muskeln a) besteht aus eige-
nen, blaßrothen Fasern. Jede Muskel besteht
aus Bündeln solcher Fasern, jeder größere Bün-
del aus kleinern, und diese endlich, indem sie be-
ständig verhältnißmäßig abnehmen, aus den klein-
sten Fleischfäserchen b).

a) B. S. Albinus histor. musculorum hominis. L. I.

b) Wyer. Gul. Muys de carnis musculosae structura.
L. B.
1730. 4.

Prochaska de carne musculari. Vienn. 1778. 8.

§. 301.

[Seite 190]

Die Muskeln sind mit einer zelligten Hülle be-
kleidet, die in die Muskelsubstanz selbst eindringt,
und auf das innigste mit derselben verwebt wird,
indem sie zwischen den Bündeln und Fasern des
Muskels gleichsam Scheidewände bildet.

§. 302.

Uebrigens wird das ganze Gewebe der Mus-
keln von unzähligen Blutgefäßen und Nervenzwei-
gen durchdrungen; die Nerven zerfließen in einen
Brey, der mit den Muskelfasern auf das innig-
ste sich verbindet; die Blutgefäße hingegen ver-
theilen sich zwischen die feinsten Muskelfasern, und
durch das zuströmende Blut erhalten die Muskeln
ihre Röthe; sobald aber diese rothe Farbe wegge-
wischt wird, erscheinen die Muskeln in ihrer na-
türlichen Blöße (§. 300.).

§. 303.

Die meisten Muskeln endigen sich in Sehnen,
die zwar auch aus Fasern bestehen, aber an Farbe,
Struktur, Elasticität u.s.w. a) von den Mus-
kelfasern wesentlich verschieden sind. Diejenigen
Physiologen haben sich also sehr geirrt, welche die
Sehnen als bloße Fortsätze der Muskeln betrach-
ten; wozu sie wahrscheinlicherweise durch die Er-
scheinung verleitet worden sind, daß die Kinder,
in Vergleichung mit Erwachsenen, mehrere Seh-
nen haben.

a) Adolph. Murray de fascia lata. Upsal. 1777.
4. p. 6.

§. 304.

[Seite 191]

Der andere Hauptkarakter des Muskels ist
die Hallerische Reizbarkeit, a) die ich schon im
vorhergehenden von der Zusammenziehbarkeit un-
terschieden habe, (§. 44.) aber nun etwas genauer
untersuchen will.

a) Ich nenne sie die Hallerische Reizbarkeit, nicht
als ob sie vor Hallern der allen seinen Vor-
gängern von Glisson bis auf seine Zeitgenossen
alle Gerechtigkeit widerfahren ließ, unbekannt
gewesen, sondern weil Haller diese Kraft zuerst
in ihrem ganzen Umfange untersuchte, durch
unzählige Versuche an lebendigen Thieren erläu-
terte, und den wichtigen Einfluß dieser Lehre auf
die ganze Physiologie in das helleste Licht setzte.
Uebrigens ist die Hallerische Reizbarkeit von der
Reizbarkeit des Gaubs verschieden, der mit die-
sem Worte die krankhafte Empfindlichkeit des
belebten körperlichen Stoffes bezeichnet.

§. 305.

Diese Reizbarkeit, öder Muskelkraft, oder
angebohrne Kraft ist zwar allen muskelartigen Thei-
len eigen, jedoch nicht in gleichem Grade, indem
einige vor andern Theilen vorzüglich reizbar sind a).

a) Haller de partibus c. h. irritabilibus in comment.
soc. scient. Götting. T.
II.

in Nov. Commentar. Götting. T. IV.

Zimmermann de irritabilitate. Götting. 1751. 4.

Oeder de irritabilitate. Hafn. 1752. 4.

[Seite 192]

Iac. Eberh. Andreae. (praes. Ph. Fr. Gmelin) diss.
de irritabilitate. Tubing.
1758. 4.

Die reizbarsten Theile sind diejenigen hohlen
Muskeln, welche zu den Lebens- und natürlichen
Verrichtungen bestimmt sind; unter denen das
Herz, wie ich schon erwähnt habe, (§. 118.)
den ersten Rang behauptet; denn das Herz ist
nicht nur, besonders an seiner innern Oberfläche
am reizbarsten, sondern behält auch diese Eigenschaft
vor allen andern Muskeln am längsten.

Den nächsten Rang nach dem Herzen nimmt
der Darmkanal ein, besonders die dünnen Där-
me, die in warmblütigen Thieren ihre Reizbarkeit
zuweilen länger als das Herz behalten.

Alsdann folgt der Magen.

Auf diesen die Harnblase, u.s.w.

Unter den übrigen Muskeln sind diejenigen die
reizbarsten, welche zum Athemholen bestimmt sind,
z.B. das Zwerchfell, die Interkostalmuskeln, der
dreyeckigte Muskel des Brustblattes.

Hierauf folgen die übrigen Muskeln.

Sehr schwach ist die Reizbarkeit der Arterien.
(§. 123).

Und der großen Blutaderstämme in der Brust-
höhle (§. 84.).

Wenig oder gar nicht reizbar sind die übrigen
Blutadern.

§. 306.

Doch scheint mir Herr von Haller, der in die-
ser Lehre der vornehmste Schiedsrichter ist, eini-
gen Theilen mit Unrecht eine Reizbarkeit zuge-
schrieben zu haben, an denen ich zwar nach mei-
[Seite 193] nen Versuchen Zusammenziehbarkeit, (§. 50.)
aber keine Reizbarkeit entdecken konnte.

Hieher gehören die Milchgefäße, die Drüsen,
die Gallenblase, die Gebährmutter, die Hodenhaut
(dartos), und das männliche Zeugungsglied.

Aber eben so unverdient haben einige Physio-
logen die Blendung, die äußere Oberfläche der
Lungen u.s.w. als reizbare Theile anerkannt, de-
nen diese Eigenschaft mit keinem größern Rechte,
als dem Zellenstoffe, und den übrigen daraus ge-
bildeten Theilen, nämlich den allgemeinen Bede-
ckungen, den Hirnhäuten, dem Rippenfelle, dem
Bauchfelle, u.s.w. der Beinhaut, den Flechsen,
den sehnichten Ausbreitungen, oder den Eingewei-
den, die aus einem eigenen Parenchyma, (§. 27.)
z.B. die Leber, die Milz, die Nerven, der Mut-
terkuchen, das Gehirn sammt dem ganzen Nerven-
system, zugeschrieben werden kann.

§. 307.

So wie aber die Reizbarkeit der Muskelfa-
sern mit der Zusammenziehbarkeit des Zellstoffes
manchmal verwechselt worden, so hat man hinge-
gen in neuern Zeiten die Reizbarkeit für eine bloße
Wirkung der Nervenkraft erklärt. a)

Obgleich nicht zu läugnen ist, daß die Ner-
ven einen großen Einfluß auf die Muskelbewegung
haben, von der ich sogleich handeln werde; und
daß man auch der feinsten Muskelfaser nicht alles
Nervenwesen absprechen kann; so glaube ich doch
berechtigt zu seyn, die Reizbarkeit eben so, wie die
Zusammenziehbarkeit, als eine eigentümliche, und
von der Nervenkraft offenbar verschiedene Kraft zu
betrachten. Denn alle übrige nicht muskelartige
[Seite 194] Theile, so reich sie übrigens an Nerven seyn mö-
gen, besitzen keine Reizbarkeit, z.B. die Haut,
und verschiedene andere nervenreiche Eingeweide;
sodann werden die ächten Erscheinungen der Reiz-
barkeit nur an den Muskelfäsern wahrgenommen
u.s.w. Wenn man diese und so viele andere
Gründe genau erwäget, so scheint es mir der Ver-
nunft gemäßer, wenn man die Reizbarkeit als eine
eigenthümliche Kraft der Muskelfasern betrachtet,
und nicht von den Nerven herleitet, die an so ver-
schiedenen Theilen des Körpers in Gesellschaft der
Muskeln sind, aber nicht die geringste Spur von
Reizbarkeit verrathen. Ich übergehe so viele an-
dere wichtige Beweisgründe, z.B. das zwischen dem
Grade der Reizbarkeit, und der Menge der Ner-
ven eines und desselben Theiles kein Verhältniß
Statt findet.

a) Whytt's Essay on the vital and other involuntary
motions of animals. Edimb
. 1751. 8.

Joh. Aug. Unzer Gründe einer Physiologie der ei-
gentlichen thierischen Natur thierischer Körper.
Leipz. 1771. 8.

§. 308.

Der Haupteinfluß also, den das Nervensy-
stem auf die Muskelbewegung hat; scheint darin
zu bestehen, daß die Nerven als entfernte, oder
erregende Ursachen auf die Muskeln wirken, aber
nicht die nächste Ursache der Muskelbewegung sind,
die ganz allein in der angebohrnen Kraft der Mus-
kelfasern liegt.

[Seite 195] Die Gemüthsbewegungen z.B. wirken auf
das Sensorium, dieses wirkt zurück auf die Herz-
nerven, wodurch die Reizbarkeit des Herzens erregt
wird, und das Herzklopfen sowohl als andere unor-
dentliche Bewegungen hervorgebracht werden.

Auch der Wille wirkt auf das Sensorium;
dieses wirkt zurück auf die Armnerven, welche so-
dann auf die nämliche Weise als entfernte Urfachen
die Muskelbewegung erregen, die aber unmittelbar
von der Reizbarkeit herrührt u.s.w.

§. 309.

Mit dieser Eintheilung der Ursachen, welche
bey der Muskelbewegung zusammenwirken müssen,
stimmen die so oft wiederholten Versuche vollkom-
men überein, welche uns belehren, daß an dem-
jenigen Muskel, dessen Nerven unterbunden, oder
abgeschnitten werden, eine Lähmung erfolgt, ohn-
erachtet seine Reizbarkeit noch lange fortdauert a).

a) Io. H. Brunn experimenta circa ligaturas nervorum
in vivis animalibus instituta. Götting.
1753. 4.

§. 310.

Was aber das Blut, von dem die Muskeln
strotzen (§. 302.), zu ihrer Verrichtung beyträgt,
ist noch nicht ausgemacht.

Aus dem Stenonianischen Versuche a) er-
hellt, daß auf die Unterbindung der aorta abdo-
minalis
eine Lähmung der Schenkel erfolge b).

a) Stenonis elementorum myologiae specimen. Florent.
1667. 4. p. 86.

[Seite 196]

b) v. Courten in philosoph. Trans. n. 335. p. 500.
v. Haller in comment. soc. scient. Götting. T.
IV. p. 293.

§. 311.

Außer diesen angebohrnen, und gemeinschaft-
lichen Kräften erhalten die Muskeln noch verschie-
dene Nebenkräfte, welche von ihrer Gestalt, Lage
u.s.w. abhangen, und den verschiedenen Muskel-
bewegungen genau entsprechen.

§. 312.

Daher auch die Muskeln in hohle und brei-
te eingetheilt werden; jene sind, wie wir gezeigt
haben, der Willkühr nicht unmittelbar unterwor-
fen, und zu den Lebens- und natürlichen Verrich-
tungen bestimmt; wir wollen nun die andere Gat-
tung von Muskeln betrachten, welche die Werk-
zeuge der thierischen Verrichtungen sind.

§. 313.

Aber auch unter diesen Muskeln findet man
eine große Verschiedenheit; denn außer ihrer Grös-
se ist die Anlage, und die Richtung ihrer Faszi-
keln, das Verhältniß ihres fleischigten Theiles zu
dem sehnigten, ihr Verlauf, und ihre Art der Be-
festigung u.s.w. höchst mannigfaltig.

§. 314.

Doch haben die meisten Muskeln eine mehr
oder weniger länglichte Gestalt; ihr fleischigter und
bauchigter Theil verlängert sich an beyden Enden
[Seite 197] in sehnigte Stricke, die aber nicht im geringsten
reizbar sind, und die Knochen, an denen sie befe-
stigt sind, gleichsam als Hebel bewegen.

§. 315.

Die meisten Muskeln sind mit Sehnen verse-
hen, nur wenige, z.B. den breiten Halsmuskel
ausgenommen; auch sind die meisten Muskeln an
Knochen befestigt; außer einigen, worunter der eben
erwähnte Halsmuskel, der Hodenmuskel, der Muskel
des Zäpfchens, die meisten Augenmuskeln gehören.

§. 316.

Aus diesen sowohl allgemeinen (§. 304.) als
besondern Kräften der Muskeln entstehen ihre ver-
schiedenen Wirkungen, welche gleichfalls in allge-
meine und besondere eingetheilt werden.

§. 317.

Die Hauptwirkung der Muskeln, welche zu-
nächst aus der Reizbarkeit fließt, besteht darinnen,
daß der fleischigte Theil sich verkürzt, straffer wird,
meistentheils eine ungleiche und gleichsam eckigte
Gestalt annimmt, und, wie es aus Glisson's a)
Versuche zu erhellen scheint, in seinem Umfange
etwas vermindert wird.

Doch läßt sich diese Abnahme des Umfanges
unmöglich berechnen, wie Joh. und Daniel Ber-
noulli und andere Jathromathematiker versucht ha-
ben; wie man ohnehin aus der großen Verschieden-
heit, welche zwischen hohlen und breiten Muskeln,
und auch zwischen den breiten Muskeln selbst, Statt
findet, leicht schließen kann.

[Seite 198]

a) Glisson de ventriculo & intestinis. p. 191.

Doch hatte schon vorher Jonath. Goddard diesen
Versuch der k. Gesellschaft mitgetheilt. Birch's
hist. of the royal society. Vol. II. p. 356.

§. 318.

Die besondern Wirkungen der Muskeln hängen
von ihren verschiedenen Nebenkräften ab, und sind,
wie man leicht sieht, so mannigfaltig, daß man sie
auf keine allgemeinen Gesetze zurückführen kann.

Denn das angenommene allgemeine Gesetz,
daß jeder Muskel, indem er wirkt, den nachgeben-
den Theil, woran er befestigt ist, nach dem unbe-
weglichern Theil hinziehe, gilt, wie schon Wins-
low a) erinnert hat, nur beziehungsweise, und
leidet unzählige Einschränkungen; so kann z.B. das
eine oder das andere Ende beweglicher gemacht wer-
den, nachdem dieses oder jenes Ende durch die
Mitwirkung anderer Muskeln befestigt wird.

Im Gegentheile darf die Wirkung der Beug-
muskeln, die zwar gemeiniglich etwas stärker als ihre
Antagonisten, die Streckmuskeln, sind, so daß
bey einer ganz ruhigen Leibeshaltung die Arme,
Finger u.s.w. ein wenig gebogen erscheinen, nicht
so sehr aus ihrem eigenen Bestreben die Beugung
hervorzubringen, sondern vielmehr aus der willkühr-
lichen Entspannung der Streckmuskeln, wodurch wir
die Beugung befördern wollen, geschätzt werden.

a) Memoires de l'Acad. des scienc. de Paris. 1720.

§. 319.

Hierzu kömmt noch, daß jeder einzelner Mus-
kel durch einen besondern Mechanismus sich aus-
[Seite 199] zeichnet, der seinen bestimmten Bewegungen genau
entspricht a).

Zu den Hilfsmitteln, welche die Bewegung
der Muskeln erleichtern, gehören, außer ihrer ver-
schiedenen Gestalt, die runden ligamentösen Ringe,
von denen einige Muskeln eingeschlossen werden;
das Fett, das sich fast in alle Muskeln ergießt;
der wäßerigte Duft, von dem sie beynahe im gan-
zen Körper befeuchtet werden; vorzüglich aber der
Knochenbau des Körpers selbst, der sowohl durch
die besondere Bildung seiner Fortsätze, als auch
durch die mannigfaltige Verbindung seiner Gelenke
die Muskelbewegungen ungemein erleichtert; sogar
sind einzelne Knochen, z.B. die Kniescheibe, und
die Sesamsbeinchen zur Erleichterung einiger beson-
dern Muskelbewegungen bestimmt.

a) Io. Alph. Borellus de motu animalium. Rom.
1680. II. Vol. 4.

§. 320.

Durch diese weise Einrichtung wird ein großer
Theil der Muskelkraft, welche sonst verloren gehen
müßte, erhalten, oder wenigstens ersetzt; denn die
Einsenkung der Muskeln unter so spitzen Winkeln,
und so nahe am Ruhepunkt, erschwert die Bewe-
gungen der Muskeln beträchtlich.

§. 321.

Der menschliche Körper, der ohngefähr mit
450. Muskeln (den Geschlechtsunterschied, und ei-
nige Varietäten ausgenommen) ausgerüstet ist,
[Seite 200] erhält dadurch sowohl im Ganzen, als in seinen
einzelnen Gliedern eine außerordentliche Behendig-
keit, und Stärke. Beydes hängt zwar theils von
der vollkommenen Struktur des Muskels ab, die
so, wie der vollkommene Knochenbau, erst bey
reifern Jahren vollendet wird; theils aber von der
anhaltenden Uebung, die, wie wir wissen, sowohl
auf die Starke als Behendigkeit der Muskeln ei-
nen außerordentlichen Einfluß hat, wovon man
sich z.B. an Seiltänzern, Athleten, Trägern,
und an den Wilden überzeugen kann.


Fünf und zwanzigster Abschnitt.
Von dem Schlaf.

[Seite 201]

§. 322.

Das Nervensystem wird durch die tägliche Anstren-
gung seiner Empfindungs- und Muskelkraft endlich
so sehr ermattet, daß es der nächtlichen Ruhe be-
darf, um neue Kräfte zu sammeln, die durch den
Schlaf, a) dem Bild des kalten Todes, herge-
stellt werden.

a) Steph. Dickson de somno. Edimb. 1783. 8.

Rob. Cleghorn de somno. ibid.

§. 323.

Der Schlaf ist eine vollkommen periodische
Verrichtung, wodurch bis Gemeinschaft zwischen
Körper und Seele einige Zeit gleichsam stillsteht,
und dessen Erscheinungen, die ich sogleich anführen
werde, mit der Theorie von dem Einfluße eines
Nervensaftes ziemlich übereinstimmen.

§. 324.

Unter die Vorspiele des herannahenden Schla-
fes gehören: eine allmälig überhandnehmende Träg-
[Seite 202] heit der äußern Sinne, eine Nachlassung der meisten
dem Willen unterworfenen, besonders längern, Mus-
keln; Anhäufung des Blutes gegen das Herz, und
ein daher entstehendes Gefühl von Unbehaglichkeit,
das durch das Gähnen etwas vermindert wird; end-
lich bey dem wirklichen Uebergang aus dem Wachen
in den Schlaf eine besondere Verwirrung der Ge-
danken.

§. 325.

Die Erscheinungen des Schlafes selbst beste-
hen eigentlich darinn, daß die thierischen Verrichtun-
gen ganz stillstehen, die übrigen aber langsamer und
träger erfolgen; denn in dem schlafenden Zustande
schlägt der Puls langsamer, die Wärme ist gemei-
niglich etwas geringer, auch die unmerkliche Aus-
dünstung ist sparsamer, die Verdauung schwächer;
überhaupt sind alle Ausleerungen (die zwar seltnere
Saamenergießung ausgenommen) gehemmet u.s.w.

§. 326.

Die entfernten Ursachen des Schlafes sind
leicht zu finden, nämlich, schlafmachende Arzneyen,
Verlust der thierischen Kräfte von Ermüdung, Wa-
chen; die Macht der Gewohnheit, und die eben
daher einschläfernde Kraft der Finsterniß, der Stil-
le, der Ruhe u.s.w.; ferner gelinde, gleichför-
mige, und anhaltende Rührungen der Sinne, z.B.
Das Murmeln eines Baches u.s.w.; ferner vor-
hergegangene Mahlzeit, a) eine strenge Kälte, b)
starke Ableitungen des Blutes von dem Kopfe, Fuß-
bäder, Klystire, vorzüglich aber starke Verblutun-
gen u.s.w.

[Seite 203]

a) Langhans de causis ortae a pastu somnolentiae.
Götting
. 1747. 4.

b) Daher die so gefährliche, aber auch fast unwi-
derstehlige Neigung zum Schlaf in dem höchsten
Grade der Kälte. Ueberbleibsel dieser sanften
Todesart habe ich in Menge auf den Gletschern
in St. Gotthard angetroffen.

Aehnliche Gefahren, welche Bank's und Solander
mit ihren Reisegefährten in tierra del fuego aus-
gestanden haben, findet man in der erstern Welt-
umseglung des Rooks beschrieben bey Hawkes-
worth. B. II. S. 47.

§. 327.

Die Betrachtung der entfernten Ursachen füh-
ret uns auf die nächste Ursache des Schlafes, wel-
che, wenn wir alles genau erwägen, in einem ver-
minderten Antrieb des Blutes nach dem Kopfe zu
bestehen scheint.

Mit dieser Ursache stimmt die Erscheinung
überein, die ich an einem lebenden Menschen, des-
sen Geschichte (§. 201.) stehet, wahrgenommen
habe, bey dem das Gehirn wahrendem Schlafe
eingesunken war, im wachenden Zustande hingegen
von Blut strotzte.

Diese Meinung wird noch wahrscheinlicher
durch die Schlaflosigkeit, welche auf einen starken
Antrieb des Blutes nach dem Kopf zu erfolgen
pflegt.

§. 328.

Das Maaß des Schlafes richtet sich nach der
Verschiedenheit des Alters, der Leibesbeschaffen-
heit, des Temperaments u.s.w. Soviel ist aber
[Seite 204] ausgemacht, daß ein längerer Schlaf entweder ein
Gefährte der Schwäche ist, wie wir an zarten Kin-
dern sehen, oder eine ergiebige Quelle der Blödsin-
nigkeit und der Dummheit wird.

§. 329.

Wir erwachen, wenn die Kräfte hergestellt
sind, gleichsam in ein neues Leben; wobey die
nämlichen Zufälle eintreten, welche den Uebergang
in den Schlaf begleiteten; wozu sich aber noch das
Recken der Glieder, einige Trägheit der Sinnor-
gane u.s.w. gesellen.

§. 330.

Auch die Ursachen, welche uns aus dem Schlafe
aufwecken, stimmen mit den schlaferregenden Ur-
sachen überein.

Die nächste Ursache besteht in dem wiederkeh-
renden lebhaftern Andrang des Blutes auf das Ge-
hirn.

Zu den entfernten Ursachen gehören, außer dem
mächtigen Einfluß der Gewohnheit, alle Gattungen
von Reizmitteln, wodurch entweder die äußerlichen,
oder innern Sinne gereizt werden, sie mögen übri-
gens in dem Körper entweder unmittelbar entstehen,
z.B. die Anfüllung der Blase, oder durch Hilfe
der Einbildungskraft auf das Nervensystem wirken,
wie bey den Träumen geschieht.

§. 331.

Die Träume sind gleichsam Spiele der Ein-
bildungskraft, wodurch sie die Gestalten der em-
[Seite 205] pfangenen sinnlichen Eindrücke zurückruft, und auf
eine mannigfaltige Weise sich damit beschäftiget.

Bey neugebohrnen Kindern habe ich vor dem
dritten Monate keine Spur eines Traumes entdecken
können.

Man hat sogar Beyspiele erwachsener Men-
schen, die in ihrem Leben nicht geträumt haben. a)

Diese nächtlichen Schattenbilder sind zwar ge-
meiniglich verworren, und unordentlich; aber doch
findet man auch zuweilen auffallende Merkmale des
Verstandes b) in Träumen.

Ueberhaupt scheinen die körperlichen Reize zur
Erweckung der Träume vorzüglich geschickt zu seyn:
z.B. der Saamen zur Erzeugung wohllüstiger Bil-
der, die Ueberladung des Magens zur Erregung
der Bangigkeit u.s.w. Man hat sogar das Bey-
spiel eines Menschen, bey dem seine Freunde, wenn
sie mit ihm im Schlafe redeten, nach Willkühr
Träume hervorbringen konnten; c) doch scheint dieß
vielmehr ein Mittelzustand zwischen Schlafen und
Wachen zu seyn. d)

Doch halten Locke und andere Philosophen
die Träume selbst für einen solchen Mittelzustand
zwischen Schlafen und Wachen.

a) Sonderbar ist es, daß man dieß an Personen
bemerkte, die eine außerordentliche lebhafte Ein-
bildungskraft hatten, wie man unter andern
von dem berühmten Lessing erzählt. (Götting.
Magaz. 1781. Th. 1.)

Ich kannte selbst eine vornehme Dame, die einen
außerordentlichen Witz besaß, und niemals ge-
träumt hatte.

[Seite 206]

Locke's Essay concerning human understanding. Vol.
I. p. 74. Ed. Lond. 1726.

b) Hollmann Pneumatolog. psycholog. & theolog.
natural. Götting
. 1780. p. 196.

c) Beattic dissertations moral and critical. Lond.
1783. 4. p. 217.

Cleghorn I. c. p. 38.

d) G. Gottl. Richter de statu mixto somni & vi-
giliae, quo dormientes multa vigilantium munere
obeunt. Götting.
1756. p. 4.


Sechs u. zwanzigster Abschnitt.
Von den Nahrungsmitteln, und
von der Eßlust.

[Seite 207]

§. 332.

So wie der Verlust der thierischen Kräfte durch
den Schlaf ersetzt wird, so werden die allmälig
sich verlierenden natürlichen Kräfte, und Bestand-
theile des Körpers durch Nahrungsmittel ersetzt.

§. 333.

Wir werden aber von der Natur durch zweyer-
ley einander ganz entgegengesetzte, aber zur Errei-
chung einer und derselben Absicht sich vereinigende
Triebe genöthigt, Nahrungsmittel aufzusuchen, und
zu uns zu nehmen; nämlich durch die unerträglichen
Schmerzen des Hungers und des Durstes, und durch
die süsse Wohllust, welche die Befriedigung dieser
Bedürfnisse zu begleiten pflegt.

§. 334.

Der Reiz des Hungers entsteht, wie einige
Physiologen behaupten, von den Falten des Ma-
gens, die sich gegen einander anreiben, oder wahr-
scheinlicher von dem häufigen Zufluße der Dauungs-
säfte, besonders des Speichels, des Magensafts
und der Galle, wozu endlich die Schärfe dieser
[Seite 208] Säfte, wenn sie nicht bald durch frische Nahrungs-
mittel bey ihrer Milde erhalten werden, kömmt.

§. 335.

Die Empfindung des Durstes wird theils
durch eine lästige Trockenheit der Schlundhöhle,
(fauces) und der Speiseröhre, theils durch den
besondern Reiz, den die genossenen, salzigten Nah-
rungsmittel verursachen, hervorgebracht.

§. 336.

Die Befriedigung dieser Bedürfnisse ist nach
Verschiedenheit des Alters, der Leibesbeschaffen-
heit, besonders aber der Gewohnheit, mehr oder
weniger dringend, so daß sich hierüber nichts ge-
wisses festsetzen läßt; nur so viel scheint im Allge-
meinen zuzutreffen, daß ein erwachsener, gesunder,
und natürlicher Mensch (bey dem diese Naturtriebe
weder durch Wahnsinn, noch durch andere krank-
hafte Zufälle stumpf gemacht worden a), nicht ei-
nen Tag ohne sich merklich zu entkräften, und nicht
über acht Tage ohne Lebensgefahr, der Speisen
sich enthalten kann.

a) Jac. Barthol. Beccarius in comment. instituti
Boaoniensis. T
. II. P. I.

Jlor. Jac. Voltelen memorab. apositiae septen. hist.
L. B.
1777. 8.

§. 337.

Nicht so dringend als der Hunger ist das Be-
dürfniß des Durstes; denn daß die Gesundheit,
und das Leben auch ohne Trinken bestehen kön-
nen, sieht man an verschiedenen warmblütigen
Thieren, z.B. Mäusen, Wachteln u.a.m. es
gibt sogar Menschen, die gar kein Getränk zu sich
[Seite 209] nehmen, und doch demohnerachtet gesund und stark
sind a).

a) G. Backer medical transactions publ. by the col-
lege of physic. in Lond. Vol
. II. p. 165.

§. 338.

Anlangend die Speisen, so hat man die Fra-
ge aufgeworfen, ob vegetabilische Nahrungsmittel,
oder Fleischspeisen dem menschlichen Körper ange-
messener sind, und wozu der Mensch von der Na-
tur vorzüglich bestimmt ist.

§. 339.

Daß der Mensch von Pflanzenspeisen leben
müsse, wollen einige aus dem Baue seiner Zähne
a), und aus der Länge des Darmkanals b) herlei-
ten; Rousseau c) sucht diese Meinung vorzüglich
daraus zu erweisen, weil die Weiber nur mit ei-
nem Kinde schwanger gehen, und mit zwo Brü-
sten versehen sind; hierzu kommen noch die Bey-
spiele des Wiederkauens bey Menschen, das nur
eine Eigenschaft grasfressender Thiere ist.

Diejenigen aber, welche mit Helvetius d)
den Menschen unter die fleischfressenden Thiere zäh-
len, berufen sich auf die Kürze des Blinddarms,
und andere dergleichen Beweisgründe.

a) Gassendi epistol. ad Jo. Bapt. v. Helmont. opusc.
Ed. Flor
. 1727. sol. Tom. VI. p. 17.

b) Jo. Wallis in philos. Tranactions. n. 269.

c) Sur l'origine de l'inegalité parmi les hommes.
p
. 196.

d) De l'homme. Tom. II. p. 17.

§. 340.

[Seite 210]

Allein bey einer genauern Untersuchung erhel-
let, daß der Mensch weder zu einer vegetabilischen,
noch zu einer thierischen Lebensweise ausschließungs-
weise bestimmt ist, sondern vielmehr seine Nah-
rungsmittel aus beyden Naturreichen entlehnen muß;
indem sowohl die Backenzähne, als auch der Bau
des Darmkanals gleich eine Mittelgattung zwischen
pflanzen- und fleischfressenden Thieren ausmachen;
vorzüglich aber sieht man dieß aus der besondern
Einlenkung des Kieferbeines mit dem Schlafbeine.

§. 341.

Zu diesen Gründen kömmt noch das hinzu,
daß der Mensch, der, wie wir gesehen haben, in
allen Himmelsstrichen ausdauert, bey einer aus-
schließenden, entweder vegetabilischen oder thieri-
schen Nahrungsweise, keinesweges leben könnte.

§. 342.

Der Mensch genießt also unter allen andern
Thieren die mannigfaltigsten Speisen, und er kann
sowohl bey einer schwelgerischen, aus beyden Na-
turreichen zusammengeraften Tafel, als bey der ein-
fächsten Mahlzeit gesund und ungeschwächt leben.

So leben unzählige Menschen von bloßen Pflan-
zenspeisen, z.B. Erdäpfeln, Kastanien, Datteln
u.s.w., welches die Nahrung der ersten Stamm-
völker war, die blos von Früchten, Wurzeln, Ge-
traidarten, und Hülsenfrüchten sich ernährten a).

Die herumziehenden Horden der Nomaden le-
ben blos vom Senegalischen Gummi b).

[Seite 211] Die Kamtschadalen und andere Küstenbewoh-
ner von Fischen.

In Europa leben die Morlachen fast ganz vom
Fleische. c)

Sogar einige wilde Völkerschaften ernähren
sich mit rohem Fleische, z.B. die Samojeden, d),
Esquimaus, e) und einige südamerikanische Natio-
nen. f)

Eben so mannigfaltig sind die verschiedenen
Getränke der Nationen.

Verschiedene Insulaner, z.B. angrenzende
Völkerschaften des Südmeeres haben kein süßes
Wasser, und bedienen sich der Kokusmilch zum
Getränke.

Andere Völker trinken Meerwasser, u.s.w.
woraus offenbar erhellet, daß der Mensch zum Ge-
nuße mannigfaltiger Nahrungsmittel bestimmet ist.

a) Adanson Mem. de l'acad. des sciences de Paris.
1778.

b) Ant. Pujati riflessioni sul vitte pitagorico. Feltr.
1751. 4.

c) Klingsstädt Mem. sur les Samojedes & les Lap-
pons
. 1762. 8.

d) Petr. Kalm de Esquimaux, gente Americana.
Aboe
1756. 4.

e) Curtis in Philosoph. Transact. Vol. LXIV. P. II.
p. 381.

f) Io. Winter apud Hakluyt principal navigations
of the English nation. Vol
. III. p. 751.

Sieben und zwanzigster Abschnitt.
Von dem Kauen, und vom Schlucken.

[Seite 212]

§. 343.

Die Hauptwerkzeuge des Kauens, wodurch die
zähern Speisen in kleinere Stückchen getheilt wer-
den, sind die beyden Kinnladen, welche mit einer
dreyfachen Ordnung von Zähnen besetzt sind.

Die Schneidezähne sind bey den meisten a)
Menschen meiselförmig, und zum Zerschneiden der
Speisen in kleinere Stücke bestimmt.

Die zweyte Art sind die Eckzähne; sie haben
stumpfzugespitzte, aber überaus robuste Kronen,
womit wir härtere Körper zerbeißen.

Die dritte ist die Ordnung der Backzähne, die
von verschiedener Größe sind, und zum Zermalmen
der Speisen dienen.

a) Bey den meisten: man sieht täglich Menschen
mit überaus stumpfen Schneidezähnen. So ha-
be ich auch an mehreren Mumienschädeln die Vor-
derzähne von der Gestalt wie kurze abgestumpf-
te Kegel mit flachen Kronen, beynahe den Back-
zähnen ähnlich, gefunden. Da überhaupt diese
Mumienschädel mit den uralten ägyptischen Na-
tionalphysionomien, welche man an ägyptischen
[Seite 213] Götzenbildern wahrnimmt, genau übereinstimmen,
so könnte vielleicht diese Bemerkung dazu dienen,
die Mumien aus den ältesten Zeiten von den nach-
wärtigen neuern zu unterscheiden; worüber ich
weitläuftiger in dem Göttingischen Magazine
gehandelt habe. 1782. Th. 1.

§. 344.

Der Unterkiefer ist mit dem Kopfe auf eine
besondere Weise eingelenkt, welche zwischen der
Arthrodie und dem Ginglymus das Mittel hält.
Im Gelenke selbst liegt eine ausgehöhlte beweg-
liche Knorpelscheibe, wodurch der Unterkiefer eine
leichtere und ausgedehntere Bewegung erhält.

Der Unterkiefer wird, wenn wir den Mund
öffnen, von dem zweybäuchigen Muskel herunter-
gezogen; doch tragen auch die geniohyoidei und
mylohyoidei etwas dazu bey.

Der Unterkiefer wird aber, wenn wir harte
Körper zerbeißen, vorzüglich durch die Kau- und
Schlafmuskeln mit großer Kraft in die Höhe gehoben.

Die Seitenbewegungen verrichtet der äußere
und innere Flügelmuskel; die letztern können auch
den Unterkiefer vorwärts ziehen.

§. 345.

Die in den Mund eingenommenen Speisen
werden von dem Backenmuskel, und von der nach
allen Punkten beweglichen Zunge gesammelt, her-
umgewälzt, und unter einander gemischt.

§. 346.

Während dieser Verrichtung des Kauens
wird der Speichel gleichsam ausgemelkt: nämlich
[Seite 214] eine wäßerigte, seifenartige Feuchtigkeit, die nur
etwas weniges Erde enthält (woraus der soge-
nannte Weinstein der Zähne, und die Steine der
untern Zungendrüsen entstehen), ihres wenigen
Harnsalzes ohnerachtet, durch Gewohnheit unschmack-
haft wird, fäulnißwidrige a) und zertheilende Kräf-
te besitzt, und die Pflanzenspeisen, vorzüglich die
mehligten gähren macht. b)

a) Pringle on the diseases of the army. Append.
p.
48. London. 1765. 4.

b) Macbride's experimental essays. p. 16.

Daher die Kunst einiger wilden Nationen aus den
gekauten Wurzeln berauschende Getränke zu be-
reiten.

Z.B. Die Brasilianer aus den Wurzeln der Ja-
trophae manibol
. Hans Staden wahrhaftig historia
und Beschr. einer Landschaft der wilden, nacke-
ten, grimmigen Menschfresser Leuthen. Mar-
burg. 1557. 4. L. II. c. 15.

Die Neuseeländer aus den Wurzeln des piperis
methystici
. Forster voyages round the world. Vol.
I. p. 406. seq.

Und Rook's letzte, unglückliche Reise. B. 1.

§. 347.

Der Speichel wird aus dreyerley Arten zu-
sammengesetzter Drüsen, welche an den Seiten
und innerhalb der Kinnlade ihren Sitz haben, ab-
gesondert.

Unter diesen sind die Ohrendrüsen, (die in
hitzigen Krankheiten den Ablagerungen des Krank-
heitsstoffes am meisten unterworfen) die größten.
[Seite 215] Sie sondern ihren Speichel durch die an den mitt-
lern obern Backzähnen sich eröffnenden Stenoni-
schen Speichelgänge a) aus.

Nahe an diesen liegen die Unterkieferdrü-
sen, die ihren Speichel durch die Warthonischen
Gänge b) abscheiden.

Die unter der Zunge liegenden sind die al-
lerkleinsten, und sind mit sehr vielen, von Rivinus
c) entdeckten Aussonderungsgängen versehen.

a) Stenonis observationes anatomicae. p. 20.

b) Warthonis adenographia. p. 120.

c) Rivinus de dyspepsia. Lips. 1678. 4.

Aug. Fr. Walther de lingua humana ib. 1724. 4.

§. 348.

Die Aussonderung des Speichels wird sowohl
durch Reiz, mechanischen Druck und gleichsam durch
Auspressung befördert. Nach Nuck's a) etwas will-
kührlicher Angabe nimmt man gemeiniglich an, daß
innerhalb zwölf Stunden gegen ein Pfund abgeson-
dert werde.

Durch den Druck nämlich (den vorzüglich die
Lage der Ohrendrüsen an dem Kinnladengelenke be-
günstiget) zerkäuen wir die härtern Speisen, welche
durch den herbeyfließenden Speichel vortrefflich er-
weicht werden.

Der Reiz liegt entweder in der Schärfe der
Speisen, welche sodann durch diesen Zufluß des
Speichels gemildert wird, oder wird durch die
Einbildungskraft erregt, wie wir an denjenigen se-
hen, denen vor Begierde zu essen der Speichel häu-
figer zufließt.

a) Nuckii Sialographia p. 29.

§. 349.

[Seite 216]

Mit der Speichelfeuchtigkeit vermischt sich
überdieß sowohl der Schleim, welcher aus den Lip-
pen- und Zungendrüsen a) abgesondert wird, und
die Zunge überzieht, als auch der wässerigte Duft,
der aus den weichen Theilen der Mundhöhle durch-
schwitzt.

a) De Courcelles icon. musculor. capit. Tab. IV.
e. e. e.

§. 350.

Durch diesen beständigen Zufluß des Speichels
wird die genossene Speise während dem Kauen an-
gefeuchtet, und nicht allein in eine breyartige zum
Schlingen geschicktere Masse, sondern auch zugleich
zur weitern Verdauung und Verähnlichung mit den
übrigen Säften des Körpers allmälig vorbereitet.

§. 351.

Der Mechanismus des Schlingens selbst, ob
er gleich äußerst zusammengesetzt zu seyn scheint,
und auch wirklich durch vereinigte Kräfte sehr vie-
ler verschiedener Werkzeuge vollendet wird, geschieht,
im allgemeinen betrachtet, auf folgende Weise:
Die nach ihrer eigenen Wurzel zurückgezogene, und
dadurch anschwellende und gleichsam steifwerdende
Zunge nimmt den Bissen in die schwache Vertie-
fung ihres Rückens auf, und bringt ihn von da in
die Gaumöffnung, und den erweiterten Schlund-
kopf, (Pharynx) der endlich die Speisen durch ei-
ne Art von eigenthümlicher Belebung ergreift, und
durch Mitwirkung seiner zusammenziehenden Mus-
kelfasern a) in die Speiseröhre hinunterdrängt.

[Seite 217]

a) Eustachii Tab. XLII. fig. 4. 6.

Santorini Tab. posthum. VI. fig. 1.

B. S. Albini Tab. musculor. XII. fig. 23. 24.

§. 352.

Um diese Wege offen zu erhalten, und gegen
alle Gefahren zu sichern, hat die Natur verschiede-
ne Hilfsmittel angebracht.

Die Bewegungen der Zunge werden von dem
Zungenbeine geleitet.

Das Zurücktreten der Speisen, sowohl in die
Nase, als in die Eustachische Röhre wird durch
die weiche Gaumendecke verhindert, welche so, wie
ihre hervorragende Erhabenheit, das Zäpfchen,
durch besonders dazu bestimmte Muskeln ange-
spannt wird, und diese Oeffnungen schließt. a)

Die Stimmritze wird von der Zunge selbst
beschützt, indem der Kehlkopf während dem Schlu-
cken vorwärts in die Höhe steigt, an die Zungen-
wurzel sich andrückt, wodurch die Stimmritze zu-
sammengezogen, von dem niedergedrückten Kehl-
deckel so genau verschlossen wird, daß nicht das
mindeste von Speise und Trank hineinfallen kann.

a) Santorini Tab. posthum. IV. – VI. fig. 2. &
VII. B. S. Albini Tab. musculor. XII. f. 11.
27. 28.

§. 353.

Das Schlucken wird überdieß sehr befördert
durch die Menge des Schleimes, welcher diese
Wege schlüpfrig macht, und sowohl aus den vor-
her angezeigten Zungenspeicheldrüsen, als auch
aus den zahlreichen Schleimdrüsen der Mandeln,
[Seite 218] a) und aus den Schleimsäcken des Schlundkopfes
selbst abgesondert werden.

a) B. S. Albini Annot. acad. L. III. Tab. III. f. 1.

§. 354.

Der Schlund (Oesophagus), durch den die
Speisen in den Magen gelangen, ist eine fleischig-
te, an sich zwar enge, aber doch starke, nach-
giebige, ausdehnbare, und sehr empfindliche Röh-
re, deren Membranen, ihre größere Dicke ausge-
nommen, von den Membranen des übrigen Darm-
kanals nicht sehr unterschieden sind. a)

Die äußere Membran besteht sowohl aus läng-
lichten, als zirkelrunden Muskelfasern.

Die nervigte Haut verliert sich an beyden En-
den in ein Zellgewebe, wodurch sie sowohl an die
vorerwähnte, als auch an die unter ihr liegende
befestigt wird.

Die innerste Membran ist mit einem feinen
Schleim befeuchtet.

a) Matth. van Genns in Verhandelingen van de
Maatschappye te Harlem. T
. XI. p. 9.

§. 355.

Diese Röhre übernimmt also die empfangenen
Speisen und Getränke, und treibt sie, indem sie
sich sogleich zusammenzieht, und die festern Bissen
gleichsam einklemmt, weiter hinunter, bis sie endlich
unter dem Zwerchfelle in den Magen gelangen.

Acht und zwanzigster Abschnitt.
Von der Verdauung.

[Seite 219]

§. 356.

Das Werkzeug der Verdauung ist der Magen,
der unter die vornehmsten Eingeweide des Körpers
gehört, da fast keine Gattung von Thieren ohne
Magen angetroffen wird.

§. 357.

Der Magen des Menschen a) stellt einen wei-
ten Schlauch vor, der bey Erwachsenen ohngefähr
drey Pfund Wasser fassen kann, und zwo Oeffnun-
gen hat.

Die obere Oeffnung heißt der obere Magen-
mund, (cardia) wo nämlich die gefaltete, und
etwas schieflaufende Speiseröhre sich erweitert, und
in den Magen, dessen Grund (fundus) mehr links
liegt, sich einsenkt.

Die untere Oeffnung, in die sich der schmälere
Theil des Magens endigt, heißt der Pförtner
(pylorus) und verliert sich allmälig in den Zwölf-
fingerdarm.

a) Eustachii Tab. X. fig. 1. 2. 3.

Ruysch thes. anat. II. Tab. V. fig. 1.

Santorini Tab. posth. XI.

§. 358.

[Seite 220]

Die Lage des Magens ändert sich, nachdem
er von Speisen leer, oder angefüllt ist; denn der
leere Magen hängt ganz schlapp in einer solchen
Richtung, daß der große Magenbogen (curvatura
major
) unterwärts zu liegen kömmt, der Pförtner
aber in die Höhe steigt, und mit dem Zwölffin-
gerdarm einen faltigten Winkel macht. a)

Wenn aber der Magen voll ist, wälzt sich
dieser convexe Rand vorwärts, b) so, daß der
Pförtner in einer geraden Richtung in den Zwölf-
fingerdarm übergeht, der obere Magenmund hin-
gegen gleichsam durch einen faltigten Winkel ver-
schlossen wird.

a) Vesalius de c. h. fabrica. L. V. fig. 14. 15.

b) – – l. c. fig. 2.

§. 359.

Der Magen besteht aus mehreren übereinander
liegenden Häuten, die wiederum durch drey Lagen
von Zellgewebe unter einander verbunden sind.

Die äußere, und uneigenthümliche, wel-
che der Magen vom Bauchfelle erhält, und wie wir
in der Folge sehen werden, sich in das Netz ver-
längert.

Diese Haut ist durch ein festes Zellgewebe
mit der zweyten, nämlich der Muskelhaut ver-
bunden, von welcher sowohl die große Reizbar-
keit des Magens, (§. 305.) als auch seine pe-
ristaltische Bewegung abhängt. Diese Membran
besteht aus verschiedenen Lagen von Muskelfasern,
a) deren man gemeiniglich drey zu unterscheiden
[Seite 221] pflegt, nämlich stralenförmige, gerade, und quer-
laufende Ringfasern; allein die Richtung und Ver-
breitung dieser Fasern ist so mannigfaltig, und
unbeständig, daß sich keine bestimmte Eintheilung
festsetzen läßt.

Die dritte Haut hat den Namen der Ner-
venhaut erhalten; wiewohl sehr unschicklich, in-
dem sie aus einer dichten Zellhaut besteht; da wo
sie mit der Muskelhaut und mit der zottigten sich
verbindet, ist das Zellgewebe etwas lockerer. Sie
ist unter allen Membranen die stärkste, und macht
gleichsam die Grundlage des Magens aus.

Die vierte oder innerste Haut des Magens
ist die flockigte, oder zottigte; sie ist die feinste,
gleichsam schwammigte, und in unzählige Falten
zusammengerunzelte b) Membran, so daß sie eine
größere Fläche hat, als die übrigen Häute; sie
bildet eine Menge kleine Zellen, c) die man mit
den größern Zellen des netzartigen Gewebes in
wiederkäuenden Thieren d) einigermassen verglei-
chen kann.

Die ganze innere Oberfläche ist von einem
Schleim überzogen, der, wie es scheint, aus
Schleimhöhlchen, die besonders gegen den Pförtner
häufig sitzen, abgesondert wird.

a) Bertin. Mem. de l'acad. des Sc. de Paris 1761.

b) Ruysch thesaur. anat. II. Tab. V. fig. 2.

c) – – I. c. fig. 3. 4.

d) Perrault Essais de physique. Vol. III. Tab. XIV.
fig. 1.

Buffon hist. naturelle. Vol. IV. Tab. XVIII. fig. 2. 3.

§. 360.

[Seite 222]

Der Magen besitzt eine große Menge Ner-
ven, a) von denen sowohl seine große Empfind-
lichkeit herrührt (indem er von allen, so ganz ver-
schiedenen Reizmitteln, sowohl äußerlichen, z.B.
von der Kälte, als auch von innerlichen, entweder
von genossenen Speisen, oder von einheimischen
Säften gereizt wird); hieraus läßt sich auch die
Mitemfindung, wodurch der Magen fast mit allen
übrigen Verrichtungen des Körpers in Verbindung
steht, erklären; diese Mitempfindung erhellt beson-
ders aus der Einwirkung aller Gemüthsbewegungen
auf die Dauungskraft des Magens, so wie hinge-
gen die gesunde Beschaffenheit dieses Eingeweides
auf die Heiterkeit des Gemüths einen mächtigen
Einfluß hat. b)

a) Walther Tab. nervor. thorac. & abdom. T. IV.

b) Jo. H. Rahn mirum inter caput & viscera ab-
dominis commercium. Götting
. 1771. 4.

Did. Vegens de Sympathia inter ventriculum & ca-
put. L. B
. 1784.

§. 361.

Der Magen hat überdieß eine große Menge
Blutgefäße. Diese Gefäße vertheilen sich so zwi-
schen den zelligten Häuten des Magens, daß sie ein
wahres Netz vorstellen, in welchem alle kleine Ar-
terienreiserchen durch unzählige Anmündungen ver-
einigt werden; aus diesen Gefäßen entspringt der
Magensaft, der aus der innern Oberfläche des
Magens beständig hervorquillt.

§. 362.

[Seite 223]

Im ganzen genommen ist der Magensaft dem
Speichel ziemlich ähnlich; nur besitzt er, wie
Spallanzani a) durch Versuche erwiesen hat,
keine gährungerregende Kräfte; übrigens ist er,
wie der Speichel, seifenartig, fäulnißwidrig, und
das kräftigste Auflösungsmittel, indem er sogar
die Milch, die in dem Magen allmälig zerrinnt,
eben so allmälig wieder auflöset. b)

a) Dissertazioni di fisica animale e vegetabile. Mu-
tin
. 1780. 8. Vol. I.

Die Vorrede des Herrn v. Sennebier in der zu
Genev. 1783. in 8vo herausgekommenen franzö-
sischen Uebersetzung d. W. enthält die von Herrn
Gosse angestellten Versuche, welcher in der atmo-
sphärischen Luft eine brechenerregende Kraft, die
er zu weiterer Untersuchung des Magensaftes
glückangewandt, entdeckt hat.

b) Veratti in Comment. institut. Bononiens. Tom.
VI.

§. 363.

Dieser Magensaft scheint zur Verdauung das
Meiste beyzutragen, indem er die gekauten und mit
den Speichelsäften innigst vermischten Speisen wei-
ters auflöset, und in eine breyartige Masse ver-
wandelt. a)

a) Hunter fand sogar in Leichenöffnungen, daß der
erschlappte, und seiner Lebenskraft beraubte Ma-
gen von dem Magensafte angegriffen war.

§. 364.

[Seite 224]

Dieses so wichtige Geschäft wird aber auch
noch durch andere Nebenkräfte befördert, worun-
ter vorzüglich die wurmförmige Bewegung sich
auszeichnet, die durch ein beständiges wellenförmi-
ges Wälzen den Speisebrey desto nachdrücklicher
verarbeitet a); diese wurmförmige Bewegung hat
ihren großen Nutzen, ob sie gleich nicht so wichtig
ist, wie sie von einigen Jathromathematikern ge-
schätzt worden, aber auch nicht die Hauptursache
der Verdauung ist, wie andere Physiologen mit
Unrecht geglaubt haben.

a) Wepferi cicutae aquaticae historia & noxae.

§. 365.

Unter diese Hilfsmittel der Verdauung gehört
auch die beständige Bewegung des Zwerchfells und
der Bauchmuskeln; ferner die ausserordentliche hei-
ße Lage des Magens, der von der großen Menge
Blutes der benachbarten Blutgefäße und Eingewei-
de gleichsam gebähet wird. – Eine Wirkung, die
ehmals für so wichtig gehalten wurde, daß man
das Verdauungsgeschäft Digestion nannte.

§. 366.

Wie viel Zeit die genossenen Nahrungsmittel
erfordern, bis sie durch die vorerwähnten (§. 361.
u. f.) Kräfte in Nahrungssaft verwandelt wer-
den, läßt sich unmöglich bestimmen, indem die
Verdauung von so verschiedenen Umständen, näm-
lich von der Menge und Verdaulichkeit der Spei-
sen, von der verschiedenen Beschaffenheit der
Dauungssäfte, von dem vorhergegangenen sorg-
[Seite 225] fältigen, oder vernachläßigten Kauen, u.s.w. mehr
oder weniger abhängt.

In einem gesunden und starken Magen ver-
bleiben die Speisen so lange, bis sie zu einem voll-
ständigen Brey verarbeitet sind. Hieraus folgt,
daß der Zeitraum der Verdauung nach Verschieden-
heit der Nahrungsmittel länger oder kürzer seyn
müsse a). Ueberhaupt kann man annehmen, daß
binnen drey bis sechs Stunden nach dem Genusse
der Speisen der in dem vollen Magen befindliche
Speisenbrey durch den Pförtner nach und nach aus-
geführt werde.

a) Jo. Walaeus de motu chyli p. 534. Ed. L. B.
1751. 8.

§. 367.

Der Pförtner a) hat eine runde Gestalt;
seine Falten werden nicht, wie die andern Falten
des Magens, blos von der innern Sammethaut
gebildet, sondern er bekömmt auch von der darunter-
liegenden nervigten, und sogar von der Muskelhaut
einige Fasern, alle diese Falten zusammengenom-
men bilden einen kegelförmigen Ausgang, so daß
der Pförtner in den Zwölffingerdarm, wie der
Muttermund in die Scheide, eingefügt ist.

a) Leveling diss. sistens pylorum. Argentor. 1764.
4. recus. in Sandifort Thes. Vol. III.


Neun und zwanzigster Abschnitt.
Von dem Pankreatischen Safte.

[Seite 226]

§. 368.

Nachdem der Speisenbrey aus dem Pförtner in
den Zwölffingerdarm, a) einen kurzen aber merk-
würdigen Darm – übergetreten ist, muß er erst
noch mannigfaltige Veränderungen ausstehen, be-
vor er die gehörigen Eigenschaften eines guten Nah-
rungssaftes erlangt. Zu dem Ende vermischen sich
verschiedene Feuchtigkeiten mit dieser Masse, wor-
unter die Galle und der Pankreatische Saft die
vornehmsten sind.

a) Laur. Claussen de intestini duodeni situ & nexu
Lips
. 1757. 4. recus. in Sandifort Thes. Vol. III.

Sandifort Tabulae intestini duodeni. L. B. 1780.

§. 369.

Von jedem dieser Säfte also besonders; und
zwar zuerst von dem Pankreatischen Safte, der mit
den zwo vorerwähnten auflösenden Flüssigkeiten,
nämlich mit dem Speichel und Magensaft in Rück-
ficht seiner Bestandtheile und seiner Verrichtung
eine große Aehnlichkeit hat.

§. 370.

[Seite 227]

Ob es gleich sehr schwer hält, den Pankrea-
tischen Saft aus einem gesunden Thiere rein und
unvermischt zu erhalten, so kommen doch alle an-
gestellte Versuche darin überein, daß er, im Gan-
zen genommen, dem Speichel am ähnlichsten sey.
Ich führe hier die physiologischen Irrthümer eines
Franz Sylvius a), und seiner Anhänger Regn.
de Gräf b), Flor. Schuyl c), und anderer,
die diesem Safte eine vorzügliche Schärfe zuschrei-
ben, aber von Pechlin d), Swammerdam e),
und Brunner f), gründlich widerlegt wurden,
nur zum Beweis an, wie mörderisch die Arzney-
kunst werden kann, wenn sie von physiologischen
Hirngespinnsten geleitet wird.

a) De chyli a faecibus alvinis secretione. L. B.
1659. 4.

b) De succi pancreatici natura & usu. ib. 1664. 12.

c) Pro veteri medicina. ib. 1760. 12.

d) De purgantium medicaminum facultatibus. ibid.
1672. 8.

e) Observationum anatomicarum collegii privati Am-
stelodamens. P
. II. Amst. 1673. 12.

f) Experimenta nova circa pancreas. Amst. 1683. 8.

§. 371.

Dieser speichelförmige Saft wird in der Ma-
gendrüse a) abgesondert; sie ist unter allen zusam-
mengesetzten Drüsen die größte, und ihre Struktur
hat mit den Speicheldrüsen die vollkommenste Aehn-
lichkeit; auch darinn, daß ihre Ausführungsgefäße,
die allenthalben mit unzähligen Würzelchen entsprin-
[Seite 228] gen, in einen gemeinschaftlichen Ausführungsgang
sich endigen, den Wirsüng zuerst entdeckt, und bekannt
gemacht hat b).
Dieser Ausführungsgang durchbohret die Häu-
te des Zwölffingerdarms, und ergießt den Saft,
den er aus der Magendrüse an sich gezogen hat,
beständig in die Höhle dieses Darms.

a) Santorini Tab. posthum. XIII. fig. 1.

b) Figura ductus cujusdam cum multiplicibus suis
ramulis noviter in pancreate a
Jo. Georg. Wirsüng
Phil. & Med. Doct. in diversis corporibus huma-
nis observati. Paduae
1642.

§. 372.

Die Entleerung dieses Saftes scheint so, wie
die Ergießung des Speichels, durch Druck und
Reiz befördert zu werden.

Ausgepreßt wird der Saft von dem Magen,
der, wenn er von Speisen voll ist, auf das Pan-
kreas drückt.

Die Reize, welche die Ausleerung des Pan-
kreatischen Saftes befördern, sind sowohl der fri-
sche durch den Pförtner angelangte Speisenbrey,
als auch die Galle selbst, welche mit dem Pankrea-
tischen Safte durch einen gemeinschaftlichen Gang
ausfließt.

§. 373.

Der Nutzen des Magendrüsensaftes besteht da-
rinn, daß er den Speisenbrey, besonders alsdann,
wenn der Magen nicht gut verdauet hat, genauer
auseinandersetzt; überhaupt durch seinen häufigen
Zufluß denselben den Säften des menschlichen Kör-
pers mehr verähnlichet, und zur bequemern Auszie-
hung des Nahrungssaftes vorbereitet.

Dreyßigster Abschnitt.
Von der Galle.

[Seite 229]

§. 374.

Die Galle wird in der Leber a) abgesondert.
Dieses Eingeweide ist das schwerste und größte im
menschlichen Körper (besonders im ungebohrnen Kin-
de, je näher es noch seinem Ursprunge ist.) Die
Wichtigkeit dieses Eingeweides, und ihr Einfluß
auf alle körperliche Verrichtungen erhellt schon dar-
aus, daß die Leber, so wie das Herz, bey allen
warmblütigen Thieren niemals fehlt.

a) Eustachii Tab. XI. fig. 3. 4.

Ruysch Thesaur. anatom. IX. Tab. IV.

Santorini Tabulae posthumae. XI.

§. 375.

Die Leber besteht aus einer eigenen Sub-
stanz, und zeichnet sich schon beym ersten Anblicke
von den übrigen Eingeweiden durch ihre besondere
Farbe und feinere Struktur aus. Sie hat zahl-
reiche Nerven, a) lymphatische Gefäße, (die be-
sonders an beyden Flächen der Leber zum Vorschein
kommen, b) ausführende Gallengänge, und endlich
zahlreiche, und darunter ziemlich große Blutgefäße,
[Seite 230] c) die aber in verschiedene Arten eingetheilt werden,
und eine besondere Betrachtung verdienen.

a) Walter Tab. nervor. thor. & abdom. T. IV.

b) Maur. v. Reverhorst de motu bilis circulari,
ejusque morbis. Tab. I. fig. 1. 2.

Ruysch ep. problem. V. Tab. VI.

Werner & Feller descriptio vasculorum lacteor. atque
lymphaticorum. Fasc.
I. Tab. III. & IV. Ob-
gleich Herr Walter einige Erinnerungen dagegen
macht. Annot. academicae. p. 101. seq.

c) v. Haller Icones anatomicae. fasc. II. Tab. II.

§. 376.

Zuerst also von der Pfortader, deren Ver-
lauf, und von dem ganzen Venensysteme abwei-
chende Gestalt oben (§. 86.) angezeigt worden.
Nämlich die meisten Venen, welche das Blut aus
den Baucheingeweiden zurückführen, vereinigen sich
in einen Hauptstamm, der in einer zelligten Schei-
de, die Glissonsche a) Kapsel genannt, befestigt
ist, und nachdem er in die Leber eintritt, in neue
Zweige sich verbreitet, die, je tiefer sie in die Leber
eindringen, in unzählige, äußerst zarte Reiserchen
durch die ganze Substanz dieses Eingeweides ver-
theilt werden. Daher das Pfortadersystem schon
von Galen b) mit einem Baume verglichen wor-
den, der im Unterleibe Wurzeln faßt, seine Aeste
aber in der Leber ausbreitet.

a) Glissonii anatomia hepatis. p. 305. ed.1659.

b) Galen de venarum arteriarumque dissectione. p.
109. Ed. oper. Basil. 1562. Cl. I.

§. 377.

[Seite 231]

Eine andere Gattung von Blutgefäßen ist die
Leberarterie, ein Zweig der Baucharterie. (coelia-
ca
) Ob sie gleich an Größe und Menge ihrer Ab-
teilungen der Pfortader nachstehen muß, so ver-
breitet sie sich doch gleichfalls mit unzähligen Zwei-
gen in die ganze Substanz der Leber.

§. 378.

Die äußersten Endungen sowohl der Pfortader
als der Leberarterie verlieren sich in ächte Venen,
die sich allmälig vereinigen, in größere Stämme
zusammenfließen, und endlich in die untere Hohl-
ader sich einsenken.

§. 379.

Diese äußersten Endungen sowohl der Pfort-
ader, als der Leberarterie, welche in die Hohlader
übergehen, bilden ungemein feine, in kleine Bün-
del zusammengewickelte Gefäße, a) wodurch Mal-
pighi verleitet wurde, sie für drüsigte, sechseckigte,
hohle, absondernde Körner zu halten. b)

a) Nestor. Maximeow. Ambodick. de hepate. Ar-
gent
. 1775. 4.

b) De viscerum structura. p. 11. Ed. Lond. 1669.

§. 380.

Aus diesen Bündeln der Blutgefäße entsprin-
gen die Gallengefäße, (pori biliarii) die unge-
mein zart sind, die Galle aus der Leber an sich
ziehen, und indem sie in dem gemeinschaftlichen
Lebergange zusammenstossen, dieselbe aus der Leber
ausführen.

§. 381.

[Seite 232]

Man hat die Frage aufgeworfen, ob die Galle
aus der Leberarterie, oder aus dem Blute, welches
durch die Pfortader zurückfließt, abgeschieden wird.

Obgleich die erstere Meinung durch die Ana-
logie der übrigen Absonderungen, welche sämmt-
lich aus dem arteriösen Blute entspringen, einige
Wahrscheinlichkeit erhält; so zeigt sich doch bey
einer genauen Untersuchung, daß das Absonde-
rungsgeschäft der Galle, wo nicht ganz, wenig-
stens größtentheils der Pfortader zugeschrieben wer-
den muß. Denn das dicke, mit Brennbarem ge-
sättigte Blut der Pfortader hat die größte Aehnlich-
keit mit den Bestandtheilen der Galle, welche von
dem hochrothen, mit Feuertheilchen gesättigten
Blute, das durch die Bauchschlagader in die Leber
vertheilt wird, ganz verschieden ist.

Der aus der Analogie hergenommene Beweis
ist nicht hinlänglich; denn auch die Pfortader kann
sowohl in Rücksicht der Vertheilung ihrer Aeste,
als ihres Absonderungsgeschäftes mit einer Schlag-
ader verglichen werden: Ueberdieß wird unsere
Meinung von der Analogie, welche zwischen der
Leber und den Lungen Statt findet, nicht wenig
unterstützt; denn auch die großen Blutgefäße der
Lungen sind zur Hauptverrichtung des Athemholens
bestimmt, da hingegen die Lungenschlagader die Er-
nährung dieses Eingeweides zu besorgen hat: und
hiezu scheint auch die Leberarterie zu dienen; doch
mag vielleicht auch die Leberschlagader an der Ab-
sonderung der Galle einigen, obgleich geringern,
und noch nicht hinlänglich bekannten, Antheil haben.

§. 382.

[Seite 233]

Die abgesonderte Lebergalle fließt langsam,
aber beständig durch den Lebergallengang aus; sie
ergießt sich durch den gemeinschaftlichen Gallengang
sogleich in den Zwölffingerdarm, wenn derselbe leer
ist; sobald aber dieser Darm vom Speisenbrey an-
schwillt, muß die Galle einen andern Weg nehmen,
und fließt alsdann aus dem Lebergallengange durch
den Blasengallengang in die Gallenblase, wo
sie einige Zeit aufbehalten wird, und den Namen
der Blasengalle erhält. a)

a) Bey Ochsen und andern vierfüßigen Thieren fin-
det man besondere Leber-Blasengänge (ductus
hepato-cystici
), wodurch die Galle aus der Leber
unmittelbar in die Gallenblase hingeführt wird.
v. observationes anatom. colleg. privat. Amstelod.
P. I. Amstelod
. 1667. 12. p. 16. f. 7.

Perrault Essais de physique. T. I. p. 339. Tab. IV.

Aber sehr unrichtig werden diese Gänge auch in dem
menschlichen Körper angenommen, z.B. da Haen
rat. medendi contin. P. II. p. 46.

Pitschel anatomisch- und chirurgische Anmerkungen.
Dresben 1734. 8. Tab. I.

§. 383.

Die Gallenblase ist ein länglichtes, häuti-
ges Behältniß, das eine birnähnliche Figur hat,
an der hohlen Fläche der Leber befestigt ist, und
aus drey Häuten besteht.

Die äußere Haut, welche die Gallenblase nicht
ganz bedeckt, ist eine Fortsetzung des Bauchfells.

[Seite 234] Die nervigte Haut, von der die Gallenblase
so, wie der Magen, der Darmkanal, und die
Harnblase, ihre vorzügliche Festigkeit hat.

Endlich die innere Haut a) die man mit der
flockigten Haut des Magens (§. 359.) vergleichen
kann; indem sie eben so von unzähligen Blutge-
fäßen durchschlängelt wird, gefaltet ist, b) und
sehr zierliche faserigte Netze bildet.

a) Ruysch epist. problem. quinta. T. V. f. 3.

b) Casp. Fr. Wolff de usu plicarum, quae in vesi-
culis felleis nonnullorum corporum inveniuntur.
in Act. acad. scient. Petropol. a
. 1779. P. II.

§. 384.

Der Hals der Gallenblase ist konisch, und
endiget sich in den Gallenblasengang, der schlan-
genförmig gewunden, und innerlich mit faltigten
Klappen versehen ist. a)

a) Casp. Fr. Wolff de vesiculae felleae humanae, duc-
tusque humani cystici
, & choledochi superficie-
bus internis. l. c. P
. I. Tab. VI.

Fr. Ang. Walter I. c. Tab. I.

§. 385.

In diesem Behältnisse verbleibt die Galle, bis
sie entweder in der horizontalen Lage des Körpers
durch ihre eigene Schwere sich ergießt, oder durch
den Druck des anliegenden Leer- und Krummdarms,
oder des queerliegenden Grimmdarms, während des
Durchgangs des Kochs, ausgepreßt wird. a)

[Seite 235] Auch der Reiz, den der Speisenbrey im
Zwölffingerdarm verursacht, trägt zur Entleerung
der Galle etwas bey.

Ueberdieß besitzt die Gallenblase einen be-
trächtlichen Grad der Zusammenziehbarkeit, wie
wir uns sowohl durch Versuche an lebendigen Thie-
ren, als auch durch einige pathologische Erscheinun-
nungen überzeugen können, (denn die Gallenblase ist
ohne alle Reizbarkeit, §. 306.), wodurch der Aus-
fluß der Galle wahrscheinlich befördert wird, be-
sonders alsdann, wenn die Blase von der enthal-
tenen Galle gereizt wird.

a) Caldani institut. physiolog. pag. 364. seq. Pa-
tav
. 1778.

§. 386.

Obgleich die Blasengalle von der Lebergalle
nicht wesentlich unterschieden ist, (§. 382.) so hat
sie doch das Besondere, daß sie durch ihren längern
Aufenthalt mehr eingedickt, zäher, und bitterer
wird, wozu die Lymphgefäße der Gallenblase, wel-
che die wässerigten Bestandtheile der Galle allmälig
einsaugen a), nicht wenig beytragen.

a) v. Reverhorst I. c. Tab. II. fig. 4.

Ruysch I. c. Tab. V. f. 4.

Werner & Feller I. c. Tab. II. fig. 5.

§. 387.

Wir betrachten nun die Galle selbst, eine
der wichtigsten Flüßigkeiten, worüber seit zwan-
zig Jahren mehr, als über irgend eine andere
[Seite 236] Flüßigkeit des menschlichen Körpers, gestritten
worden.

Unsere Untersuchungen beziehen sich zunächst
auf die Blasengalle, indem sie nicht nur vollkom-
mener als die Lebergalle ist, sondern auch leichter
in hinreichender Menge erhalten werden kann.

§. 388.

Die Galle, aus der frischen Leiche eines ge-
sunden Menschen genommen, ist ein etwas zäher,
dunkelgelber Saft, a), ohne Geruch, und nicht so
bitter, wie die Galle anderer vierfüßigen Thiere.

a) Die Verschiedenheiten der Farbe findet man bey
Bordenave analyse de la bile in Mém. présent.
&c. T
. VII. pag. 611-617.

§. 389.

Die Galle zerfällt zwar nicht von freien Stü-
cken, oder durch so leichte chemische Handgriffe in
ihre Bestandtheile, wie das Blut; doch ist ihre
Zerlegung eben keinen besondern Schwierigkeiten
ausgesetzt. Ueberhaupt scheint die Galle mit dem
Blute einige Aehnlichkeit zu haben.

Denn auch die Galle hat einen wässerigten
Bestandtheil, den einige neuere Physiologen den
speichelartigen Bestandtheil nennen; der zwar mit
den wässerigten Theilen des Blutes, aber nicht
ganz mit dem eigentlichen Blutwasser (serum) ver-
glichen werden kann.

Auch wird eine weißlichte geronnene Materie
aus der Galle abgeschieden, welche mit der gerinn-
baren Lymphe des Blutes eine entfernte Aehnlichkeit
hat.

[Seite 237] Der vorzüglichste Bestandtheil der Galle ist
das Brennbare a), das in dem aus der Pfort-
ader zurückfließenden Blute in großer Menge sich
befindet.

a) Moore de bile. Edinb. 1780. p. 21.

§. 390.

Von diesem entzündlichen Bestandtheil, den
man am leichtesten an der ausgetrockneten Galle,
noch auffallender aber an den Gallensteinen a) wahr-
nimmt, indem dieser eingedickte Saft Flammen
fängt, rührt die auszeichnende Farbe, der Geruch
u.s.w. der Galle her; und von eben diesem Be-
standtheil sind auch die Wirkungen der Galle auf
das Verdauungsgeschäft vorzüglich herzuleiten.

a) Obgleich die Gallensteine an Gestalt, Krystalli-
sation u.s.w. sehr verschieben sind, so kamen alle
Gallensteine, die ich untersuchte (wozu man in
Göttingen öfters Gelegenheit hat), darinn überein,
daß sie sich leicht entzündeten, und aus einem dem
Wallrath ähnlichen Gewebe bestanden.

§. 391.

Der Nutzen der Galle besteht nicht darinn,
daß sie als ein seifenhaftes Gemische die wässe-
rigten und öligten Theile mit einander verbindet;
(ein Irrthum des Boerhaavens, der sowohl
durch Schröders a) als durch anderer Physiolo-
gen b) angestellte und wiederholte Versuche voll-
kommen widerlegt ist.) Die Galle dient vielmehr
dazu, die schon vereinigten Bestandtheile zu zer-
[Seite 238] setzen, und von einander zu trennen c); und wi-
dersteht, ohnerachtet sie kein Laugensalz enthält,
d) sowohl der sauren Gährung, als der Fäul-
niß u.s.w.

a) Experimentorum ad veriorem cysticae bilis indo-
lem explorandam captorum. Sect
. I. Götting.
1764. 4.

b) Spielmann de natura bilis. Argent. 1767. 4.

Ger. Gysb. Ten Haaf de bile cystica. L. B. 1772. 4.

G. Chr. Utendörfer Exp. de bile. Argent. 1774. 4.

Dav. Willink Consideratio bilis. L. B. 1778. 8.

Seb. Goldwitz Neue Versuche zu einer wahren Phy-
siologie der Galle. Bamb. 1785. 8.

c) Marherr Praelect. in Boerh. institut. Vol. I. p.
463. 478. ed. 1785.

d) Wachendorf. Diss. de bile. Ultraj. 1745. 4.

§. 392.

Aus dem bisher Gesagten erhellt der wichtige
und mannigfaltige Einfluß der Galle auf die Be-
reitung des Nahrungssaftes.

Sobald nämlich der im Magen gehörig ver-
arbeitete, und von dem Magendrüsensaft verdünn-
te Speisenbrey durch die dünnen Därme sich fort-
bewegt, schlägt die Galle die zur Ernährung unnützen
Theile nieder, und erleichtert dadurch die Vereini-
gung der Bestandtheile des Milchsaftes.

Die Galle selbst trennt sich alsdann in zwey
Bestandtheile, in den wässerigten, und in den
brennbaren; letzterer wird mit den Excrementen,
die ihre Farbe davon haben, aus dem Körper
[Seite 239] entleeret; der wässerigte Bestandtheil geht, wie es
wahrscheinlich ist, mit dem Milchsaft in das Blut
über.

So wird das in der Blutmasse überflüßige,
und nachtheilige Brennbare in der Leber abgesetzt,
und zur Bereitung eines der nützlichsten Säfte ver-
wandt, der aber, nachdem er den erzielten Nutzen
hervorgebracht hat, als ein unnützer, und sogar
schädlicher Theil mit den Excrementen ausgeworfen
wird.

Auch die fixe Lust, welche in dem Speisen-
brey noch enthalten ist, wird von der Galle mehr
entwickelt; übrigens scheint die Galle den Darm-
kanal zu reizen, und die wurmförmige Bewegung
zu befördern.

Man hat zwar der Galle auch noch so man-
chen andern Nutzen zugeschrieben, woran ich we-
nigstens sehr zweifle. So soll z.B. die Galle, in-
dem sie in den leeren Magen sich zurück ergießt, die
Eßlust erregen; welches doch im gesunden Zustande
nicht wohl sich ereignen wird, u.a.m.


Ein und dreyßigster Abschnitt.
Von der Verrichtung der Milz.

[Seite 240]

§. 393.

Die Milz liegt auf der linken Seite der Leber
gegenüber, mit der sie sowohl durch Blutgefäße,
als durch die Aehnlichkeit ihrer Verrichtung in ge-
nauer Verbindung steht a); sie hat eine länglichte
Gestalt b); schmiegt sich überhaupt an alle benach-
barte Eingeweide, zwischen denen sie liegt; ist aber
übrigens in Ansehung ihrer Gestalt, Anzahl, u.s.w.
mannigfaltigen Launen der Natur ausgesetzt c).

a) Alles, was bis auf seine Zeiten von der Milz
bekannt war, hat Karl Drelincourt der Sohn mit
großem Fleiß gesammelt, in seiner Abhandlung de lie-
nosis
, welche sich am Ende der Werke seines Vaters
befindet, nach der Boerhaavischen Ausgabe. S. 720.

In spätern Zeiten Chr. Lud. Roloff de fabrica &
functione lienis. Frf. ad Viadr. 1750. 4.

b) Eustachii Tab. XI. fig. 8. 9.

Bidloo vindiciae delineationum anatom. contra anim-
adv
. Ruyschii L. B. 1607. 4. Tab. III. fig. 1.

c) Sandifort Natuur en genees-kundige Bibl. Vol. II.
p. 345.

§. 394.

[Seite 241]

Ihre Farbe ist etwas blauroth; ihre Sub-
stanz ist locker, zerreiblich, und ist leicht zu zerreis-
sen, daher sie auch in eine doppelte Haut einge-
hüllt ist; die innere Hülle ist eine eigenthümliche
Membran der Milz, die äußere aber scheint eine
bloße Fortsetzung des Netzes zu seyn.

§. 395.

Sowohl die Lage als der Umfang der Milz
sind eben so, wie ihre Figur, sehr veränderlich,
und richten sich überhaupt nach der Völle oder
Leere des Magens; denn die Milz strozt vom Blu-
te, wenn der leere Magen erschlappt im Unterleibe
schwebt; wird aber der Magen ausgedehnt, so
drückt er auf die Milz, und preßt das Blut aus
diesem Eingeweide aus.

Ueberdieß befindet sich die Milz, indem sie
zunächst unter dem Zwerchfelle, als dem Haupt-
werkzeug des Athemholens, liegt, in einer gelinden
aber unausgesetzten Bewegung, welche von dem
Aus- und Einathmen abhängt.

§. 396.

Ehmals glaubte man, die Milz bestünde aus
einem zelligten Gewebe, und man gieng so weit,
daß man ihren Bau mit den schwammigten Kör-
pern des männlichen Zeugungsgliedes verglich; al-
lein diese Meinung ist hinlänglich widerlegt a), und
man weis nun zuverläßig, daß die Milz größten-
theils aus Blutgefäßen besteht, deren Durchmesser
im Verhältniß zu dem kleinen Umfang dieses Ein-
geweides so groß ist, daß die Milz unter die blut-
reichsten Eingeweide gehört.

a) Lobstein diss. nonnulla de liene sistens. Argent.
1774. 4.

§. 397.

[Seite 242]

Die Milzarterie, (arteria lienalis) welche
nach Wintringham's Versuchen durch eine unge-
meine Festigkeit ihrer Membranen sich auszeichnet,
theilt sich, indem sie in die Substanz der Milz fort-
geht, immer in kleinere Zweige, deren äußerste En-
dungen in breyweiche Bündel sich verlieren, aus
denen die kleinsten Blutadern entspringen, welche
allmälig in weitere und leicht ausdehnbare Stämme
zusammenfließen.

§. 398.

Dieser außerordentliche Vorrath von Blutge-
fäßen wird durch etwas Zellenstoff befestigt und un-
terstützt; aus diesem Gewebe entspringen die ein-
saugenden Gefäße, deren Stämme vorzüglich an
der innern Fläche der Milz, zwischen beyden oben
angezeigten Membranen, sichtbar sind a)

a) Hewson's sonderbare Meinung von dem Nutzen
der Milz, indem er die einsaugenden Gefäße für Aus-
führungsgänge ansieht, steht in dem nach seinem To-
de herausgegebenen Werke: Experimental inquiries P.
the
. 3d. Lond. 1777. 8. C. II.

§. 399.

Dieser lockere, eine so große Menge Blut
aufnehmende Bau der Milz entspricht genau demje-
nigen, was ich vorher von dem Anschwellen die-
ses Eingeweides gesagt habe (§. 395.): Wenn
man überdieß die Anhäufung, und den langsamen
Rückfluß des Blutes in der Milz, und die Be-
schaffenheit der benachbarten Eingeweide betrach-
tet, so erlangen wir, aus diesem allen zusam-
mengenommen, über die Eigenschaften des in der
[Seite 243] Milz abgesonderten Blutes, und folglich auch über
die Verrichtung der Milz selbst, ganz befriedigende
Aufschlüße.

§. 400.

Das in der Milz abgesonderte Blut ist sehr
dünn, aufgelöst, gerinnet nicht leicht, und das
Serum läßt sich schwer von dem Blutkuchen tren-
nen; seine Farbe ist dunkel, wie das Blut im un-
gebohrnen Kinde. – Lauter Anzeigen von einem
Ueberfluß an brennbarem Stoffe. Dieß erhellt
aber noch deutlicher aus folgendem, leicht anzustel-
lendem Versuche: wenn man eine frische aus dem
menschlichen Körper genommene Milz in Stückchen
zerschneidet, und der dephlogistisirten Luft aussetzt,
so bemerkt man deutlich, wie diese Theilchen der
Milz eine röthere Farbe annehmen, die Luft hin-
gegen, indem sie ihre Feuermaterie fahren läßt,
von dem aus der Milz übergehenden Brennbaren
verunreinigt wird.

§. 401.

Aus diesem allen zusammengenommen, beson-
ders aber aus dem Umstande, daß die Milz das
einzige Eingeweid ist, welches, außer seinen Blut-
gefäßen, die alle in die Leber gehen, keinen Aus-
führungsgang hat, erhellt ganz deutlich, daß die
Milz vorzüglich zur Verrichtung der Leber dient,
und durch den Absatz seines überflüßigen Brennba-
ren auch zur Bereitung der Galle nicht wenig bey-
trägt.

§. 402.

Diese Meinung wird besonders durch die Be-
obachtung unterstützt, daß die Blasengalle derje-
nigen Thiere, denen man die Milz ausschneidet,
(ein Versuch, der in altern Zeiten angestellt wor-
[Seite 244] den a), bläßer ist, weniger Brennstoff hat, und
ihr lymphatischer Bestandtheil in kleine Klumpen
zusammengeronnen erscheint.

a) I. H. Schulze de splene canibus exciso, Hal.
1735. 4.


Zwey und dreyßigster Abschnitt.
Von der Verrichtung des Netzes.

[Seite 245]

§. 403.

Das sogenannte große Netz – omentum ga-
strocolicum
) – a), (um es durch diese Benen-
nung von dem kleinern Netze – (hepaticogastri-
cum
) – b) zu unterscheiden), ist eine merkwür-
dige Verlängerung des Bauchfells, und entsteht
zunächst von der äußern Haut des Magens.

a) Eustachii Tab. IX.

Halleri Icones anat. Fasc. I. Tab. IV. K. M. – Da-
selbst ist auch die Abbildung des Grimmdarmne-
tzes, welches Hr. v. Haller zuerst im Jahre 1740.
untersucht hatte.

Rob. Steph. Henrici descript. omenti cum icone nova.
Hafn
. 1748. 4.

b) Eustachii Tab. X. fig. 1. G. H.

Haller l. c. Q.

§. 404.

Obgleich das Bauchfell in unzählige Falten
sich verlängert, und beynahe alle in der Bauch-
höhle befindlichen Eingeweide einschließt, und über
[Seite 246] ihre Oberfläche sich ausbreitet, so sind doch diese
Verlängerungen so mannigfaltig, daß man sie un-
ter gewissen allgemeinen Beziehungen betrachten
kann.

Das Bauchfell legt sich manchmal nur über
die Eingeweide, oder überzieht nur eine Strecke
derselben; z.B. bey den Nieren, dem Mastdarm,
der Harnblase, und einigermassen auch bey der
großen Magendrüse, und der Gallenblase.

Einige Eingeweide werden nicht bloß an ihren
Seitenflächen, sondern an ihrer ganzen Oberfläche,
so weit dieselbe nur immer in die Bauchhöhle sich
erstreckt, von dem Bauchfelle überzogen: dieß ist
der Fall bey der Leber, der Milz, auch bey dem
Magen, und der Gebährmutter, und sogar bey
den Hoden in dem ungebohrnen Kinde.

Ganz anders verhält sich die Sache bey dem
Darmkanal (den Mastdarm ausgenommen), der
bis in die Hälfte des Unterleibs zwey ungemein
breite Falten des Bauchfells, von denen er gleich-
sam festgehalten wird, mit sich führt, nämlich das
Gekröse der kleinen Gedärme (mesenterium), und
das Grimmdarmgekröse (mesocolon); unter diese
breitern Fortsätze des Bauchfells können auch die
breiten Mutterbänder gerechnet werden.

§. 405.

Eine der längsten, und sonderbarsten Verlän-
gerungen des Bauchfells ist unstreitig das Netz:
ein weiter, häutiger, äußerst zarter Sack, der von
dem untern Rande des Magens entsteht, über die
dünnen Gedärme frey in den Unterleib herabsteigt,
an allen Krümmungen dieser Därme befestigt ist,
und alle Zwischenräume ausfüllt.

§. 406.

[Seite 247]

Außer den häufigen Blutgefäßen, welche das
Netz durchschlängeln, besteht dieser ganze häutige
Sack aus einer Menge netzartiger Fächer, die bey
fetten Personen manchmal auf eine lästige, und
der Gesundheit nachtheilige Weise ausgedehnt wer-
den; in diese Fächer duftet beständig eine fette
Feuchtigkeit aus, wodurch das ganze Netz gleich-
sam eingeölt wird.

§. 407.

Viele vortreffliche Physiologen waren der Mei-
nung, die sogar Herr von Haller durch neue
Beweisgründe unterstützte, daß dieses Fett einge-
sogen, zur Leber hingeführt würde, und so den
Hauptstoff zur Bereitung der Galle liefere u.s.w.
Allein ich zweifle noch sehr daran, indem ich über-
zeugt bin, daß die Galle in dem gesunden Zustan-
de keine öligten Theile enthält; sogar in Fröschen
konnte ich jene einsaugende Mündungen, die Mal-
pighi a) gesehen haben will, nicht entdecken, und
noch viel weniger ist mir dieß in dem menschlichen
Netze gelungen.

a) De omento, pinquedine, & adiposis ductibus.
p
. 96. Ed. 1669.

§. 408.

Allein der wahre, und allgemein anerkannte
Nutzen des Netzes besteht darinn, daß der Darm-
kanal schlüpfrig erhalten, und die Reibung, wel-
che bey der beständigen Bewegung der Gedärme
unvermeidlich ist, vermindert wird.

[Seite 248] Einen ähnlichen Nutzen scheinen auch die klei-
nen Fettsäcke zu haben, welche an dem Grimm-
a) und Mastdarm b) angetroffen werden.

Auch hindert das Netz das Zusammenwachsen
der Därme mit dem Bauchfell, wodurch das gan-
ze Dauungsgeschäft in die größte Zerrüttung ge-
rathen würde.

a) Walter Tab. nervor. thorac. & abdom. Tab. II.
m. m. m.

b) Bidloo anatomia humanicorporis. tab. XXXIX.
fig. 6. C. C. C. D. D. D.

§. 409.

Daß aber das Netz die Kälte abhalten soll,
ist wohl nicht wahrscheinlich; indem das Netz bey
einem gesunden Menschen niemals mit einem lä-
stigen Fett beschwert seyn darf.

Indessen scheint mir der Hauptnutzen des Ne-
tzes, wenn ich besonders den Bau des kleinen Ne-
tzes betrachte, noch gänzlich unbekannt zu seyn,
und kann nur durch die vergleichende Anatomie ent-
deckt werden.


Drey u. dreyßigster Abschnitt.
Von der Verrichtung der dünnen
Därme.

[Seite 249]

§. 410.

Der Darmkanal, der von dem Netze überzogen
wird, und in den der Speisenbrey (§. 367. 368.)
gelanget, aus dem sodann der Nahrungssaft aus-
gezogen, und von dem Unrathe getrennt wird, be-
steht aus zwey langen Kanälen, deren Verrichtun-
gen wir nun insbesondere betrachten wollen.

§. 411.

Die dünnen Därme a) werden wiederum in
drey Abschnitte getheilt, nämlich in den Zwölffin-
gerdarm, den Leerdarm, und den Krummdarm.

Der erste dünne Darm hat seine Benennung
einigermassen von der Länge.

Der zweyte heißt so, weil er in frischen Leich-
namen zusammengefallen, und gleichsam leer gefun-
den wird, indem er schon eine breyartige Speise-
masse enthält.

In dem letzten dünnen Darm trift man schon
Koth, und entwickelte fixe Luft an; er ist auch
der längste unter den dünnen Därmen, und heißt
[Seite 250] daher auch der gewundene Darm; auch ist er
strotzender als die übrigen, und gleichsam aufge-
blasen, und schon nach Art der dicken Därme hier
und dort in Blasen abgetheilt.

a) Chr. Bernh. Albini specimen anatomicum exhi-
bens novam hominis intestinorum descriptionem
L. B
. 1724. 8.

§. 412.

Der Bau der dünnen Därme ist ohngefähr
derselbe, wie beym Magen (§. 359.)

Die äußere Haut ist eine Verlängerung des
Gekröses.

Die Muskelhaut besteht aus zweyerley Fa-
sern, nämlich aus länglichten, welche näher an
der Oberfläche der Därme sich befinden, beson-
ders an derjenigen Fläche des Darmkanals, wel-
che dem Gekröse gegenüber liegt; sodann aus
Kreisfasern, welche mehr nach innen liegen, und
den Darmkanal verengern, so wie hingegen die
erstern denselben verkürzen. In dieser Muskelhaut
hat die außerordentliche Reizbarkeit der Gedärme
ihren Sitz (§. 305.)

Die Zellhaut (nervea) besteht aus einem
zelligten Stoffe, der durch Einblasen in ein schwam-
migtes Gewebe aufgelöst werden kann a). In dieser
Haut verbreiten sich auch die Blutgefäße des Ge-
kröses b) in Gestalt kleiner Bäumchen c), wodurch
die Gedärme Festigkeit und Stärke erlangen.

Die innerste Haut endlich, welche besonders
in den dünnen Gedärmen den Namen der flockig-
ten Haut verdient, bildet mit der innern Fläche
[Seite 251] der Zellhaut (nervea) verschiedene Falten, welche
in aufgeblasenen und getrockneten Därmen eine klap-
penartige Gestalt haben, und daher von ihrem Er-
finder Kerkringische Klappen genannt werden d).

a) B. S. Albini annot. acad. L. II. Tab. IV. fig. 1. 2.

b) Eustachii Tab. XXVII. fig. 2. 4.

c) B. S. Albini diss. de arteriis et venis intestino-
rum hominis. c. icon. colorib. distinct. L. B
.
1736. 4.

Ej. annotat. acad. L. III. Tab. I. II.

d) Kerkringii specilegium anatomicum. Tab. XIV.
fig. 1. 2.

§. 413.

Diese Flocken, die in einer überaus großen
Menge a) an der innern Haut der dünnen Därme
hervorragen, und die zuerst von Lieberkühn b)
genauer untersucht worden sind, stellen, wenn der
Darmkanal vom Nahrungssafte leer ist, freyschwe-
bende, aus einem lockern Zellgewebe bestehende
Täschchen vor, sobald sie aber von der eingesogenen
Nahrungsmilch aufschwellen, nehmen sie die Ge-
stalt unserer eßbaren Morcheln an.

a) Nach Lieberkühn befinden sich in den dünnen
Därmen ungefähr 500,000 solche Flöckchen.

b) De fabrica & actione villorum intestinorum ho-
minis. L. B
. 1745. 4.

§. 414.

An der Grundfläche dieser Flöckchen befinden
sich unzählige Schleimdrüschen, die vorzüglich
[Seite 252] an der Zellhaut befestigt sind, und durch ihre klei-
ne Mündungen, welche sich in hie Därme öffnen,
den Schleim, womit der ganze Darmkanal über-
zogen ist, absetzen.

Diese Darmdrüschen werden gewöhnlich in
drey Klassen eingetheilt:

1) Die Brunnerischen, nämlich die größten,
welche einzeln sitzen, und besonders an demjenigen
Theile des Zwölffingergedärms, der zunächst am
Pförtner sitzt, angetroffen werden a).

2) Die Peyerischen, nämlich die kleinern,
welche an dem äußern, gegen die Grimmdarm-
klappe gelegenen Ende der dünnen Därme hau-
fenweise sitzen b).

3) Endlich die kleinsten Lieberkühnischen,
deren ungefähr 8. auf ein Flöckgen gezählt wer-
den c).

Indessen scheint mir diese Eintheilung der
Schleimquellen nicht in der Natur gegründet zu
seyn. Denn sowohl die Brunnerischen als Peye-
rischen Drüschen sind so, wie man sie abgebildet
sieht, vielmehr eine Wirkung des kranken Zustan-
des; und ich habe wenigstens in gesunden Leichna-
men auch nicht einmal eine Spur solcher schleimab-
setzenden Mündungen entdecken können; hingegen
fand ich oft bey Leichenöffnungen an Schwämmchen
verstorbener Personen den ganzen Darmkanal mit
solchen theils einzelnen, theils zusammengehäuften
Drüschen besetzt d). Es verdienen also nur jene
kleine, gleichsam hirsenförmige Drüschen den Na-
men ächter Schleimdrüschen; man kann sie an der
Seite, mit der sie an der Sammethaut sitzen,
wenn man diese behutsam ablöset, ausnehmend
deutlich wahrnehmen.

[Seite 253]

a) Jo. Conr. a Brunn glandulae duodeni, s. pancreas
secundarium. Frf
. 1751. 4. fig. 1.

b) Jo. Conr. Peyer de glandulis intestinorum. Sca-
phus
. 1677. fig. 3.

c) Lieberkühn I. c. p. 17. Tab. III.

d) Diese Darmschwämmchen hatten die größte Aehn-
lichkeit mit jenen Erhabenheiten, die Sheldon
für Bläschen hielt, die vom Milchsaft strotzen.

§. 415.

Daß sich aber auch in die Gedärme, so wie
in den Magen, ein besonderer Saft ergieße, der
daher dar Darmsaft heißt, erhellt vorzüglich aus
dem bekannten Versuche, den, wofern ich nicht
irre, Pechlin a) zuerst angestellt hat; wahrschein-
licherweise hat diese Flüßigkeit mit dem Magen-
safte ähnliche Eigenschaften; doch ist uns bisher die
Natur des Darmsaftes noch nicht hinlänglich be-
kannt. Auch getraue ich mir nicht die Menge zu
bestimmen, in der diese Feuchtigkeit abgesondert
wird; denn Hallers Schätzung, acht Pfund binnen
24. Stunden, scheint mir wenigstens übertrieben.

a) Pechlin de purgantium medicamentorum faculta-
tibus. p
. 509. Tab. IV.

§. 416.

Uebrigens haben auch die Därme eine wurm-
förmige Bewegung a), die aber viel lebhafter
ist, als die Wurmbewegung des Magens; durch
diese wellenförmige und fortschreitende Zusammen-
ziehung wird der Speisenbrey gelinde verarbeitet,
und von dem Zwölffingerdarm nach den dicken
[Seite 254] Därmen hingetrieben. Die umgekehrte wurm-
förmige Bewegung (motus antiperistalticus),
durch welche der Darmkanal die Speisemasse zuweilen
rückwärts treibt, ist im gesunden Zustande ungleich
schwächer, seltener, und blos vorübergehend.

a) Benj. Schwartz de vomitu & motu intestinorum.
L. B
. 1745. 4.

Jac. Foelix de motu peristaltico intestinorum. Tre-
vir
. 1750. 4.

§. 417.

Durch diese bisher namhaftgemachte bewe-
gende Kräfte, und durch den beständigen Zufluß
auflösender Säfte ereignen sich in dem Speisen-
brey merkwürdige Veränderungen, welche vorzüg-
lich darinn bestehen, daß die ganze Speisenmasse,
welche in dem Leerdarm noch einen grauen, durch-
aus gleichgemischten Brey vorstellte, in dem Krumm-
darm in zwey verschiedene Theile sich zu scheiden
anfängt: nämlich in den Darmkoth (faeces),
der eine gelbe, etwas bräunliche Farbe a), und
einen widrigen Geruch hat, und in den oben schwim-
menden Milchsaft, der durch den Beytritt der
Galle von dem Darmkothe entwickelt wird, und
zur Einsaugung in die Milchgefäße bestimmt ist,
wovon in dem folgenden Abschnitte gehandelt wird;
vorher aber wollen wir den Weg anzeigen, den der
Darmkoch zurücklegen muß.

a) Daß die gelbe Farbe des Darmkoths von dem
phlogistischen Bestandtheile der Galle herrühre,
ist oben (§. 392.) gesagt worden. In dem Leer-
[Seite 255] darm kann die Galle, da sie noch mit dem Spei-
senbrey gleichsam innigst gemischt, und verdünnt
ist, ihre wahre Farbe nicht zeigen; sobald sie aber
in der Folge in ihre zwey Bestandtheile geschie-
den wird, verbindet sich der phlogistische Theil
mit dem Darmkothe, bekömmt seine natürliche
Farbe wieder, und theilt dieselbe sogar dem Darm-
kothe mit.

Herr Wolf (Act. petropolit. 1779. P. II. p. 245.)
leitet zwar die gelbe Farbe des in dem Krumm-
darm enthaltenen Kothes von einer andern Ursa-
che her. Er ist der Meinung, daß gegen den An-
fang dieses Darms eine neue Quantität Galle
hinzukomme, welche aus der Gallenblase durch-
schwitzt, und so in den Krummdarm und in den
Darmkoth dringe; diese Galle sey überdieß, wo-
fern nicht ganz verschieden von der Galle, welche
durch den gemeinschaftlichen Gallengang ausfließt,
wenigstens mit dem Darmkothe nicht so genau
vermischt, wie jene mit dem Speisenbrey sich ver-
bindet, indem, sie ihre eigenthümliche Farbe bis
zum Austritt aus dem Mastdarm beybehält.

Allein zu geschweigen, daß die Ursache, warum die-
se Farbe nicht ehe zum Vorschein kömmt, bis der
Speisenbrey und die Galle in ihre Bestandtheile
zersetzt werden, leicht anzugeben ist, so zweifle
ich auch sehr, ob die Galle jemals im gesunden
Zustande aus der Gallenblase in den naheliegen-
den Darm durchschwitzen könne. Denn ich habe
in frischen, und fast noch warmen Leichnamen
die angränzenden Därme von der Galle kaum
gefärbt angetroffen; allein einige Stunden oder
[Seite 256] Tage nach dem Tobe erschienen die Därme in ei-
ner breiten Strecke von diesem galligten Safte
durchdrungen; wenn nämlich die erschlappte und
kraftlose Gallenblase die Galle nicht wohl zurück-
zuhalten im Stande ist, und die Galle nun selbst,
indem sie durch die Häute der Gallenblase häufi-
ger durchschwitzte, die benachbarten Eingeweide
färbet.

§. 418.

Der Darmkoth wird auf seinem langen We-
ge durch den Krummdarm immer dicker, und ge-
langt endlich, indem er durch die Grimmdarm-
klappe dringt, in die dicken Därme. Zur Erleich-
terung dieses Ueberganges ist das äußerste Ende
des Krummdarms mit einem häufigen Schleime
überzogen, und schlüpfrig gemacht.

§. 419.

Die Grimmdarmklappe a), oder wie sie viel-
mehr nach ihrem wahren Erfinder heißen sollte,
die Fallopische b) Klappe, ist ein kleiner Fortsatz
des Krummdarms, der in die dicken Därme, wel-
che ihn fest umschließen, eingeschoben ist, und des-
sen Rände, welche eine stark hervorragende Falte
bilden c), sowohl aus der Zellhaut, als auch aus
den Muskelfasern dieses Darms zusammengenom-
men bestehen. Hieraus erhellt deutlich die Verrich-
tung dieser Klappe: sie verzögert den Uebergang
des Darmkoths in die dicken Därme, verhindert
aber zugleich, daß die Exkremente nicht in die dün-
nen Därme zurücktreten.

a) Haller de valvula coli. Götting. 1742. 4. –
recus. in oper. minor. T. I. p. 580.

[Seite 257]

Jo. Mich. Röderer de valvula coli. Argentorat.
1768. 4.

b) Die Meinungen von dem wahren Entdecker die-
ser Klappe sind sehr verschieden, wie man in
Hallers großer Physiologie Tom. VII. P. I. p.
142. nachlesen kann.

Indessen bin ich überzeugt, daß diese Klappe schon
lange vorher dem großen Zergliederer Gabr. Fal-
lop bekannt gewesen. Dieß erhellt aus einer zu
Padua i. I. 1553. 2ten Febr. gehaltenen öffent-
lichen Vorlesung über die Zergliederung eines Af-
fen, welche sich in den noch ungedruckten Hand-
schritten dieses Gelehrten auf der k. Bibliothek
zu Göttingen befindet, worinn er diese Klappe
ausführlich beschreibt: ‘„coeci usus est in simiis
ne regurgitet cibus ad partes superiores, cum
prona incedunt: quodque hic usus sit, signum
est, quia, si in rectum aqua immittatur, aut
flatus, pervenit in coecum, non transgreditur
autem crassa. At si superius immittatur, per-
transiet. Ratio est; quia ad insertionem ilei
plicae sunt duae, quae in inflatione
& repletio-
ne comprimuntur, ut in corde fit
, & prohibent
regressum; unde nec clysteria possunt pervenire
ad partes illas
& pertransire, ita, ut ejiciantur
per vomitum in homine, nisi debilibus
, & mor-
bo existentibus intestinis
.“’

c) Eine Abbildung dieser Klappe in ihrem frischen
und unversehrten Zustande hat uns Albin ge-
liefert. Annot. acad. I. III. Tab. V. fig. 1.

Auch bey Santorini Tab. posth. XIV. fig. 1–2.
ist diese Klappe abgebildet, doch so, wie sie
[Seite 258] durch Aufblasen, und Austrocknung verändert
erscheint.

§. 420.

Die dicken Därme, die gleichfalls in drey
Abschnitte eingetheilt werden, nehmen ihren An-
fang bey dem Blinddarm (woran sich der wurm-
förmige Fortsatz befindet, dessen Nutzen im er-
wachsenen Menschen noch ungewiß ist a), und ma-
chen überhaupt einen weiten Kanal aus, worin die
Exkremente langsam angehäuft, und bis zur gehö-
rigen Entleerung aufbewahrt werden können.

a) Lieberkühn de valvula coli, & usu processus
vermicularis. L. B
. 1739. 4.

Joach. Vosse de intestino coeco, ejusque appendice
vermiformi. Götting
. 1749. 4.

§. 421.

Die dicken Därme unterscheiden sich von den
dünnen sowohl durch ihren größern Durchmesser,
als auch durch die Dicke und Festigkeit ihrer Häu-
te. Ihre Muskelhaut zeichnet sich besonders da-
durch aus, daß die länglichten Muskelstreife, das
äußerste Ende des Mastdarms ausgenommen, in
drey sogenannte Streife oder Bande des Grimm-
darms a) sich vereinigen, wodurch dieser Darm in
eben so viele wulstartige Abschnitte getheilt wird,
auch die Sammethaut der dicken Därme ist gefal-
teter, als in den dünnen, und hat mit der Sam-
methaut des Magens eine größere Aehnlichkeit.

a) Eustach. Tab. X. fig. 2. 4. 5.

§. 422.

[Seite 259]

Die wurmförmige Bewegung ist in den dicken
Därmen schwächer, als in den dünnen. Desto
stärker hingegen wirkt die Verdauungspresse (pre-
lum abdominale
) auf die dicken Därme, indem
der ganze Grimmdarm der Bewegung des Zwerch-
fells, und der Bauchmuskeln zunächst ausgesetzt ist.

§. 423.

So wird in den dicken Därmen der Darm-
koth langsam fortbewegt, bis er endlich in den
Mastdarm gelangt, und durch seinen innerlichen
Reiz einen Drang zur Entleerung bewirket. Die-
se Ausleerung wird erleichtert durch die Abwesenheit
der Queerfalten, vorzüglich aber durch die Menge
des Schleimes, der den Mastdarm schlüpfrig macht.

Diese Ausleerung wird endlich vollkommen
zu Stande gebracht, indem das herumgetriebene
Zwerchfell, und die zusammengezogenen Bauchmus-
keln die Gedärme von allen Seiten zusammenpressen,
und den Widerstand des Steisbeins, und beyder
Schließmuskeln, nämlich des innern, der einen
runden fleischigten Wulst vorstellt, und des äußern,
der ein bloßer Hautmuskel ist, überwältiget; wor-
auf der Stuhldrang nachläßt, der Mastdarm von
dem Aufhebmuskel in die Höhe gezogen, und von
den Schließmuskeln wieder geschlossen wird. a)

a) Santorini Tab. posth. XVI. XVII.


Vier und dreyßigster Abschnitt.
Von dem System der einsaugenden
Gefäße a).

[Seite 260]

a) W. Hewson's Experimental inquiries into the
lymphatic system. London
1774. 8.

Scheldon's, Werner's, und Feller's angeführte
Werke.

Mascagni prodrome d'un ouvrage sur les vaisseaux
lymphatiques. Senis
. 1784. fol.

§. 424.

Daß der Nahrungssaft, welcher in dem Krumm-
darm von dem Darmkothe getrennt wird, aus
verschiedenen Gattungen von Säften zusammenge-
setzt sey, ist aus dem, was bisher gesagt worden,
leicht zu begreifen. Daß aber die einheimischen
Säfte nämlich der Speichel, der Magensaft, der
pankreatische Saft, der Darmsaft u.s.w., wel-
che sich beständig mit dem Speisenbrey vermischen,
so wenig man auch im Ganzen die Menge dieser
Flüßigkeiten zu bestimmen im Stande ist, ungleich
beträchtlicher sind, als der eigentliche aus den Nah-
rungsmitteln ausgesogene Saft, scheint mir eine
ausgemachte Wahrheit zu seyn. Hierauf beruhet
auch die Auflösung der Aufgabe, wie es zugehe,
[Seite 261] daß der Speisenbrey, ohnerachtet derselbe aus so
mannigfaltigen Säften besteht, in eine gleichartige,
der thierischen Natur so ganz entsprechende Nah-
rungsmilch verwandelt wird.

§. 425.

Die Wege, welche der Nahrungssaft, bevor
er aus dem Darmkanal in die Blutmasse übergeht,
durchwandeln muß, machen einen Theil des einsau-
genden Systems aus, dessen wir bisher nur im
Vorbeygehen erwähnt haben, das aber itzt eine ei-
gene Betrachtung erfordert. Dieses System be-
steht eigentlich aus vier Theilen, nämlich aus den
Milch- und lymphatischen Gefäßen, aus den lym-
phatischen Drüsen (glandulae conglobatae), end-
lich aus der Speisesaftröhre (ductus thoracicus);
jeden dieser Theile wollen wir nun insbesondere be-
trachten.

§. 426.

Anlangend den Ursprung der Speisesaftsge-
fäße, so ist es ausgemacht, daß sie an den vorher
erwähnten Flocken der innern Darmhaut entsprin-
gen; nur wissen wir noch nicht zuverläßig, ob diese
Gefäße unmittelbar aus den Flocken ihren Anfang
nehmen, oder mittelst einer Zellhaut in einer ent-
ferntern Verbindung mit denselben stehen; denn bis
itzt ist es noch keinem Zergliederer gelungen, den
Verlauf dieser Gefäße bis zu den Flocken selbst zu
verfolgen, um ihre unmittelbare Verbindung erwei-
sen zu können; sie entstehen hier und da zwischen
den Häuten der Därme in kleinen Stämmchen, die
den Nahrungssaft, nachdem er, wie es wahrschein-
lich ist, zuerst von den Flöckchen eingesogen worden,
[Seite 262] durch ihre einsaugende Kraft weiter befördern.
Wenigstens glaube ich dieß öfters an jungen Hun-
den wahrgenommen zu haben, denen ich Lister's a)
Versuche zufolge, ein paar Stunden vor der Auf-
schneidung des Unterleibes eine Indigoauflösung
eingegossen hatte.

a) Philosophical transact. N. 143. N. 275.

§. 427.

Diese Stämmchen aber laufen einige Linien
lang zwischen der innersten Darmhaut fort, und
schlängeln sich oft in unzähligen Krümmungen, be-
vor sie in das Gekröse übergehen.

§. 428.

Bey ihrem Verlauf durch das Gekröse ver-
theilen sich die Speisesaftsgefäße an verschiedenen
Stellen in die Gekrösdrüsen, die man in zwey Gat-
tungen unterscheidet. Einige kleinere, bohnenför-
mige Drüschen befinden sich naher an dem Darm-
kanal; andere aber ungleich größere, und zusam-
mengehäufte Drüsen liegen näher an dem Speise-
saftsbehälter.

§. 429.

Beyde Gattungen der Milchsaftsgefäße sind
wahrscheinlich bloße Verwicklungen lymphatischer
Gefäße, mit denen sich Blutgefäße verbinden; a)
wodurch zwar der Lauf des Speisesafts etwas ge-
hemmt, aber eben durch diese Verweilungen mit der
thierischen Natur genauer verähnlicht wird; bevor
er in den Brustkanal, und aus diesem in die Blut-
masse übergeht.

[Seite 263]

a) Boerhaavii & Ruyschii de fabrica glandular. opuscu-
lum. L. B
. 1722. 4. p. 31.

§. 430.

Man hat die Frage aufgeworfen, ob auch die
dicken Därme mit Speisesaftsgefäßen versehen sind,
oder nicht. Diejenigen, welche das erstere behaup-
ten, beruffen sich theils auf die Wirkung specifi-
scher, z.B. ernährender, oder betäubender Klysti-
re; ferner auf die Beobachtung, daß die Exkre-
mente durch ihren längern Aufenthalt in den dicken
Därmen härter, und ausgetrocknet werden. Allein
obgleich aus diesen Gründen keineswegs folgt, daß
aus dem Darmkoth diesseits der Fallopischen
Klappe noch ein ächter Speisesaft eingesogen wer-
de, so erhellt doch wenigstens soviel daraus, daß
auch die dicken Därme mit einem Vorrathe ein-
saugender Gefäße versehen sind, die im Ganzen
genommen, sowohl in Ansehung ihres Baues, als
ihrer Verrichtung mit den speisesafteinsaugenden
Gefäßen übereinkommen; indem auch die Speise-
saftsgefäße, wenn die Därme vom Speisenbrey
leer sind, indessen Lymphe einsaugen a).

a) Nuckii de inventis novis epistola anatomica. p. 146.

§. 431.

Wichtiger und schwerer aufzulösen ist die Fra-
ge, ob aller Speisesaft, der in den dünnen Där-
men eingesogen wird, auf diesem allgemeinen Weg,
nämlich durch die Speisesaftsgefäße, und den Brust-
kanal, in das Blut überströme, oder ob noch an-
dere verborgene Wege, wodurch dieser Uebergang
bewirkt wird, vorhanden seyn?

[Seite 264] Man muß aber eingestehen, daß die meisten
Gründe, welche diese Nebeneinsaugung des Spei-
sesaftes in das Blut erweisen sollen, nicht Stich
halten; denn Ruysch'ens Behauptung, daß die
Gekrösdrüsen bey herannahendem Alter verhärtet,
und gleichsam zusammengeschnürt, und zu ihrer
Verrichtung ganz untauglich gemacht würden, ist
schon längst widerlegt worden; es ist sogar eine
ausgemachte Sache, daß auch andere Krankhei-
ten dieser Drüsen, z.B. Aufschwellungen dersel-
ben, sehr uneigentlich Verstopfungen genannt wer-
den, indem sie noch immer so weit offen sind,
daß sie Quecksilbereinspritzungen durchlassen kön-
nen. Der bekannte Versuch, daß warmes Was-
ser, welches man nach dem Tode in die Gekrösvenen
einspritzt, in den Darmkanal durchschwitzt, scheint
mir für eine Verrichtung in dem lebendigen Kör-
per nichts zu beweisen; noch viel weniger bewei-
set Lieberkühn's zweyschenkligte messingene Röh-
re, die er zum Behuf dieser Meinung ersonnen
hatte. Aber auch die Beobachtung, daß man in
den Blutvenen des Gekröses einen weißem Spei-
sensaft wahrgenommen habe a), bedarf noch ei-
ner genauern Bestätigung. Es ist also höchst
wahrscheinlich, daß diese Gekrösvenen, außer ei-
nem mit vielem Brennbaren geschwängerten, und
zur Bereitung der Galle bestimmten Blute, keinen
Speisesaft führen b).

a) Werner & Feller I. c. p. 12.

b) Caldani sucht zwar diese verborgene Wege der
Einsaugung durch folgenden schönen Versuch zu
erweisen: Man macht bey einem Lamm, oder
Bock, die vorher wohl genährt worden sind,
[Seite 265] eine doppelte Unterbindung; ein Band nämlich
wird an der subclavia sinistra, das andere aber,
und ein ziemlich festes, an dem Gekröse zunächst
an seinem Ursprunge an den Rückenwirbeln an-
gelegt. Sowohl die Milch- als lymphatischen
Gefäße, welche zwischen diesen Banden liegen,
kommen alsdann deutlich zum Vorschein; auch
die einsaugenden Gefäße, welche von den untern
Gliedmassen heraufsteigen. Aber in demselben
Augenblicke schwellen auch die Milchgefäße zwi-
schen dem Gekröse, und der Unterbindung an;
allein bald nachher werden sie entleert, und end-
lich ganz unsichtbar.

Allein diese Erscheinung entsteht nicht von einem
verborgenen Uebergange des Speisesaftes in die
naheliegenden Blutadern, sondern vielmehr von
dem geringen Widerstand der Klappen, welche
den Speisesaft in den Darmkanal selbst zurückströ-
men lassen. (Aus dieser zurückgehenden Bewe-
gung hat jüngst Herr Darwin auf eine sehr
glückliche Weise verschiedene pathologische Erschei-
nungen erklärt). Denn, daß diese Klappen nach-
geben, und die Gefäße nicht ganz verschließen,
ist eine bekannte Sache; daher auch zuweilen bey
anatomischen Einspritzungen das Quecksilber aus
den Stämmen der einsaugenden Gefäße in die
kleinern Zweige zurückgetrieben wird.

§. 432.

Die letzten Stämme der nahrungssaftzurück-
führenden Gefäße, welche eben so, wie die übri-
gen einsaugenden Gefäße aus der Verbindung meh-
rerer lymphatischer Stämme entspringen, a) en-
[Seite 266] digen sich in den Milchsaftbehälter, worunter
die Zergliederer den untersten, und etwas erweiter-
ten Theil des Milchganges verstehen.

a) Sheldon I. c. Tab. V.

§. 433.

Dieser Milchgang der Brust a) ist ein häutig-
ter, dünner, doch ziemlich fester, mehr oder we-
niger gewundener Kanal, der sowohl nach seiner
Richtung, als nach seiner Abtheilung durch man-
nigfaltige Abänderungen sich auszeichnet; b) er hat
weder Muskelfasern, noch Nerven, ist an verschie-
denen Stellen mit Klappen versehen, geht ohnge-
fehr bey dem letzten Halswirbelbeine an der Schlüs-
selbeinsblutader vorbey, beugt sich alsdann zurück,
c) und senkt sich in diese Vene hinein; eine Klap-
pe, deren Bau ganz sonderbar ist, schließt die
Mündung dieser Einsenkung.

a) Halleri observationes de ductu thoracico, in
theatro Göttingensi factae. Götting
. 1741. 4.

B. S. Albini tabula vasis chyliferi. L. B. 1757.
fol. max.

b) Jo. Chr. Bohlii viae lacteae c. h. historia natura-
lis. Regiomont
. 1741. 4.

Sabatier in Mem. de l'academ. des sciences de Pa-
ris
. 1780.

c) Halleri opera minora Vol. I. Tab. XII.

§. 434.

Die Kräfte, wodurch die Nahrungsmilch
sowohl durch die Milchgefäße, als durch den
Milchgang der Brust fortgetrieben wird, müssen,
[Seite 267] wie mir scheint, der Zusammenziehbarkeit dieser
Gefäße, ihren Klappen, dem Drucke des zunächst-
folgenden Speisesaftes, und dem Klopfen der be-
nachbarten Schlagadern zugeschrieben werden.

§. 435.

Die an der obern Mündung des Milchganges
befindliche Klappe scheint nicht blos in der Absicht
vorhanden zu seyn, um den Uebergang des Blutes
in diesen Kanal zu verhindern; sie ist vielmehr da-
zu bestimmt, den in die Blutader übergehenden
Nahrungssaft zu leiten, und denselben nur tropfen-
weise der Blutmasse zu überliefern.

Auf diese Weise wird verhütet, daß nicht auf
einmal eine allzugroße Menge Speisesaft in das
Blut überströmen kann, wodurch das Herz zu hef-
tig gereizt, und außer Stand gesetzt würde, diese
Nahrungsmaterie gehörig zu verarbeiten; denn der
frische Speisesaft enthält noch eine Menge fremd-
artiger Bestandtheile, die nicht nur aus den ersten
Wegen durch die Milchgefäße, sondern aus dem
ganzen übrigen Körper durch die einsaugenden Ge-
fäße herbeygeführt werden.

§. 436.

Denn eben diese lymphatischen Gefäße a)
sind der dritte Theil des einsaugenden Systems.
Sie sind sowohl in Rücksicht ihres Baues, als ihrer
Verrichtung den Milchgefäßen vollkommen ähnlich,
ausgenommen, daß ihr Gebiet vielleicht über den
ganzen Körper sich erstreckt b); doch entspringen
sie am häufigsten von den allgemeinen äußern Be-
deckungen, von dem Rippen- und Darmfelle, und
von den Eingeweiden der Brust- und Bauchhöhle.

[Seite 268]

a) Jo. Fr. Meckel de vasis lymphaticis glandulis-
que conglobatis. Berolin
. 1757. 4.

Alex. Monro de venis lymphaticis valvulosis. ibid.
eod
. 8.

b) W. Hunter's medical commentaries. P. I. p. 5.

§. 437.

Anlangend ihren Ursprung, so scheinen sie auf
die nämliche Weise, wie die Milchgefäße, aus dem
Darmkanal zu entstehen: nämlich jedes lymphati-
sche Reiserchen schlürft aus dem zunächstliegenden
Zellgewebe, gleichsam aus seinem Gebiete, den da-
rinn enthaltenen Duft ein, und treibt ihn sodann
weiter fort.

§. 438.

Diese lymphatischen Gefäße sind in ihrem Fort-
gange an verschiedenen Stellen mit doppelten Klap-
pen versehen; fast alle gehen in lymphatische Drü-
sen über; die nähern Zweige verbinden sich an man-
chen Stellen mit einander, und bilden besonders
auf der Oberfläche einiger Eingeweide, z.B. der
Lungen, der Leber, u.s.w. zierliche Netze.

§. 439.

Ihre Verrichtung wird, außer andern Hilfs-
mitteln, die aus dem Vorhergehenden bekannt sind,
vorzüglich durch ihre Zusammenziehbarkeit, und die
außerordentliche Stärke ihrer Membranen, die,
ihrer Zartheit ohnerachtet, bey anatomischen Ein-
spritzungen einer schweren Quecksilbersäule widerste-
hen, nicht wenig befördert; hiezu kömmt noch, be-
sonders an den Gliedmaßen, die Bewegung der
Muskeln, welche durch ihren mannigfaltigen Druck
diesen Gefäßen eine besondere Stärke ertheilen.

§. 440.

[Seite 269]

Was aber die Endungen dieser Lymphgefäße
betrifft, so sind die Physiologen verschiedener Mei-
nung. Einige behaupten, daß alle diese zurück-
führenden Gefäße in dem Brustmilchgang sich verei-
nigen (so wie die Blutadern des Körpers in die
Hohladern): andere hingegen sind der Meinung,
daß wenigstens die Lymphgefäße des rechten Arms,
und des Halses auf der rechten Seite nicht in diesen
allgemeinen Milchkanal, sondern vielmehr in die
rechte Schlüßelbeinsblutader sich endigen a); ande-
re nehmen an, daß diese Lymphgefäße wenigstens
in den lymphatischen Drüsen mit den Blutadern
zusammenstossen b); einige endlich vermuthen, und
zwar nicht ohne Wahrscheinlichkeit, daß noch ver-
borgene Wege vorhanden sind, wodurch der Darm-
kanal und der harnabsondernden Organe in wech-
selseitiger Verbindung stehen.

a) Sabatier & Mascagni I. c.

b) Hewson. opus posthumum. p. 37. not. *)

§. 441.

Da aber das System der lymphatischen Ge-
fäße durch den ganzen Körper sich verbreitet, und
überdieß ein großer Theil derselben an der Ober-
fläche der Haut außerhalb dem Körper befindliche
Feuchtigkeiten einsaugen kann, so erhellt daraus
von selbst, daß die eingesogene Lymphe nicht in
allen Theilen des Körpers einerley Beschaffenheit
haben könne; welches man auch bey genauern ana-
tomischen Untersuchungen bestätigt findet, so ist
z.B. die in den einsaugenden Gefäßen der Leber,
[Seite 270] oder Milz enthaltene Feuchtigkeit von derjenigen
unterschieden, welche in den einsaugenden Gefäßen
der Gebährmutter sich befindet.

§. 442.

Den vierten Theil des lymphatischen Systems
machen die lymphatischen Drüsen aus, deren Haupt-
nutzen darinn zu bestehen scheint, daß so verschie-
dene lymphatische Flüßigkeiten, besonders diejeni-
gen, welche von der Oberfläche des Körpers ein-
gesogen werden, durch eine langsamere Bewegung
(vielleicht auch noch durch eine aus den kleinsten
Schlagadern abgeschiedene Feuchtigkeit) der thieri-
schen Natur immer mehr verähnlichet, und die
nachtheiligen Folgen, welche eine allzuschnelle Bey-
mischung unverarbeiteter Säfte in dem Blute her-
vorbringen würde, verhütet werden a).

a) Diese Umwege, deren sich die vorsichtige Natur
bedient, um die eingesaugten Flüßigkeiten, be-
vor sie der Blutmasse beygemischt werden, durch
eine innigere Verarbeitung der thierischen Na-
tur mehr zu verähnlichen, und die schröcklichen
Zufälle, Herzklopfen, Zuckungen, u.s.w. wel-
che entstehen, wenn auch nur ein Tropfen einer
sonst unschädlichen Flüßigkeit in eine Blutader
gegossen wird, überzeugen mich täglich mehr,
daß die Blutadern keine fremdartigen Flüßigkei-
ten sondern nur Blut einsaugen können (z.B. beym
Steifwerden der männlichen Ruthe, beym Er-
röthen, im Mutterkuchen), und alle Einsaugun-
gen, welche Saller den Blutadern zueignete,
eine Verrichtung dieser einsaugenden Gefäße sind.

§. 443.

[Seite 271]

Uebrigens haben diese in dem ganzen Körper
vertheilte, hier und dort z.B. unter den Achseln,
in den Leisten gehäufte Drüsen mit den bereits er-
wähnten Gekrösdrüsen die vollkommenste Aehnlich-
keit; auch sie bestehen größtentheils aus zusammen-
gewickelten einsaugenden Gefäßen, auch sie sind
mit unzähligen Blutgefäßen versehen, und ähnli-
chen Krankheiten unterworfen.


Fünf u. dreyßigster Abschnitt.
Von der Bereitung des Blutes.

[Seite 272]

§. 444.

Unter der Blutbereitung verstehe ich hier dasjenige
Geschäft, wodurch der Speisesaft mit dem Blute
verähnlicht, und der allmälig entstehende Blutver-
lust durch den allmälig hinzukommenden Speisesaft
wieder ersetzt wird.

§. 445.

Und hierauf gründet sich die dreyfache Einthei-
lung der Flüßigkeiten des menschlichen Körpers,
in rohe, blutartige, und abgeschiedene Säfte.
(§. 4. 5.). Die mittlere Klasse enthält den eigent-
lichen Lebensstrom, aus dem beständig unzählige
Säfte abgeschieden werden, der aber auch durch
unzählige Seitenkanäle des einsaugenden Systems
beständig einen neuen Zufluß sowohl an Speisesaft,
als andern eingesogenen Feuchtigkeiten, bekömmt.

§. 446.

Da aber das Blut eine so ganz besondere,
und in seiner Art einzige Flüßigkeit ist, (§. 6.)
so erhellt daraus, daß mannigfaltige Hilfsmittel
vorhanden seyn müssen, wodurch die fremdarti-
gen Feuchtigkeiten, welche durch den Milchgang
[Seite 273] der Brust in das Blut überströmen, mit der gan-
zen Blutmasse verarbeitet, und verähnlichet werden.

§. 447.

Hierzu scheinen am meisten jene Windungen
und Krümmungen beyzutragen, die man, wie schon
erwähnt worden, an den einsaugenden Gefäßen, be-
sonders in den Gekrös- und andern lymphatischen
Drüsen, so häufig wahrnimmt, und wodurch die in
diesen Gefäßen enthaltenen Flüßigkeiten immer
mehr an den thierischen Stoff sich anquicken.

§. 448.

Sodann muß man erwägen, daß ein großer
Theil derjenigen Lymphe, welche mit dem Speisesaft
in dem Milchgange der Brust sich vermischt, und
durch die Schlüsselbeinblutader in die Blutmasse
fließt, aus den innersten Tiefen der Eingeweide,
und der übrigen weichen Theile des Körpers ge-
schöpft, und bereits vorher aus der allgemeinen
Blutmasse abgeschieden worden, folglich von der
thierischen Natur schon ganz durchdrungen, und zu
einer leichtern Verähnlichung mit dem Blute geschickt
gemacht ist.

§. 449.

Hiezu kömmt noch, wie oben gesagt worden,
daß der Speisesaft dem Blute langsam und tropfen-
weis beygemischt wird, wodurch diese kleinen Por-
tionen mit der Blutmasse desto inniger verarbeitet
werden können.

§. 450.

Aber auch der innere Bau des Herzens scheint
etwas dazu beyzutragen, insofern das mit dem
frischen Speisesafte geschwängerte Blut von den
zizenförmigen Muskeln des Herzens, womit die
[Seite 274] Herzkammern ausgerüstet sind, innigst verarbeitet,
und gleichsam verdickt wird.

§. 451.

Daß aber auch die Lungen, welche das mit
Speisesaft angefüllte Blut aufnehmen, und über-
haupt das ganze Geschäft des Athemholens zur
Verähnlichung des Speisesafts nicht wenig beytra-
gen, erhellt sowohl aus der gefäßreichen Natur
(§. 135.) als auch aus der immerwährenden,
gleichmäßig abwechselnden Bewegung dieses Ein-
geweides.

§. 452.

Das ganze Geschäft der Blutbereitung wird
endlich durch den größern Umlauf des Blutes, und
die umlaufbefördernden Kräfte, vorzüglich von der
Muskelbewegung u.s.w. vollendet.

§. 453.

Ohnerachtet so wichtiger und mannigfalti-
ger Hilfsmittel, wodurch die Vereinigung des
Speisesafts mit dem Blute bewirkt wird, so
scheint doch, daß schon die Bestandtheile des
Speisesafts mit den Bestandtheilen des Blutes
einige Aehnlichkeit haben. Doch müssen, wie
man gemeiniglich annimmt, einige Stunden ver-
fließen, bis der beygemischte Speisesaft seine na-
türliche weiße Farbe ablegt, und mit dem rothen
Blute vollkommen verarbeitet ist; diese Meinung
stützt sich, außer andern Gründen, auf die patho-
logische Erscheinung, daß, so oft einige Stun-
den nach der Verdauung eine Ader geöffnet wird,
ein ächter Speisesaft ausfließt. Ich hatte einmal
[Seite 275] selbst Gelegenheit gehabt, diese Erscheinung zu
beobachten; allein der Kranke hatte offenbar eine
entzündungsartige Beschaffenheit, (welche schon an
sich die Verähnlichung des Speisesafts hindert),
so, daß man daraus auf den gesunden Zustand,
mit dem sich die Physiologie eigentlich beschäftiget,
keinen richtigen Schluß machen kann.


Sechs u. dreyßigster Abschnitt.
Von der Ernährung.

[Seite 276]

§. 454.

Die Verrichtung des Blutes besteht nicht blos
darin, daß die Feuermaterie, wie aus den vorher-
gegangenen Untersuchungen erhellt, durch den gan-
zen Körper vertheilt, und das Brennbare dafür
zurückgeführt wird; das Blut hat außer dem noch
ein doppeltes Geschäft; es muß dem Körper die
Nahrungsmaterie, und den absondernden Organen
die zur Abscheidung bestimmten Säfte zuführen.
Wir wollen zuerst das Ernährungsgeschäft betrach-
ten.

§. 455.

Es ist aber die Ernährung das vornehmste
Geschäft der Natur, und ein ausschließendes Vor-
recht organisirter Körper, wodurch sie vor jeder an-
dern durch Menschenkunst zusammengesetzten Ma-
schine sogleich beym ersten Anblicke sich auszeichnen;
denn kein Künstler hat es bis itzt dahin gebracht,
daß seine Maschinen durch eine innerliche Kraft
wachsen, sich allmälig entwickeln, und vervollkom-
men; sie sind nicht einmal im Stande, sich selbst
zu erhalten, die abgeriebenen Theile zu ersetzen
u.s.w.

§. 456.

[Seite 277]

Diese ernährende Kraft ist die Quelle aller
jener Verrichtungen, wodurch nicht nur das Wachs-
thum des Körpers von dem Anbeginn unsers Da-
seyns an befördert, sondern auch dem Verlust der
Theile, indem der Körper sich selbst auf der einen
Seite beständig abnützt, auf der andern Seite vor-
gebeugt wird.

§. 457.

Nur über die Art und Weise, wie dieser Er-
satz geschieht, sind die Meinungen der Physiologen
getheilt; und zwar vorzüglich darüber, ob auch
die festen Theile unsers Körpers ernährt wer-
den a), oder ob diese vielmehr (wie einige scharf-
sinnige Männer behaupten b), nachdem sie einmal
vollkommen ausgebildet sind, unverändert bleiben?

a) Joh. Bernoulli in seiner diss. de nutritione.
Groning
. 1669. 4. schätzt diesen beständigen, aber
unmerklichen Verlust so hoch, daß er behauptet,
der menschliche Körper werde in einem Zeitraume
von drey Jahren gänzlich zerstört, und wieder
erneuert.

b) Remme Beurtheilung eines Beweises für die
Immaterialität der Seele aus der Medizin. Halle
1776. 8.

– – Zweifel und Erinnerungen wider die Lehre
der Aerzte von der Ernährung der festen Theile.
1778.

§. 458.

Von einigen gleichartigen festen Theilen, z.
B. von dem Oberhäutchen, den Nägeln, u.s.w.
[Seite 278] ist es ausgemacht, daß sie allmälig abgenützt, und
wieder erneuert werden. So auch die Knochen,
wie wir uns durch die Versuche überzeugen können,
die an warmblütigen mit Krapp ernährten Thieren
angestellt worden sind; dieß erhellt auch aus der
widernatürlichen Dünne der flachen Knochen, be-
sonders des Hirnschädels, die man im hohen Alter
aus Mangel gehöriger Ernährung nicht selten beo-
bachtet.

§. 459.

Ueberhaupt scheinen mir nur diejenigen Theile
unsers Körpers wechselsweis abgenützt, und durch
die Ernährung wieder ersetzt zu werden, die von der
Natur mit einer Reproduktionskraft versehen
sind, – jener sonderbaren Kraft, wodurch nicht
nur die im gesunden Zustande beständig abgeriebe-
nen Atomen wieder ersetzt, sondern auch der zufäl-
lige Verlust größerer Theile, welcher besonders
nach äußerlichen Verletzungen, Wunden u.s.w.
zu erfolgen pflegt, wieder gut gemacht wird; diese
heilsame Kraft ist sowohl bey Knochen a), als ei-
nigen andern so eben erwähnten Theilen außer allen
Zweifel gesetzt.

a) G. L. Köler experimenta circa regenerationem
ossium. Gotting
. 1766. 8.

§. 460.

Diese Reproduktionskraft ist, wie mich
meine sowohl an Menschen als warmblütigen Thie-
ren in dieser Absicht so häufig angestellten Versu-
che überzeugt haben, nur denjenigen festen Thei-
len verliehen, die, außer der Zusammenzieh-
[Seite 279] barkeit, mit keiner andern Lebenskraft, nämlich
weder mit der Reizbarkeit, noch Empfindlich-
keit, oder einem eigenthümlichen Leben begabt
sind a).

a) Daher ich auch die Stärke des Beweisgrundes,
wodurch Hr. v. Haller die Erneuerung der wei-
chen Theile zu erweisen sucht, nicht wohl einsehe:
‘„Wenn Knoch und Zähne erneuert, wenn so
alte Bestandtheile zerstört werden, und neue
an ihre Stelle treten, so dürfen wir desto we-
niger zweifeln, daß sich dieses auch an andern
und weichern Theilen ereignet.“’

§. 461.

In denjenigen Theilen also, welche gleichsam
mit diesen höhern Lebenskräften versehen sind,
scheint mir ihr Parenchyma, welches ihre eigen-
thümliche Grundlage ausmacht, unverändert zu
verbleiben; – Alle Veränderungen, denen dieses
Parenchyma ausgesetzt ist, bestehen darinn, daß
seine zelligten Zwischenräume, wenn die Ernäh-
rung gut von statten geht, voll der plastischen
Lymphe sind, sobald aber die Ernährung mangelt,
dieser Lymphe wieder beraubt werden, zusammen-
fallen, und gleichsam vertrocknen.

§. 462.

Diese plastische Lymphe, von deren Wichtig-
keit an einem Orte gehandelt worden ist, verwan-
delt sich sehr leicht in ein Zellgewebe, und scheint
vorzüglich den Nahrungsstoff auszumachen, der
[Seite 280] durch unzählige Blutgefäße allen Theilen des Kör-
pers zugeführt wird.

§. 463.

Doch kommen, besonders wenn der Körper
in seinem Wachsthume begriffen ist, einige Ne-
benkräfte hinzu, wodurch die aus den äußersten
Endungen der Blutgefäße in das Zellgewebe ergos-
sene Lymphe gleichmäßig vertheilt, mit jedem Pa-
renchyma gleichsam verähnlicht wird u.s.w. Dieß
geschieht, wie ich vermuthe, theils durch ein ge-
wisses Gesetz der Verwandtschaft, vermöge dessen
nur die gleichartigen Bestandtheile sich anziehen,
und einander nähern; theils durch den Bildungs-
trieb, der, wie wir in der Folge sehen werden,
den unförmlichen Stoff gehörig vertheilt, und in
eine bestimmte Form ausbildet.

§. 464.

Diesen Nebenkräften muß vorzüglich die Er-
nährung derjenigen gleichartigen Theile zugeschrie-
ben werden, die mit den Blutgefäßen in keiner
unmittelbaren Verbindung stehen, z.B. die Nä-
gel, Haare, u.s.w. demohnerachtet durch einen
unbezwinglichen, und sichern Trieb hervorkeimen,
wachsen, lebenslang ernährt, und wenn sie zufäl-
liger Weise abfallen, leicht wieder ersetzt werden.

§. 465.

So viel von dem Ernährungsgeschäfte im
Allgemeinen. Allein die Grade und Verschieden-
[Seite 281] heiten der Ernährung sind äußerst mannigfaltig,
und entstehen vorzüglich von dem schwächern oder
stärkern Anwurf des Nahrungsstoffes, wodurch
ein dichterer oder zärterer Körperbau, folglich auch
eine verschiedens spezifische Schwere der Körper a)
hervorgebracht wich. Was die spezifische Schwe-
re betrifft, so findet man diese Verschiedenheit
nicht blos zwischen einzelnen Personen, sondern
sogar zwischen ganzen Völkerschaften: z.B. an
einigen nordischen Völkern, die, wie wir aus Rei-
sebeschreibungen wissen, durch eine besondere Leich-
tigkeit ihres Körpers sich auszeichnen.

a) J. Robertson on the specific gravity of living
men. in philos. Transact. Vol
. I. P. I. p. 30.


Sieben und dreyßigster Abschnitt.
Von der Absonderung.

[Seite 282]

§. 466.

Außer den Nahrungssäften gibt es noch verschie-
dene andere Flüßigkeiten, die aus der Blutmasse
in mannigfaltiger Hinsicht abgeschieden werden. –
Eine Verrichtung, über die schon Haller sich be-
klagte, daß sie in der ganzen Physiologie eine der
dunkelsten Lehren sey.

§. 467.

So groß die Verschiedenheit der abgesonderten
Säfte einerseits immer seyn mag, so findet doch
eine so große Verwandtschaft zwischen denselben
statt, daß nur eine sehr willkührliche Klassifikation
der abgeschiedenen Säfte möglich ist; indessen schei-
nen sie mir, wenn man auf die größere oder gerin-
gere Veränderung, welche die in der Blutmasse
enthaltenen Bestandtheile in den Absonderungsor-
ganen erlitten haben, einigen Bedacht nimmt, am
natürlichsten in nachstehender Ordnung auf einan-
der zu folgen:

Zuerst also kömmt die Milch, die man eini-
germassen für einen reduzirten Speisesaft ansehen
kann, und aus der Blutmasse, nachdem sie kurz
[Seite 283] vorher durch den frischen Nahrungssaft eine Ver-
stärkung erhalten hat, auf eine sehr einfache Weise,
wie es scheint, abgeschieden wird.

Hierauf folgen die wäßerigten Säfte, wor-
unter die Augenfeuchtigkeiten und die Thränen ge-
hören; ferner der Schweiß; auch derjenige Duft,
der in den Zwischenräumen des Zellgewebes, in der
Brust- und Bauchhöhle enthalten ist; auch die
Feuchtigkeit des Herzbeutels, und der Duft, wel-
cher die Gehirnhöhlen, und die Schleimhöhlen
des Schädels befeuchtet, scheinen mir von dieser
Art zu seyn.

Auch der Harn wird, ohnerachtet derselbe
besondere Eigenschaften hat, gemeiniglich unter die
wäßerigten Feuchtigkeiten gezählt.

Etwas verschieden von diesen sind die spei-
chelartigen Säfte, welche zum Kauen, zur Ver-
dauung, und zur Bereitung des Speisesaftes be-
stimmt sind.

Zunächst kommen die schleimigten Säfte,
von denen die Höhlen derjenigen Eingeweide, wel-
che den natürlichen, und Geschlechtsverrichtungen
gewidmet sind, auch der Luftröhrenkopf und die
Luftröhre befeuchtet werden.

Eine große Aehnlichkeit mit diesen Säften hat
der Schleim, welcher das Innere des Auges über-
zieht, auch derjenige Schleim, welcher unter dem
Oberhäutchen liegt.

Die fetten Säfte sind, außer dem gewöhn-
lichen Fett, das Knochenmark, die Hautschmiere,
und das Ohrenschmalz.

Eine große Verwandtschaft mit diesen Säf-
ten hat diejenige Schmiere, welche an der Krone
der männlichen Eichel unter der Vorhaut, bey
[Seite 284] den Weibern aber an den äußerlichen Schaamthei-
len abgesondert wird.

Auch diejenige fette Feuchtigkeit, welche an
den Augenliedern in den Meibomischen Drüsen
abgeschieden wird.

Zu den gallertartigen Säften werden gemei-
niglich die Feuchtigkeit der Schaafhaut (liquor
amnii
), und die Gelenkschmiere gezählt; allein die
Beschaffenheit dieser Säfte ist uns noch nicht hin-
länglich bekannt; so wenig, als diejenige Feuchtig-
keit, die in der Gebährmutter bey der Begattung
sich ergießt.

Aber auch die Beschaffenheit derjenigen Feuch-
tigkeit, welche einige Monate nach der Empfäng-
niß zwischen dem chorion und amnion, ferner in
der Nabelblase der zärtesten Leibesfrucht, und so-
gar zwischen den dreyfachen Blutgefäßen des Na-
belstranges sich ansammelt, ist uns gleichfalls un-
bekannt.

Ein Seröser, oder eyweißähnlicher Saft,
scheint diejenige Feuchtigkeit zu seyn, welche in den
Graafischen Bläschen der weiblichen Eyerstöcke
enthalten ist; auch die Feuchtigkeit, welche in der
Vorsteherdrüse abgesondert wird.

Der männliche Saamen macht für sich ei-
ne eigene Flüßigkeit aus, und kann nicht wohl mit
andern Saften des menschlichen Körpers verglichen
werden.

Das nämliche gilt von der Galle.

§. 468.

Eine so große Mannigfaltigkeit der abgeson-
derten Säfte setzt nothwendig eine große Verschie-
denheit der Absonderungsorgane, und verschiedene
[Seite 285] Abscheidungsarten voraus. So werden einige Flüs-
sigkeiten auf dem kürzesten Wege, andere aber erst
durch große Umwege abgesondert, und weiter ver-
arbeitet.

§. 469.

Die einfachste Art der Absonderung ist das
Durchschwitzen der Flüßigkeiten durch die Häute der
Arterien; auf diese Weise wird das Fett, und
das Knochenmark ausgeschieden; auf eine ähnli-
che Weise wird vielleicht auch der Magensaft, der
Darmsaft u.s.w. in den häutigten Eingeweiden
abgesondert.

§. 470.

Etwas zusammengesetzter ist die Absonderung
durch Drüsen; wohin einige die Schleimhöhlchen
rechnen, dergleichen z.B. im Schlunde sitzen, und
die einfachsten Drüsen genennt werden.

Eigentlich aber verdienen nur die sogenann-
ten gehäuften – conglobatæ – (um sie von
den lymphatischen zu unterscheiden), den Namen
der Absonderungsdrüsen: z.B. die Speicheldrüsen,
das Pankreas, die Thränendrüsen, und die weib-
lichen Brüste. Alle diese Drüsen haben einen Aus-
führungsgang, und bestehen aus größern Lappen,
die wieder aus kleinern Lappen zusammengesetzt sind.
Allein über den innern Bau dieser kleinern Abschnit-
te ist von den Physiologen ehemals heftig gestritten
worden. Malpigh a) hielt die hirsenförmigen Kü-
gelchen, die in den meisten Drüsen von dem Ana-
tomiker sehr leicht dargestellt werden können, für
hohle Körnerchen. Ruysch hingegen erklärte diese
vermeinten hohlen Körnerchen für zusammenge-
[Seite 286] knäuelte Blutgefäße; und in der That bekömmt
diese Meinung durch die anatomische Zubereitung,
besonders durch feinere Einspritzungen, und durch
mikroskopische Wahrnehmungen einen hohen Grad
der Wahrscheinlichkeit.

a) Dessen Diss. de glandulis conglobatis. Londin.
1689. 4.

– – Opera posthuma. ibid. 1697. fol.

§. 471.

Mit diesem Bau haben einige absondernde Ein-
geweide, ihr eigenes Parenchyma ausgenommen,
eine auffallende Aehnlichkeit, z.B. die Leber und
die Nieren, welche zugleich über den Drüsenbau
ein großes Licht verbreiten; in diesen beyden Ein-
geweiden kann man diese Ruyschianischen Knäul-
chen, oder Malpighischen Körner am deutlichsten
wahrnehmen. Es entspringen nämlich in der rindig-
ten Substanz aus den haarförmigen Arterien Ne-
benzweige, welche in gefäßartige Knäule überge-
hen, die an diesen Arterienzweigen, wie Trauben-
körner an ihren Stielen, sitzen. Aus diesen arte-
riösen Knäulchen entspringen zuerst die feinsten, ab-
sondernden, farblosen Gefäße, (deren Ursprung
aus den Arterien §. 79. 81. erwähnt worden); so-
dann aber auch venöse Fäserchen, welche von um-
gebogenen Arterien gebildet werden, und das nach
der Absonderung übergebliebene Blut in die Stäm-
me der Blutadern zurückführen. a)

a) Schumlansky de structura renum. Argent. 1782.
4. Tab. II.

§. 472.

[Seite 287]

Bey einigen andern absondernden Eingewei-
den findet wieder ein verschiedener Mechanismus
statt, z.B. bey den Hoden die ganz aus ungemein
langen, zahlreichen, und fest zusammengerollten
Gefäßen bestehen.

§. 473.

Wir kommen nun auf die Untersuchung der
Ursachen, wodurch jede Flüßigkeit in ihren bestimm-
ten Organen abgesondert wird; allein diese ganze
Lehre ist noch ungemeinen Schwierigkeiten und
Zweifeln ausgesetzt.

§. 474.

Soviel scheint ausgemacht zu seyn, daß die
nächste Ursache der mehresten Absonderungen in dem
innern Bau der Absonderungswerkzeuge verborgen
liegt. Hieher gehört in den gehäuften Drüsen,
und absondernden Eingeweiden die besondere Rich-
tung und Vertheilung der Blutgefäße, aus denen
die Säfte abgeschieden werden; auch das eigenthüm-
liche Parenchyma, wodurch sich jedes absondern-
de Eingeweide schon beym ersten Anblick von jeder
andern Fleischmasse auszeichnet (§. 27.).

§. 475.

Ueberdieß ist es mir aus Gründen, die ich hier
und da schon angeführt habe, sehr wahrscheinlich,
daß die absondernden Eingeweide nicht nur ein ei-
genthümliches Parenchyma, sondern auch ein ei-
genthümliches Leben, das ist, eine besondere Art
der Lebenskraft besitzen, die man von den allgemei-
[Seite 288] nen Lebenskräften, nämlich von der Zusammenzieh-
barkeit, Reizbarkeit, und Empfindlichkeit wohl
unterscheiden muß.

§. 476.

Aber such das einsaugende System hat einen
großen Einfluß auf das Absonderungsgeschäft, in-
dem es solche Flüßigkeiten einsauget, und in das
Blut zurückführt, die schon von demjenigen Safte,
der in demselben Organ abgesondert wird, gleichsam
angesteckt ist; z.B. eine galligte Flüßigkeit aus der
Leber, eine saamenartige aus den Hoden u.s.w.

Es herrscht daher bey dem Absonderungsge-
schäft ein beständiger Kreislauf; aus den Abson-
derungsorganen werden gleichsam die Bestandtheile
der abzusondernden Flüßigkeiten in die Blutmasse
zurückgeführt, und kommen mit dem fortströmenden
Blute wieder zu diesen Absonderungsorganen hin,
wo sie alsdann nach gewissen Gesetzen der Verwandt-
schaft desto leichter angezogen werden, und die
gleichartigen Theile aus der Blutmasse mit sich fort-
reißen.

§. 477.

Die Absonderung der Säfte wird manchmal
durch die besondere Beschaffenheit des Blutes, aus
dem die Flüßigkeit zunächst abgeschieden wird, nicht
wenig befördert: dieß ist der Fall bey der Galle,
welche aus dem Blute der Pfortader abgeschieden
wird; denn das in dem Pfortadersystem enthaltene
Blut ist schon an den Quellen, von denen es her-
strömt, mit häufigem Brennbaren überladen.

§. 478.

[Seite 289]

Ich übergehe hier andere Hilfsmittel, wo-
durch einige Arten der Absonderungen befördert
werden: z.B. die Anhäufung, und Ableitung,
welche bey der Absonderung der Milch in den weib-
lichen Brüsten sehr deutlich ist; u.s.w.

§. 479.

Man beobachtet aber an den Flüßigkeiten,
nachdem sie in bestimmten Organen, durch die itzt
erwähnten Kräfte abgesondert worden, eine dop-
pelte Verschiedenheit: denn einige treten aus dem
Blute unmittelbar in das zu ihrer Verrichtung be-
stimmte Organ über; andere aber werden vorher
in besondere Behältnisse abgesetzt, wo sie verwei-
len, und gleichsam zur Reife gedeihen müssen,
bevor sie ausgeleert werden können; z.B. die
Milch in den Milchgängen, der Harn, die Galle,
und der Saamen in ihren häutigen Behältnissen,
und einigermassen auch das Serum in den Bläs-
chen der weiblichen Eyerstöcke.


Acht und dreyßigster Abschnitt.
Von dem Harn.

[Seite 290]

§. 480.

Die Blutmasse enthält nicht nur die zur Ernäh-
rung, und zur Abscheidung bestimmten Säfte
(§. 4.), sondern auch unnütze, überflüßige Aus-
würfe (Extremente der zweyten Kochung), und
zwar von zweyfacher Art, nämlich die Ausdün-
stungsmaterie, von der wir in einem besondern
Hauptstücke gehandelt haben, und den Harn, der
in den Nieren abgeschieden wird.

§. 481.

Beyde Nieren a) liegen an der obern Len-
dengegend, hinter dem Darmfell, auf jeder Sei-
te eine; etwas flachgedruckt; übrigens sind sie so-
wohl an Gestalt, als Anzahl unter allen Einge-
weiden des Körpers den meisten Veränderungen
ausgesetzt; b) sie hangen an den sogenannten va-
sis emulgentibus
c) – die im Verhältniß zu dem
Eingeweide, zu dem sie hingehen, außerordentlich
groß sind – und werden von einem fast inseltar-
tigen Fett unterstützt (§. 38.).

a) Schumlansky I. c.

[Seite 291]

b) Ger. Blasii renum monstrosorum exempla, ad
calcem
Bellini de structura & usu renum. Edit.
Amstelod
. 1665. 12.

c) Eustach. T. I–V.

§. 482.

Sie sind in eine eigene, schöne, gefäßreiche
Membran eingehüllt; jede Niere scheint, besonders
bey Kindern, aus acht, oder wohl noch mehrern
kleinern Nieren zusammengesetzt zu seyn, deren
jede, wie Ferrein behauptet, aus 70–80 flei-
schigten Stralen besteht, die von demselben die
weißen Pyramiden genannt werden.

§. 483.

Die Nieren bestehen, wenn man sie von dem
convexen Rücken gegen das Nierenbecken zu auf-
schneidet, aus einer zweyfachen Substanz: diejeni-
ge, welche zunächst an der Oberfläche liegt, heißt
die rindigte, die innere aber, die markigte Sub-
stanz.

Beyde bestehen aus einer großen Anzahl Ar-
terien und Venen; doch hat die Rinde überdieß
äußerst feine, farblose Gefäße, a) welche den Harn
absondern, das Mark hingegen Kanäle, welche
denselben ausführen.

Diese absondernden Gänge entspringen auf die
oben erwähnte Weise (§. 471.) aus zusammen-
geknäuelten, in der rindigten Substanz festsitzenden
Arterien, die auch bey weitem den größten Theil
der Nierenborke ausmachen, und sich durch ihren
sonderbaren geschlängelten Verlauf von den ausfüh-
renden, oder Bellinischen Röhrchen deutlich unter-
scheiden, obschon sie endlich selbst in dieselben über-
[Seite 292] gehen. Denn die Bellinischen Ausführungsgänge
gehen geraden Weges aus der Rinde in das Mark
über, bilden den größten Theil dieser Substanz,
vereinigen sich nach vielfältigen Zusammenstossungen
in eine kleinere Anzahl von Stämmen, die mit ih-
ren Mündungen die in dem Nierenbecken befindlichen
Wärzchen, wie ein Sieb, durchbohren. b)

a) Diese absondernden Gänge scheinen den Ferrein
verleitet zu haben, sie für eine ganz neue Art von
Gefäßen zu halten, welche er nervenlymphati-
sche Gefäße, oder weiße Röhrchen nannte, aus
denen, nach seiner Meinung, das Parenchyma
aller Eingeweide bestünde, und von welchen er
behauptete, daß sie so zart wären, daß die Län-
ge derselben, die sich in der Niere eines erwachse-
nen Menschen befinden, 10000. Klaftern betrüge.

b) Eustach. Tab. XI. fig. 10.

§. 484.

Die Anzahl dieser Wärzchen entspricht ge-
meiniglich der Anzahl der Abschnitte, aus denen die
ganze Niere besteht; sie entleeren den Harn, der
von den farblosen Gefäßen der rindigten Substanz
abgeschieden, und von dort durch die Bellinischen
Röhrchen weiter geleitet worden ist, zuerst in ihre
Trichter, welche endlich in ein gemeinschaftliches
Becken zusammenfließen.

§. 485.

Unmittelbar aus dem Nierenbecken entstehen
die Harnleiter: (ureteres) nämlich häutigte, sehr
empfindliche Kanäle, die inwendig mit einem
[Seite 293] Schleime überzogen, und einer beträchtlichen Er-
weiterung fähig sind; ihre Weite ist in dem mensch-
lichen Körper nicht durchgängig gleich; a) endlich
senken sie sich an der hintern und untern Seite in
die Blase, doch so, daß sie ihre Wände nicht so-
gleich durchbohren, sondern vorher zwischen der
Muskel- und zelligten Haut (die hier überhaupt dicker
sind), tiefer hinuntersteigen, und alsdann erst in
einer schiefen Richtung in die Blasenhöhle sich eröf-
fen; dieser Bau verhindert, daß der Harn, welcher
durch die Harnleiter in die Blase tröpfelt, durch
dieselben Kanäle nicht wieder zurückfließen kann.

a) v. Nuck adenographia. fig. 32. 34. 35.

§. 486.

Die Harnblase selbst a) faßt bey erwachsenen
Menschen gemeiniglich gegen zwey Pfund Urin;
sie ist sowohl an ihrem Grunde, der in dem unge-
bohrnen Kinde in den Urachus sich endiget, als an
ihrer hintern Fläche mit dem Bauchfelle überzogen;
übrigens kommen ihre Häute mit den Membranen
des Magens überein.

Die Muskelhaut besteht aus unterbrochenen
Fleischfasern, die sich auf eine mannigfaltige, und
in verschiedenen Körpern verschiedene Weise durch-
kreuzen, und die Blase umziehen; man nennt sie
gemeiniglich den harntreibenden Muskel; so wie
hingegen die Kreisfasern, welche den Hals der
Harnblase umgeben, deren Ursprung und Gestalt
äußerst veränderlich ist, den Namen des Schließ-
muskels erhalten haben.

[Seite 294] Die vorzüglichste Stärke dieses membranösen
Eingeweides rührt von der sogenannten Nervenhaut
her.

Die innerste Haut, eine Fortsetzung des
Oberhäutchens, ist, besonders an dem Blasenhal-
se, mit einem Schleime überzogen.

a) Duverney oeuvr. anatom. Vol. II. Tab. I–IV.

§. 487.

Außer diesen öffentlichen Harnwegen gibt es,
wie es scheint, noch einige verborgene Gänge, wel-
che die Flüßigkeiten aus dem Darmkanale unmittel-
bar zu den harnabsondernden Organen hinführen.
Denn es ist gar nicht wahrscheinlich, daß das Ge-
tränk, welches so schnell durch die Harnblase ab-
geht, und nicht selten an Farbe und Geruch unver-
ändert erscheint, schon den langen Weg durch den
Milchbrustgang, und durch das ganze System der
Blutgefäße zurückgelegt habe; man hat sogar beo-
bachtet, daß noch das Oel, welches kurz vorher
mit einem Klystier in den Mastdarm gekommen
war, auf dem Urin obenauf schwam. Sodann
kennt man ja die großen, und häufigen Anmündun-
gen, welche zwischen den einsaugenden Gefäßen des
Darmkanals und der Nieren statt finden. Endlich
zeigen dieß die Versuche an lebendigen Thieren:
wenn man einem Hunde die Harnleiter unterbindet,
und die Blase entleeret, so findet man demohner-
achtet drey Stunden darauf in der Blase wiederum
Urin, obgleich der gewöhnliche Weg versperrt war,
und die Harnleiter oberhalb der Unterbindung von
dem Urin stark ausgedehnt sind. a)

a) Philosoph. Transact. No. 67.

§. 488.

[Seite 295]

Durch was immer für Wege der Harn in die
Blase kommen mag, so wird er doch endlich durch
seine Menge lästig, und (§. 330.) erregt einen
Drang zur Entleerung, wozu die Harnröhre be-
stimmt ist, welche nach der Verschiedenheit des
Geschlechts sich richtet, und folglich bey der Ab-
handlung über die Geschlechtsverrichtungen umständ-
licher beschrieben werden soll.

§. 489.

Die Entleerung der Harnblase geschieht, in-
dem die Kraft des Schließmuskels sowohl durch ih-
ren eigenen harntreibenden Muskel, (§. 486.) als
auch durch die Gegenwirkung der Bauchmuskeln,
und der Werkzeuge des Athemholens, überwältigt
wird; hierzu kommen noch bey dem männlichen Ge-
schlechte die Treibmuskeln, welche jeden in der Harn-
röhre zurückbleibenden Tropfen Urin auspressen.

§. 490.

Was aber die Beschaffenheit des Urins be-
trifft, so ist derselbe nach dem Alter, nach der
Witterung, vorzüglich aber, nachdem er sogleich
auf das Essen und Trinken, oder später gelassen
worden, ferner nach der verschiedenen Beschaffen-
heit der Nahrungsmittel u.s.w. ungemein ver-
schieden. a) Ueberhaupt ist der nach einem ruhigen
Schlafe von einem erwachsenen und gesunden Men-
schen frisch gelassene Harn eine brenzligte, zitron-
gelbe, wässerigte Lauge, die in einer großen Men-
ge Wasser verschiedene, in verschiedenem Verhält-
niß aufgelöste Bestandtheile enthält: vorzüglich aber
[Seite 296] Erde und Salz. Unter den erdigten Bestandtheilen
zeichnet sich besonders, die Kalkerde aus, die in den
Nieren- und Blasensteinen in verschiedener Menge
angetroffen wird. b) Unter den Salzen ist das
wesentliche Harnsalz c) das merkwürdigste (sal
essentiale
& nativum urinae, s. microcosmicum,
s. fusibile) welches häufiger, als die übrigen Thei-
le des menschlichen Körpers, eine mit flüchtigem
Laugensalze verbundene Phosphorsäure d) enthält.

a) Halle sur les phenomenes & les variations, que
présente l'urine considerée dans l'état de santé
.
Mem. de la Soc. de Med. Vol. III. p. 469.

b) Pickel Experimenta ap. Jo. Jac. Hartenkeil de
vesìcae urinariae calculo. Wirceburg
. 1785. 4.
p. 27.

c) Jo. Alb. Schlosser de sale orinae humanae nativa.
L. B
. 1758. 4.

Jo. Wenc. Tichy de arenulis in lotio adparentibus,
ut infallibili salutaris morborum eventus signo
prognostice. Prag.
1774. 8. p. 59.

d) Bertholet Mèm. de l'acad. des Sc. de Par. a
1780. p. 10.

Th. Lauth (praes. Spielmann) de analysi urinae &
acido phosphoreo. Arg. 1781. 4.


Neun und dreyßigster Abschnitt.
Von dem Geschlechtsunterschied über-
haupt.

[Seite 297]

§. 491.

Obgleich alle Verrichtungen des menschlichen Kör-
pers, von denen wir bisher gehandelt haben, bey-
den Geschlechtern gemeinschaftlich zukommen, so
wird man doch in der Art und Weise, wie einige
dieser Verrichtungen von statten gehen, nach der
Verschiedenheit des Geschlechts einen merklichen Un-
terschied gewahr, a) von dem wir itzt, bevor wir
zu den eigentlichen Geschlechtsverrichtungen überge-
hen, kürzlich handeln wollen.

a) F. Thierry E. praeter genitalia sexus inter se
discrepant. Paris
1750. 4.

§. 492.

Schon die äußerliche Leibesbeschaffenheit (ha-
bitus
) der Geschlechter ist verschieden. Bey dem
gebohrnen Menschen fällt dieser Unterschied deut-
lich in die Augen; allein bey ungebohrnen Kindern
ist diese Verschiedenheit beym ersten Anblick nicht
[Seite 298] so merklich: indem man sogar an den äußerlichen
Geschlechtstheilen, wenn man sie nur obenhin be-
trachtet, keine auffallende Verschiedenheit wahr-
nimmt; denn der weibliche Embryo hat eine nach
dem Verhältniß zu große, und hervorragende Kli-
toris, a) in dem männlichen hingegen ist noch
kaum eine Spur des Hodensackes vorhanden. b)

a) Langguth Embryo 3 1/2 mensium qua faciem exter-
nam. Viteb.
1751. 4.

b) Erst unlängst sah ich dieß an einem Zwillingsab-
ortus von verschiedenem Geschlechte, von unge-
fähr 16. Wochen. Beyde Körperchen waren zwar
vollkommen ausgebildet; allein der Unterschieb
der Geschlechtstheile zeigte sich erst bey einer ge-
nauern Untersuchung; alles übrige, nämlich die
Gestalt, die Gesichtszüge, das Verhältniß der
Lenden u.s.w. waren in beyden einander voll-
kommen ähnlich.

§. 493.

Aber sogar in dem kindlichen Alter ist dieser
Geschlechtsunterschied noch nicht deutlich genug ent-
wickelt; allmälig wird derselbe in dem Jünglings-
alter sichtbar, in welcher Periode sodann der weib-
liche Körper durch seine Zartheit, Weiche, und
kleinere Statur von dem robusten, fleischigten
Körper des Mannes auffallend sich unterscheidet. a)

a) S. die berühmten Abbildungen des männlichen
und weiblichen Körpers, welche ohne Zweifel von
dem berühmten Titian gezeichnet worden, und
[Seite 299] in Vesals epitome suorum librorum de c. h.
anatome. Basil
. 1542. fol. stehen.

§. 494.

Aber nicht blos die äußerliche Leibesbeschaf-
fenheit, sondern auch der Knochenbau beyder Ge-
schlechter ist verschieden; denn die Knochen des
weiblichen Skelets sind verhältnißmäßig glatter, und
runder, besonders sind die röhrigten Knochen
schmächigter, die flachen hingegen dünner; ich über-
gehe die übrigen Verschiedenheiten des weiblichen
Gerippes mit Stillschweigen, z.B. des Beckens,
der Schlüßelbeine, der Schenkelknochen u.s.w. a)

a) Ausführlicher habe ich diese Verschiedenheiten in
meinem osteologischen Werke beschrieben.

§. 495.

Was die weichen Theile des Körpers be-
trifft, so ist überhaupt das Zellgewebe der Frauen-
zimmer schlapper, nachgiebiger, damit es bey
Schwangern desto leichter nachgiebt; die Haut ist
feiner, und das darunter liegende Fett von weis-
serer Farbe.

Ihre Haare sind meistens länger, andere
Theile hingegen, welche bey Männern behaart sind,
haben in dem weiblichen Körper entweder gar kei-
ne Haare, wie das Kinn und die Brust; oder sind
weniger behaart, wie der Damm; oder nur mit
einer zarten und weichen Wolle überzogen, wie die
Arme und die Schenkel.

§. 496.

[Seite 300]

Unter die besondern Abweichungen der körper-
lichen Geschäfte gehört die Verschiedenheit des Pul-
ses, der bey Frauenzimmern öfter schlägt (§. 109.);
der obere Theil der Brust ist beweglicher; das Zun-
genbein ist kleiner, der Luftröhrenkopf enger, da-
her auch ihre Stimme minder tief ist.

§. 497.

Anlangend die thierischen Verrichtungen, so
haben die Frauenzimmer überhaupt ein bewegli-
cheres Nervensystem, eine höhere Reizbarkeit, und
eine größere Empfänglichkeit für Leidenschaften.

§. 498.

In Rücksicht auf die natürlichen Verrichtun-
gen, so beobachtet man bey dem andern Geschlechte
eine schwächere Eßlust; aber der weibliche Körper
wächst überhaupt schneller, und erreicht früher den
Zeitpunkt der Mannbarkeit.

§. 499.

Allein der vornehmste und wichtigste Geschlechts-
unterschied beruht auf den verschiedenen Geschlechts-
verrichtungen, wodurch der Mann zur Erzeugung,
das Weib aber zum Empfangen fähig gemacht
wird; von diesen beyden Verrichtungen wollen wir
nun umständlich handeln.


Vierzigster Abschnitt.
Von den männlichen Geschlechtsverrich-
tungen.

[Seite 301]

§. 500.

Die männliche Zeugungsmaterie wird in beyden
Hoden abgesondert, die in dem Hodensacke an ihren
Saamensträngen (funiculi spermatici) hängen,
welche außer den häufigen einsaugenden Gefäßen,
aus dreyerley Gefäßen bestehen.

Nämlich aus der Saamenarterie, welche in
Rücksicht ihres Durchmessers unter allen Arterien
des menschlichen Körpers die längste ist, und das
Blut meistentheils unmittelbar aus der aorta ab-
dominali
zu den Hoden hinführt.

Sodann aus dem abführenden Saamengang
(ductus deserens), der den abgesonderten Saa-
men nach den Saamenbläschen hinführt.

Endlich aus einem Blutadergeflechte (plexu
pampiniformi
), wodurch das übrige Blut aufge-
nommen, und entweder in die Hohlader, oder in
die Nierenvene zurückgeführt wird.

§. 501.

Aber die Hoden liegen nicht von jeher in dem
Hodensacke; sie haben in dem ungebohrnen männ-
lichen, noch unreifen Körper eine ganz andere La-
[Seite 302] ge, deren Beschaffenheit und allmälige Veränderun-
gen von Hrn. v. Haller im Jahre 1749. a) zuerst
genauer untersucht worden sind; ob man gleich diese
Lage nachher verschiedentlich erklärt, und in Rück-
sicht gewisser Umstände auch bestritten hat. Ich
liefere hier eine kurze Uebersicht dieser Veränderun-
gen, so wie ich sie durch wiederholte Zergliederun-
gen ungebohrner männlicher Leibesfrüchte in der Na-
tur selbst wahrgenommen habe.

a) Halleri progr. de herniis congenitis recus. in
ej. opusc. patholog. p
. 311. sq. Vol. III. ope-
rum minor
.

§. 502.

Wenn man also den Unterleib einer unreifen
ungebohrnen Leibesfrucht öffnet, so erscheint in bey-
den Schaamweichen, an dem sogenannten Ringe
der schiefen Bauchmuskeln, in dem Darmfelle selbst
eine sehr enge Mündung (– Taf. III. Fig. 1. e.
und Fig. 2. –), die zu einem engen Kanal führt,
welcher diesen Ring durchbohrt, und in einen be-
sondern blasigten Sack übergeht (– Fig. 1. d –),
der außer der Höhle des Unterleibes gegen den Ho-
densack hervorragt, mit zelligten Fasern durchwebt,
und zur Aufnahme der Hoden in der Folge be-
stimmt ist.

§. 503.

Ferner entspringt an eben diesem hintern Ran-
de dieser in dem Unterleibe befindlichen Mündung
ein anderer Fortsatz des Darmfells, der aber seine
Richtung aufwärts nimmt, und in der Leibesfrucht
(– Fig. 2. –) meistentheils nur eine länglichte
[Seite 303] Falte vorstellt, an deren Grundfläche ein kleiner Cy-
linder, oder vielmehr ein umgekehrter Kegel empor-
steigt, dessen oberster Theil an dem untern Rande
der Niere in eine Blase übergeht, woran der Hode
sammt der Nebenhode (– Fig. 1. a und Fig. 2.
–) festsitzt; so daß der Hode gleichsam eine noch
an ihrem Stiele befestigte Beere vorstellt, und wie
die Leber, oder die Niere frey in der Bauchhöhle
zu schweben scheint (§. 404.).

§. 504.

Die Gefäße aber, aus denen in der Folge der
Saamenstrang besteht, laufen hinter dem Bauchfel-
le, welches in diesem Alter der Leibesfrucht äußerst
zart, und gleichsam durchsichtig ist: nämlich die
Saamenarterie, und Saamenvene (– Fig. 1. b. f.
) welche an den Seiten des Rückgrads herunter
steigt, und der abführende Saamengang (– c. g.
–), der einwärts nach dem Hals der Harnblase (–
b –) hingeht, laufen in die hinter dem Darmfelle
befindliche Zellhaut, und befestigen sich an der erwähn-
ten Falte des Darmfelles an dem Hoden selbst.

§. 505.

Aber schon gegen die Hälfte der Schwangerschaft
steigen die Hoden allmälig abwärts, und nähern sich
also der oben erwähnten Mündung des Bauchfells;
zugleich wird diese Falte des Bauchfells mit ihrem
Cylinder zusammengewickelt, bis endlich der Hode
selbst auf die Mündung des kleinen Kanals zunächst
zu liegen kömmt.

§. 506.

Wenn nun in der schon etwas reifern Leibes-
frucht der Hode zum Hinuntersteigen bereitet ist,
[Seite 304] so wird die bisher so enge Mündung dergestalt er-
weitert, daß derselbe sowohl durch den Bauchring,
als auch durch den engen Kanal austreten, und sich
in den gemeldten blasigten Sack gleichsam hinein-
stürzen kann; worauf diese Oeffnung des Bauch-
fells sich schließt, und in kurzer Zeit so fest ver-
wächst, daß schon in dem kindlichen Alter keine
Spur mehr von derselben zu sehen ist.

§. 507.

So langsam auch immer die Bewegung des
Hodens in der Bauchhöhle seyn mag, bis er zu
dieser Oeffnung gelanget, so geschwind, und fast
plötzlich ist sein Durchgang durch diese Oeffnung
selbst. Denn man findet sehr oft bey der Zer-
gliederung ungebohrner Kinder, daß der Hode
entweder noch oberhalb der Darmfellöffnung liegt,
oder, nachdem er schon durch den Bauchring ge-
treten ist, in den Schaamweichen steckt; nur ein-
mal ist es mir geglückt, daß ich in einem Zwil-
lingsfoetus, von dem ich hier eine Zeichnung lie-
fere, a) den rechten Hoden in der Bauchhöhle in
dem nämlichen Augenblicke traf, da er in diesem
engen Durchgange gleichsam eingesperrt saß (–
Fig. 1. a –), und eben im Begriffe war, aus
dem Unterleibe in das Beutelchen herunter zu sin-
ken; der linke Hode hatte diesen Weg bereits zu-
rückgelegt, und die Oeffnung in der Bauchhöhle
war schon fest geschlossen (– e –).

a) Man vergleiche mit dieser Zeichnung auch die
Zeichnungen anderer Schriftsteller.

Joh. Hunter in seines Bruders Wilhelms medical
commentaries
.

[Seite 305]

Camper. in Verhandelingen van het Matschapye v.
Haarlem
VII. D. 1. St.

Girard. in appendice ad tab. posth. Santorini.

Vicq d'Azyr in Mem. de l'ac. des sc. de Par. a. 1780.

§. 508.

Dieser merkwürdige Durchgang der Hoden aus
der Bauchhöhle durch die Weichen ist zwar an kei-
ne bestimmte Zeit gebunden, ereignet sich aber doch,
wie es scheint, gemeiniglich in dem letzten Monate
der Schwangerschaft: ob man gleich nicht selten in
neugebohrnen Kindern die Hoden entweder noch in
der Bauchhöhle selbst, oder oben an der Schaam-
weiche antrifft. Denn der Hode muß sich, nach-
dem er schon aus der Bauchhöhle hervorgetreten
ist, mit seinem Beutelchen, worinn er eingeschlos-
sen liegt, einen neuen Weg aus den Weichen in
den Hodensack bahnen.

§. 509.

Diese fortschreitende Bewegung der Hoden
aus dem Unterleibe in den Hodensack ist durch wie-
derhohlte Erfahrungen außer allen Zweifel gesetzt.
Aber die Ursachen und Kräfte dieser sonderbaren
Wanderung sind schwer zu ergründen. Denn ich
werde täglich mehr überzeugt, daß keine von allen
diesen Kräften, denen man bisher diese fortschreiten-
de Bewegung der Hoden zugeschrieben hat, (z.
B. die Wirkung des Kremasters, oder des Zwerch-
fells, oder die bloße Zusammenziehbarkeit der mit
sehnigten Fasern durchwebten Zellhaut, welche an
diese Fortsätze des Bauchfells befestigt ist, und
unter dem Namen des gubernaculi Hunteriani be-
kannt ist, u.s.w.) zur Erklärung dieser so merk-
[Seite 306] würdigen Erscheinung hinlänglich ist: ich halte die-
se Verrichtung vielmehr für ein auffallendes Bey-
spiel des eigenthümlichen Lebens, ohne dessen Bey-
hilfe man sich von dieser merkwürdigen, und in ih-
rer Art einzigen Verrichtung nicht wohl einen Be-
griff zu machen im Stande ist.

§. 510.

Die Bedeckungen, in welche die Hoden, nach-
dem sie den beschriebenen Weg zurückgelegt haben,
eingehüllt sind, werden in die gemeinschaftlichen,
und in die jedem Hoden eigenthümliche Hüllen
eingetheilt.

Die allgemeine Hülle ist der Hodensack: ei-
ne dünne Haut, mit wenig darunter liegendem Fett,
die sich vor andern allgemeinen Bedeckungen vor-
züglich dadurch auszeichnet, daß sie ihre Gestalt
auf verschiedene Weise verändert, bald locker und
schlapp herunter hängt, zuweilen aber (besonders
während der Begattung, in der Kälte u.s.w.)
sich zusammenzieht, und gleichsam steif wird, wo sie
alsdann besondere Runzeln und Furchen bildet.

§. 511.

Unter die eigenthümlichen Hüllen gehört zuerst
die Dartos, welche eine eigene und starke Zu-
sammenziehbarkeit besitzt, wodurch Winslow, Hal-
ler und andere berühmte Physiologen verleitet wor-
den sind, und dieser Haut eine muskelartige Na-
tur zugeschrieben haben.

§. 512.

Auf diese folgt (nach einer häufigen und wei-
chen Zellhaut) die dreyfache Scheidehaut, welche
Neubauer genau untersucht, und beschrieben hat.

[Seite 307] Nämlich die äußere, den Hoden und dem Saa-
menstrang gemeinschaftliche Scheidehaut, woran
sich der Kremaster mit von einander stehenden
Bündeln befestigt.

Sodann die innern eigenthümlichen Scheiden
sowohl des Saamenstranges, als des Hoden selbst;
die letztere ist gemeiniglich mit ihrer Grundfläche
an die gemeinschaftliche Scheidehaut befestigt; in-
nerlich aber wird sie von einer schlüpfrigen Feuchtig-
keit (fast wie der Herzbeutel) benetzt.

§. 513.

Der Ursprung dieser Scheidehäute, worüber
die Physiologen verschiedene Streitigkeiten erregt
haben, ist, wie mir scheint, aus dem, was bis-
her von dem Heruntersteigen der Hoden gesagt wor-
den, leicht zu erklären.

Nämlich die allgemeine Scheidehaut entsteht
von dem blasigten Säckchen, oder dem herunterstei-
genden Fortsatze des Bauchfells (§. 502.).

Die eigenthümliche Scheidehaut des Ho-
dens entspringt von demjenigen Fortsatze des Bauch-
fells, der von dem Cylinder (§. 503.) aufwärts
steigt, und schon anfangs den Hoden überzieht.

Die eigenthümliche Scheidehaut des Saa-
menstranges hat ihren Ursprung von der Falte des
Bauchfells, und von dem Cylinder, in den sie
übergeht, bevor sie noch den Hoden selbst umfaßt.

§. 514.

An dem Hoden selbst a) ist wie eine Rinde
die tunica albuginea befestigt, aus welcher die
Blutgefäße in die breyartige Substanz b) des Ho-
[Seite 308] dens selbst übergehen, welcher ganz aus unzähligen,
ungefähr einen Daumen langen, in kleine Knäule
zusammengewickelten, sowohl blutführenden, als
absondernden Gefäßen c) zusammengesetzt ist. Die
saamenabscheidenden Gefäße führen den Saamen
durch Hallers gefäßartiges Netz, d) und die
Graafischen ausführenden Kanäle e) in die Kegel-
spitze der Nebenhoden.

a) Al. Monro de testibus & de semine in variis ani-
malibus. Edinb.
1755. 8.

b) B. S. Albini annot. acad. L. II. Tab. VII. fìg.
1. 2. 3.

c) Herr Sömmering war unlängst so glücklich, so-
wohl sämmtliche Gefäße des Hodens, als auch
den Kopf des Nebenhodens anzufüllen. Ueber
die körperliche Verschiedenheit des Negers vom
Europäer. S. 38.

d) Haller de viis seminis in philosophical Transact.
No
. 494. fig. 1. g. g.

e) de Graaf de viror. organis generationi inservien-
tibus. Tab.
IV. fig. 1. 2.

§. 515.

Der dem Hoden zur Seite befindliche Neben-
hode besteht aus einem einzigen, aber ungefähr 30
Fuß langen Kanal, der an einem Theile, den
man den Kopf der Nebenhode nennt, in mehr als
zwanzig kegelartige Knäulchen abgetheilt ist, a)
mit dem andern aber, der allmälig dicker wird, b)
und der Schwanz heißt, in den abführenden Saa-
mengang sich endiget.

[Seite 309]

a) Monro fil. observations anatomical, and physiolo-
gical. Edinb
. 1758. 8. Tab. I. E. E. E. F. G. H.

b) B. S. Albini Annot. acad. L. II. Tab. III.
fig. 1.

§. 516.

Beyde abführende Saamengänge steigen
gegen den Blasenhals in die Höhe, neigen sich un-
ter der Vorsteherdrüse gegen einander, beugen sich
sodann rückwärts, und bilden durch ihre Erweite-
rung die Saamenbläschen: doch so, daß sowohl
aus den Saamengängen, als aus den Saamenbläs-
chen zwey gemeinschaftliche Mündungen unter dem
Hahnenkopf in die Harnröhre sich öffnen. a)

a) B. S. Albini I. c. I. IV. Tab. III. fig. 1. 2. 3.

§. 517.

Die Saamenbläschen endlich selbst sitzen an
der hintern, und untern Fläche der Harnblase, sind
mit einem häufigen Fett umgeben, und stellen
überhaupt zween kleine Därme vor, welche verschie-
dene Krümmungen machen, und mit sehr vielen
blinden Fortsätzen versehen sind. a)

Sie bestehen, fast wie die Gallenblase, aus
einer zweyfachen Membrane: die äußere ist stärker,
und gleicht der sogenannten zelligten Haut: die in-
nere ist feiner, voll Fächer und Grübchen, und
durch emporragende Anhöhen (wie an dem Halse
der Gallenblase) gleichsam in Zellen abgetheilt.

[Seite 310]

a) S. die Zeichnungen bey Graaf, Haller, Albin
und Monro dem Sohn.

§. 518.

In diesen bisher beschriebenen Wegen wird
von dem Zeitpunkte der Mannbarkeit an der männ-
liche Saamen langsam, und in geringer Menge
abgeschieden. Es ist aber der Saamen eine be-
sondere, ungemein wichtige Flüßigkeit, die eine
weißlichtgelbe Farbe, einen ganz eigenen Geruch,
eine schleimigte Zähigkeit hat, und an specifischer
Schwere alle übrige abgeschiedene Säfte des mensch-
lichen Körpers weit übertrifft.

§. 519.

Die Saamenfeuchtigkeit zeichnet sich überdieß
(wie Lud. Ham ein Danziger im Jahre 1677.
zuerst beobachtet hat, a) durch die unzählige Men-
ge von Infusionsthierchen aus, die aber in dem
Saamen verschiedener Thiere eine verschiedene Ge-
stalt haben. In dem Menschen (und im Esel b) sind
die Saamenthierchen eyrund, und feingeschwänzt:
übrigens werden sie, wie man behaupten will, nur
in dem gesunden und fruchtbaren Saamen gefunden,
so daß man dieß einigermassen als ein Nebenkenn-
zeichen seiner Reife ansehen kann: ich sage aber
blos ein Nebenkennzeichen; denn daß diese Saamen-
thierchen keine befruchtende Kraft besitzen, noch viel
weniger die ersten Keime der künftigen Generationen
enthalten, verdient bey so wichtiger Beweisgründen
und Beobachtungen c) kann angemerkt zu werden.

a) Fr. Schrader de microscop. usu in natur. scientia,
& anatome Gotting. 1685. 8. p. 34.

[Seite 311]

b) W. Fr. Gleichen über die Saamen- und Infu-
sionsthierchen. Nürnb. 1778. 4. Tab. I. fig. 1.

c) Besonders Spallanzani in opuscoli di fisica ani-
male e vegetabile. Mutina
1776. 8. Vol. II. und
in Dissertacioni. 1780. 8. Vol. II.

§. 520.

Diese in den Saamenbläschen allmälig gesam-
melte Zeugungsflüßigkeit wird bis zur künftigen Ent-
leerung aufbewahrt, und während dieser Verwei-
lung, wie die Galle in der Gallenblase, indem ihr
der wässerigte Theil entzogen wird, allmälig ver-
dickt, und gleichsam konzentrirt.

§. 521.

Denn nicht nur die Hoden sammt ihren Saa-
mensträngen sind mit einer Menge einsaugender Ge-
fäße versehen, welche die wässerigte, von dem Saa-
men gleichsam angesteckte Flüßigkeit in die Blutmas-
se zurückführen, und auf diese Weise die fernere Ab-
scheidung des Saamens befördern (§. 476.): sondern
auch die Saamenbläschen haben solche einsaugende
Gefäße, welche die überflüßige Feuchtigkeit einsau-
gen, und den Saamen dadurch kraftvoller machen.

§. 522.

Nur daran zweifle ich noch sehr, ob im ge-
sunden Zustande aus den Saamenbläschen jemals
ein ächter Saamen in das Blut zurückgeführt wer-
de: – Noch mehr bezweifle ich, daß der Saamen,
wie man einst behauptete, in die nächsten Blut-
adern zurücktrete: – am unwahrscheinlichsten aber
kömmt es mir vor, daß durch diese Einsaugung der
Saamenfeuchtigkeit dem allzuheftigen und überspann-
[Seite 312] ten Triebe zum Beyschlaf vorgebeugt werde, da dieß
vielmehr (wenn man die Erscheinungen an Thieren,
welche eine periodische Brunstzeit haben, mit der
Leibesbeschaffenheit entmannter Thiere vergleicht),
eine unbendige, und fast rasende Geilheit verursa-
chen muß.

§. 523.

In dieser Hinsicht scheint mir vielmehr der Mensch
einen andern Vorzug, (der ihm, so viel mir bekannt
ist, unter allen andern Thieren ausschlußweise zu-
kömmt), erhalten zu haben, nämlich die nächtlichen
Saamenergießungen, die ich als natürliche Ent-
leerungen betrachte, wodurch der männliche Körper,
nach dem jedesmaligen Bedürfnisse seiner Leibesbe-
schaffenheit, öfter oder seltner von dem lästigen,
und überflüßigen Saamen befreyet wird.

§. 524.

Der männliche Saamen wird aber nie allein,
sondern allzeit mit dem Safte der Vorsteherdrü-
se ausgeleert; dieser Saft sieht dem Eyweiße ähn-
lich, und hat diese Benennung von seiner Quelle
erhalten, nämlich von einem beträchtlichen Körper,
der aus einem besondern, ziemlich festen Parenchy-
ma besteht, zwischen den Saamenbläschen und dem
Zwiebel der Harnröhre liegt, und die Vorsteher-
drüse genennt wird. Die Ausleerungswege dieser
Flüßigkeit sind noch nicht hinlänglich bekannt, es
wäre denn, daß dieselben mit der Saamenkarunkel,
dessen mittlere Mündung zwischen beyden Mündun-
gen der Saamenbläschen (§. 516) in die Harnröhre
sich öffnet, in Verbindung stehen. a)

a) Morgagni adversar. anat. fig. 1. 2.

§. 525.

[Seite 313]

Die männliche Harnröhre ist ein gemeinsa-
mer, für dreyerley Flüßigkeiten bestimmter Aus-
leerungsgang; nämlich für den Harn, den Saamen,
und für den Saft der Vorsteherdrüse. Sie wird
von einem Schleime befeuchtet, der aus den häufi-
gen in diesem Kanale zerstreuten Schleimhöhlen a)
abgeschieden wird. Die Harnröhre selbst ist mit
einem schwammigten Gewebe überzogen, auf dem
noch zwey andere, aber dickere schwammigte
Körper b) liegen, woraus vorzüglich das Zeugungs-
glied besteht, welches vorwärts in die Eichel sich
endiget, und überhaupt mit einer zarten, fettlosen,
und nachgiebigen Haut überzogen ist, die an der
Krone des männlichen Gliedes die Vorhaut zu bil-
den anfängt, und ganz frey über die Eichel, wie
die Augenlieder über den Augapfel, sich schieben
läßt. Die innere Verdoppelung der Vorhaut ver-
ändert, indem sie (beynahe wie die weiße Haut des
Auges) über die Eichel sich zurückbeugt, ihre Ge-
stalt, und ist an der Krone mit häufigen Littria-
nischen Drüsen besetzt c) – die einigermassen den
Meibomischen Drüsen der Augenlieder ähnlich sind
– und eine besondere Schmiere absondern. d)

a) Ja. Ladmiral effigies penis humani. L. B. 1741. 4.

b) Ruysch observat. anat. chirurg. centur. p. 99.
fig. 75.–82.

– – Epist. problemat. fig. 2. 4. 6. 7.

c) Morgagni adversar. anat. I. Tab. IV. fig. 4. I. K.

d) Daß diese Schmiere bey jungen Mannspersonen,
wenn sie sich stark erhitzen, leicht sich anhäuft,
[Seite 314] in käsigte Klumpen gerinnt, und durch ihre Schär-
fe einen Reiz verursacht, ist bekannt. Dieser Un-
bequemlichkeit sind besonders die Bewohner heis-
ser Länder ausgesetzt, und der Hauptnutzen der
Beschneidung scheint darinn zu bestehen, daß sie
diese lästige Anhäufung verhindert. Daher in
dem so heißen Senegambien sogar einige Chri-
sten sich beschneiden lassen, und die im Orient sich
aufhaltenden Europäer am häufigsten von diesem
Uebel geplagt werden. Aus diesem Grunde hat
schon ehmals der berühmte Wundarzt seines Zeit-
alters Guido de Cauliaco behauptet, (in der
Mitte des XIV. Jahrhunderts) daß die Beschnei-
dung außer den Juden und Sarazenen auch an-
dern Mannspersonen zuträglich sey: – ‘„Prop-
terea, quod non congregantur sordities in radice
balani,
& calefacerent ipsum.“’ Chirurgiae Tr.
VI. doctr. II. p. m. 111.

§. 526.

Durch diese Einrichtung erlangt das männ-
liche Zeugungsglied das Vermögen der Erektion,
damit es nämlich durch die schnelle und plötzliche
Ergießung des Blutes in die schwammigten Kör-
per (wofern nicht die einzige, doch die Hauptur-
sache der Erektion) anschwillt, steif wird, und
seine Lage verändert, nachher aber, wenn das
überflüßige Blut wieder zurücktritt, wieder ab-
nimmt, und zusammenfällt.

§. 527.

In diesem Zustande der Schlappheit macht
das Zeugungsglied gleich bey seiner Entstehung
von dem Blasenhalse eine besondere Krümmung, a)

[Seite 315] wodurch zwar das Urinlassen erleichtert, die Saa-
menergießung hingegen verhindert wird; b) indem
alsdann der Anfang der Harnröhre mit den Mün-
dungen der Saamenbläschen einen spitzern Winkel
macht.

a) Camper demonstrat. anat. pathologic. I. II. Tab.
fig
. 1.

b) Gysb. Bendt de fabrica & usu viscerum uropoie-
ticorum L. B.
1744. 4. – recus. in Halleri
collect. disput. anatom. T. III. Tab. III.

§. 528.

Wenn nun das Zeugungsglied anschwillt, so
pflegt zuerst der Saft der Vorsteherdrüse auszuflies-
sen, der oft ganz allein, und nur selten mit dem
Harn zugleich sich ergießt; er scheint übrigens vor-
züglich dazu bestimmt zu seyn, daß er mit dem
Saamen zugleich sich ergieße; es sey nun, daß er
durch seine eyweißähnliche Schlüpfrigkeit die Ent-
leerung der zähen Saamenfeuchtigkeit befördere,
oder zu dem Zeugungsgeschäft etwas beytrage.

§. 529.

Erregt wird die Ergießung des Saamens so-
wohl durch die lästige Anhäufung desselben in den
Sammenbehältnissen, als auch durch den Geschlechts-
trieb: vollendet aber zuerst durch den heftigen Kitzel,
wodurch der Weg dem Harn versperrt, dem Saa-
men aber gleichsam geöffnet wird; sodann durch ei-
ne krampfartige Zusammenziehung der Saamenbläs-
chen, durchs konvulsivische Bewegungen des Aufheb-
muskels des Afters und der harntreibenden Muskel,
und durch eine zwar vorübergehende und geringere,
aber doch gleichsam epileptische Erschütterung des
Nervensystems.

Ein und vierzigster Abschnitt.
Von den weiblichen Geschlechtsverrich-
tungen überhaupt.

[Seite 316]

§. 530.

So wie die männlichen Geschlechtsteile zur Mit-
theilung des Saamens bestimmt sind, so besteht
das Geschäft der weiblichen Geschlechtsorgane in
der Aufnahme der Zeugungsmaterie. Inzwischen
haben doch einige Geschlechtsteile des männlichen
und weiblichen Körpers eine ähnliche Struktur.
So liegt unter der Schaamgegend (wovon §. 36.
eine vorläufige Erwähnung geschehen) unter der
obern Vereinigung der Schaamlippen die Klitoris,
welche der männlichen Ruthe in mehreren Stücken
ähnlich ist, ausgenommen, daß sie von der Harn-
röhre getrennt, folglich undurchlöchert, und in ei-
nem richtig gestalteten Körper sehr klein ist. Denn
manchmal hat man sie auch bey erwachsenen Frau-
enzimmern von einer solchen Größe angetroffen,
die man verhältnißmäßig nur im weiblichen Foetus
wahrnimmt (§. 492.). Diese Verunstaltung hat
ohne Zweifel zu den meisten Zwitterfabeln die er-
ste Veranlassung gegeben. a) Auch die Klitoris be-
steht aus schwammigten Körpern, wird steif, ist
[Seite 317] mit einer Vorhaut bedeckt, und mit einer Schmie-
re versehen, die mit der Litterischen (§. 525.)
Schmiere eine große Aehnlichkeit hat. b)

a) Halleri Commentar. soc. scient. Gotting. Vol. I.
pag. 12. sqq.

Abbildungen von solchen Zwittern findet man in
Gauttir observations sur l'histoire nat. a. 1752. 4.

b) Da diese Schmiere in heißen Klimaten auf eine
ähnliche Weise, wie bey Männern angehäuft wird,
und durch ihre Schärfe einen Reiz verursacht, so
ist bey verschiedenen Völkerschaften in Afrika und
in dem heißesten Theile von Asien die Beschnei-
dung der Mädchen eingeführt worden. Herr Nie-
buhr hatte die seltene Gelegenheit die Geschlechts-
theile eines beschnittenen arabischen Mädchens
von ungefehr 18. Jahren abzuzeichnen. (Dessel-
ben Beschreib. von Arabien S. 77.)

Ich habe diese Zeichnung mitgetheilt in de generis
humani varietate. Tab
. II. fig. 4.

§. 531.

An der Klitoris herunter steigen die Nym-
phen, welche zuweilen zu einer außerordentlichen
Größe a) anwachsen, wodurch ein anders Mähr-
chen veranlaßt worden; b) sie sind, wie es scheint,
dazu bestimmt, den Stral des Harns zu leiten,
indem die Harnröhre in diesem Geschlechte sehr
kurz ist, und die Mündung derselben (welche in
vollkommenen Körpern mit Wimpern besetzt ist, c)
unter diesen Schaamlefzen gleichsam verborgen
liegt.

[Seite 318]

a) Sogar ihre Zahl ist manchmal veränderlich.
Neubauer de triplici nympharum ordine. Jenae
1774. 4.

b) Von der sonderbaren Bauchhaut der Hottentot-
ten; die aber schon ehmals ein Arzt, der Augen-
zeuge war, für widernatürlich große Nymphen
erklärt hat. Wilhelm. ten Rhyne de promonto-
rio bonae spei. p.
33.

Etwas ähnliches erzählt von den Kamtschadalinnen
Steller: Beschreidung von dem Lande Kamtschat-
ka. S. 300.

c) Ich sah diese mit zierlichen Wimpern besetzte
Mündung der Harnröhre in einem merkwürdigen
Präparat von den Geschlechtsteilen eines alten
Weibes, wo noch das Jungfernhäutchen unver-
sehrt war, und überhaupt alle Zeugungstheile
auf das vollkommenste gebildet waren.

§. 532.

Unter dieser Mündung der Harnröhre liegt
die Mutterscheide, um die verschiedene Arten von
Schleimhöhlen herumsitzen, worunter z.B. die
Graafischen a) Schleimhöhlen der Harnröhre,
und die von Bartholin b) sehr unschicklich soge-
nannten Mündungen der Vorsteherdrüsen gehören,
die mit ihrem schmierigten Schleime die Zeugungs-
theile befeuchten. c)

a) Jo. Jac. Huber Icones uteri; in Halleri fascic.
I. Tab. II. fìg. 1. g.

[Seite 319]

b) Ibid. fig. 1. b. b.fig. 5. d.

c) Hierher gehören auch jene zwo Mündungen, wel-
che Jo. Dryander an dem äußersten Ende der
Mutterscheibe in lebenden Weibspersonen sehr
oft gesehen hat. Nic. Massae epist. medic. T. I.
p. 123. b.

§. 533.

Der Eingang der Mutterscheide selbst wird von
dem Jungfernhäutchen a) verschlossen: Dieses
Zeichen der unversehrten Jungferschaft ist außer
dem Menschen keiner andern Thiergattung verlie-
hen, und der Nutzen dieser Membran ist bis itzt
noch unbekannt.

Die Ueberbleibsel des zerstörten Jungfernhäut-
chens bilden allmälig myrthenförmige Wärzchen
von unbestimmter Zahl.

a) Huber l. c. fig. 3. 4. 6.

B. S. Albini annot. acad. L. IV. Tab. IV.

§. 534.

Die Mutterscheide steigt zwischen der Harn-
blase und dem Mastdarme aufwärts. Sie besteht
aus einem zelligten, mit vielen Blutgefäßen ver-
sehenen Gewebe; unterwärts wird sie von dem
Schließmuskel der Scheide – constrictor cun-
ni –
a) umgeben; von innen ist sie mit einer sehr
zarten Haut bekleidet, welche eine doppelte Säule
zierlicher Falten bildet b), nämlich vorwärts und
rückwärts c), aus denen beständig ein befeuchten-
der Schleim in die Höhle der Mutterscheide abge-
setzt wird.

[Seite 320]

a) Eustachii Tab. XIV. fig. 1. X. X.

Santorin. Tab. posth. XVII. I. I.

b) Huber de vaginae uteri structura rugosa, nec non
de hymene. Götting
. 1742. 4.

c) Halleri Icones anatom. fasc. II. Tab. VI. fig. 1. 2.

§. 535.

An dem obern Umfange der Scheide sitzt die
Gebährmutter, welche durch die breiten Mutter-
bänder auf beyden Seiten befestigt wird.

Ihr cylindrischer Hals a) wird von der Schei-
de umfaßt, und von einem engen Kanal durchbohrt,
der so, wie die Scheide, mit vielen Falten verse-
hen ist, und dessen Mündungen, nämlich der äus-
sere, vorzüglich aber der innere Muttermund, von
einem zähen Schleime schlüpfrig gemacht werden.

a) Roederer Icones uteri humani. Tab. VII. fig. 2.
3. 4.

§. 536.

Die Substanz der Gebährmutter ist sehr merk-
würdig; sie besteht aus einem eigenen, sehr dich-
ten Parenchyma a), das mit sehr vielen Blutge-
fäßen, die in sonderbaren Krümmungen sich schlän-
geln, durchwebt ist b); doch sind die Venen mit
keinen Klappen versehen. Ohne Zweifel sind auch
einsaugende Gefäße zugegen c). Die Menge der
Nerven ist überaus groß d), wodurch jene merk-
würdige Mitempfindung der Gebährmutter mit den
meisten Theilen des Körpers unterhalten wird.

[Seite 321]

a) Jo. Gottfr. Weisse (Praes. G. Rudolph Boehmer)
de structura uteri non musculosa, sed celluloso-
vasculosa. Vitemb.
1784. 4.

b) Walter de morbis peritonaei. Tab. I. II.

c) Morgagni advers. anat. IV. p. 135.

d) Walter tab. nervor. thorac. & abdom. Tab. I.

§. 537.

Die äußere Oberfläche der Gebährmutter wird
vom Bauchfelle überzogen, die innere enge Höhle
aber, besonders der Grund, wird von einer wei-
chen, zarten, schwammigten Membran bekleidet,
die, wie einige behaupten a), aus farblosen Ge-
fäßen (§. 80.), nach anderer Physiologen b) Mei-
nung hingegen, aus einsaugenden Gefäßen besteht.

a) Ferrein Mem. de l'acad. des scienc. de Paris
1741.

b) Mascagni l. c. p. 4.

§. 538.

Anlangend die Muskelfasern, welche von eini-
gen Physiologen der Gebährmutter zugetheilt a),
von andern aber abgesprochen werden b), so will
ich hier nur soviel erinnern, daß ich bisher bey
meinen genauesten Untersuchungen sowohl der schwan-
gern, als nicht schwangern Gebährmutter (in Prä-
paraten sowohl, als in frischen Leichnamen) nicht
die mindeste Spur einer Muskelfaser entdecken konn-
te; Ich werde hingegen täglich mehr in der Mei-
nung bestärkt, daß die Gebährmutter, indem sie
keine Muskelfasern hat, auch keine Reizbarkeit
(§. 306.), sondern ein eigenthümliches Leben (§. 47.)
[Seite 322] besitzt, das ihren verschiedenen Bewegungen und
Verrichtungen, welche nicht wohl von den gemein-
schaftlichen Lebenskräften der gleichartigen Theile
(§. 43–46.) hergeleitet werden können, genau
entspricht.

a) Sue in Mem. presentés. Vol. V.

b) Walther Betracht. über die Geburtstheile des
weiblichen Geschlechts. S. 25.

§. 539.

An den Seiten des Muttergrundes entstehen
die Muttertrompeten a), zween enge und ge-
schlängelte Kanäle, welche auf der obern Verdop-
pelung der breiten Bänder fortlaufen; ihr Bau hat
mit der Mutterscheide eine große Aehnlichkeit,
ausgenommen daß die Muttertrompeten von innen
faltenlos sind, und aus einem zarten, schwammig-
ten Gewebe bestehen.

a) Fallopii observat. anatom. p. 197.

§. 540.

Diejenige Mündung der Muttertrompeten,
welche sich in die Bauchhöhle öffnet, ist nicht nur
weiter, als die Mündung der Gebährmutter, son-
dern zeichnet sich auch durch besonders zierlich ge-
staltete, und gleichsam ausgeschweifte Franzen
aus, die ohne Zweifel bey der Empfängniß eine
wichtige Rolle spielen, indem sie während dem
Beyschlaf, so wie die Muttertrompeten selbst, auf-
schwellen, und die Eyerstöcke, wie es wahrschein-
lich ist, umfassen.

§. 541.

[Seite 323]

Die Eyerstöcke selbst a) bestehen, außer ei-
ner festen, und fast sehnigten Hülle, aus einem
dichten Zellgewebe, das ungefähr 15 Graafische
Eyerchen enthält, nämlich Bläschen oder vielmehr
Tropfen eines gelblichen eyweißartigen Safts, der
auch, wenn man den frischen Eyerstock in siedendes
Wasser setzt, wie Eyweiß gerinnet.

a) Stenon verglich die weiblichen Eyerstöcke zuerst
mit den männlichen Hoden. Element. myologic.
specimen. a
. 1667. p. 117.

§. 542.

In diesem eyweißartigen Safte besteht ohne
Zweifel der vorzüglichste Antheil des Weibes an der
Empfängniß; denn es ist höchst wahrscheinlich,
daß mit den zunehmenden Jahren der Mannbar-
keit ein Tropfen nach dem andern den erforderlichen
Grad der Reife erlangt, durch die Hülle des Eyer-
stocks dringt, bis er endlich diese Hülle selbst zer-
reißt, und von den Franzen der Muttertrompeten
aufgenommen werden kann.

§. 543.

Daß übrigens während dem Beyschlafe, außer
diesen hervorspringenden eyweißartigen Tropfen,
noch eine andere Feuchtigkeit sich ergieße, die die
Alten sehr unrichtig den weiblichen Saamen
nannten, ist eine bekannte Sache; aber die eigent-
liche Beschaffenheit, die Quellen, die Nothwendig-
keit, und der Nutzen dieser Feuchtigkeit sind uns
noch unbekannt. a)

[Seite 324]

a) Da wir von dieser Feuchtigkeit nichts bessers
aufweisen können, als was uns der unsterbliche
Harväus mitgetheilt hat, so werde ich hier dessen
eigene Worte anführen:

‘„Non omnes quorumlibet animalium foeminas,
nec mulieres quidem omnes, talem humorem
emittere, nec citra ejusmodi emissionem con-
ceptum necessario frustrari; (novi enim pluri-
mas, quae citra talem ejectionem foecundae sa-
tis essent,
& nonnullas etiam, quae postquam
emissionem ejusmodi expertae sunt, majori qui-
dem voluptate in coitu delectarentur, sed de
foecunditate solita plurimum amitterent. Infinita
etiam exempla sunt foeminarum, quae licet in
coito voluptatem sentiant, nihil tamen emittunt,

& nihilominus concipiunt). Miror maxime, eos,
qui emissionem hanc ad generationem necessariam
putant, non animadvertisse, humorem illum fo-
ras ejici,
& circa clitoridem vulvaeque orificium
utplurimum profundi; raro intra vulvam, nun-
quam vero intra uterum, ut cum maris spermate
misceatur; esseque consistentia serosum, seu icho-
rosum, ad modum urinae; non autem geniturae
instar, lentum atque unctuosum, ut tactu facile
innotescit
.“’ Exercis. de generet. animalium. p.
95. Ed. Lond. 1651. 4.


Zwey und vierzigster Abschnitt.
Von der monatlichen Reinigung.

[Seite 325]

§. 544.

Eine der gewöhnlichsten und wichtigsten Verrich-
tungen der Gebährmutter ist die monatliche Rei-
nigung, welche ohngefähr dreyßig Jahre nach ein-
ander in monatlichen Perioden erfolgt. – Ein
Gesetz, das die Natur keinem andern Thierge-
schlechte aufgelegt hat, a) und dem die Weiber
aller bis itzt bekannten Völkerschaften ohne Aus-
nahme unterworfen sind; b) so groß ist der Ein-
fluß dieser Verrichtung auf die Fruchtbarkeit des
weiblichen Geschlechts.

a) Es haben zwar einige Schriftsteller der Natur-
geschichte, und vorzüglich Herr Buffon, diese pe-
riodische Reinigung, außer dem Menschen, auch
andern Thiergeschlechtern (besonders den Affen)
zugeeignet. Nachdem ich aber die Gelegenheit
hatte mehrere Weibchen aus denjenigen Affenar-
ten, von denen man dieß behauptet, (z.B. den
Waldaffen, den Cynomolgen, den Mandril, u.
s. w.) mehrere Jahre nacheinander zu beobach-
ten, so bin ich nun gänzlich überzeugt, daß die-
[Seite 326] se angebliche Reinigung entweder gar nicht statt
findet, oder blos auf einen sparsamen, unordent-
lichen, und an keine bestimmte Zeit gebundenen
Mutterblutfluß hinausläuft.

Eben so fabelhaft ist die Erzählung einiger Reise-
beschreiber, daß die Weiber einiger, besonders
amerikanischer Völker keine monatliche Reini-
gung haben. Diese Sage ist ohne Zweifel da-
durch veranlaßt worden, daß die Europäer an
den dortigen Weibern, die fast ganz nackt vor
ihren Augen herumgiengen, keine Merkmaale die-
ses Blutflusses entdecken konnten; dieß konnte sich
aber aus einer doppelten Ursache ereignen; theils
weil die Amerikanerinnen, wenn sie die Reinigung
haben, aus einem glücklichen Nationalvorurtheil
für vergiftet gehalten werden, und daher, von der
Gesellschaft der Männer ausgeschlossen, ihre Zeit
in den entferntsten Hütten im Müßiggange zubrin-
gen. – Sodann mag auch die außerordentliche
Reinlichkeit, und eine sittsamere Lage der Schen-
kel viel dazu beytragen, daß die monatliche Rei-
nigung nicht so sehr in die Augen fällt. Andr.
van Berkel
Amerikansche voyagien na Rio de
Berbice en Suriname. p
. 21.

§. 545.

Dieser Monatfluß beginnt in unserm Klima
gewöhnlich gegen dem fünfzehnten Jahre, und
pflegt sich durch vorhergehende Zufälle von Voll-
blütigkeit, nämlich Blutanhäufung gegen die Brust,
ziehende Schmerzen in der Lendengegend, Müdig-
keit u.s.w. anzukünden. Bey dem ersten Ein-
tritt der Reinigung ergießt sich anfangs blos eine
[Seite 327] röthlichte Feuchtigkeit, worauf sodann ein rötheres
Blut, und endlich eine dicke Blutmasse ausgeleert
wird: dieser Blutfluß dauert einige Tage, und die
beschriebenen Zufälle verschwinden.

§. 546.

Dieser Blutfluß stellt sich nun nach vier Wo-
chen wieder ein, und hält ohngefähr sechs Tage
an, binnen welcher Zeit der ganze Blutverlust bey
einem gesunden Frauenzimmer etwa sechs Unzen,
auch wohl ein Pfund beträgt.

§. 547.

In der Schwangerschaft, und während dem
Säugen setzt die monatliche Reinigung aus.

Nachdem aber diese Verrichtung ungefähr 30
Jahre gedauert hat, hört sie endlich gänzlich auf,
welches in unserm Klima gemeiniglich gegen das
fünf und vierzigste Jahr zu geschehen pflegt.

§. 548.

Die Quellen dieses monatlichen Ausflusses sind
die Blutgefäße der Mutterscheide, oder, welches
viel wahrscheinlicher ist, die Arterien der Gebähr-
mutter; denn die Beyspiele, daß Frauenzimmer,
die schwanger waren, oder eine verschlossene Mut-
terscheide hatten, oder mit einem Vorfalle der um-
gestülpten Gebährmutter behaftet waren, demohn-
erachtet die monatliche Reinigung bekommen, sind
vielmehr ein Beweis von dem heilsamen Bestreben
der Natur, welche das Blut, wenn der natürliche
Ausfluß gehemmt wird, auch durch ungewöhnliche
Wege auszuleeren weis. Ueberdieß hat die Zer-
gliederung solcher Weibspersonen, welche während
[Seite 328] der monatlichen Reinigung starben, deutlich gezeigt,
daß die Gebährmutter die Quelle dieses Blutflusses
ist. a) Ich übergehe hier die Beweisgründe a prio-
ri
; denn die Endursache der monatlichen Reini-
gung besteht wahrscheinlich darinn, daß die Ge-
bährmutter durch diesen monatlichen Blutfluß zur
künftigen Schwangerschaft und Ernährung der Lei-
besfrucht vorbereitet werde. Und aus eben diesen
Gründen scheint dieser Blutfluß vielmehr ein Antheil
der Arterien als der Venen der Gebährmutter zu seyn.

a) Morgagni advers. anat. I. Tab. III. M. M. M.

§. 549.

Was aber die Ursachen dieses periodischen
Blutflusses betrifft, so ist die Erforschung derselben
bis ißt so vielen Schwierigkeiten ausgesetzt, daß
wir hier nur einige Wahrscheinlichkeiten, über die
man sich nicht wohl hinauswagen darf, vorbringen
können a).

Die nächste Ursache scheint in einer örtlichen
Vollblütigkeit der Gebährmutter zu liegen; und
hiemit stimmen sowohl die Symptomen der eintre-
tenden Reinigung, als auch die Menge und Be-
schaffenheit der Blutgefäße, mit denen die Gebähr-
mutter versehen ist, überein.

Unter die entfernten Ursachen scheint sowohl
die aufrechte Lage des menschlichen Körpers (wo-
durch sich derselbe von allen andern Thiergeschlech-
tern auszeichnet), als auch das besondere Paren-
chyma und das eigenthümliche Leben der Gebähr-
mutter zugehören.

[Seite 329] Anlangend die Ursache der periodischen Wie-
derkehr, so ist es besser, daß wir über diesen Punkt
unsere gänzliche Unwissenheit bekennen, als eiteln
Hypothesen nachjagen: indem alle periodischen Er-
scheinungen, sowohl im gesunden als kranken Zu-
stande, deren Epochen über 24 Stunden sich
erstrecken, als Natur geheimnisse betrachtet werden
müssen.

a) Abr. d'Orville (praes. Haller) causae menstrui flu-
xus disquisitio. Götting
. 1748. 4.

Gisb. Verz. Muilman an ex celebrata hactenus opi-
nione de plethora universali vel particulari vera
fluxus menstrui causa explicari possit? L. B
.
1772. 4.

Jac. Fr. Martley de mensibus. Edinb. 1783. 8.

Theod. Traug. Joehkel (praes. Krause) aetiologia flu-
xus menstrui. Lips
. 1784. 4.


Drey und vierzigster Abschnitt.
Von der Milch.

[Seite 330]

§. 550.

Eben so wichtig, als die Verrichtung der Gebähr-
mutter, ist auch das Geschäft der weiblichen
Brüste, dieser heiligen Quellen, und Erzieherin-
nen des Menschengeschlechts. Beyde Organe sind
in dem kindlichen Alter geschäftlos, aber auch bey-
de werden bey herannahender Mannbarkeit zugleich
thätig, die Gebährmutter entleert sich vom Blute,
und die Brüste schwellen an; von diesem Zeitpunk-
te fangen die Verrichtungen dieser beyden Organe
entweder zugleich an, so daß bey zunehmender
Schwangerschaft die Brüste anschwellen, und Milch
absondern, oder sie wechseln miteinander ab, in-
dem der Monatfluß, so lange die Mutter das Kind
säugt, stillsteht, wenn aber die Mutter nicht säugt,
die Kindbettreinigung dafür desto häufiger fließt
u.s.w. Endlich hören bey zunehmendem Alter
die Verrichtungen beyder Organen zugleich auf;
die monatliche Reinigung hört auf zu fliessen, und
die Brüste geben keine Milch, und erschlappen.
Ich übergehe die pathologischen Erscheinungen bey
der widernatürlichen Beschaffenheit der monatlichen
[Seite 331] Reinigung, z.B. beym weißen Flusse, und andern
dergleichen Zufällen, wo dieser Konsensus der Ge-
bährmutter und der Brüste deutlich in die Augen
fällt.

§. 551.

Diese genaue Mitempfindung, welche zwischen
der Gebährmutter und den weiblichen Brüsten
herrscht, läßt sich leicht erklären, indem fast alle
(§. 54.) angeführte Ursachen der Mitempfindung
zwischen den Organen der Brust und des Unterlei-
bes, in dem weiblichen Körper sich vereinigen. a).

a) Jac. Anemaet de mirabili, quae mammas inter &
uterum intercedit, sympathia. L. B. 1784. 4.

§. 552.

Ehemals leitete man diese Mitempfindung
größtentheils von den Anmündungen der arteria
mammaria interna
und epigastrica her a); daß
aber diese Anmündungen der Gefäße, obgleich die
Physiologen zuviel daraus gefolgert haben b), et-
was dazu beytragen, erhellt aus dem veränderten
Diameter, den die arteria epigastrica während
der Schwangerschaft und dem fortdaurenden Ge-
schäfte des Säugens annimmt.

a) Eustachii Tab. XXVII. fig. 12.

Haller icon. anat. fascic. VI. Tab. I.

b) Rud. Boehmer de consensu uteri cum mammis
caussa lactis dubia. Lips.
1750. 4.

§. 553.

Es findet aber zwischen den Brüsten und der
Gebährmutter noch eine andre Aehnlichkeit statt;
[Seite 332] diese nämlich, daß beyde Organen eine besondere
Zuneigung gegen den Speisesaft verrathen, und
denselben, vorzüglich während der Schwangerschaft
an sich ziehen, und zum besondern Gebrauch wei-
ter herarbeiten.

§. 554.

Die weiblichen Brüste a) bestehen aus einer
kuchenförmigen Anhäufung zusammengesetzter Drü-
sen, welche durch zahlreiche Furchen in größere Ab-
schnitte abgetheilt sind, und überhaupt in einem
häufigen Fett gleichsam schwimmen; vorzüglich aber
erhalten sie nach vorn zu durch eine festere darunter-
liegende Fettmasse eine beträchtliche Wölbung, die
mit einer sehr zarten Haut überzogen ist.

a) Kölpin de structuta mammarum. Griphisw. 1765.
4. c. fig. aencis.

§. 555.

Jeder dieser Abschnitte besteht wiederum aus
kleinern Abschnitten, oder sogenannten Körnerchen,
in welche sich die äußersten Zweige der Milchgänge
(ductus lactiferi) senken a), die aus den äußer-
sten Endungen der arteriae mammariae internae
den Milchsaft einsaugen.

a) Covolo zwey Tafeln, welche den Santorinischen
Tafeln beygefügt sind.

§. 556.

Diese kleinen Milchgänge vereinigen sich im-
mer mehr und mehr a), und fließen endlich in grö-
ßere Hauptstämme zusammen, welche der Anzahl
[Seite 333] der Abschnitte entsprechen, so daß in jeder weibli-
chen Brust 15 oder mehrere solche Ausführungs-
gänge gezählt werden. Diese Gänge erweitern sich
zwar an verschiedenen Stellen, scheinen aber doch
unter sich durch keine wirklichen Anmündungen zu-
sammen zu hängen b).

a) Girardi Tab. I. gleichfalls den Santorinischen Ta-
feln angehängt.

b) Walter observat. anat. p. 33. sq.

§. 557.

Diese Stämme endigen sich endlich in unge-
mein feine Ausführungsgänge, welche in der Mit-
te jeder Brust mittelst eines zelligten Gewebes ge-
sammelt werden, und in die Warze a) sich öffnen,
die von den feinsten Blutgefäßen und Nerven durch-
webt ist, und, wenn sie von einem Kitzel gereizt
wird, aufschwillt.

a) Santorini Tab. posthum. VIII.

§. 558.

Die Warze ist von dem Hof a) umgeben;
dieser zeichnet sich, so wie Warze selbst, durch die
besondere Farbe b) des unter dem Oberhäutchen
befindlichen Malpighischen Netzes aus c); übri-
gens befinden sich an dem Hof auch Fettdrüsen d);
auch hat man sogar manchmal einige zerstreute
Milchgänge e) daran entdeckt.

a) Ruysch Thes. I. Tab. IV. fig. 4.

b) Bey Schwangern, besonders in der ersten
Schwangerschaft, sind die Warzen gemeiniglich
gelblich.

[Seite 334]

Daß die Warzen der Samojedinnen, auch bey un-
verletzter Jungferschaft, schwarz sind, versichert
ein Augenzeuge: Klingstädt Mem. sur les Samo-
jedes
& les Lappons. p. 44.

c) B. S. Albini annot. acad. L. III. Tab. IV. fig. 3.

d) Morgagni advers. anat. I. Tab. IV. fig. 2.

e) – – advers. V. p. 148.

§. 559.

Die in diesen bisher beschrieben Organen ab-
gesonderte weibliche Milch ist ein weißer, wäße-
rigter, etwas fetter, süßlichter, milder Saft, der
mit der Milch unsrer zahmen Saugthiere zwar die
größte Aehnlichkeit hat, ausgenommen, daß er
nicht wie diese durch beygemischte Säuren gerinnt,
und nicht eine Spur eines flüchtigen Laugensalzes
enthält a).

a) Voltelen (praes. Hahnio) de lacte humano obser-
vationes chemicae. L. B
. 1775. 4.

§. 560.

Wird aber die Milch mittelst des Weingei-
stes zum Gerinnen gebracht, so kommen die näm-
lichen Bestandtheile zum Vorschein, welche man,
wie gesagt, bey der Thiermilch zu beobachten
pflegt. Denn außer dem wäßerigten Duft, wel-
cher aus der frischgemolkenen und noch warmen
Milch aufsteigt, scheiden sich die Molken von dem
Käse, welche den Milchzucker a) enthalten,
der aus der mit Kalkerde, schleimig- und ölig-
ten Theilen verbundenen Zuckersäure besteht. Die
Butter endlich soll aus Kügelchen bestehen, de-
[Seite 335] ren Größe aber sehr veränderlich ist, da ihr Dia-
meter zwischen 1/200 und 1/1000 einer Pariser Linie
fällt b).

a) Marc. Lud. Williamoz de sale lactis essentiali.
L. B
. 1756. 4.

b) Senac Tr. du coeur. Vol. II. p. 276. ed. 2.

§. 561.

Aus der Aehnlichkeit, welche man zwischen
dem Speisesaft und dem Blute (§. 10. 453.) und
zwischen diesen beyden Flüßigkeiten und der Milch
wahrnimmt, läßt sich mit einiger Wahrscheinlich-
keit schließen, daß dieser letztere Saft eigentlich ein
aus der Blutmasse geschiedener, oder vielmehr vor
seiner vollkommenen Verähnlichung mit dem Blute
abgesonderter Nahrungssaft sey. Diese Meinung
erhält sowohl durch die Beobachtung, daß in der
Ammenmilch die Eigenschaften der genossenen Nah-
rungsmittel deutlich wahrgenommen werden, als
auch durch die nahrungssaftsähnliche, wäßerigte
Milch, welche während der Schwangerschaft, und
sogleich nach der Entbindung aus den Brüsten fließt,
einen großen Grad der Wahrscheinlichkeit.

§. 562.

Die Ursache aber, warum bey dem fortgesetz-
ten Säugen diese milde Nahrung des neugebohrnen
Kindes allmälig dicker und fetter wird, scheint von
den einsaugenden Gefäßen herzurühren, mit denen
die Brüste reichlich versehen sind; je häufiger und
länger der Ausfluß der Milch dauert, desto häufiger
werden die molkigten Theile der Milch von diesen
Gefäßen eingesogen, und in das Blut zurückgeführt,
[Seite 336] wodurch das Geschäft der Milchabsonderung unge-
mein befördert wird (§. 476.).

§. 563.

Die häufigste Absonderung der Milch ereig-
net sich sogleich einige Tage nach der Entbindung,
und wird, wenn die Mutter selbst stillt, durch
das Saugen des Kindes ferner unterhalten, bis
endlich die monatliche Reinigung, welche gewöhn-
lich während dem Stillen aussetzt (§. 547.), wie-
derkehrt. Doch weis man aus der Erfahrung,
daß auch unverletzte Jungfern, auch neugebohrne
Kinder beyderley Geschlechts, und sogar Männer a),
so wie auch andere männliche erwachsene Säugthie-
re b), Milch in den Brüsten abgesondert haben.

a) In Rußland soll dieß eine ganz gemeine Sache
seyn. Comment. acad. sc. Petrop. Vol. III. p.
278.

b) In unserer Gegend befindet sich ein neunjähriger
Bock, der sich sowohl durch seine Größe, als
Leibesstärke auszeichnet, aus dem seit sechs Jah-
ren einen Tag um den andern ein halbes Pfund
einer schmackhaften Milch ausgemolken wird. Er
ist also vollkommen jenem Lemnischen Ziegenbo-
cke ähnlich, dessen Aristoteles erwähnet. Histor.
animal
. Lib. III. p. 259. ed. Gv. Du Val.

§. 564.

Die Ausleerung der Milch wird von der
Menge derselben veranlaßt, besonders aber durch
den äußerlichen Druck der Brüste, und das Sau-
gen des Kindes befördert.

Vier und vierzigster Abschnitt.
Von der Empfängniß, und von der
Schwangerschaft.

[Seite 337]

§. 565.

Wir gehen nun zu denjenigen Verrichtungen über,
zu deren Behuf die bisher beschriebenen Organen
beyderley Geschlechts gebildet worden sind, nämlich
zur Empfängniß und Fortpflanzung des Menschen-
geschlechts; ich werde aber in dieser Abhandlung
zuerst nur die Erscheinungen, welche bey diesem
wundervollen, und beynahe göttlichen Geschäfte
wahrgenommen werden, darstellen; alsdann aber
den wahrscheinlichen Ursachen dieser Erscheinungen
nachforschen.

§. 566.

Vor allen Dingen verdient bemerkt zu werden,
daß der Mensch nicht wie die meisten übrigen Thiere
(und zwar alle Säugthiere, den Menschen ausge-
nommen), nur zu einer bestimmten Jahreszeit zur
Begattung gereizt wird a), sondern zu allen Zeiten
dazu aufgelegt ist.

a) Man müßte dann hieher ziehen, daß in Schwe-
den, nach Wargentin's Beobachtungen, die mei-
[Seite 338] sten Geburten in dem September fallen, der also
dem vorhergegangenen Dezember entspricht.
Swensk. Vetensk. acad. Handlinger. a. 1767.
Vol. XXVIII. p. 249.

§. 567.

Wenn also das Weib den Mann zugelassen
hat, und beyde von dem heftigsten aller thierischen
Triebe durchdrungen sind, wird die Gebährmutter
in einen entzündungsartigen Orgasmus a) versetzt,
nimmt vermöge ihres eigenthümlichen Lebens (§.
538.) den ausgespritzten männlichen Saamen auf,
b) und ergießt zugleich einen eigenen Saft (§. 543.);
die Muttertrompeten werden steif, und legen ihre
Franzen an die Eyerstöcke; aus einem der beyden
Eyerstöcke springt ein Graafsches Bläschen,
gleichsam wie ein reifer Absceß, auf, und der da-
rinn enthaltene eyweißartige Saft wird von der
Franze der Muttertrompete aufgenommen, und in
die Gebährmutter gebracht.

a) Ruysch hatte zweymal Gelegenheit, eine Ge-
bährmutter sogleich nach geschehener Beschwän-
gerung zu zergliedern.

Das erste Beyspiel steht in Adversarior. anatom.
medico-chirurg. Dec
. I. Tab. II. fig. 3. von ei-
ner Hure, die sogleich nach dem Beyschlafe von
ihrem Liebhaber ermordet wurde.

Das zweyte in Thesauro anatom. VI. p. 23. Tab.
V. fig. 1. von einer Frau, die von ihrem Manne
im Ehebruch überrascht, und in den ersten Stun-
den ihrer Schwangerschaft von demselben umge-
bracht wurde.

[Seite 339]

b) Wenn man die Gewalt betrachtet, womit der
männliche Saamen ausgespritzt, und von der
Gebährmutter gleichsam verschluckt wird, und
was für eine kleine Menge der Saamenfeuchtig-
keit (wie dieß die an Thieren angestellten Versu-
che beweisen) zur Befruchtung hinlänglich ist;
so kann man sich leicht erklären, wie es zugeht,
daß Frauenzimmer ohne Verletzung des Jungfern-
häutchens empfangen können, woraus eini-
ge Physiologen das Daseyn eines gewissen Saa-
mendufts (aura seminalis) zu erweisen gesucht
haben.

§. 568.

Nachdem nun dieser eyweiße Saft aus dem
Eyerstocke entleert worden, schließen sich die äus-
sern Lefzen dieser kleinen Wunde durch eine Nar-
be; das gefäßreiche Häutchen aber, worinn die-
ser Saft eingeschlossen war, geht in ein gelbes
Körperchen a) über, das im Anfange ebenfalls
hohl, und, wie mir scheint, mit einer gerinn-
baren Lymphe angefüllt ist, in der Folge aber in
einen fleischigten Kern verwandelt wird, der mit
einer dicken, von beträchtlichen Blutgefäßen durch-
webten Rinde umgeben ist. b)

a) Jo. Chr. Kuhlemanni observationes circa nego-
tium generationis in ovibus factae. Gotting
.
1753. 4. c. f. ae.

b) Gul. Hunter anatome uteri gravidi. Tab. XV.
fig. 5. Tab. XXIX. fig. 3. Tab. XXXI. fig. 3.

§. 569.

[Seite 340]

Wenn die Gebährmutter beschwängert ist,
so schließt sich der innere Muttermund so fest (§.
535.), daß keine Ueberschwängerung statt finden
kann.

§. 570.

Die innere Oberfläche der Gebährmutter wird,
wie es scheint, mit einer gleichsam entzündlichen
gerinnbaren Lymphe überzogen (§. 19), wodurch
Hunters a) zottigte Haut (caduca, seu decidua)
gebildet wird. Diese Membran besteht aus zwey
Lamellen, nämlich aus der dichten, welche die
ganze Höhle der Gebährmutter, die Mündungen der
Trompeten und den innern Mutterhals ausgenom-
men, umgibt; b) und aus einer andern, welche
erst später, nachdem sich das Eychen schon gebil-
det, und in der zottigten Haut selbst Wurzel gefaßt
hat, über die übrige Oberfläche des Eyes fortge-
setzt wird (– Tab. IV. fig. 1. a. – fig. 2. –),
und daher den Namen der umgestülpten zottigten
Haut caduca reflexa erhalten hat c).

a) Von dem Ursprunge dieser Membran (deren ge-
nauere Kenntniß wir Huntern zu verdanken ha-
ben) scheint zuerst Aretäus einen richtigen Be-
griff gehabt zu haben. Aretaeus Cappadox de
caus.
& sign. morbor. diutur. L. II. c. 11. p. 64.
Ed. Boerhaavii.

Nach Wiederherstellung der Zergliederungskunde hat
Fallop dieser Membran erwähnt. Observat. ana-
tom
. p. 207.

[Seite 341]

Das Chorion, entweder schlechtweg, oder mit den
Beywörtern, spongiosum, tomentosum, fun-
gosum, filamentosum, reticulatum
, der Schrift-
steller des folgenden Jahrhunderts. Albin's In-
volucrum membranaceum
.

Die erste Abbildung dieser Membran hat Ruysch
geliefert. Thes. anat. V. Tab. I. fig. 1. F. B.
C. G
.

b) Gul. Hunter I. c. Tab. XXXIV. fig. 3–6.

c) Albini annotat. acad. L. I. Tab. III. fig. 1. c.

Gul. Hunter l. c. Tab. XXXIII. fig. 1–4.

§. 571.

Das Ey selbst wird zwar früher erzeugt, als
der Embryo, den es in der Folge einhüllt; doch
wird die Bildung des letztern nicht früher, als
ungefähr vierzehn Tage nach der Empfängniß an-
gefangen. a) Vor diesem Zeitpunkte hat man
wohl niemals Spuren einer gebildeten Leibesfrucht
angetroffen.

a) Das Ey, welches Tab. IV. abgebildet ist, habe
ich vor vielen andern vorzüglich aus dieser Ursa-
che gewählt, weil es für seine kurze Entstehung
ungemein schön, und unverletzt war. Der Um-
fang der cylindrischen mit Weingeist angefüllten
Flasche, worinnen das Ey schwebte, verursachte,
daß das Bild, seiner richtigen Zeichnung ohner-
achtet, größer ausfiel, als der Gegenstand wirk-
lich war, indem das Bläschen der Schaafhaut
kaum einer großen Erbse glich.

Dieses Ey ist von einem robusten Weibe, die zum
drittenmale schwanger ward, und nachdem die
[Seite 342] monatliche Reinigung zum erstenmale ausgesetzt
hatte, plötzlich abortirte: es gehört also in das
erste Monat der Schwangerschaft.

Ich öffnete dieses Ey sogleich mit der größten Be-
hutsamkeit, und fand die Lederhaut mit ihrer
wässerigten Feuchtigkeit, und die Schaafhaut
mit dem sogenannten Schaafwasser angefüllt.
Uebrigens sah man weder von dem Nabelstran-
ge, noch von dem Foetus selbst die mindeste
Spur, es sey nun, daß das Ey noch nicht die
zur Bildung der Foetus erforderliche Reife er-
langt hatte (und ich zweifle, ob bey dieser Zart-
heit des Eyes schon eine Bildung möglich war),
oder überhaupt unfruchtbar war. Denn daß der
kleine Foetus da gewesen, aber durch die Mace-
ration aufgelöst worden sey, läßt sich nicht ver-
muthen, indem das ganze Ey noch unverletzt,
und die ganze innere Fläche der Schaafhaut glatt
war.

§. 572.

Es besteht aber das Ey außer ihrer äußern
zugetheilten Hülle, die von Hunters zottigter Haut
entsteht, aus zwey eigenthümlichen Membranen.

Die äußere, welche, wie es scheint, keine
Gefäße besitzt, heißt bey den Neuern die Leder-
haut a) (– a – (chorium) – Tab. IV. fig.
1. c –); ihre äußere Oberfläche ist im Anfange
großentheils mit knotigten, sehr schönen Flöckchen
besetzt (– fig. 1. bfig. 2. –), daher sie
auch von einigen chorion muscosum, s. frondo-
sum
genent worden. Mit diesen Flöckchen, wel-
[Seite 343] che die ersten Anfänge des zum Foetus gehörigen
Mutterkuchens sind, ist das Ey, gleichsam wie
mit seinen Wurzeln, an die zottigte Haut befe-
stigt (§. 569.).

Die innere Membran heißt die Schaafhaut
(– fig. 1. d –), auch sie hat keine Blutgefäs-
se (§. 5.), und ist, ihrer Zartheit ohnerachtet, den-
noch sehr fest.

a) Rouhault, Halleri membrana media.

Ueberhaupt findet man die Synonimen der Mem-
branen des Eyes in Hallers großer Physiologie.
Vol. III. P. I. p. 194.

Tabarrani epist. ad Bartalonum in Atti di Siena.
T. VI. p. 224.

§. 573.

Beyde eigenthümlichen Membranen sind in
den ersten Wochen von Anbeginn des Eyes an Grö-
ße von einander sehr unterschieden; indem die Le-
derhaut eine größere Blase bildet, woran von in-
nen die Schaafhaut, wenigstens an derjenigen
Stelle, welche ungefähr dem Mittelpunkte der flo-
ckigten Oberfläche der Lederhaut entspricht, als ei-
ne ungleich kleinere Blase festsitzt.

Der übrige zwischen der Leder- und Schaaf-
haut befindliche Zwischenraum ist mit einer wässe-
rigten Feuchtigkeit, deren Quelle unbekannt ist,
und sich bald verliert, erfüllet.

Denn indem die Schaafhaut schneller wächst,
als die Lederhaut, folglich mit jedem Monate sich
näher an dieselbe anschließt a), so muß nothwen-
dig in demselben Verhältnisse die Menge dieser wäs-
serigten Feuchtigkeit sich vermindern.

[Seite 344]

a) S. Hunters Abbildungen. l. c. Tab. XXXIV.
fig. 9. 8. 7.

§. 574.

Diese innere Membran des Eyes ist von ih-
rem ersten Anbeginn (§. 570.) bis zu dem heran-
nahenden Augenblick der Geburt beständig mit dem
Schaafwasser (liquor amnii) angefüllt. Diese
wässerigte Feuchtigkeit hat eine gelbliche Farbe,
fast keinen Geruch, und einen milden, etwas sal-
zigten Geschmack; er wird gewöhnlich für nahrhaft
gehalten, und mit dem Eyweiße verglichen, allein
genauere Untersuchungen haben den Ungrund dieser
Meinung gezeigt.

Auch die Quellen dieser Feuchtigkeit sind noch
unentdeckt; denn daß sie weder von der Frucht,
noch von dem Nabelstrange entspringt, erhellt schon
daraus, weil diese Feuchtigkeit auch in den un-
fruchtbaren Eyern enthalten ist.

Die Menge dieser Feuchtigkeit steht mit der
Größe der Frucht im umgekehrten Verhältnisse, das
ist: je jünger die Frucht, desto größer ist die Men-
ge dieser Feuchtigkeit.

Und hieraus läßt sich der Hauptnutzen dieser
Feuchtigkeit angeben, welcher vielmehr zur Beschü-
tzung des zarten und gallertartigen Körperchens ge-
gen äußere Unbilden, als zur Ernährung desselben
bestimmt ist. Denn die kleine Menge des Schaaf-
wassers, die man zuweilen, (aber so selten, daß
man es für eine widernatürliche Erscheinung anse-
hen darf), in dem Magen ungebohrner Kinder ge-
funden hat, kann keineswegs zur Ernährung be-
stimmt seyn, da, wie man weiß, bey ungebohr-
nen Kindern das ganze System der Milchgefäße so
[Seite 345] unentwickelt, und unbedeutend ist, daß noch keine
Bereitung des Milchsaftes statt haben kann; die
Beyspiele von Kindern a), welche ohne Köpfe ge-
bohren worden, und andere dergleichen Beweis-
gründe, übergehe ich hier mit Stillschweigen.

a) An die fabelhaften Erzählungen von Embryo-
nen, die keine Nabelgefäße gehabt haben sollen,
wird nicht leicht jemand glauben, der diese Ge-
schichtchen mit einem kritischen Auge untersucht
hat.

§. 575.

Der Embryon selbst, der an dem Nabel-
strange, wie eine Frucht an dem Stiele, hängt,
und in dieser Feuchtigkeit schwimmt, wird erst un-
gefähr in der dritten Woche nach der Empfängniß
gebildet a); er erscheint zuerst in der Gestalt einer
kleinen Bohne, woran zuerst die Anfänge der
äußern Gliedmassen sichtbar werden, endlich wird
das Gesicht weiter ausgebildet, u.s.w. b).

a) Es wäre ganz überflüßig, wenn ich hier die Mähr-
chen, und erdichteten Abbildungen des Mauri-
ceau und Kerckrings von ungebohrnen Kindern,
die einen oder nur wenige Tage gelebt haben sol-
len, widerlegen wollte.

b) Wer selbst keine Sammlung ungebohrner Kinder
besitzt, mag sich mit Abbildungen behelfen, die
in folgenden Werken vorkommen:

Ruysch Thesaur. anat. VI. Tab. II. fig. 2. 3. 4. 5.
8. 10. Thesaur. X. Tab. III. fig. 1.

[Seite 346]

B. S. Albini annot. acad. L. I. Tab. V. fig. 4. 5.
Trew in commerc. litter. Norico. a. 1739. Tab.
III. fig. 4. 5.

Abr. Vater mus. anatom. prop. Tab. VIII. fig. 2.
4. etc.

§. 576.

Nach dem Laufe der Natur bringt zwar eine
Frau nur ein Kind auf einmal zur Welt, und em-
pfängt nur eine einzige Frucht; doch sind auch Zwil-
lingsgeburten nicht selten, die sich zu den einzel-
nen Geburten, nach Süßmilch's Berechnung, wie
1 : 70 verhalten a). Und alsdann hat gemeiniglich
jeder Zwilling seine besondere Schaafhaut, beyde
aber haben eine gemeinschaftliche Lederhaut b).

a) Allein außerdem, daß dieses Verhältniß häufige
Ausnahmen leidet, so findet dabey auch ein Na-
tionalunterschied statt.

In Grönland sind Zwillingsgeburten äußerst selten.
Eggede description du Grönland. p. 112.

Desto häufiger sind Zwillinge in Inland, und ver-
halten sich zu den gewöhnlichen wie 1 : 53. Rich.
Twiss
tour in Ireland p. 18.

b) Nur selten geschieht es, daß die Zwillinge in ei-
ner gemeinschaftlichen Schaafhaut eingeschlossen
sind. Jac. de Puyt in Verhandel. der Zeeuwsch
Genootsch. te Vlissingen. T
. IX. p. 423. sq.

§. 577.

Der Zusammenhang zwischen Mutter und
Kind wird durch den Nabelstrang, der sich in dem
Mutterkuchen verbreitet, unterhalten.

§. 578.

[Seite 347]

Der Nabelstrang, welcher wahrscheinlich mit
dem Foetus zugleich entsteht, ist an Länge, Di-
cke, nach dem Ort seiner Einsenkung in den Mut-
terkuchen, nach der Anzahl seiner varikösen Kno-
ten u.s.w. sehr veränderlich. Er besteht über-
haupt aus drey in einen Bündel zusammengewun-
denen Blutgefäßen, nämlich aus einer Vene, die
nach der Leber des Kindes geht, und zwey Arte-
rien, die aus den beyden arteriis hypogastricis
des Foetus entstehen; sie werden äußerlich durch
zelligte, veränderliche Scheidewände von einander
getrennt a); innerlich aber werden sie durch Knöt-
chen, oder durch Hobokens Quasiklappen ver-
enget b).

Diese Gefäße werden mittelst eines zelligten
Gewebes, das mit einer besondern, klaren, sulzig-
ten Feuchtigkeit angefüllt, äußerlich aber in die
Schaafhaut eingehüllt ist, in einen Strang zusam-
mengebunden.

a) Guil. Noortwyk uteri humani gravidi anat. Tab.
III. fig. 5. 6. 7.

b) Hoboken anatom secund. human. repetit. p. 522.
fig. 38. 39. 40.

Diese Struktur hat Hr. Reuß bis in die Zweige selbst
verfolgt. Novae observationes circa structuram va-
sorum in placenta humana. Tubing
. 1784. 4.

§. 579.

An der Stelle, wo der Foetus an den Na-
belstrang befestigt ist, entsteht aus dem Grunde
seiner Harnblase (§. 486.) der Urachus a), wel-
[Seite 348] cher zwischen beyden Nabelarterien in den Nabel-
strang eindringt; dieser Kanal, welcher in dem
menschlichen Körper nur eine kurze Zeit offen steht,
und bald ganz undurchgängig wird, geht bey an-
dern Saugthieren in eine Allantois b) über, die
bekanntermassen in dem menschlichen Foetus nicht
vorhanden ist; man müßte dann hieher jene kleine
zwischen der Leder- und Schaafhaut des menschli-
chen Eyes befindliche Nadelblase (vesicula umbi-
licalis
) rechnen, die lange vor Albin c), und
Zinn d) Isbr. von Diemerbroeck e) gesehen hat;
deren Ursprung übrigens noch zweifelhaft, ihr Da-
seyn aber von kurzer Dauer ist. In neuern Zei-
ten ist dieses Bläschen so oft, und in befruchteten
Eychen bis in das dritte Monat der Schwanger-
schaft so gleichmäßig wahrgenommen worden, daß
man dasselbe nicht wohl geradezu für eine blos zu-
fällige, von Krankheit oder Mißgestalt herrühren-
de Struktur erklären kann f).

a) Jo. Noreen. de uracho. Götting. 1749. 4.

Ad. Boehmer de uracho, ad calcem anatomes ovi
humani foecundi, sed deformis. Hal
. 1763. 4.

b) Fabr. ab Aquapendente de formato foetu Tab. XII.
XIII. XIV. fig. 27. XXV.

c) B. S. Albini annot. acad. L. I. Tab. I. p. 12.

d) Epistol. ad Hallerum script. Vol. IV. p. 195.

e) Anat. corp. hum. p. 263. ed. 1679.

f) Anlangend die beständige Erscheinung dieses
Bläschens, so will ich hier noch eine doppelte
Erinnerung beyfügen; diese nämlich, daß sich
dieser so zarte, und dem Berderbniß so sehr aus-
gesetzte Theil, nur in einem ganz frischen Abor-
[Seite 349] tus zeigt, und alsdann wegen der erstaunenden
Kleinheit, und Feinheit des in die Nabelschnur
sich einsenkenden Gefässes, nur durch die behut-
samste Untersuchung, durch sehr gewandte Hand-
griffe, und mit dem bewaffneten Auge dargestellt
werden kann. Dieß begegnete mir vor einigen
Tagen, als ich ein Eychen, welches kaum so groß
als ein Taubeney war, öffnete, und einen sehr
kleinen Embryo, ungefähr so groß als eine Amei-
se, darinnen fand, aber an der innern Oberflä-
che des Eyes keine Spur dieses Bläschens ent-
decken konnte. Als ich aber eine genauere Unter-
suchung anstellte, und das Schaafhäutchen von
der Lederhaut behutsam absonderte, kam dieses
Bläschen zwischen beyden Membranen zum Vor-
schein: und obgleich dasselbe kaum so groß als
ein Senfkörnchen war, so war es doch ganz deut-
lich mit seiner Flüßigkeit angefüllt, und mittelst
eines ganz kenntlichen Fadens von der Seite mit
dem kurzen und dicken Nabelstrange verbunden.

§. 580.

Diese beschriebenen Blutgefäße des Nabel-
stranges endigen sich in den Mutterkuchen a), wel-
cher, wie oben gesagt worden, von der wolligten
Oberfläche der Lederhaut, wo dieselbe an die zot-
tigte Haut (decidua) befestigt ist, entsteht: Hier-
aus erhellt, daß der Mutterkuchen aus einer zwey-
fachen Substanz besteht; nämlich eine Substanz ge-
hört der Gebährmutter eigenthümlich zu, entspringt
von der zottigten Haut derselben, und bildet das
schwammigte Parenchyma des Mutterkuchens; die
[Seite 350] andere Substanz entsteht von der Verbreitung der
Nabelgefäße in dem Kuchen, und ist folglich mehr
ein Antheil des Foetus, als der Mutter.

Das Wachsthum des Eychens geht ziemlich
ungleich von statten; denn die glatte Oberfläche der
Lederhaut wächst schneller als ihre innere netz-
artige Wand; daher kömmt es, daß der Mutter-
kuchen verhältnißmäßig desto größer gefunden wird,
je jünger der Foetus ist, und im Gegentheile um
so viel kleiner erscheint, je näher die Geburt her-
anrückt.

Bey zunehmender Schwangerschaft wird die
Substanz des Kuchens immer dichter und stärker;
die äußere Seite ist an die Mutter befestigt, und
durch tiefe Einschnitte gleichsam in verschiedene Stü-
cke eingetheilt; die innere Seite ist glatt, und mit
der Schaafhaut überzogen. Aber der Umfang, Dich-
tigkeit, Gestalt und Lage des Mutterkuchens sind
veränderlich; doch ist er gewöhnlich an dem Grun-
de der Gebährmutter befestigt; überhaupt aber hat
der Mutterkuchen weder Empfindlichkeit (§. 204.),
noch Reizbarkeit (§. 306.).

a) Eustachii Tab. XIV. fig. 5. 6.

§. 581.

Obgleich alle Physiologen einstimmig den
Mutterkuchen für das vornehmste Werkzeug er-
klären, wodurch der Foetus ernährt wird, so sind
doch in neuern Zeiten über die Art, wie diese Er-
nährung geschieht, und über das wechselseitige
Verhältniß des Kuchens gegen Mutter und Kind
verschiedene Streitigkeiten entstanden. Die Sa-
[Seite 351] che scheint sich, wie mich dünkt, auf folgende
Weise zu verhalten. Es gibt zwischen den Blut-
gefäßen der Gebährmutter und den Blutgefäßen
des Nabelstranges keine Anmündungen; sondern
das Blut, welches durch die Arterien der Gebähr-
mutter in denjenigen Theil des Kuchens fließt, aus
dem die zottigte Haut entspringt, wird von den
äußersten in der netzartigen Oberfläche der Leder-
haut vertheilten Nabelgefäßen eingesogen, und in
die Nabelvene zurückgeführt. Auf eine ähnliche
Weise wird das aus dem Foetus zurückkommende
Blut durch die Nabelarterien in das Parenchyma
des Mutterkuchens entleert, von den kleinen Ve-
nen des mütterlichen Antheils desselben aufgenom-
men, und in die Gebährmutter gebracht.

Denn alle Versuche der Anatomiker die Mut-
tergefäße durch die Nabelgefäße, oder jene durch
diese einzuspritzen, waren umsonst. Zwischen den
Pulsschlägen einer Gebährenden, und den Puls-
schlägen des Kindes, das noch an der Nabelschnu-
re hängt, ist kein Verhältniß; hiemit stimmt auch
die verschiedene Beschaffenheit des Blutes überein,
die man zwischen dem Blute der Mutter und des un-
gebohrnen Kindes wahrnimmt (§. 146. und a).

Ueberdieß ist es sehr wahrscheinlich, daß
auch ein Theil des mütterlichen Milchsaftes in dem
Mutterkuchen mit dem Blute zugleich abgesetzt,
und dem Kinde zugeführt wird; denn außerdem,
daß das Blut der Mutter nicht immer von glei-
cher Beschaffenheit ist, sondern einige Stunden
nach der Mahlzeit einen noch unverarbeiteten
Speisesaft mit sich führt; so steht die Gebähr-
mutter mit der Milch und dem Speisesafte in ei-
ner besondern Verwandtschaft (§. 550–553.)
[Seite 352] auch wissen wir aus verschiedenen Beobachtungen,
daß man in dem Mutterkuchen einen ächten Milch-
saft angetroffen hat a).

a) Daher die Meinung einiger Physiologen, daß
das Kind vielmehr durch den Milchsaft als das
Blut der Mutter ernährt werde. Abr. Brill
obs. de humore lacteo in placenta humana.
Gröning
. 1768. 8.

§. 582.

Daß aber bey den Fortschritten der Schwan-
gerschaft, indem das Kind und die Nachgeburt
so stark heranwachsen, auch die Gebährmutter
selbst beträchtliche Veränderungen leiden müsse,
ist leicht zu begreifen. Sie bekömmt einen grös-
sern Umfang, verändert sowohl ihre Lage als Ge-
stalt, vorzüglich aber ihre Substanz, welche durch
den beständigen und häufigen Zufluß der Säfte,
sowohl in Beziehung auf ihre Blutgefäße, als auf
ihr eigenes Parenchyma, verändert wird.

Die vorhin schlängelnden und engen Blutge-
fäße werden, so wie der Umfang der Gebährmut-
ter zunimmt, allmälig gerader, a) und weiter,
vorzüglich aber erweitern sich die Venen b) so sehr,
daß sie von einigen Anatomikern für Blutbehälter
angesehen worden.

Ihr Parenchyma dehnt sich aus, und wird
lockerer c), besonders an derjenigen Seite, wel-
che gegen das Ey gekehrt ist; doch so, daß die
schwangere Gebährmutter nicht dünner wird, son-
dern vorzüglich im Grunde dick bleibt, in leben-
den, gesunden Frauen von Blute strotzt, und mit
Lebenskraft begabt ist; demohnerachtet ist ihre
[Seite 353] Substanz locker, und nach ihrem äußerlichen
Ansehen, besonders in Leichnamen, (wo sie, wie
schon Arantius angemerkt hat, in den spätern
Monaten der Schwangerschaft aus blossen Schichten
zu bestehen scheint, d) von dem dichten fleischigten
Bau einer ungeschwängerten Gebährmutter unge-
mein verschieden.

Die übrigen wichtigen Veränderungen, wel-
che sowohl der schwangern Gebährmutter, als
auch dem Ey und dem Kinde widerfahren, wer-
de ich im Zusammenhange darstellen, so wie sich
dieselben in der Zeitfolge von zehn Mondmonaten,
nach denen man den ganzen Verlauf der Schwan-
gerschaft füglich berechnet, zu ereignen pflegen.

a) Gul. Hunter anatom. uteri gravidi. Tab. XVI.

b) – – Tab. XVIII.

c) B. S. Albini annot. acad. L. II. Tab. III. fig. 2.

d) Aranth. de humano foetu libellus p. 5. seq. ed.
1579. B. S. Albini Tab. uteri gravidi II.

§. 583.

So wie die Gebährmutter von dem Anbeginn
der Schwangerschaft anschwillt (§. 567.) so nimmt
sie auch an Umfang und Schwere allmälig zu, und
senkt sich etwas in den obern Theil der Mutter-
scheide; doch verändert sie in den ersten drey Mo-
naten ihre Gestalt nicht merklich; ausgenommen,
daß ihr Grund etwas gewölbter wird, und die
vordere Wand von der hintern sich entfernet, folg-
lich die vorhin enge, dreyeckigte Höhle der Mut-
ter sich allmälig mehr nach der kugligten Gestalt
des Eyes richtet.

[Seite 354] Das Ey selbst, welches gegen das Ende des
ersten Monats ohngefähr in der Größe eines Tau-
beneyes erscheint, und schon zwischen beyden La-
mellen der zottigten Haut, so wie auch zwischen der
äußerst kleinen Schaafhaut und der schon etwas
größern Lederhaut einen Zwischenraum bildet, erreicht
gegen das Ende des dritten Monats schon die Größe
eines Gänseeyes; die umgestülpte zottigte Haut
schmiegt sich an die dickere Lamelle; die Schaafhaut
nähert sich der Lederhaut, und ist schon mit der
Schaafhautfeuchtigkeit angefüllt, worinn der für die-
se Menge verhältnißmäßig sehr kleine Foetus (wel-
cher in diesem Zeitraume noch kaum die Größe ei-
ner jungen Maus hat), zwar schon mit dem Kopfe
nach unten gestürzt a), aber in einer noch unsichern
und schwankenden Lage zu schwimmen scheint.

a) v. Daevern Specimen observat. acad. p. 104.

§. 584.

Schon im vierten Monate nimmt die Ge-
bährmutter eine eyrunde Gestalt an, und steigt,
indem der Mutterhals allmälig weicher, verkürzt,
und vielmehr nach den Seiten ausgedehnt wird,
aus der kleinen Beckenhöhle in das große Becken
hinauf. Mit dem gewölbten Grunde der Gebähr-
mutter steigen auch beyde Muttertrompeten in die
Höhe, dehnen und verlängern sich, sitzen aber an
den Wänden der Mutter so fest, daß sie ohnge-
fähr erst in der Mitte sich entfernen, und gleich-
sam aus dieser Gegend zu entspringen scheinen,
welches ohne Zweifel zu der Meinung von dem
[Seite 355] schnellen Wachsthume des Gebährmuttergrundes
Anlaß gegeben hat.

Von diesem Zeitpunkte erreicht auch der Foe-
tus eine solche Größe, die dem innern Umfange
des Eyes genauer entspricht; das Kind richtet sich
in eine feste und bestimmtere Lage, die es alsdann
bis zur Geburt behält, nämlich mit dem Kopfe nach
unten gestürzt, mit dem Gesichte aber nach den Len-
den der Mutter, und zwar immer etwas schiefer
nach der linken Seite gewandt.

§. 585.

Gegen die Mitte der Schwangerschaft, welche
in das fünfte Monat fällt, erhebt sich die Gebähr-
mutter schon so sehr, daß der Gebährmuttergrund
ungefähr in der Mitte zwischen den Schaamknochen
und dem Nabel zu liegen kömmt, und die Schwan-
gerschaft auch an dem äußern Umfange des Unter-
leibes sichtbar wird.

Auch das Kind äußert sich nun durch stärkere
Bewegungen, die aber doch an keinen bestimmten
Zeitpunkt gebunden sind. Ueberhaupt ist die Frucht
nun ausgebildeter, und wird, wie man sich im ge-
meinen Leben ausdrückt, für lebendig (vitalis)
erklärt.

§. 586.

In den folgenden fünf Mondmonaten wächst
die Gebährmutter sammt dem darinn enthaltenen
Kinde so sehr, daß der Gebährmuttergrund gegen
das sechste Monat fast den Nabel erreicht, in dem
achten Monate aber noch höher steigt, und sich der
Herzgrube nähert. Der Mutterhals wird inzwischen
allmälig flächer und dünner.

§. 587.

[Seite 356]

Im zehnten Monate endlich senkt sich die Ge-
bährmutter wieder, gleichsam von ihrer eigenen
Last niedergedrückt, (indem ihre länglichte Axe fast
auf 11 Zoll, ihre Queeraxe aber auf 9 Zoll und
darüber steigt); der Muttermund fängt sich an all-
mälig zu erweitern, und wird rund.

Beyde Lamellen der zottigten Haut, vorzüglich
aber die umgestülpte, welche an die Lederhaut be-
festigt ist, bekömmt, nachdem sie allmälig dünner
geworden, eine netzförmige, durch kurze weißlichte
Streife ausgezeichnete Gestalt. a)

Die Nachgeburt aber erreicht in diesem Zeit-
raume eine solche Größe, daß ihr größerer Dia-
meter 9 Zoll, ihre Dicke einen Zoll, ihre ganze
Schwere aber 9 Pfund und darüber beträgt.

Die Länge des Nabelstranges ist gemeiniglich
18 Zoll lang, und auch darüber.

Der reife und ausgebildete Foetus wägt ge-
meiniglich 18 Unzen, und auch mehr; seine Länge
beträgt ungefähr 20 Zoll.

Die Menge des Schaafwassers ist so verän-
derlich, daß man kein bestimmtes Maaß angeben
kann; doch beträgt es, wenn das Kind übrigens
gesund ist, selten über ein Pfund.

a) Von den verschiedenen Gestalten der zottigten
Haut in der zweyten Hälfte der Schwangerschaft,
vergleiche man Hunter anat. uteri gravidi Tab.
XXIV. fig. 3. 4. Tab. XXIX. fig. 4. 5. und fig. 2.

Fünf und vierzigster Abschnitt.
Von dem Bildungstrieb.

[Seite 357]

§. 588.

Nachdem wir nun bisher die bloßen Erscheinungen
der Empfängniß, und alle Veränderungen, welche
während dem Verlauf der Schwangerschaft sowohl
an dem Eye, als der darinn enthaltenen Frucht
wahrgenommen werden, getreu dargestellt haben,
so wollen wir uns nun an die Untersuchung der
Kräfte wagen, wodurch dieses erstaunende Geschäft
der Zeugung wahrscheinlicherweise bewirkt wird.

§. 589.

In unserm Zeitalter haben einige berühmte
Physiologen die Sache ganz kurz abgethan, indem,
nach ihrer Meinung, heut zu Tage keine neue
Zeugung statt findet, sondern die präformirten
Keime des ganzen Menschengeschlechts bey der
ersten Schöpfung gleich in die ersten Stammäl-
tern gelegt worden sind, so daß nun eine Gene-
ration derselben nach der andern zur Entwicklung
gelanget. Nur darinn weichen sie von einander
ab, daß diese Keime, wie einige dafür halten,
[Seite 358] in den väterlichen Saamenthierchen, a) nach an-
derer Meinung aber b) in den weiblichen Eyerstöcken
liegen sollen.

a) W. Fr. v. Gleichen I. c.

b) Hr. v. Haller, der ausdrücklich behauptete: daß
alle Eingeweide, sogar die Beine des künfti-
gen Foetes, aber in flüßiger Gestalt, und da-
her unsichtbar, schon lange vor der Empfäng-
niß in dem mütterlichen Reime präexistirt
haben.

Er suchte diese Hypothese vorzüglich aus der Fort-
setzung der Membranen und Blutgefäße zwischen
dem bebrüteten Hühnchen und dem Dotter zu
erweisen.

Allein je öfter ich die Erscheinungen des bebrüteten
Hühnchens in meinen Physiologischen Vorlesun-
gen vorzuzeigen Gelegenheit hatte, desto schwä-
cher kömmt mir dieser Beweisgrund vor.

Auch ist es mir unbegreiflich, wie Haller die soge-
nannte Einpfropfung der Blutgefäße des Hün-
chens in die Gefäße des Dotters so allgemein,
und als ungereimt verwerfen konnte, da doch Er
selbst bey der Verbindung des menschlichen Eyes
mit der schwangern Gebährmutter, eine vollkom-
men ähnliche Gefäßeinpfropfung vertheidigte.

Elementa Physiol. (Ed. Lausann. 1778.) T. VIII.
P. I. p. 94. verglichen mit p. 257.

§. 590.

Auch ich habe vorhin dieser Meinung bey-
gepflichtet, theils wegen Mangel einer andern,
die mich damals mehr befriediget hätte, theils
[Seite 359] durch das Ansehen ihrer berühmten Anhänger ver-
leitet. Allein ich bin nun gezwungen, diese Mei-
nung zu verlassen, und ein Geständniß meiner ei-
genen Irrthümer abzulegen, nachdem ich bey einer
genaueren Prüfung aller auf das Zeugungsgeschäft
sich beziehenden Erscheinungen, von der Natur selbst
eines Bessern belehrt worden bin.

§. 591.

Denn täglich werde ich mehr überzeugt, daß
in allen organischen belebten Körpern ein be-
sonderer angebohrner, dann lebenslang thäti-
ger Trieb rege sey, ihre bestimmte Gestalt
durch die Zeugung anfangs anzunehmen, dann
durch die Ernährung lebenslang zu erhalten, und
wenn sie ja etwa verstümmelt worden, wo mög-
lich, durch die Reproduktionskraft wieder herzu-
stellen. – Ein Trieb, den man, um ihn von an-
dern Lebenskräften zu unterscheiden, mit dem Na-
men des Bildungstriebes (nisus formativus) be-
zeichnen kann a). Uebrigens soll das Wort Bil-
dungstrieb nicht eine Ursache, sondern nur eine
beharrliche, aus der Erfahrung anerkannte Wir-
kung bezeichnen b); so gut, wie das Wort Attrak-
tion nur eine Kraft bezeichnet, deren Ursache aber
für uns in ein undurchdringliches Dunkel eingehüllt ist.

a) Den Unterschied zwischen dem Bildungstrieb und
der vi plastica der Alten, und der vi essentiali des
Hrn. Wolfs, kann man mit einem Blicke über-
sehen in meiner Abhandlung über den Bildungs-
trieb 2te Auflage. Göttingen. 1789. S. 27.

b) So Newton von der Attraktion, in den Quä-
stionen an der 2ten Ausgabe seiner Optik. S. 380.
[Seite 360] der Clarkischen Uebersetzung. ‘„Hanc vocem at-
tractionis ita hic accipi velim, ut in universum
solummodo
vim aliquam significare intelligatur,
qua corpora ad se mutuo tendant: cuique de-
mum
causae attribuenda sit illa vis.“’

§. 592.

Es scheint mir daher folgende Vorstellung von
den Fortschritten des Zeugungsgeschäftes der Wahr-
heit am nächsten zu kommen. Die verschiedenen
in den Körpern beyderley Geschlechts befindlichen
Flüßigkeiten (§. 518. 524. 542. 543.), welche
bey einem fruchtbaren Beyschlafe sich zugleich in
die Höhle der Gebährmutter ergießen, erfordern
vor allen Dingen eine gewisse Zeit, damit sie de-
sto inniger mit einander vermischt werden, und den
gehörigen Grad der Reife erlangen. Nachdem die-
se Vorbereitung vollendet ist, und diese Flüßigkei-
ten verarbeitet worden, und zur Reife gediehen
sind, wird erst der Bildungstrieb in denselben re-
ge, wodurch der noch unförmliche Zeugungsstoff
theils in die zierlichen Hüllen des Eyes (§. 571.),
theils in die Gestalt des darinn enthaltenen Foetus
(§. 575.) ausgebildet, und belebt wird. Daher
kömmt es auch, daß wir, unserer dioptrischen
Hilfsmittel ohnerachtet, (die in unserm Zeitalter
einen so hohen Grad der Vollkommenheit erlangt
haben), in den ersten Wochen nach der Empfäng-
niß, außer einer unförmlichen flüßigen Masse in
der Gebährmutterhöhle, nicht eine Spur eines aus-
gebildeten Foetus entdecken können, der doch un-
gefähr in der dritten Woche fast plötzlich, und mit
einem nicht unbeträchtlichen Körperchen erscheint.

§. 593.

[Seite 361]

In der ganzen Schöpfung, und sogar in den
einfachsten Elementen, wo schlechterdings keine prä-
formirten Keime statt finden, bemerkt man Spu-
ren solcher bildenden Kräfte. Auch Wolken neh-
men regelmäßige Gestalten an a), und der elektri-
sche Strom schlängelt sich in bestimmten Figuren b).
Es gibt sogar in dem Mineralreiche gewisse metal-
lische Krystallisationen, die in ihrer äußern Form
eine auffallende Aehnlichkeit mit gewissen organischen
Körpern haben: So z.B. das unbeschreiblich sau-
bere moosförmige Stückmessing, so wie es sich nach
dem ersten Gusse auf dem Bruche ausnimmt, und
das gediegene, sogenannte Farnkrautsilber zwischen
dem eingebröckelten Quarz aus Peru.

a) Meister im Göttingisch. Magazin. Jahrg. I.
Th. 1. S. 38.

b) Lichtenberg in nov. comment. Soc. scient. Vol.
VIII. und Vol. I.

§. 594.

Endlich gibt es in beyden organisirten Na-
turreichen Beyspiele solcher Körper, die mit einer
ganz ansehnlichen Größe ein schnelles, so zu sagen
zusehends merkliches Wachsthum, und eine so zar-
te halbdurchsichtige Textur verbinden, daß man ih-
re Fortpflanzung gleichsam mit Augen sehen, und
sich von dem Ungrunde präformirter Keime über-
zeugen kann. Hieher gehören in dem Pflanzenrei-
che die Brunnenkonserve a), in dem Thierreiche
aber die grüne Hydra b).

[Seite 362]

a) Götting. Magaz. Jahrg. II. Th. I. Taf. II.
Fig. 2. 3.

b) Ueber den Bildungstrieb. S. 21.

§. 595.

Ich würde die Grenzen akademischer Vorle-
sungen überschreiten, wenn ich alle Beweisgründe,
welche die Macht des Bildungstriebes auf das Er-
zeugungsgeschäft höchst wahrscheinlich machen a),
umständlich anführen wollte; ich werde also nur ei-
nige davon kürzlich anführen, die bey einem etwas
reifern Nachdenken eine vollkommene Ueberzeugung
bewirken dürften.

a) Comment. scient. Götting. Vol. VIII.

§. 596.

Hieher ziehe ich aus der Geschichte der Ba-
starderzeugung den merkwürdigen Versuch, da man
durch wiederholte Erzeugung fruchtbarer Bastard-
pflanzen endlich die eine Gattung so vollkommen in
eine andere verwandelt, und umgeschaffen, daß sie
nicht eine Spur von ihrer angestammten mütterli-
chen Bildung übrig behalten hat, und auf diese
Weise eine gleichsam willkührliche Verwandlung ei-
ner natürlichen Pflanzengattung in die andere voll-
bracht wurde a).

a) Kölreuter dritte Fortsetz. der vorläuf. Nachr.
S. 51.

§. 597.

Hieher gehören auch die thierischen Mißge-
burten (welche nach der ausdrücklichen Behaup-
tung der Verfechter der Keime in der ursprünglich-
[Seite 363] monströsen ersten Anlage eines einzelnen Keimes
ihren Grund haben sollen) welche unter gewissen
Hausthieren (besonders den Schweinen) so ge-
mein, und doch unter den wilden Thieren dersel-
ben Art fast unerhört sind.

§. 598.

Ferner die Erfahrung, daß nicht nur ange-
bohrne Mißgestalten, sondern auch nach der Ge-
burt entstandene zufällige Verstümmlungen, oder
andere an dem Körper, durch Zufall oder vorsetzlich
hervorgebrachte Verunstaltungen zuweilen erblich
werden, so daß dasjenige, was vorher ein Werk
der Kunst war, nun allmälig gleichsam in eine an-
dere Natur übergeht a).

a) Mehrere dergleichen Beyspiele habe ich in der
angeführten Schrift gesammelt.

§. 599.

Auch die Erscheinungen der Reproduktion
überhaupt lassen sich weit natürlicher aus der Ten-
denz des Bildungstriebes, als aus präformirten
einzelnen Keimen herleiten; einige dieser Erschei-
nungen sind sogar (z.B. daß bey Menschen die
Nägel der Finger, wenn auch selbst die vordern
Gelenke von diesen amputirt worden, nichts desto-
weniger sich an den verstümmelten Enden der hin-
tern Glieder wieder erzeugt haben), nicht wohl auf
eine andre Weise erklärbar.

a) Tulpii observat. med. L. IV. c. 55.

§. 600.

[Seite 364]

Wir sehen sogar, daß organische Theile ge-
gen die gewöhnliche Ordnung der Natur auf Ver-
anlassung irgend einer Krankheit oder durch die
Heilkräfte der Natur entstehen, wobey fürwahr
an keine präformirten Keime gedacht werden kann;
hieher gehören die Wormischen Zwickelbeine, wel-
che bey dem innern Wasserkopfe entstehen, um die
Zwischenräume der von einander abstehenden Haupt-
knochen auszufüllen.

§. 601.

Endlich, von beyden Seiten alles genau er-
wogen, so müssen ja die Gönner der Evolution
dem männlichen Zeugungsstoffe außer der reizen-
den Kraft auch noch bildende Kräfte zugestehen,
und bey der Unzulänglichkeit ihres Systems immer
doch nebenher zu dem Bildungstrieb ihre Zuflucht
nehmen. Der Bildungstrieb hingegen bedarf zur
Erklärung der Zeugungsphänomenen keiner fremden
Beyhilfe. Es ist also nicht abzusehen, wozu man,
wie die Schule sagt, die Dinge ohne dringende
Nothwendigkeit vermehren soll.


Sechs und vierzigster Abschnitt.
Von der Geburt und ihren Folgen.

[Seite 365]

§. 602.

Nachdem die Frucht durch die bisher angezeigten
Kräfte gebildet worden, und ihre vollkommene Rei-
fe erlangt hat, muß sie endlich durch die Geburt
a) zur Welt gebracht werden.

a) Jo. Jac. Roemer Partus naturalis brevis exposi-
tio. Götting
. 1786. 8.

§. 603.

Dieser kritische Zeitpunkt fällt nach dem ge-
wöhnliche Laufe der Natur, (von dem allein in
der Physiologie die Rede ist), gegen das Ende des
zehnten Mondmonats nach der Befruchtung, d. i.
ungefähr in die dreyßigste oder vierzigste Woche.

§. 604.

Sobald aber die Gebährmutter diesen Zeit-
punkt erreicht hat, entsteht alsogleich der Drang
zur Entbindung, die so wenig als irgend ein ande-
res Geschäft des menschlichen Körpers der Will-
kühr unterworfen ist (§. 294.).

§. 605.

[Seite 366]

Ueber die Ursachen eines so bestimmten und
plötzlichen Ereignisses haben uns die Physiologen
verschiedene Muthmassungen aufgestellt. Allein,
alles reiflich erwogen, so scheint mir die reizende
Ursache ein unveränderliches Naturgesetz zu seyn,
das wir so wenig, als andere dergleichen periodi-
sche Erscheinungen, z.B. die Verwandlung der
Insekten, die Perioden der Ausschlagsfieber, die
kritischen Ausleerungen u.s.w. zu erklären im
Stande sind. Man kann daher das menschliche Ey
einigermassen mit andern reifen Pflanzenfrüchten
vergleichen, die, indem sich ihre Nahrungsgefäße
zusammenziehen, endlich von freyen Stücken abfal-
len. Auch hat man beobachtet, daß der Mutter-
kuchen, wenn der Zeitpunkt der Geburt sich nähert,
sich etwas zusammenzieht, und zur bevorstehenden
Absonderung von der Gebährmutter gleichsam vor-
bereitet wird.

Denn alle andere Ursachen, z.B. die Aus-
dehnung der Gebährmutter u.s.w. die man für
natürliche Reize der Geburt zu halten pflegt, sind
grundlos. Dieß erhellt aus so vielen Beyspielen
der Leibesfrüchte, die außer der Gebährmutter in
den Eyerstöcken, oder in den Muttertrompeten em-
pfangen worden, wobey aber demohnerachtet zehn
Monate nach dieser widernatürlichen Empfängniß
die fruchtleere Gebährmutter von den gewöhnlichen,
obgleich zwecklosen Wehen befallen wurde a).

a) Ein dergleichen neueres Beyspiel habe ich in
den Comment. soc. scient. Götting. Vol. VIII.
eingerückt.

§. 606.

[Seite 367]

Daß aber außer dieser reizenden Ursache auch
noch andere mächtige, wirkende Ursachen vorhanden
seyn müssen, läßt sich aus der genauen Betrachtung
der Frucht und der Gebährmutter leicht begreifen.

Die nächste und vorzüglichste dieser wirken-
den Ursachen liegt nach meiner Ueberzeugung ganz
in der eigenthümlichen Lebenskraft der Gebähr-
mutter. (§. 47.)

Unter den entferntern Ursachen scheinen so-
wohl die durch das Einathmen bewirkten Anstren-
gungen der Gebährenden, als auch die ausgebreitete
Mitempfindung des Intercostalnervens mit dem gan-
zen Nervensystem die vornehmsten zu seyn a).

a) Camper demonstrat. anat. patholog. L. II. p. 9.

§. 607.

Die Erscheinungen der Geburt beobachten
in Rücksicht auf ihre Anfälle, und ihre Aufein-
anderfolge a) eine festgesetzte Ordnung, daher
sie von den Geburtshelfern in vier Zeiträume ein-
getheilt werden.

a) Smellies set of anatomical Tables. tab. XI.–XV.

§. 608.

Der erste Zeitraum, wo ganz eigene
Schmerzen, welche von den Lenden abwärts nach
der Richtung der Gebährmutter fortschreiten, (die
zwar das ganze Entbindungsgeschäft, aber in
ungleichen Zwischenzeiten, und mit verschiedener
Heftigkeit begleiten;) die Gebährende anfänglich
[Seite 368] schwach angreifen, und vorbedeutende Wehen
heißen, und wobey der Muttermund sich beträcht-
lich öffnet. Der Bauch fällt alsdann zusammen,
es entsteht ein Drang zum Urinlassen, und aus
den mäßig angeschwollenen Geburtstheilen fließt ein
häufiger Schleim.

§. 609.

In dem zweyten Zeitraume werden die Schmer-
zen stärker, und das untere Segment des Sackes,
worinn das Kind eingeschlossen ist, wird durch den
Muttermund in die Mutterscheide getrieben: dieß
sind die vorbereitenden Wehen.

§. 610.

Im dritten Zeitraume werden diese Schmer-
zen wieder stärker, und heißen nun eigentlich die
dringenden Wehen; sie drängen mit größerer Hef-
tigkeit auf die Gebährmutter, diese aber auf das
Kind, so daß nun der Sack immer mehr gespannt
wird, und endlich platzt.

§. 611.

In dem vierten Zeitraume endlich kömmt das
Kind unter den heftigsten erschütterndern Wehen,
und unter der heftigsten Anstrengung a) der Gebäh-
renden, wozu sich fast allezeit ein Schauer, Zähne-
knirschen, und Zittern der Knie u.s.w. gesellen,
indem es zuerst mit seinem Scheitel auf dem Schaam-
bogen aufsteht, indessen der übrige Kopf weiter fort-
rückt, und sich um den Scheitel gleichsam als seine
Axe dreht, zuerst mit dem Gesichte zum Vorschein,
und wird so unter einem begleitenden Blutfluße zur
Welt gebracht.

[Seite 369]

a) Viele Physiologen haben dieser Anstrengung,
und diese Gewalt, mit der das Kind fortgetrie-
ben wird, für so stark gehalten, daß sie behaup-
teten, die Schaamknochen müßten dadurch aus
einander weichen. Ein Verzeichniß dieser Schrift-
steller sieht in Peters. Michell de Synchondrotomia
pubis. p
. 52. Edit. Amst. 1783. 8.

Allein so sehr ich auch theils aus der Struktur der
Theile, theils durch angestellte Beobachtungen
überzeugt bin, daß die Knorpelfügung des Be-
ckens und dessen Ligamente während der Schwan-
gerschaft, besonders gegen das Ende derselben
etwas anschwellen (eine Erscheinung, die sich
theils von dem häufigen Zufluße der Säfte, theils
von dem Drucke der Gebährmutter, und der
daraus entstehenden Unthätigkeit der einsaugen-
den Gefäße erklären läßt;) so glaube ich doch
nicht, daß den Knochen in der Geburt eine so
plötzliche Gewalt zugefügt wird. Und ich trage
kein Bedenken, die Beobachtungen, welche man
von der nachgebenden Beweglichkeit der Schaam-
knochen bey Kindbetterinnen anzuführen pflegt,
vielwehr von der abnehmenden Geschwulst der
Schaambeinfügung, welche nach dem aufgehobe-
nen Drucke der Gebährmutter erfolget, als von
einer gewaltsamen Erweiterung derselben herzu-
leiten.

§. 612.

Bald nach ausgetriebener Frucht folgt unter
einem neuen, aber weniger schmerzhaften Drang
die Nachgeburt; und es entsteht auch eine neue
Blutung aus demjenigen Theile a) der Gebährmut-
[Seite 370] ter, woran der Mutterkuchen mittelst der dicken
Lamelle der zottigten Haut befestigt war.

a) B. S. Albini Annot. acad. L. V. Tab. I.

Gul. Hunter anat. uteri gravid. Tab. X. fig. 3.

b) Diesen Theil der beschwängerten, oder so erst
entbundenen Gebährmutterhöhle nannten die Ana-
tomiker nach Nik. Massa Kotyledonen: sie ent-
lehnten diese Benennung von der Gebährmutter
der wiederkauenden Saugthiere, die mit solchen
Vertiefungen versehen sind, von denen die so-
genannten drüsigten Körper der Lederhaut, wel-
che einigermassen dem menschlichen Mutterkuchen
ähnlich sind, aufgenommen werden.

§. 613.

Sobald die Gebährmutter von der Geburt
und Nachgeburt entbunden worden, zieht sie sich
allmälig in ihren vorigen Zustand zusammen, und
erreicht beynahe ihre ehmalige Größe.

§. 614.

In diesem Zeitpunkte, nämlich ungefähr
in der ersten Woche der Kindbett, fließt die Kind-
bettreinigung, (lochia) die dem Monatfluße
ziemlich ähnlich ist, ausgenommen, daß sie häu-
figer fließt, besonders alsdann, wenn die Mut-
ter das Kind nicht stillt; gegen den vierten Tag
wird dieser Blutfluß bläßer, und endlich weiß-
licht.

[Seite 371] So wird die Gebährmutter auch von den Ue-
berbleibseln der zottigten Haut gesäubert, und ge-
nießt nun, nachdem sie ihr Geschäft der Schwan-
gerschaft vollbracht hat, bis auf den nächsten Ein-
tritt des Monatflußes, oder eine neue Befruchtung,
eine vollkommene Ruhe.


Sieben und vierzigster Abschnitt.
Von dem Unterschiede des neugebohrnen,
und ungebohrnen Kindes. a)

[Seite 372]

a) Trew de differentiis quibusdam inter homi-
nem natum
& nascendum intercedentibus. No-
rimb
. 1736. 4.

Röderer de foetu perfecto. Argent. 1750.

Andr. & Fr. Roesslein (fratres) de differentiis inter
foetum
& adultum. Argent. 1783.

Theod. Hoogeveen de foetus humani morbis. L. B.
1784. 8. p. 28.

Fr. Aug. Walter annot. acad. p. 44.

§. 615.

Aus dem, was wir bisher von der Lebensweise
des ungebohrnen Kindes, das noch in Mutterleibe
und in einem warmen Bade eingeschlossen lebt,
erwähnt haben, erhellt, daß zwischen den körper-
lichen Verrichtungen eines Foetus, und eines neu-
gebohrnen Kindes ein beträchtlicher Unterschied statt
finden müsse. Wir wollen nun die vorzüglichsten
Abweichungen einzeln betrachten.

§. 616.

[Seite 373]

Wir machen den Anfang mit dem Kreislaufe
des Blutes, a) das in dem ungebohrnen Kinde,
welches mit dem Mutterkuchen mittelst des Nabel-
stranges einen gemeinschaftlichen Kreislauf unterhält,
und bisher noch keine Luft eingeathmet hat, einen
ganz andern Weg nehmen muß, als nach der Ent-
bindung, wenn diese Gemeinschaft zwischen Mutter
und Kind aufgehoben wird, und die Lungen Luft
eingeathmet haben.

a) Herm. Bernard. de eo, quo differt circuitus san-
guinis foetus ab illo hominis nati. recus. in
Over-
kampii collect. T. III.

Jos. Wenc. Czikanek de actuosa hominis nascituri vita
s. circulat. foetus ab hominis nati diversitate. re-
cus. in
Wasserberg collect. T. V.

Sabatier sur les organes de la circulation du sang du
foetus. Tr. complet d'Anat. Vol
. III. p. 386. Ed.
1781.

§. 617.

Die Nabelvene, welche aus dem Mutterku-
chen herkömmt, geht durch den sogenannten Nabel-
ring des Kindes, mündet sich mit der Leber dessel-
ben, und führt das Blut in die Pfortader; wo das
Blut sodann theils durch die Zweige der Pfortader
in die Leber weiter vertheilt, theils aber durch einen
besondern Zweig (ductus venosus Arantii) – a
–) geraden Weges in die aufsteigende Hohlader
gebracht wird.

Beyde Kanäle, nämlich, das in dem Un-
terleibe des Kindes zurückgelassene Ende der Na-
belvene, als der besondere venöse Zweig, wer-
[Seite 374] den, nachdem der Nabelstrang abgeschnitten wor-
den, geschlossen; und jener verwandelt sich in das
ligamentum teres der Leber.

a) Arantii de humano foetu libellus.

B. S. Albini explic. Tab. Eustachii p. 164.

§. 618.

Das Blut, welches nun aus der untern Hohl-
ader in die rechte Herzkammer fließt, muß, da die
Lungen des ungebohrnen Kindes dasselbe noch nicht
durchlassen können, einen andern Weg nehmen, und
wird daher mittelst der Eustachschen Klappe, und
der eyförmigen Oeffnung in das linke Herzohr
gebracht.

§. 619.

Denn die Mündung der untern aus dem Un-
terleibe heraufsteigenden Hohlader ist in dem unge-
bohrnen Kinde mit einer ziemlich starken halbmond-
förmigen Klappe a) versehen, welche von ihrem
Entdecker b) die Eustachsche Klappe genennt wird,
mit zunehmenden Jahren allmälig verwächst, aber
in dem ungebohrnen Kinde das aus dem Unterleibe
zurückfließende Blut nach der eyförmigen Oeffnung,
welche in der Scheidewand beyder Herzohren ange-
bracht ist, hinzuleiten scheint. c)

a) Haller de valvula Eustachii. Götting. 1738. 4.

b) Eustachius de vena sine pari p. 289. opusc. Ej.
Tab
. VIII. fig. 6. Tab. XVI. fig. 3.

Lobstein de valvula Eustachii. Argent. 1771. 4.

§. 620.

[Seite 375]

Durch die sogenannte eyförmige Oeffnung
a) wird besonders das aus der heraufsteigenden
Hohlader zurückströmende Blut bey einer jedesmali-
gen Erweiterung der Herzohren in das linke Herz-
ohr geleitet b); damit aber das Blut bey der dar-
auf erfolgenden Zusammenziehung der Herzohren
nicht in das rechte zurücktrete, wird durch eine ei-
gene sichelförmige Klappe gehindert. Mit dieser
Klappe verwächst bey zunehmenden Jahren die ey-
förmige Oeffnung allmälig in dem Verhältnisse,
in dem die Eustachische Klappe abnimmt, und
endlich ganz verschwindet c).

a) Haller de foramine ovali, & Eustachii valvula.
Götting
. 1748. fol. c. f. ae. – und viel aus-
führlicher in oper. minor. T. I. p. 33.

b) Wolff's Meynung, daß die eyförmige Oeffnung
nur eine zweyte Mündung der heraufsteigenden
Hohlader sey, und sich in das linke Herzohr,
wie die andere Mündung in das rechte öffne,
steht in nov. Commentar. acad. scient. Petropol.
Tab
. XX. pr. a. 1775.

c) Leveling de valvula Eustachii, & foramine ovali.
Anglipol
. 1780. c. f. ae.

§. 621.

Von dem in das rechte Herzohr aus den Hohl-
adern, besonders aus der herabsteigenden, zuge-
führten Blut kann nur der kleinste Theil von den
Lungen aufgenommen werden; es wird daher der
größte Theil der Blutmasse durch den Botallischen
Arteriengang, welcher die Hauptfortsetzung der
[Seite 376] Lungenarterie ist, die Lungen vorbey, unmittel-
bar in die große Schlagader geleitet; dieser Gang
verwächst in dem neugebohrnen Kinde nach eini-
gen Wochen ganz, und wird zu einem dicken Li-
gament.

a) B. S. Albini annot. acad. L. II. Tab. VII. f. 7.

§. 622.

Ein großer Theil dieser in die große Schlag-
ader geleiteten Blutmasse muß wieder in den Mut-
terkuchen gebracht werden; dieser Rückfluß geschieht
durch die Nabelstrangarterien (§. 578.), welche
an beyden Seiten des Urachus durch den Nabel-
ring gehen, und nach der Geburt gleichfalls un-
durchgängig werden a).

a) Halleri icones anat. fasc. IV. Tab. III. VI.

§. 623.

Die Lungen des ungebohrnen Kindes sind
nicht nur fast ohne alle Verrichtung, sondern un-
terscheiden sich auch durch ihr äußerliches Ansehen
von den Lungen des neugebohrnen Kindes, das
schon Luft eingeathmet hat. Sie sind in dem Kin-
de klein, dunkelbraun, dicht; daher ihre größere
specifische Schwere, so daß die frischen und un-
verletzten Lungen eines ungebohrnen Kindes in ei-
ner großen Menge Wasser untergehen, da hinge-
gen die Lungen eines lebendig zur Welt gebrachten
Kindes unter gleichen Umständen auf dem Wasser
schwimmen a). Die rechte Lunge scheint von der
Luft eher ausgedehnt zu werden, als die linke b).
Was übrigens die erste Veranlassung dieser Ver-
[Seite 377] richtung betrifft, so ist davon in dem Abschnitte
von dem Athemholen gehandelt worden.

a) Die Umstände, unter denen sich dieß ereignet,
und die Vorsichtsregeln, welche bey der sogenann-
ten Lungenprobe in der gerichtlichen Arzneykunst
müssen angewendet werden, gehören nicht hieher.
Man lese darüber Hunter's hinterlassene Abhand-
lung in medical observat. and Inquiries. Vol. VI.
pag. 284.

b) Portal in Mem. de l'acad. des scienc. de Paris
1769.

Metzger de pulmone dextro ante sinistrum respiran-
te. Regiom
. 1783. 4.

§. 624.

Aus dem, was (§. 574. 581.) von der Er-
nährung des Foetus gesagt worden, erhellet, daß
sowohl der Magen und die Därme, als auch das
ganze bisher unthätige System der Speisesaftsge-
fäße in dem ungebohrnen Kinde ganz anders beschaf-
fen seyn müssen, als in dem erwachsenen Menschen.
So sind z.B. die dicken Därme in dem erst eini-
ge Monate alten Foetus von den dünnen Därmen
nicht unterschieden; erst in der letzten Hälfte der
Schwangerschaft, wenn sie von dem angesammel-
ten Unrathe ausgedehnt werden, verdienen sie die-
se auszeichnende Benennung.

§. 625.

Das Meconium ist ein bräunlich-grüner Un-
rath, der ohne Zweifel von den eigenen Säften,
vorzüglich aber von der Galle des Foetus herrührt;
[Seite 378] dieß wird nicht nur dadurch sehr wahrscheinlich,
daß die Absonderung der Galle gerade in diesem
Zeitpunkte sich zuerst äußert, sondern auch durch
die Beobachtung von Mißgeburten, welche keine
Leber hatten, und in deren Gedärmen anstatt des
Meconiums nur ein wenig ungefärbter Schleim
enthalten war.

§. 626.

Auch der blinde Darm bildet in dem Kinde
mit dem wurmförmigen Fortsatze einen gleich fort-
laufenden Darm a) u.s.w.

a) B. S. Albini annat. acad. L. VI. Tab. II. fig. 7.

§. 627.

Andere dergleichen Verschiedenheiten sind schon
angezeigt worden, nämlich:

Der Urachus (§. 579.).

Die Sternhaut (§. 259.).

Und in dem männlichen Foetus das Herab-
steigen der Hoden (§. 501.).

Einige andere kommen in dem folgenden Ab-
schnitte vor; andere unbedeutende Abweichungen
übergehen wir ganz.

§. 628.

Endlich müssen wir noch einiger Theile er-
wähnen, die in dem ungebohrnen Kinde verhältniß-
mäßig größer sind, deren Nutzen aber (aller Nach-
forschungen der Zergliederer ohnerachtet) bis itzt un-
bekannt geblieben ist. Sie werden zwar schlecht-
weg Drüsen genennt, obgleich ihr Parenchyma von
[Seite 379] dem Bau der Drüsen sehr abweicht, und bisher kein
Ausführungsgang entdeckt worden ist. Die Rede
ist also hier von der Schilddrüse, von der Brust-
drüse, und von den Nebennieren.

§. 629.

Die Schilddruse (glandula thyreoidea)
hängt an dem schildförmigen Knorpel des Luftröh-
renkopfes, besteht aus zwey Lappen, und hat ei-
ne sichelförmige Gestalt a); in dem ungebohrnen
Kinde ist sie mit einer lymphatischen Flüßigkeit an-
gefüllt, trocknet aber mit den zunehmenden Jahren
immer mehr aus.

a) Halleri Icon. anatom. fasc. III. Tab. 3.

§. 630.

Die Brustdrüse (thymus) ist eine weißlich-
te, zarte, gleichfalls aus zwey Lappen, manch-
mahl aus zwey abgesonderten Theilen bestehende
Fleischmasse, die manchmal mit einer beträchtli-
chen Höhle versehen ist a); sie liegt unter dem
obern Theil des Brustbeines, und reicht auf bey-
den Seiten bis an den Hals b); sie ist im unge-
bohrnen Kinde sehr groß, enthält eine milchigte
Flüßigkeit; in den Jünglingsjahren schrumpft sie
allmälig ein, und verschwindet oft im hohen Al-
ter ganz und gar c).

a) Aug. Lud. de Hugo de glandulis in genere, &
speciatim de thymo. Götting. 1746. 4. fig. 2.

b) Haller Icon. anatom. l. c.

c) Hewson's experimental Inquiries. P. III.

§. 631.

[Seite 380]

Endlich die Nebennieren (Renes succentu-
riati, f. glandulae suprarenales, item capsulae
atrabilariae
) liegen unter dem Zwerchfelle auf dem
obern Rande der Nieren a); sie sind bey Erwach-
senen überhaupt kleiner, liegen gewöhnlich etwas
weiter von den Nieren entfernt, und sind mit ei-
ner braunen Flüßigkeit angefüllt, die aber in dem
ungebohrnen Kinde röthlicher aussieht.

a) Eustachii Tab. I. II. III. fig. 1. 10. 12.

Halleri Icones anatomicae. fasc. III. Tab. VI.


Acht und vierzigster Abschnitt.
Von dem Wachsthume, Stillstand,
und der Abnahme des Menschen.

[Seite 381]

§. 632.

Nachdem wir bisher die Oekonomie des mensch-
lichen Körpers nach seinen einzelnen Verrichtungen
betrachtet haben, wollen wir nun auch über den
ganzen Lebenslauf desselben eine allgemeine Ueber-
sicht anstellen, und den Menschen von dem Anbe-
ginn seines Daseyns durch alle Hauptepochen bis
an das Ende des Lebens begleiten.

§. 633.

Die ersten Anfänge der Bildung eines Foe-
tus werden erst in der dritten Woche nach der Em-
pfängniß sichtbar (§. 575.); das ungebohrne Kind
ist nur mit dem kleinsten (§. 57.) fast pflanzenähn-
lichen Leben begabt, und ungefähr in der vierten
Woche bemerkt man zuerst wahres Blut (§. 13.);
in diesem Zeitpunkte hat man auch in dem mensch-
lichen Foetus a) die erste Bewegung des kleinen
Herzens (§. 89.) wahrgenommen, die in dem be-
brüteten Hühnchen schon Aristoteles b) gesehen
[Seite 382] hat, und seitdem unter dem Namen des springen-
den Punkts allgemein bekannt ist.

a) Jo. de Muralto Ephem. N. C. Dec. II. ann. I.

b) Aristotelis histor. animal. L. VI. Cap. 3. Op.
Vol
. II. p. 326.

§. 634.

In der siebenten oder achten Woche ungefähr
beginnt die menschliche Knochenbildung a), und
zwar bildet der Knochensaft die ersten Kerne in
den Schlüßelbeinen, Rippen, Halswirbeln, den
größern Röhrenknochen der äußern Gliedmassen,
dem untern Kieferbein, einigen Beinen des Ge-
sichts; sodann die zarten Beinnetze in einigen fla-
chen Beinen des Schädels, nämlich in dem Stirn-
und Hinterhauptbein, später in den Scheitelkno-
chen u.s.w.

Ueberhaupt wächst der Foetus, auch sowohl
das ungebohrne als neugebohrne Kind desto schnel-
ler, je weniger es noch von seinem Ursprunge ent-
fernt ist u.s.w.

a) Die menschliche Knochenbildung: denn in dem
bebrüreten Hühnchen fängt die Knochenbildung
etwas später an, nämlich gegen den neunten Tag;
dieser Zeitpunkt entspricht aber der siebenzehnten
Woche der menschlichen Schwangerschaft. Ver-
muthlich beschleuniget die Natur in dem mensch-
lichen Foetus, und andern lebendig zur Welt ge-
brachten Thieren die Bildung der Knochen, (wel-
che gleichsam die Anfänge und Stützen des klei-
nen Körpers sind), um dadurch alle Verunstal-
tungen zu verhüten, denen das in seiner Schaa-
le eingehüllte Hühnchen weniger ausgesetzt ist.

[Seite 383]

Man darf also die bey den bebrüteten Hühnchen an-
gestellten Beobachtungen nicht so gerade aus die
Bildung des menschlichen Foetus anwenden, ein
Irrthum, in den sogar ein Haller verfiel, indem
er behauptete, daß seine über die Knochenbil-
dung des bebrüteten Hühnchens angestellten Be-
obachtungen auch von andern Thiergeschlech-
tern, und sogar von den menschlichen Körpern
gelten.

Dieses Vorurtheil hat in der Folge so weit um sich
gegriffen, daß sogar einige Aerzte, welche über
die Reife einer Geburt ein gerichtliches Gutach-
ten ausstellen sollten, ihre Gründe von einer so
unsichern Vergleichung der menschlichen Knochen-
bildung mit der Knochenbildung in dem bebrüte-
ten Hühnchen entlehnten. Hug. Morreti consulta-
tion au sujet d'un enfant. Divion
. 1768. 4.

§. 635.

Ungefähr in der Mitte der Schwangerschaft
wird das Kind in dem eigentlichen Sinne (§. 585.)
belebt; auch die Absonderung einiger Flüßigkeiten,
z.B. des Fettes (§. 38.), und der Galle fällt in
diesen Zeitpunkt.

§. 636.

In dem reifern Foetus keimt das Haupthaar
allmälig hervor, die Nägel wachsen, und die Stern-
haut des Auges verschwindet (§. 259.); in dem
männlichen Foetus steigen die Hoden in den Hoden-
sack herunter (§. 505.).

§. 637.

Sobald nun aber das Kind gegen das Ende
des zehnten Monats durch die Geburt (§. 603.)
[Seite 384] zur Welt gebracht worden, ereignen sich, außer den
oben angeführten Hauptveränderungen in der thieri-
schen Oekonomie, auch an der äußern Oberfläche
des Körpers beträchtliche Veränderungen; z.B.
die wolligten Haare, die das Gesicht des neugebohr-
nen Kindes überziehet, verschwinden, die Falten
werden ausgeglättet, der After verbirgt sich zwischen
den Hinterbacken, die nun erst einen größern Um-
fang erlangen, u.s.w.

§. 638.

Allmälig entwickeln sich auch die Seelenfähig-
keiten des Kindes: a) nämlich das Wahrnehmungs-
vermögen, die Aufmerksamkeit, die Erinnerung,
und die Begehrungskraft u.s.w. Daher auch die
Kinder schon in den ersten Monaten nach der Ge-
burt Träume haben u.s.w.

a) Tiedemann über die Entwicklung der Seelenfä-
higkeiten bey Kindern, in Hessisch. Beyträgen.
B. II. Th. 2. 3.

§. 639.

Auch die äußern Sinnwerkzeuge werden im-
mer mehr ausgebildet, und vervollkommet, z.B.
das äußere Ohr, die innern Höhlen der Nase, die
obern Bögen der Augenhöhle, die Augenlieder u.s.w.

§. 640.

Auch die Knochen des Schädels wachsen un-
tereinander fester zusammen; die Fontanellen schlie-
ßen sich allmälig, und in dem achten Monate ge-
schieht der Zahnausbruch.

§. 641.

[Seite 385]

Alsdann muß das Kind entwöhnt werden, in-
dem die Zähne zur Verarbeitung festerer Nahrungs-
mittel bestimmt sind.

§. 642.

Gegen das Ende des ersten Jahres gewöhnt
sich das Kind allmälig an die aufrechte Lage –
einer der größten Vorzüge des menschlichen Körpers.

§. 643.

Das von der Brust entwöhnte Kind wächst
nun, indem es gehen erlernt, schnell heran, und
erlangt allmälig auch den andern Vorzug des Men-
schengeschlechts, nämlich den Gebrauch der Spra-
che; die Seele fängt nun an die geläufigsten Ideen
durch Worte auszudrücken (§. 154).

§. 644.

Nach dem siebenten Jahre erfolgt, indem die
zwanzig Milchzähne allmälig ausfallen, ein zweyter
Zahnausbruch; diese 32. Zähne werden aber nicht
mehr durch neue ersetzt.

§. 645.

In dieser Epoche der Kindheit übertrifft das
Gedächtniß alle andere Seelenfähigkeiten, und ist
auch zur Aufnahme der sinnlichen Eindrücke vorzüg-
lich geschickt: nach dem fünfzehnten Jahre ungefähr
bemerkt man die ersten Funken der Einbildungskraft.

§. 646.

Aber die lebhaftere Aeußerung der Einbildungs-
kraft fällt in die Periode der Mannbarkeit, wo der
Mensch durch mannigfaltige und wichtige Verän-
derungen zu den künftigen Geschlechtsverrichtungen
vorbereitet wird. a)

a) Th. Miller de pubertate. Edinb. 1781. 8.

§. 647.

[Seite 386]

Dem reifenden Mädchen wachsen die Brüste,
dem Jüngling wächst Pflaum um das Kinn; und
andere dergleichen Vorspiele der Mannbarkeit; end-
lich stellt sich bey dem mannbaren Mädchen die mo-
natliche Reinigung (§. 545.) ein; in dem Jüng-
ling nimmt die Absonderung des Saamens (§. 518.)
ihren Anfang, wozu sich noch das Wachsen des
Bartes, a) und die merkwürdige Vertiefung der
Stimme gesellt.

Zu gleicher Zeit erwacht, gleichsam durch die
innere Anreizung der Natur, der Geschlechtstrieb
(§. 288.), und der Mensch wird in der Blüthe sei-
ner Jahre zum Beyschlaf tüchtig gemacht.

a) Die fabelhafte, und auch in unsern Tagen auf-
gewärmte Erzählung von amerikanischen Völkern,
die von Natur keinem Bart haben sollen, habe ich
durch eine Menge von Zeugen widerlegt, im Göt-
ting. Magazin. Jahrg. II. Th. 6. S. 418.

Ich habe aus ganz Amerika Beyspiele von Völkern
aufgestellt, die entweder, wenigstens zum Theil,
einen Bart haben, oder von denen man zuver-
läßig weis, daß sie sich den Bart durch besonde-
re Werkzeuge ausreißen u.s.w.

Daß aber mit der Zeit dieses durch mehrere Gene-
rationen fortgesetzte Ausreißen des Bartes allmä-
lig zur andern Natur, und wenigstens ein sehr
dünner Bart erblich werden könne (§. 598.), läßt
sich aus dem, was vorher von dem Bildungstrie-
be gesagt worden, einigermassen erklären.

§. 648.

[Seite 387]

Obgleich der Zeitpunkt der Mannbarkeit
nicht so genau bestimmt werden kann, indem er
nach Verschiedenheit des Klima, und der Tem-
peramente verschieden ist, a) so werden doch über-
haupt Frauenzimmer etwas früher mannbar; und
zwar in unserm Klima die Mädchen schon im fünf-
zehnten, die Jünglinge hingegen erst im zwanzigsten
Jahre.

a) Eine Geschichte einer neunjährigen Wöchnerinn,
welche mir Gottl. Eman. v. Haller mitgetheilt
hat, habe ich in der medicinisch. Biblioth. B. I.
eingerückt.

§. 649.

Bald nachher erreicht die Statur des mensch-
lichen Körpers das von der Natur festgesetzte Ziel;
aber auch dieser Zeitpunkt ist, außer der Verschie-
denheit bey einzelnen Menschen und ganzen Fami-
lien, nach der Verschiedenheit des Klima ganz
verschieden. a)

a) Denn auch der Mensch sieht, wie alle organisirte
Wesen, unter der Herrschaft des Klima, und
gedeiht, im Allgemeinen betrachtet, besser in war-
men, als in kalten Erdstrichen.

Daß die Riesen oder Patagonen eben sowohl, als
Commerson's Zwergvölklein von Madagaskar
unter die Märchen gehören, bedarf wohl hier
keiner Erinnerung.

§. 650.

[Seite 388]

Auch die Ansätze der Knochen, welche bisher
knorplicht waren, werden nun ganz verknöchert.

§. 651.

Das männliche Alter ist der längste und
vorzüglichste Zeitraum des Menschenlebens, sowohl
in Rücksicht der körperlichen Verrichtungen, in deren
Lebhaftigkeit und Beharrlichkeit das größte Le-
ben (§. 57.) besteht; als auch in Beziehung der Gei-
stesfähigkeiten, die sich vorzüglich durch eine reife
Urtheilskraft auszeichnen.

§. 652.

Die Vorbothen des herannahenden Alters sind
bey Frauenzimmern das Aufhören der monatlichen
Reinigung (§. 547.), bey Männern die Trägheit
des Geschlechtstriebes, bey beyden Geschlechtern
aber eine allgemeine Austrocknung, a) und eine
allmälige Abnahme der Lebenskraft.

a) Joach. Fr. Gernet de siccitatis senilis effectibus.
Lips
. 1753. 4.

§. 653.

Das Greisalter hat eine überhandnehmende
Stumpfheit der äußern und innern Sinne, das Be-
dürfniß eines längern Schlafes, und eine allgemei-
ne Trägheit aller körperlichen Verrichtungen zu Ge-
fährten. Die Haare werden grau, und fallen all-
mälig aus. Der Nacken beugt sich unter der Last
des Kopfes, und die Füße sind kaum im Stande
die Last des Körpers zu ertragen. Sogar die Kno-
chen, diese allgemeinen Stützen des Körpers, schwin-
den allmälig a) u.s.w.

[Seite 389]

a) Ich übergehe hier jene merkwürdigen Verände-
rungen der Knochenabnahme bey Greisen, von
von denen ich in meiner Osteologie gehandelt habe.

§. 654.

Und so sind wir nun bis an das Ende der
Physiologie vorgerückt, nämlich, bis an den na-
türlichen Tod, der ohne eine vorhergehende
Krankheit erfolgt. a) Diese Todesart ist das Ziel
und der Hauptendzweck der ganzen Arzneykunst;
die Ursachen des Todes sind aus dem, was bisher
gesagt worden, leicht zu begreifen. b)

a) G. Gottl. Richter de morte sine morbo. Götting.
1736. 4.

b) Jo. Oosterdyk Schacht oratio, qua senile fatum
inevitabili necessitate humani corporis mechanismo
sequi demonstratur. Ultraject.
1729. 4.

Math. van Geuns de morte corporea & causis morien-
di. L. B.
1761. 4. recus. in Sandiforti thesaur.
Vol
. III.

§. 655.

Die Erscheinungen, welche man an Sterben-
den beobachtet, a) sind, Kälte der äußern Glied-
massen, erlöschender Glanz der Augen, ein klei-
ner, langsamer, aussetzender Puls, endlich mattes
Athemholen, welches sich zuletzt durch ein heftiges
Ausathmen endiget.

Bey Saugthieren, die lebendig geöffnet wer-
den, kann man deutlich beobachten, wie die rech-
te Herzkammer, und das rechte Herzohr etwas län-
[Seite 390] ger sich bewegen, als das linke Ohr, und die lin-
ke Herzkammer (§. 111.).

a) Ueber die Stufenfolge der Erscheinungen des To-
des, die selbst von einem Sterbenden genau be-
obachtet worden, (von einem Manne, der an
der Ruhr verstarb) lese man Moritz Magazin
zur Erfahrungs-Seelen-Kunde. B. I. Th. I.
S. 63.

§. 656.

Daß der Körper entseelt sey, erkennt man
an der Kälte, an der Steifigkeit der Gelenke, an
dem Leichengestank, vorzüglich aber an der er-
schlappten Hornhaut, und an dem offenstehenden
After. Aus allen diesen Zeichen zusammengenom-
men kann man mit Zuverläßigkeit den wirklichen
Tod von dem Scheintode unterscheiden. a)

a) Jo. Jac. Bruhier sur l'incertitude des signes de
la mort. Par
. 1749. II. Vol. 8.

van Switen oratio (posthuma) de morte dubia. Vien-
nae
1778. 8.

§. 657.

Das natürliche Lebensende (das man näm-
lich als das gewöhnliche, und gleichsam festgesetz-
te Ziel des Greisalters ansehen kann a) kann zwar
nicht genau bestimmt werden; doch habe ich aus
einer sorgfältigen Vergleichung der meisten Ster-
belisten gefunden, daß in Europa sehr viele Grei-
se das vier und achzigste Jahr erreichen, aber
nur wenige diesen Zeitpunkt überleben.

[Seite 391]

a) Jo. Gessner de termino vitae. Tiguri 1748. 4.
Recus. in Excerpto italic. & helv. litterat. ann.
1759. T. IV.

§. 658.

Obgleich überhaupt, außer so vielen andern
Ursachen, die Schwäche des kindlichen Alters,
die Schwelgerey, die Heftigkeit der Krankheiten,
und mannigfaltige Unglücksfälle vorzüglich Schuld
daran sind, daß unter tausend Menschen beynahe
kaum acht und siebenzig dieses natürlichen Todes
sterben, so lebt doch der Mensch unter allen Thie-
ren verhältnißweise am längsten a); und es ist
daher die Sophisterey über die kurze Dauer des
menschlichen Lebens die unbilligste aller Klagen.

a) Bacon de Verulamio hist. vitae & mortis. operr.
Vol.
II. p. 121. Ed. Lond. 1740. fol.


Appendix A Zusätze und Anmerkungen.

[Seite 392]

Appendix A.1 Zum 193. §.


Ueber das Verhältniß des menschlichen Gehirns
zu den Nerven haben wir die genauere Untersu-
chung dem Herrn Sömmering zu verdanken, die
er in der deutschen Uebersetzung des Monroischen
Werkes über die Struktur und Verrichtungen
des Nervensystems mitgetheilt hat.

Mit Genauigkeit, Sorgfalt, und Nutzung
aller Gelegenheiten angestellte Vergleichung der
Gehirne aus allen Thierklassen führte mich am En-
de auf den sehr wichtigen, von mir zuerst entdeck-
ten Hauptsatz: daß der Mensch beym größten
Gehirn die kleinsten Nerven habe, oder, daß
man nur in Rücksicht der Vergleichung des
Gehirns mit seinen Nerven sagen könne: der
Mensch hat das größte Gehirn.

Ich will mich deutlicher erklären: man ver-
muthete sonst, oder nahm auch wohl geradezu an,
der Mensch habe das größte Gehirn. Wie be-
wies man aber dieses? Man wog das Gehirn
und den Körper des Menschen, und eben so der
gemeinsten Hausthiere; soweit hielt nun dieser
Satz ziemlich Stich. Allein Zergliederer, die wei-
[Seite 393] ter giengen, und diesen Satz durch mehrere Thier-
geschlechter genau bestimmen wollten, kamen in
nicht geringe Verlegenheit, wenn sie fanden, daß
z.B. die Vögel in der Proportion des Gewichts
ihres Gehirns, verglichen mit dem Gewichte ihrer
Körper, gar weit den Menschen übertreffen; auch
die Delphine, Seehunde, und noch mehr die klei-
nen vierfüßigen Thiere, als Mäuse, Eichhörnchen
u.s.w. scheinen für ihren kleinen Körper (gewiß
aber nicht für ihren Kopf und Sinn) ein unge-
heuer großes Gehirn zu besitzen.

Es ist äußerst unbestimmt, den ganzen Kör-
per, dessen Gewicht nach einer Ermüdung, Krank-
heit, beym Fett- oder Magerwerden so sehr ab-
wechselt, mit dem Gehirne, dessen Gewicht unter
allen obigen Umständen beständiger, und weniger
Veränderungen ausgesetzt bleibt, das z.B. nie
fett wird, zu vergleichen; besser und sicherer hin-
gegen lassen sich Gehirne mit ihren eigenen Nerven
vergleichen.

Ich glaube zwar nicht, daß die Nerven zum
Gehirne, wie Ausführungsgänge zu einem Ab-
scheidungswerkzeuge gehören, sondern es scheint
mir vielmehr, daß eine sehr geringe Menge Ge-
hirnmasse zur gehörigen Verbindung mit den Ner-
ven (in so weit sie blos zum thierischen Leben er-
forderlich ist), hinreichet.

Dasjenige Geschöpf also, das über diese,
zum blos thierischen Leben, nothwendige Portion
von Gehirn, den größten Reichthum oder Ueber-
schuß von Gehirn hat, wird wahrscheinlich auch
die vorzüglichste organische Anlage zu Geisteskräf-
ten besitzen.

[Seite 394] Hier erscheint der Mensch bey weitem als
das erste Geschöpf! Alle Assen müssen ihm in
dieser Hinsicht nachstehen; denn obgleich ihr Ge-
hirn, besonders bey den kleinern Arten, mit Roll-
schwänzen, am Gewicht (verglichen mit dem Ge-
wichte ihrer Körper) das menschliche schier über-
trifft, so erforderten doch ihre in Rücksicht des Ko-
pfes sehr große Augen, und Ohrenorgane, ihre
starke, Zunge, und nicht kleine Nasenhöhle, ihr
starkes Gebiß, einen weit größern Antheil von
Gehirn zur Verbindung, als nach Verhältniß bey
Menschen, und zieht man diesen Theil ab, so
schwindet ihr Gehirn gewaltig zusammen.

Selbst unter den übrigen Thieren haben die
nach dem Grade ihrer Listigkeit und Gelehrigkeit
verschieden eine größere, oder mindere Menge (daß
ich so rede), überflüßig Gehirn.

Das größte Gehirn eines Pferdes, das ich
aufhebe, wiegt 1 Pfund, 14 Loth, das kleinste
eines ausgewachsenen Menschen 2 Pfund, 11 Loth;
allein das Pferdgehirn zeigt auf seiner Grundflä-
che wenigstens mehr als zehnmal dickere Nerven,
und doch ist es, absolut genommen, um mehr als
ein ganzes Pfund am Gewichte kleiner.

Nur schließe man nicht weiter, daß der
Mensch dafür die meisten Nerven haben müsse,
das ist meine Meinung noch ganz und gar nicht.
Ein Augapfel fordere zum Benspiele 600 Nerven-
fasern zu seiner Ausrüstung; ein anderer halb so
großer 300. Man setze nun, daß das Thier, des-
sen Augapfel 600 Nervenfasern hat, dabey ein Ge-
hirn von 7 Quentchen besäße, das mit 300 ein
Gehirn von 5 Quentchen; so wird man dem Thie-
[Seite 395] re, das nur 5 Quentchen Gehirn besitzt, doch ei-
ne vorzüglichere Fähigkeit durchs Gesicht erhalte-
ne Empfindungen und Eindrücke aufzubewahren,
folglich in der That ein größers Gehirn zuschrei-
ben können. Denn rechne ich auf jedes Hundert
von Nervenfasern ein Quentchen Gehirn, so blei-
ben dem absolut kleinern Gehirn dennoch zwey Quent-
chen übrig, wenn das größte nur ein Quentchen
behält.

Appendix A.2 Zum 207. §.

Scarpa (anatom. annotat. L. 1. de ner-
vorum gangliis
) theilt die Nervenknoten in ein-
fache (ganglia simplicia, oder spinalia) und in
zusammengesetzte (composita, oder non spinalia)
ein. Die ersten sind an den Wurzeln der Rück-
gradnerven längst des ganzen Rückgrads befindlich,
und es bestehen solche blos aus einem einzigen
Nerven. Die zusammengesetzten Nervenknoten
hingegen sind in den übrigen Theilen des Körpers
zerstreut, und werden aus vielen und verschiede-
nen sich mit einander verbindenden Nervenfäden
gebildet. – Unter den allgemeinen Bedeckungen
dieser Nervenknoten findet sich eine weiche, safti-
ge, gelblichte Substanz, welche von den Physio-
logen sonst mit der Gehirnsubstanz verglichen wur-
de, die aber nach des Scarpa Untersuchungen ein
wahres, zwischen den Nervenfäden gelegenes Zell-
gewebe ist, welches in fetten Körpern einen di-
cken öligten Saft, in magern aber eine dünne
graue Substanz enthält; bey wassersüchtigen Kör-
pern war dieses Zellgewebe der Nervenknoten mit
eben der serösen Feuchtigkeit erfüllt, welche sich
[Seite 396] in das übrige zelligte Gewebe des Körpers ergos-
sen hatte. – Die Nervenbündel und Nervenfäden
sind in den obenangeführten einfachen und zusam-
mengesetzten Nervenknoten nach einer verschiedenen
Ordnung vertheilt; denn in den einfachen laufen
dieselben alle zugleich durch die Axe desselben hin-
durch, zum Theil aber weichen sie auch von diesem
Wege ab, und laufen nach den Seitentheilen zu,
und von dieser Richtung der Nervenfäden hängt
auch die jeder dieser beyden Arten von Nervenkno-
ten eigene Gestalt ab.

Appendix A.3 Zum 362. §.

Unter den Entdeckungen, womit in den neue-
ren Zeiten die Physiologie bereichert worden ist,
gehört unstreitig die genauere Kenntniß des Ma-
gensafts, die vorzüglich durch die Versuche des be-
rühmten Spallanzani a) in ein helles Licht gesetzt
worden ist.

Die brechenerregende Kraft der eingeschluck-
ten atmosphärischen Luft hat Hr. Gosse durch Be-
obachtungen an seinem eigenen Körper bestätigt b),
wovon uns Hr. Senebier folgendes erzählt: Herr
Gosse hatte in seiner Kindheit das Vermögen er-
langt Luft zu schlucken: Eines Tages, da ihm
übel, und er ein saures Aufstoßen empfand, ge-
rieth er auf den Einfall Luft zu verschlucken, die-
se verschluckte Luft machte, daß er sich erbrach,
worauf er wieder besser wurde. Dieses Mittels
hat er sich also bey verderbtem Magen immer be-
dient; Luft ist für ihn ein sichers Brechmittel,
das seine Wirkung thut, ohne ihm Uebelseyn,
oder Entkräftung zu verursachen, und das ihm
[Seite 397] immer Anlaß gibt, seinen Magen mit Wasser,
welches er verschluckt, so rein auszuwaschen, als
ob er ihn mit den Händen auswüsche.

Um Luft zu verschlucken hält er den Athem
an sich, und drückt mit der Zunge die Luft gegen
den Gaumen, hernach macht er es so, als wenn
er etwas anders verschlingen wollte, und zwingt
diese Luft mittelst der Wirkung der Muskeln des
Schlundes, in seinen Magen hinab zu gehen. Die
auf jedesmal verschluckte Luft wird durch den Um-
fang, den sie im Munde einnimmt, und durch
den Laut, den sie im Hinuntergehen von sich hö-
ren läßt, merklich.

Ich füge hier noch einige diätetische Regeln
bey, welche Herr Senebier in seinen praktischen
Bemerkungen mitgetheilt hat. c)

Nutzen des Kauens. Die Auflösung der
Speisen geschieht nicht sowohl durch den Speichel,
der sich während des Kauens den Nahrungsmit-
teln beymischt, als vielmehr durch die Zerthei-
lung, die sie durch die Zähne erleiden. Die Ur-
sache davon fällt deutlich in die Augen. In sol-
cher sind sie weit mehr fähig von den Magensäf-
ten angegriffen zu werden, weil diese sie in viel
mehr Punkten berühren, und also ihre ganze Auf-
lösungskraft mit weit größerm Nachdrucke bewei-
sen können. Indessen ist es doch nicht unmöglich,
daß die Nahrungsmittel, wenn sie durch diese O-
peration erweicht worden sind, dadurch leichter
auflöslich werden können; ja ich wäre auch gar
nicht abgeneigt zu glauben, daß wohl eine gewisse
Menge von Speichelsäften erforderlich seyn möge,
die Zubereitung des Magensaftes zu vollenden.

[Seite 398] Man muß sich den Magen warm halten.

Es findet in Ansehung der Beschwerungen des
Magens eine Bemerkung und Regel statt, auf
die man immer nicht die gehörige Aufmerksamkeit
wendet, und die durch die in diesem Buche ent-
haltenen Beobachtungen sehr wichtig werden kann;
ich meyne die Nothwendigkeit der Wärme, um
den Magensäften ihre ganze Wirksamkeit zu ge-
ben. Denn sobald als solche der gemäßigten
Wärme der uns umgebenden Luft ausgesetzt sind,
sobald ist auch ihre Wirkung sehr schwach und
langsam. Hieraus kann man also schließen, daß
den Personen, die übel verdauen, viel daran lie-
gen muß, die Erkältung der Magengegend sorg-
fältig zu verhüten, und sie müssen also diese Ge-
gend, besonders während der Verdauung sehr
warm halten. Blos auf diese Art, und anders
nicht kann man den Magensäften die ganze Wirk-
samkeit, deren sie fähig sind, verschaffen. Man
wird auch diese Absicht leicht durch einen warmen
Pelz, den man auf diese Gegend legt, als vom
Schwane, oder einer wilden Katze erreichen kön-
nen. Was aber gar keinen Zweifel über die Rich-
tigkeit dieser Beobachtung übrig läßt, ist die schon
oftmals gemachte Beobachtung, daß die Kälte die
Verdauung unterbricht, und daß man besser im
Bette, als außer demselben verdauet. Hieraus
folgt nun, daß alle die Leute, die langsam und
übel verdauen, zu einer geschwindern und bessern
Verdauung gelangen werden, wenn sie sich vor
der Kälte verwahren, und vielleicht die Wärme,
die ihnen natürlich eigen ist, ein wenig vermehren.

Man muß durchaus nicht zu viel trinken.
Diese Bemerkung zeigt schon eine Verwandschaft
[Seite 399] an, die zwischen dem Einfluße der Magensäfte
auf die Nahrungsmittel, und der Kraft der Auf-
lösungsmittel auf ihre aufzulösenden Körper zu
wirken, statt findet: allein es gibt noch eine gro-
ße Menge anderer Umstände, welche nicht zwei-
feln lassen, daß die Magensäfte nicht Auflösungs-
mittel für die Dinge seyn, die uns zur Nah-
rung dienen. Hieraus folgt also, daß, da die
Auflösungsmittel ihre Kraft verlieren, wenn ihre
Concentration geschwächt wird, oder sie verdünnet
werden, es immer gefährlich seyn müsse, zu viel
zu trinken: weil durch eine allzugroße Verdünnung
der Magensäfte, auch nothwendig ihre Kraft ge-
mindert werden muß. Es ist wohl wahr, daß die
Magensäfte sich immer durch späten Zufluß er-
neuern, und daß die genossenen Feuchtigkeiten
sich wieder verlieren, und abgehen; allein sie ver-
lieren sich doch nie, ohne eine Parthie Magen-
saft mit sich fortzunehmen, mit denen sich jene
Feuchtigkeiten vermischt hatten, und die zur Ver-
dauung angewendet werden sollten. Man weis,
daß die wässerigten Speisen, z.B. Baumfrüchte,
wenn sie in zu großer Menge gegessen werden,
sich gar nicht, oder doch sehr übel verdauen lassen.
Man weis desgleichen, daß die flüßigen Nah-
rungsmittel, wenn sie in sehr großer Quantität
getrunken werden, sich nicht verdauen lassen, und
daß sie alsdann jedesmal starke Durchfälle erre-
gen. Dies kömmt blos davon, weil die zu sehr
verdünnten, und geschwächten Magensäfte nicht
mehr die Kraft besitzen, die Nahrungsmittel ge-
hörig aufzulösen, und sie zur Verwandlung in
Nahrungssaft tauglich zu machen.

[Seite 400] Man muß diejenigen Nahrungsmittel
meiden, durch welche die Magensäfte ge-
schwächt weiden können. Ein Auflösungsmittel
behält seine Eigenschaften nur so lange, als es
nicht durch irgend eine Beymischung verändert wird,
die vermögend ist, dasselbe dieser Eigenschaften
zu berauben. Es würde dieses ganz unfehlbar dem
Magensafte widerfahren, wenn man eine große
Menge von solchen Nahrungsmitteln zu sich neh-
men wollte, die denselben verändern könnten. So
ist es, z.B. erwiesen, daß dieser Saft weder
sauer, noch alkalinisch, sondern ganz und gar ei-
ner mittelsalzigen Art sey; man würde also zuver-
läßig Schaden anrichten, und den Einfluß dieser
Säfte in die Nahrungsmittel schwächen, wenn
man entweder einen zu öftern Gebrauch von sau-
ren oder alkalinischen Nahrungsmitteln machen,
oder eine einzelne gar zu starke Mahlzeit von sol-
chen Speisen thun wollte, die von einer oder von
der andern Art zu viel enthielten. Denn in die-
sem Falle würde man vielleicht selbst die Natur
dieser Säfte, gleich in ihrer Absonderung, verän-
dern; da man hingegen in einem andern Falle nur
die Eigenschaft der im Magen erzeugten und da-
rinn befindlichen Säfte verändern würde. Es gibt
der Beyspiele nur allzuviele, welche diese Mei-
nung bestätigen. Der Magensaft bey den Krä-
hen wird sauer, wenn man diese Vögel einige
Zeit mit Vegetabilien füttert; hingegen wird er
wiederum mittelsalzig, wenn das Futter, das
man ihnen gibt, aus dem Thierreiche genommen
ist. Hieraus läßt sich schließen, daß die Eigen-
schaften unsrer Magensäfte von unserer Willkühr
abhängen. Ist aber unser Magensaft vollkommen
[Seite 401] gut zu achten, wenn er die Natur eines Mittel-
salzes hat, und weder sauer, noch alkalinisch ist;
so ist auch ganz klar, daß wir uns solcher Nah-
rung bedienen sollten, die geschickt ist, ihn in
diesem Zustande zu erhalten. Es ist also äußerst
wichtig, auch nur in den gewöhnlichen Fällen, ei-
nen allzu lange fortgesetzten Genuß saurer oder
alkalinischer Nahrungsmittel zu meiden, und es
giebt viele Fälle, wo der Mißbrauch der einen,
oder der andern Art von Speisen dem Magen sol-
che Uebel zugezogen hat, die beynahe unheilbar
worden sind. Dieses macht mich geneigt zu glau-
ben, daß die Natur des Menschen wirklich dazu
eingerichtet ist, daß er sich zu gleicher Zeit mit
Nahrungsmitteln aus dem vegetabilischen und ani-
malischen Reiche erhalten soll.

Was den eigentlichen und wirklichen Einfluß
der sauren und alkalinischen Dinge auf den Ma-
gensaft zur Zeit der Verdauung anbelangt, so
lehret uns Spallanzani selbst denselben zu fürch-
ten. Er erzählt nämlich, daß, wenn er bey ei-
ner Mahlzeit zu viel Erdbeeren gegessen, sein
Magensaft eine Säure angenommen habe. Hier-
bey muß man aber ja wohl den Hauptumstand be-
merken, daß der Magensaft niemals sauer wird,
ohne eine Unverdaulichkeit zu verursachen. Man
wird gar nicht daran zweifeln, wenn man nur
Achtung gibt, daß sich niemals ein saures oder
faulschmeckendes Aufstoßen ereignet, wofern nicht
eine schwere, und mühsame Verdauung zu Grun-
de liegt: und unser gelehrter Physiologe merkt auch
selbst an, daß er allemal eine schlechte Verdauung
gehabt hatte, so oft er die Säure von seinen Nah-
rungsmitteln verspürt habe.

[Seite 402] Aus dem nämlichen Grunde werde ich schlies-
sen können; daß der Genuß geistiger Getränke, so
bald er zu häufig geschieht, die Verdauung in Un-
ordnung bringen müsse, indem sie den Magensaft
verändern: erstlich als Flüßigkeiten, die ihn zu sehr
verdünnen, und zweytens als Flüßigkeiten, die ihm
eine entzündbare Eigenschaft geben, welche er von
Natur nicht hat; drittens, weil sie selbst ein Auf-
lösungsmittel für den Magensaft abgeben. Ich
würde den Wein eher für schädlich als nützlich
halten, wenn er nicht unter allen stärkenden Mit-
teln, die man brauchen kann, noch das unschuldig-
ste wäre.

Ueberhaupt muß man folgende Regel merken:
Da die Verdauung ohne Gährung vor sich geht,
so müssen sich Leute von schwachem Magen vor
allem dem hüten, was Gährung erwecken könnte.
Bey jeder fehlerhaften Verdauung findet sich eine
Entwicklung der Luft, die eine Anzeige von der
Gährung ist, welcher die antiseptische Kraft der
Magensäfte in gewöhnlichen Fällen vorbeugen soll-
te. Bald ist diese entbundene Luft sauer, und
dieß ist die fixe Luft, die von der Gährung ent-
steht; diese geht nun gemeiniglich mit Aufstoßen
aus dem Magen durch den Mund fort, oder wird
von den befeuchteten Theilen des Körpers eingeso-
gen. Die andre Art von der bey der Verdauung
erzeugten Luft ist faul, und ist ohne Zweifel die
Wirkung einer ununterbrochenen Verdauung; sie
ist entzündbar, geht vorzüglich durch den Mast-
darm fort, und wird vornehmlich in den Gedär-
men erzeugt. Man muß also auch hier auf den
Willen der Natur Achtung geben, und ihrem Ra-
the folgen. Man sieht deutlich, daß es ihre Ab-
[Seite 403] sicht ist, alle Arten von Gährung zu verhüten, weil
sie ein so besonders Auflösungsmittel, welches we-
der sauer, noch alkalinisch, sondern nur äußerst an-
tiseptisch ist, anwendet. Daher geben auch die
Nahrungsmittel, ob sie gleich im Magen verschlos-
sen, in ziemlich starkem Grade erhitzt, angefeuchtet,
auch gewissermassen der Wirkung der Luft unter-
worfen sind, aber lediglich durch die Wirkung des
Magensaftes aufgelöset werden, niemals, auch nur
das geringste Kennzeichen einer Gährung von sich.“

a) Spallanzani's Versuche über das Verdauungs-
geschäft des Menschen, und verschiedener Thier-
arten, nebst einigen Bemerkungen des Hrn. Se-
nebier, übersetzt, und mit einem Register verse-
hen von D. Chr. Frid. Michaelis. Leipz. 1785. 8.

b) A. a. O. S. 396.

c) Ebendaselbst S. 358.

Appendix A.4 Zum 391. §.

Obgleich seit Boerhaaven viele geübte Schei-
dekünstler die Bestandtheile der Galle auf das sorg-
fältigste untersucht haben, so sind doch die Meinun-
gen der Physiologen über die Natur der Galle noch
immer getheilt. So hat Hr. D. Richter in einer
auf der Universität zu Erlang gehaltenen Disserta-
tion die Meinung des Herrn Goldwitz, welcher
der Galle, wie bekannt ist, den alkalischen Be-
standtheil gänzlich abgesprochen hat, durch eigene
Versuche widerlegt. Er prüfte zuerst die von Hrn.
Goldwitz mitgetheilten Versuche, und die daraus
gefolgerten Sätze:

1) Herr Goldwitz bediente sich, um die Gegen-
wart eines Alkali durch das Aufbrausen zu entdecken,
[Seite 404] welches von beygemischter Säure entsteht, der
konzentrirten Vitriolsäure; allein das Vitriolöl brau-
set auch mit dem reinsten Wasser, und fast mit
allen wässerigten Flüßigkeiten auf, worinn man auch
nicht die mindeste Spur eines Alkali entdecken kann.
Er hat also zur Entdeckung des alkalischen Bestand-
theiles ein sehr unsicheres Mittel angewandt; in-
dem eines Theils das in diesem Falle nicht erfolgen-
de Aufbrausen keineswegs die Abwesenheit des alka-
lischen Bestandtheiles erweiset, andern Theils aber
kein sicheres Kennzeichen eines vorhandenen alkali-
schen Bestandtheiles abgeben kann, indem das Vi-
triolöl mit allen wässerigten Feuchtigkeiten auf-
brauset.

2) Die Schlußfolge, daß kein Alkali zuge-
gen sey, weil kein Aufbrausen bemerkt wird, ist
übereilt; indem die Galle eine thierische Flüßig-
keit ist, und aus einer ansehnlichen Menge Brenn-
stoff besteht. Es kann daher leicht geschehen,
wie schon Herr Doktor Ramm angemerkt hat,
daß das Brennbare eine größere Verwandtschaft
mit dem Alkali hat, als jede beygemischte Säure,
und in diesem Falle findet kein Aufbrausen statt.
Eben so entsteht, wenn man in eine wässerigte Auf-
lösung der gemeinen Seife Eßig gießt, kein Auf-
brausen, sondern eine bloße Gerinnung. Wird
aber wohl jemand schließen, daß in der Seife kein
Alkali vorhanden sey?

3) Die größten Scheidekünstler kommen da-
rinn überein, daß das Alkali nur alsdann mit Säu-
ren aufbrause, wenn es mit einer hinlänglichen
Menge fixer Luft geschwängert ist, und daß diese
Luft desto leichter entwickelt werde, je weniger sie
von andern Bestandtheilen gebunden ist. Es kann
[Seite 405] also in einem Körper ein Alkali vorhanden seyn,
obgleich von Sauren kein Aufbrausen entsteht.

4) Das konzentrirte Vitriolöl verbrennt die
meisten Körper, und zerstört gleichsam ihre Mi-
schung, so daß man also auch von dieser Seite
weder auf die Gegenwart, noch Abwesenheit eines
Laugensalzes schließen kann. Ganz anders wirken
verdünnte Säuren.

5) Sogar die Folgerungen, die Herr Gold-
witz aus seinen eigenen Versuchen zieht, sind nicht
allzeit richtig. Er ließ z.B. im VII. und VIII.
Versuche eine faule, durch hinzugegossenes Vi-
triolöl zusammengeronnene Ochsengalle, nachdem
er den dickern Theil weggenommen hatte, abdam-
pfen; da nun diese Flüßigkeit an ihrer Oberflä-
che allzeit sauer schmeckte, so schloß er daraus,
daß kein Alkali in der Galle vorhanden sey, in-
dem sonst die Säure mit dem Laugensalze sich ver-
bunden hätte. Weit richtiger kann diese Erschei-
nung von einer unvollkommenen Sättigung herge-
leitet werden; nämlich von der allzugroßen Menge
des Vitriolöls wodurch das Anschießen der Kristal-
len verhindert wurde. Denn sonst würde Herr
Goldwitz aus dieser Mischung auch die nämli-
chen Krystallen des Glaubersalzes erhalten haben,
die Cadet, Röderes, und auch ich ausscheideten.

6) Die im Feuer angestellten Versuche mit
der Galle hält Herr Goldwitz für unnütz. Allein
warum sollte gerade dieser Verfasser diejenigen
Bestandtheile der Galle durch das Feuer nicht zu
entdecken im Stande seyn? die doch von andern
berühmten Scheidekünstlern dargestellt worden sind,
und unter denen auch das Laugensalz sich befindet.
Denn es ist entschieden, daß Cadet (Mem. de
[Seite 406] l'acad. des sc. de Paris
1767. p. 73.) aus der
Galle durch das Feuer ein mineralisches Lau-
gensalz erhalten hat, das wohl kein Scheidekünst-
ler für ein Produkt des Feuers erklären wird; we-
nigstens hätten diese Versuche verdient hier ange-
zeigt zu werden. Hätte Herr Goldwitz seine Ver-
suche im Feuer angestellt, so würde er gewiß in
diesem Falle einen gleichen Erfolg erfahren, und
den alkalischen Bestandtheil der Galle nicht geläug-
net, oder, wenn der Versuch anders ausgefallen
wäre, wenigstens so viel angezeigt haben, daß er
wenigstens das Laugensalz, welches Cadet und
Röederer darstellten, durch die Einwirkung des
Feuers nicht entdecken konnte.

7) Glaubte aber Herr Goldwitz, den alka-
lischen Bestandtheil der Galle mit Grunde läugnen
zu können, so hätte er billig die Versuche anderer
Scheidekünstler, eines Cadets, Röederers, die
auf dem nassen Wege den alkalischen Bestandtheil
der Galle entdeckten, vorher widerlegen sollen.

Das Resultat der Richterschen Versuche be-
steht im Folgenden:

1) Alle Säuren brachten, wenn sie mit ge-
höriger Vorsicht angewandt wurden, die Galle so-
gleich zum Gerinnen, und stellten nach Verschie-
denheit der Säure verschiedene Mittelsalze dar.
So erhielt er mittelst der Vitriolsäure Glaubersalz,
mit Salpetersäure den würfligten Salpeter, mit
Salzsäure Küchensalz. Hieraus erhellt, daß in
der Galle ein ächtes mineralisches Laugensalz
enthalten ist, welches, nachdem es mit dieser
oder jener Säure verbunden wird, ein verschiede-
nes Mittelsalz macht; welches auch durch Cadet's
und Röderers Versuche bestätigt wird. Sowohl
[Seite 407] die Ochsen- als Schweinsgalle kommen darinn
überein, daß sie beyde ein mineralisches Laugen-
salz enthalten; denn durch beygemischte Vitriolsäu-
re erhielt er sowohl aus der Ochsen- als Schweins-
galle Glaubersalz.

2) Bey der Destillation sowohl der Schweins-
als Ochsengalle geht zuerst eine wässerigte, end-
lich aber eine urinöse Flüßigkeit über. Die Fer-
nambuktinktur bekam dadurch eine purpurrothe Far-
be, der Sublimat wurde mit einem weissen Bo-
densatze niedergeschlagen, und der Beilchensaft er-
hielt dadurch die schönste grüne Farbe. Woraus
also das Daseyn eines flüchtigen Laugensalzes
erhellet.

3) Auch der Salmiak, den der Verfasser aus
der Vermischung der Salzsäure mit jener urinösen
Flüßigkeit erhielt, beweiset das Daseyn des flüch-
tigen Laugensalzes.

4) Die nach der Destillation rückständige,
kalzinirte, und ausgelaugte Kohle liefert das rein-
ste mineralische Laugensalz, welches mit der
Vitriol- Salpeter- und Phosphorsäure sehr
deutlich aufbrauset, und verschiedene Mittelsalze
darstellt. Da übrigens dieses Salz in freyer Luft
nicht zerfließt, sondern vielmehr verwittert, so er-
hellt auch hieraus, daß dieses Salz kein vegetabi-
lisches, sondern ein mineralisches Laugensalz ist.

5) Daß aber in der Galle im natürlichen Zu-
stande auch Salzsäure enthalten sey, haben die
angestellten Versuche offenbar erwiesen. Denn
durch den Weingeist ward ein ächtes Küchensalz
entwickelt, welches im Feuer knisterte, und die
Silberauflösung niederschlug; aber auch das Vi-
triolöl trieb durch die Destillation die Salzsäure
[Seite 408] in die Vorlage über; diese Säure färbte den Veil-
chensaft grün, und schlug die Hornsilberauflösung
mit einem weissen Bodensatze nieder. Nach aller
Wahrscheinlichkeit ist das mineralische Laugensalz
in der Galle im natürlichen Zustande mit der Salz-
säure verbunden, folglich ist ein wirkliches Kü-
chensalz zugegen; welches auch durch die würfligten
Krystallen, welche man durch das Vergrößerungs-
glas in der Galle entdeckt, bestätigt wird.

6) Daß auch Brennstoff in der Galle vor-
handen sey, erhellt sowohl aus ihrer Entzündbar-
keit, als auch durch die bey der Destillation erhal-
tene Salpetersäure; ferner durch das Oel, wel-
ches theils auf der urinösen Flüßigkeit schwimmt,
theils an die Wände der Retorte sich anlegt. Wo-
durch zugleich zum Beweis einer eigenthümlichen
seifenartigen Natur der Galle der Weg gebahnt ist.

7) Nicht die mindeste Spur von Eisen konn-
te man in der Galle entdecken, weder durch den
Magnet, noch durch die Sublimation mit Salmiak.

8) Daß die in der Galle befindliche Erde kalk-
artiger Natur sey, erhellt dadurch, weil man durch
die Vitriolsäure einen ächten Gyps erhielt.

9) Die Menge des wässerigten Bestandthei-
les erhellt theils aus der natürlichen Flüßigkeit der
Galle, theils durch die Menge der wässerigten Feuch-
tigkeit, welche bey der Destillation übergeht.

10) Durch das Vergrößerungsglas entdeckt
man in der Galle würfligte Salzkrystallen, welche
mit dem Kochsalze die größte Aehnlichkeit haben.

Appendix A.5 Zum 490. §.

Eine der vorzüglichsten Abhandlungen über die
Bestandtheile des Harns ist die von der medizini-
[Seite 409] schen Fakultät zu Göttingen gekrönte Preisschrift:
Henrici Friderici Link Commentatio de ana-
lysi orinae,
& origine calculi. Göttingae 1789.
Ich werde daraus das Merkwürdigste ausheben.

Der Herr Verfasser untersuchte den Harn zu-
erst durch Reagentia. Auf diesem Wege zeigte sich:

1) Daß in dem Harn eine ungebundene Säu-
re, aber kein Laugensalz vorhanden ist.

2) Daß sich im Harn eine Kalkerde befindet.
Man bemerkt, wenn man den Harn in freyer
Luft stehen läßt, einen doppelten Bodensatz; einen
weißen, gallertartigen, der sich anfangs setzt; und
einen braunen, klumpigten, der erst, wenn der
Urin in die Fäulniß übergeht, niederfällt.

Auch durch das Feuer werden die nämlichen
Veränderungen, nur schneller, hervorgebracht.

Außer der Säure, und der Kalkerde, ist auch
ein öligter Bestandtheil und fixe Luft zugegen.

Den ersten gallertartigen Bodensatz hält der
Verfasser für gerinnbare Lymphe; sie pflegt die
Zwischenräume der Blasensteine auszufüllen, und
wird gemeiniglich für Schleim gehalten.

Der Verfasser zieht überhaupt aus seinen
Versuchen folgende Schlüße:

1) Der Urin ist eine ganz eigene salzigte Feuch-
tigkeit, oder vielmehr eine Auflösung einer Schwe-
felleber. Allein diese Art hat das Besondere, daß
sich das Wasser weder in der Luft, noch im Feuer
durch Abdampfen scheiden läßt; indem das Salz
durch den Beytritt der atmosphärischen Luft sogleich
ganz zerstört wird, und durch hinzugegossenes Was-
ser nicht wieder kann hergestellt werden.

2) Die Phosphorsäure, oder wenigstens ih-
re Grundlage, scheint der Hauptbestandtheil des
[Seite 410] Harns zu seyn. Durch den Zusatz von Oel, und
flüchtigem Laugensalze entsteht eine von der Phos-
phorsäure etwas abweichende Säure, nämlich eine
phosphorisirte Säure, welche, wie der Wein-
steinrahm mit dem vegetabilischen Laugensalze ge-
sätigt, einen auflöslichen Weinstein darstellt, und
auch mit flüchtigem Laugensalze sich verbindet.

3) Das Oel, das flüchtige Laugensalz, und
die entzündbare Luft scheinen eine gemeinschaftliche
Grundlage zu haben; nur die Verbindung ver-
schiedener Säuren mit einer und derselben Grund-
lage bringt drey verschiedene Körper hervor. Es
ist daher sehr wahrscheinlich, daß diese Grundlage
nicht nur in dem Harn, sondern auch in den übri-
gen Säften des menschlichen Körpers vorhanden,
und mit der Phosphorsäure verbunden ist.

4) Diese phosphorirte Säure macht mit ei-
ner gewissen Menge Kalkerde verbunden den vor-
erwähnten ersten Bodensatz, oder die gerinnbare
Lymphe aus. Manchmal ist die Phosphorsäure
so rein, daß sie diesen Bodensatz aufgelöst enthält,
und in diesem Falle zeigen sich die Merkmale einer
entwickelten Säure.

5) Das Kochsalz und das, mineralische Lau-
gensalz sind in dem Harn nur zufälligerweise vorhan-
den. Daß das Laugensalz in dem Harn ungebun-
den zugegen gewesen, erhellt aus der Gegenwart
desselben in der Galle, und im Speichel. Aus der
Verbindung der Phosphorsäure mit diesem Laugen-
salz entsteht das Perlsalz.

6) So verhält sich der Harn, so lange dersel-
be in dem lebenden Körper keine Veränderung er-
litten hat. Sobald aber der Einfluß der Luft und
der Wärme hinzukömmt, oder eigentlich zu reden,
[Seite 411] die Einwirkung des Lebens aufhört, wird das flüch-
tige Laugensalz von dem öligten Theile entbunden.
Dieses flüchtige Laugensalz macht, wenn es mit
einer zureichenden Menge Phosphorsäure gesätigt
wird, das schmelzbare Salz (sal fusibile), und
verdrängt den ersten Bodensatz (die gerinnbare Lym-
phe), welcher in der überflüßigen Phosphorsäure
aufgelöst enthalten war. Durch einen stärkern
Grad des Feuers wird das Laugensalz, das Oel,
und die entzündbare Luft ausgetrieben; die Phos-
phorsäure, welche noch etwas von diesen Theilen
zurückhält, sinkt wegen Mangel an wässerigter Flü-
ßigkeit zu Boden, überzieht den ersten Bodensatz,
und macht auf diese Weise den zweyten Bodensatz.

Der Verfasser hat übrigens an seinem eigenen
Körper die täglichen Veränderungen des Harns be-
obachtet, welche in folgenden bestehen.

Die Wärme des Harns war sich fast immer
gleich, sowohl im Sommer, als im Winter, so-
gleich nach dem Mittagsessen, oder eine längere
Weile nachher; sie betrug gewöhnlich 27° nach
dem Reaumürischen Thermometer.

Der Harn, der sogleich nach der Mahlzeit
gelassen wird, ist gelblich; oft aber ohne Farbe,
und fast ganz wässerig. Der erste Bodensatz zeigt
sich in 4 – 5 Stunden, nachdem der Harn gelas-
sen worden. Wenn man aber viel harntreibende
Mittel genießt, worunter Wasser, Wein, vor-
züglich aber Bier gehören, ist der Urin wässerig-
ter, und der Bodensatz kömmt erst binnen einem
Tage, oder wohl erst nach 2 – 3 Tagen zum
Vorschein. Fünf oder sechs Stunden auf die Mahl-
zeit wird der Harn gelber, läßt den Bodensatz schon
binnen 2 – 3 Stunden fallen, und so geht es wei-
[Seite 412] ter, bis endlich, wenn man nicht durch eine neue
Mahlzeit die Abscheidung stört, ein trüber Urin ge-
lassen wird, der sogleich einen Bodensatz fallen läßt.
Nach einer frugalen Abendmahlzeit erfolgt dieß den
folgenden Morgen.

Diese Beobachtungen lassen sich am besten un-
ter folgenden Umständen anstellen: eine mäßige
Diät; Ruhe des Körpers, und mäßige Bewe-
gung; sechs Stunden Schlaf; mäßiges Wasser-
trinken, nicht über 1/4 Maaß; eine gemischte, aus
Pflanzengewächsen, und Fleisch bestehende Kost.
Bey dieser Lebensweise ward den folgenden Tag
frühe um 6 Uhr ein dunkler Urin gelassen, der
nach einer halben Stunde einen Bodensatz machte;
um zwölf Uhr wurde ein trüber Urin gelassen.

Ein gelber, trüber Urin wird nach dem Essen,
besonders aber nach genossenen Aepfeln, sogleich
wässerig.

Obgleich die Farbe, der Geruch, und der
Bodensatz so verschiedene Abänderung leidet, so be-
steht doch der ganze Unterschied blos in der größer,
oder geringern Menge der Bestandtheile.

Ueberhaupt alles, was Krämpfe verursacht,
verursacht einen wässerigten Urin, und entwickelt
die Phosphorsäure in größerer Menge.


Appendix B Erklärung
der
Kupfertafeln
.

[Seite 413]

Appendix B.1 Taf. I.

Das Herz eines Kindes von der hintern Sei-
te vorgestellt; mit etwas erhöhter Grundfläche,
und abeschnittener Luftröhre, um die andern Thei-
le desto deutlicher vorzustellen.

Seite 44. 50. 53.

a. Die herabsteigende Hohlader.

b. Die hinaufsteigende Hohlader.

c. Der vordere, oder rechte Blutbehälter.

d. Das daran hangende Herzohr.

e. Die vordere Herzkammer.

f. Der Stamm der Lungenarterie.

g. Desselben linke, und

h. rechte Aeste.

i. Die vier Lungenvenen.

k. Der hintere, oder linke Blutbehälter.

l. Das daran hangende Herzohr.

m. Die linke Herzkammer.

n. Der Bogen der großen Schlagader.

o. Der gemeinschaftliche Stamm, aus welchem
entspringt.

p. die rechte arteria subclavia, und

q. carotis dextra.

[Seite 414]

r. carotis sinistra.

s. suclavia sinistra.

t. Die gemeinschaftliche arteria bronchialis (denn
so war sie in diesem Körper), und die arte-
riae intercostales
, welche aus der aorta ent-
springen.

u. Die vena azygos.

w. Die linke vena coronaria, und

x. Die rechte.


Appendix B.2 Tafel. II.

[Seite 415]

Fig. 1.

Das rechte etwas vergrößerte Aug eines er-
wachsenen Menschen; die obere Hälfte der Horn-
und Aderhaut ist weggenommen; auch der Rand
der Regenbogen ist von dem Sternkreise getrennt,
und etwas aufgehoben, damit beyde Augenkam-
mern sichtbar werden.

Seite 205.

a. Die harte Haut.

b. Die Hornhaut.

c. Die Aderhaut.

d. Der Sternkreis.

e. Der Regenbogen.

f. Das corpus ciliare.

g. Die Kapsel der Krystalllinse.

h. Der Augennerve, und die Centralarterie.

Der vordere fig. 2. etwas vergrößerte Ab-
schnitt eines Auges von einem acht Monat alten
Foetus.

Seite 207.

a. Die harte Haut.

b. Die processus ciliares.

c. Die Traubenhaut.

d. Die Albinische Sternhaut, die in dem Mit-
telpunkte schon allmälig verschwindet.

Appendix B.3 Tafel III.

[Seite 416]

Stellt das Herabsteigen der Hoden aus dem
Unterleibe im männlichen Foetus vor.

Seite 302.

Fig. 1.

Von einem reifen, aber ungleich gewachse-
nen Zwillingsfoetus; die linke Hode ist schon aus
der Bauchhöhle herunter gesunken; die rechte wurde
gleichsam während ihrem Durchgang durch die en-
ge Oeffnung überrascht.

a. Die rechte Hode mit der Nebenhode, von dem
aufwärtssteigenden, und schon zusammen-
gerollten Fortsatze des Darmfells eingeschlos-
sen.

b. Die Spuren der Saamengefäße auf dieser Sei-
te, und

c. des abführenden Ganges.

d. Der abwärtssteigende Fortsatz des Darm-
fells, welcher die Gestallt eines aufgeblase-
nen Beutelchens hat.

e. Die kleine Oeffnung des Darmfells, welche
durch den schmalen Gang zu diesem Beutel-
chen führt, in dem die linke Hode sich schon
befindet.

f. Die Spuren der Saamengefäße der linken Sei-
te, und

g. des abführenden Ganges auf derselben Seite.

[Seite 417]

h. Die Harnblase; die an ihrem Grunde in den
Urachus übergeht, und an beyden Seiten mit
den Nabelarterien verbunden ist.

Fig. 2.

Von einem viermonatlichen Foetus. Beyde
Hoden liegen noch in der Bauchhöhle; der auf-
wärtssteigende Fortsatz bildet eine länglichte Fal-
te; an dem untern und vordern Theile dieser Fal-
te ist die Oeffnung des Darmfells sichtbar.


Appendix B.4 Tafel IV.

[Seite 418]

Das Ey eines Abortus, ungefähr im ersten
Monate nach der Empfängniß; es ist aufgeschnit-
ten, aber etwas vergrößert vorgestellt.

Fig. 1.

a. Die umgestülpte Hunterische Haut.

b. Die Flöckchen der Lederhaut, mit denen das
Ey gleichsam mit seinen Wurzeln an die di-
cke Lamelle der Hunterschen Haut befestigt
ist.

c. Die innere Lamelle der Lederhaut, welche da-
mals noch mit einer wässerigter Feuchtigkeit
angefüllt ist.

d. Die geöffnete Schaafhaut.

Fig. 2.

Die äußere Gestalt dieses Eyes.


Appendix C

[Tab. I]
Ixxx
[interleaf] [Tab. II]
IIxxx
[interleaf] [Tab. III]
IIIxxx
[interleaf] [Tab. IV]
IVxxx
[interleaf] [interleaf] [interleaf] [interleaf] [binding_verso]
Notes
a).
[[VI]]

In der Vorrede zu seinen instit. med. Ed. Leyd.
quarta
. 1727. 8.

*).
[[VI]]

Vorrede zu seinem lateinischen Grundriß der
Physiologie. Götting. 1747. 8.

*).
[Seite 3]

So dachte schon der Verfasser einer Schrift, welche gewöhn-
lich dem Hippokrates zugeschrieben wird: Epidemic. VI.
Sect. 8. §. 19. quae continent corpora, aut intus con-
tinentur, aut in nobis cum impetu moventur, con-
templanda sunt
. ‘„Diese Steile gab dem Abr. Kaau Boer-
haave zu jenem bekannten Werke Anlaß: Impetum fa-
ciens dictum Hippocrati per corpus consentiens.
L. B.
1745. 8.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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