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JO. FRID. BLUMENBACHII
NOVA
PENTAS COLLECTIONIS SUAE CRANIORUM
DIVERSARUM GENTIUM

TAMQUAM COMPLEMENTUM PRIORUM DECADUM.

NACH DEM TODE DES VERFASSERS HERAUSGEGEBEN
VON
Dr. med. H. v. JHERING
IN GÖTTINGEN.

GÖTTINGEN
1873.
DRUCK DER DIETERICHSCHEN UNIV.-BUCHDRÜCKEREI.
W. FR. KAESTNER.
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NOVA
PENTAS COLLECTIONIS SUAE CRANIORUM
DIVERSARUM GENTIUM

TAMQUAM COMPLEMENTUM PRIORUM DECADUM.

NACH DEM TODE DES VERFASSERS HERAUSGEGEBEN
VON
Dr. med. H. v. JHERING
IN GÖTTINGEN.

GÖTTINGEN
1873.
DRUCK DER DIETERICHSCHEN UNIV.-BUCHDRÜCKEREI.
W. FR. KAESTNER.
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[Seite 3]

Von den Schädelabbildungen Blumenbachs erschienen bekannt-
lich innerhalb des Zeitraumes von 1790 bis 1828 sechs Dekaden
und eine Pentas1). Dieser letzteren sollte sich noch eine weitere
Pentas anschliessen und nur zunehmende Altersschwäche und
endlich der Tod hinderten Blumenbach an der Ausführung sei-
nes Vorhabens. Dass dasselbe jedoch schon ziemlich weit gedie-
hen war, geht daraus hervor, dass bei Blumenbachs Tode die
Platten zu der neuen Pentas schon vollendet, ja von denselben
sogar ein grosser Theil der Abzüge schon gefertigt war. –

R. Wagner dürfte wohl kaum Kenntniss davon gehabt ha-
ben, er würde es sonst wahrscheinlich nicht versäumt haben
durch Herausgabe des unvollendeten Werkes das Andenken des
grossen Mannes zu ehren. Auch findet sich an einer Stelle2),
wo man es sonst wohl hätte erwarten können, keine darauf be-
zügliche Andeutung. Möglich wäre es auch, dass er nur einen
[Seite 4] Theil der Abbildungen gekannt, worauf die folgende Stelle bei
K. E. v. Baer schliessen lässt. Derselbe bemerkt in seiner Ab-
handlung über die Makrokephalen1): ‘„In Göttingen erfuhr ich,
dass er eine neue Lieferung seiner Schädelabbildungen einge-
leitet hatte, und ich sah daselbst zwei gestochene Schädel, die
nie publicirt sind, da der Text dazu fehlte.”’ Erst Keferstein
giebt ausführlichere Mittheilungen über alle fünf Abbildungen.
Gelegentlich der Erwähnung der ‘„Decades Craniorum”’ bemerkt
er nämlich2): ‘„Von diesem Werke sind bekanntlich fünf Deka-
den und eine Pentas erschienen, weniger bekannt dürfte es sein,
dass Blumenbach noch in seinen letzten Lebensjahren eine
neue Pentas vorbereitet, von der alle Tafelabdrücke hier im
Besitz der Dieterich'schen Buchhandlung sich befinden. Die-
selben sind bezeichnet der Reihe nach: LXVI Scoti borealis ex
insula Hebrida Egg, LXVII Konägi ex insula Kadjak, LXVIII
Caffri, LXIX Mexicani genuini, LXX Novo-Zelandi.”’ Auf diese
Notiz hin war ich bestrebt, die Abzüge womöglich wieder auf-
zufinden. Die ersten Bemühungen waren wenig ermunternd,
indem die Existenz solcher Abzüge bestritten wurde, die Platten
selbst aber nicht mehr existiren. Als ich trotzdem auf weiterer
Nachforschung bestand, fanden sich die Abdrücke schliesslich
doch noch vor. Die Ausführung derselben ist eine sehr sorg-
same und wohlgelungene, und die Bezeichnung stimmt auf das
Genaueste mit der von Keferstein angegebenen überein.

Meine Bemühungen unter dem nicht unbeträchtlichen hand-
schriftlichen Nachlasse Blumenbachs einen Text zu den Ta-
[Seite 5] feln aufzufinden waren völlig fruchtlos. Es fanden sich nur
einige Handzeichnungen von zweien der Schädel. Da dieselben
die Bezeichnungen LIV und LVII führen, so lässt sich hieraus
schliessen, dass Blumenbach schon vor dem Jahre 1820 damit
umging sie zu beschreiben. Die einzige hierauf bezügliche Mit-
theilung welche ich auffinden konnte, ist im 121. Stück der
Göttingischen gelehrten Anzeigen vom Juli 1826 enthalten. Es
heisst da S. 1201: ‘„Die Vorlesung des Herrn Ober-Medizinal-
raths Blumenbach in der Versammlung der Königl. Societät
der Wissenschaften am 8ten dieses Monats betraf eine novam
decadem collectionis suae craniorum diversarum gentium, tan-
quam complementum priorum.”’

Erst fünf Schädel von allgemeinerm Bezug auf die physi-
sche Völkerkunde, zur Vervollständigung dessen, was in den
vorhergehenden Dekaden darüber gesagt war; und dann die übri-
gen zu den fünf Rassen insbesondere. Es war hiernach Blu-
menbachs
Absicht der 1820 erschienenen 6ten Decas eine 7te
folgen zu lassen. Erst 1828 jedoch erschien die Nova pentas,
während die hier vorliegende zweite Pentas die No. VI bis X
der in jenem Vortrage beschriebenen Schädel umfassen sollte.
Ich lasse nun das folgen, was Blumenbach in jenem Vortrage
über die einzelnen Schädel bemerkt1), erwähne jedoch zuvor,
dass sich dieselben mit Ausnahme des letzten in der anthropo-
logischen – der s. g. Blumenbach'schen Schädel-Sammlung –
auf der hiesigen Anatomie befinden. Die betreffenden Stellen
lauten:

‘„VI. Zur Caucasischen: ein echter Highlander von der
hebridischen Insel Eigg (oder Egg) aus der dasigen famosen
Mordhöhle, wo einst ein Paar hundert Macdonalds, die sich vor
[Seite 6] den rachsüchtigen Mac Leods da hineingeflüchtet, durch Feuer
und Rauch erstickt worden. Der Verf. verdankt dieses merk-
würdige Stück dem berühmten Geologen Herrn Greenough,
der jene dritthalbhundert Fuss lange Höhle durchkrochen.”’

Der Schädel führt jetzt die Nummer 282.

VII. ‘„Zur Mongolischen: ein Konäger von der Insel Kad-
jak (oder Kichtak) an der N. W. Küste von Amerika vor Cooks
Inlet. Geschenk des Hrn. Hofr. Espenberg, ersten Arztes
auf der Krusensternschen Weltreise und Verf. der musterhaften
Abhandlung über den Gesundheitszustand der Mannschaft auf
derselben.”’ Der Schädel trägt jetzt die Nummer 100.

VIII. ‘„Zur Aethiopischen: ein Caffer, von Hrn Superint.
Hesse zu Hoya, dessen 16jährigem Aufenthalt in der Capstadt
der Verf. vielfache wissenschaftliche Belehrung und reiche Bei-
träge zu seinen Sammlungen verdankt.”’ Der Schädel trägt jetzt
die Nummer 3.

IX. ‘„Zur Amerikanischen: ein Mexikaner von reinem Blute,
sans aucun melange espagnol ou africain”’ wie der edle Geber
der berühmte Minister Staats-Secretair Lucas Alaman dem
Verf. dabei schrieb. Der Kopf selbst die vollste Bestätigung von
dem, was Hr. Alex. von Humboldt sagt: ‘„wirklich zeigt uns
auch die Osteologie, wie sehr der Schädel des Americaners von
dem der Mongolischen Rasse verschieden ist.”’ Die Nummer des
Schädels ist 69.

X. ‘„Zur Malayischen: ein ganz ausgezeichnet schön erhal-
tener und genau symmetrisch mit Federeinschnitten tatowirter
Kopf vom fernsten Volke auf Erden fast unsern Antipoden, den
cannibalischen Neuseeländern, mit welchem der Hr. Herzog von
Northumberland diese anthropologische Sammlung bereichert hat.”’

Die Zeichnung ist in Bezug auf Scheitel und Hinterhaupt
nicht genau nach dem Original gefertigt. Der Kopf, an wel-
[Seite 7] chem die getrockneten Weichtheile noch wohl erhalten sind, ist
nämlich am Scheitel nicht kahl, resp. nicht abgeschoren, sondern
mit dichtem, schwarzem, schlichtem Haare bedeckt, welches
nach hinten etwa 36 C. M. weit absteht. Der Kopf befindet
sich mit einem ganz ähnlichen, aber kleineren und nicht täto-
wirten in der hiesigen ethnographischen Sammlung. Ein beilie-
gender Zettel1) besagt, dass beide durch Räuchern in ihre dauer-
hafte Form gebracht wurden. Auf sie bezieht sich auch wohl
ein allerdings erst 1836 gedruckter Aufsatz2): ‘„Ueber den Han-
del mit Menschenköpfen auf Neuseeland”’, welcher sich unter
Blumenbachs Papieren fand. Wir erfahren daraus, dass die
Neuseeländer im Besitze eines Verfahrens seien, ‘„um mensch-
liche Ueberreste auf einfache und schnelle Weise in einen Zu-
stand zu versetzen, in welchem sie sich auf eine überraschende
Weise unverändert erhalten und lange aufbewahren lassen.”’
Die ersten, welche das Verfahren der Neuseeländer die Köpfe
auszutrocknen kennen lernten, scheinen die Naturforscher gewe-
sen zu sein, welche Cook begleiteten. Im Anfange des Jahr-
hunderts ‘„wurden diese getrockneten Köpfe die Quelle eines
namhaften Gewinnes für die Wallfischfänger.”’ Sie wurden an-
fangs mit ‘„300-400 Franken”’ und noch 1824 mit 150 Fr.
bezahlt. Nachdem die Eingeborenen erfahren, wie hoch diese
Moko-Mokaï, wie jene Köpfe genannt werden, von den Eu-
ropäern geschätzt wurden, scheint es öfters vorgekommen zu sein,
dass habsüchtige Häuptlinge ihre Sklaven umbringen liessen, um
[Seite 8] deren Köpfe in 4-5 Tagen zuzubereiten und sie den Europäern
zu verkaufen.


Es bedarf wohl kaum der Rechtfertigung, dass von einer
weiteren Beschreibung dieser Schädel, mit Angabe von Massen
etc., Abstand genommen wurde. Gegenüber den vollkommneren
Methoden der Neuzeit haben die vorliegenden Abbildungen doch
fast nur mehr historischen Werth. Der Zweck dieser Zeilen
konnte daher nur die Sammlung des geringen Materials sein,
welches anstatt des fehlenden Textes im Stande ist zur Erklä-
rung der Tafeln zu dienen. Andererseits würde mir es aber auch
sehr unzweckmässig und überflüssig erscheinen, des Näheren die
Gründe darzulegen, welche mich veranlassten trotzdem diese Pen-
tas der Wissenschaft zu erhalten. Die Herausgabe derselben er-
schien mir keineswegs lediglich als ein Act der Pietät, den die
Nachwelt dem Andenken des berühmten Anthropologen schuldet.
Man kann über Blumenbachs Verdienste um den Entwick-
lungsgang jener Wissenschaft verschiedener Ansicht sein, Nie-
mand aber wird kurzsichtig genug sein, die mächtige Anregung
zu verkennen, welche seine Werke den Zeitgenossen boten.
Auch aus diesem Grunde dürfte daher die Beendigung des bis-
her unvollendet gebliebenen Dekaden-Werkes als eine erwünschte
Vervollständigung der craniologischen Literatur erscheinen.


[Tab. LXVI]
Tab. 1xxx
Figure 1. LXVI. Scoti borealis ex insula Hebrida Egg.
[interleaf] [Tab. LXVII]
Tab. 2xxx
Figure 2. LXVII. Konägi ex insula Kadjak.
[interleaf] [Tab. LXVIII]
Tab. 3xxx
Figure 3. LXVIII. Caffri.
[interleaf] [Tab. LXIX]
Tab. 4xxx
Figure 4. LXIX. Mexicani genuini.
[interleaf] [Tab. LXX]
Tab. 5xxx
Figure 5. LXX. Novo-Zelandi.
Notes
1).
[Seite 3]

J. F. Blumenbachii Decas collectionis suae craniorum diversa-
rum gentium illustrata. I-VI. Gottingae 1790-1820 et Nova Pentas etc.
Gottingae 1828.

2).
[Seite 3]

Nachrichten v. d. G. A. Universität und der Königl. Ges. der Wis-
senschaften zu Göttingen. Oct. 6. 1856 No. 14. S. 234: es seien bis 1810
sechs Dekaden erschienen. ‘„Im Jahre 1828 noch als letzte Gabe eine
nova pentas.”’

1).
[Seite 4]

K. E. v. Baer. Die Makrokephalen im Boden der Krym und
Österreichs. Mém. de l'acad. imp. des sciences de St.-Pétersbourg. VII.
Série, Tome II, No. 6. Petersburg 1860. S. 73.

2).
[Seite 4]

Göttingische gelehrte Anzeigen. Stück 10. 4. März 1868. S. 362.

1).
[Seite 5]

l. c. S. 1205.

1).
[Seite 7]

Auf dem Zettel steht geschrieben: ‘„Köpfe von Neu-Seeland durch
Austrocknen und Rauch präparirt, Moko-Mokai genannt. D. Dumont d'Ur-
ville voy. de l'astrolabe. T. II p. 549.”’

2).
[Seite 7]

Allgemeine Welt- und Völkerkunde. Herausgegeben von E. Zim-
mermann. Vierter Jahrgang August 1836 No. 65.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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