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Sammlung
seltener und merkwürdiger
Reisegeschichten.


Erster Theil.

Mit einer Vorrede
von
D. Johann Friederich Blumenbach,
der Medic. Prof. ordin. zu Göttingen.
xxx

Memmingen,
bey Andreas Seyler.
1789
.
[titlePage_verso]

Vorrede.

[[I]]
xxx

Ich bin ersucht worden, den Anfang dieser
Sammlung kleiner Reisegeschichten mit
einer Vorrede zu begleiten so entbehrlich sie
auch bey einem Unternehmen, wie das gegen-
wärtige, seyn kann; da der Zweck desselben
ohnehin leicht zu übersehen ist, und eben so
wenig einer Empfehlung als einer Entschuldi-
gung bedarf.

Was sonst wohl den Inhalt der Vorreden
zu den Sammlungen von Reisebeschreibungen
ausmachte, der Erweis des Nutzens derselben,
ist für unsere Zeiten hoffentlich überflüßig; da
schon blos ein Rückblick auf die vielseitige Auf-
hellung, die ihr allgemeinerer Gebrauch, zu-
mal in den letzten fünfzig Jahren, über so viele
Fächer menschlicher Kenntnisse verbreitet hat,
[[II]] den unwidersprechlichsten Beweis dafür abge-
ben muß. Man erinnere sich z.B. blos des
Zuwachses und der Berichtigung, welche die
physikalische Erdbeschreibung, die Naturge-
schichte, die Bibelerklärung, die Vorstellungs-
art von der Lebensart etc. der ältesten Völker
der Erde in Vergleich mit der jetzigen Wilden
ihrer u.s.w. durch sie erhalten hat.

Eher dürfte vielleicht eine Warnung gegen
das allzu zuversichtliche Vertrauen auf die Rei-
sebeschreibungen, eine Empfehlung der Vor-
sicht und selbst des Mistrauens bey dem Ge-
brauche derselben nicht am unrechten Orte seyn:
wozu ich wenigstens kleine Beyträge geben
könnte, da ich seit meinem hiesigen Aufenthalte,
zu meinem Unterricht, vorzüglich in der Natur-
geschichte überhaupt, und in der des Menschen-
geschlechtes ins besondere, mich viel mit ihnen
beschäftigt habe; und, nachdem ich ihrer schon
eine Menge gelesen hatte, vor ohngefähr acht
Jahren anfieng, die ganze sehr beträchtliche
Sammlung von Reisebeschreibungen auf der
hiesigen Universitäts-Bibliothek von vornen
bis zu Ende durchzugehen, so daß ich mehrere
[[III]] Jahre hindurch immer ein halbes Dutzend
Bände nach dem andern, so wie sie der Ord-
nung nach im Fache folgten, zu Hause hatte,
um die, so ich nicht vorher schon benutzt hatte,
zu meinem Gebrauche excerpirte, so daß ich
nun seitdem blos die immer neu hinzukommen-
den gelegentlich nachzuholen suche.

So lehrreich mir diese Arbeit an und für
sich seyn mußte, so hat sie mich doch auch zu-
gleich von der Nothwendigkeit der strengsten
Kritik bey dem Gebrauche der Reisebeschrei-
bungen überzeugt; um so mehr, da ich, wie
gesagt, das ganze Fach nach der Ordnung
durchgieng, folglich die Reisen nach jedem
Lande in chronologischer Ordnung hinter ein-
ander zu lesen bekam, und nun so oft theils
die auffallendsten Widersprüche in den Nach-
richten, die verschiedene Reisende von einer
und eben derselben Sache geben, theils das
bloße Nachbethen bey solchen, die man ins-
gemein für klassische Gewährsleute hält, und
manches andere Verdächtige dieser Art bemer-
ken mußte, das zur Warnung beym Gebrau-
che der Reisegeschichten aufmahnt.

[[IV]]

Jenes Nachschreiben zeigt sich auch nicht
etwa blos bey dem sterilen Haufen der arm-
seligen Reisenden, die aus gänzlicher Unkunde
und Mangel an aller Beobachtungsgabe nichts
eigenes geben konnten, wie z.E. bey dem
großen Troß von Volke, das vor zwey- bis
dreyhundert Jahren nach dem gelobten Lande
zog; sondern auch bey neuern Reisenden, de-
nen man es nicht zutrauen sollte, daß sie man-
chen ihrer Vorgänger auf eine solche Weise
vor Augen gehabt haben. Man vergleiche
z.E. Carver’s treffliche und immer an eige-
nen Beobachtungen reiche Reise mit der von
la Hontan. Indeß kann doch aber auch eine
solche unerwartete Bemerkung dazu dienen,
den Kredit des benutzten Vorgängers wieder
zu befestigen, wann derselbe vorher hatte wol-
len verdächtig gemacht werden, wie dieß mit
la Hontan der Fall war, den doch aber auch
der sel. Landvogt Engel in einer einleuchten-
den Apologie gerechtfertigt hat. So sind zu-
mal einige der ältern Reisenden aus dem mitt-
lern Zeitalter lange als ganz unzuverlässig ver-
schrieen worden, die man nachher bey kriti-
scher Vergleichung ihrer Nachrichten mit der
[[V]] nachfolgenden ihren als klassische Schriftstel-
ler zu benutzen gelernt hat. So z.B. Mar-
co Polo,
der wegen einiger Aufschneidereyen,
da er mit ungeheuern Summen auf dem Pa-
piere um sich warf, kaum anders als Messer
Marco Millioni
genannt ward; der Ritter
Maundevile, den seine eigenen Landsleute
the greatest fabler of the world nannten;
so noch in neuern Zeiten Tavernier, der lan-
ge unter dem Beynamen le grand menteur
bekannt war, u.a.m.

Zuweilen giebt es schon vielen Aufschluß,
sobald man prüft, wer es ist, der einen Rei-
senden verdächtig machen will; wie z.E. Vol-
taire
den de la Motraye, oder de la Caille
den Kolbe.

Von der andern Seite sind hingegen an-
dere Reisebeschreibungen lange Zeit ganz un-
gezweifelt für zuverläßig genommen worden,
von denen sich nach der Hand ergab, daß sie
entweder ganz erdichtet, oder doch äußerst ver-
dächtig sind. So hat man einmal eine Zeit
lang den Roman des pseudonymen Psalma-
[[VI]] naazar
für eine wirkliche Beschreibung der
Insel Formosa angenommen, bis der Ver-
fasser vor etlichen und zwanzig Jahren in sei-
nen bekannten Memoirs den ganzen Betrug
selbst entdeckte. So ist lange die vorgebliche
Entdeckungs-Reise des spanischen Vice-Ad-
miral de Fonte oder Fuente, die er 1640.
nach dem nordwestlichen Amerika gethan ha-
ben sollte, für baare Münze angenommen,
und von Swaindrage, Büache, dem jün-
gern de l’Isle u.a. mit großem Aufwand von
Arbeit commentirt, Karten nach seiner An-
gabe entworfen worden etc. bis man neuerlich
von der Nichtigkeit der ganzen Fiction über-
zeugt ward.

So ist es auch bey manchen Reisegeschich-
ten zweifelhaft, ob ihr Verfasser je selbst in
den beschriebenen Ländern gewesen. Vom
Gemelli Careri z.B. ist es meines Wissens
so gut wie erwiesen, daß sein lange Zeit so ge-
priesenes Werk, Giro del mondo, die Frucht
einer langwierigen Krankheit war, die ihn zu
Hause hielt, und daß er wohl nie außerhalb
Italien gekommen, geschweige um die Welt
[[VII]] gereiset. – Man weis, was neuerlich für
ein Verdacht gegen den Ritter Bruce und
gegen den Hauptmann de Pagès erregt wer-
den wollen, als ob sie auch nicht an allen den
Orten, wovon sie schreiben, selbst gewesen
seyen.

Daß man aber inzwischen auch klassische
Werke über Länder, die man nicht selbst be-
reiset hat, schreiben kann, haben Ludolph,
Du Halde
und andere (gewisser Maaßen auch
der Burgermeister Witsen) gezeigt.

Und so muß freylich auch das, was oben
von den widersprechenden Nachrichten der
Reisebeschreiber gesagt ward, in der logika-
lisch richtigen Bestimmung des Wortes ver-
standen werden. Hundert scheinbare Wider-
sprüche bey verschiedenen Reisenden lösen sich
ganz natürlich auf, sobald man die Zeit und
die Umstände, unter welchen jeder gereiset ist,
in Erwägung zieht.

Die Sitten eines rohen Volkes ändern
sich mit dem Fortgange seiner Kultur; und
die Natur selbst ändert sich, so zu sagen, un-
[[VIII]] ter den Händen des Menschen. Man denke
z.B. nur an die Umschaffung, die er seit
Entdeckung der neuen Welt mit ihr und der
alten wechselseitig vorgenommen hat.

Daher ist doch nichts seltsamer, als wenn
mancher neuere Reisende seine Vorgänger
darum der Unwahrheit zeihen will, weil sie
vor Jahrhunderten die Sachen anders gefun-
den haben, als Er neuerlich. So wars
z.B. der Fall bey den alten Zeugnissen vom
ehemaligen Genuß des rohen Pferdefleisches
bey den Kalmücken; vom Plattdrücken der
Nase der neugebohrnen Kinder unter manchen
Neger-Völkern, u. dgl. m. – Mutantur
tempora
– mithin – Distingue tempora –.

Ganz etwas anderes ist es hingegen,
wenn gleichzeitige Reisende bey ihren Nach-
richten von einer und eben derselben indivi-
duellen Sache in offenbarem Widerspruche
mit einander stehen; selbst bey Dingen in Ge-
genden, die allgemein bereiset werden, wo folg-
lich die Sache bald genug entschieden werden
könnte. Man vergleiche z.E. Dryden’s Nach-
richten von der Erhaltung der Leichen im Ka-
[[IX]] puzinerkloster zu Palermo mit dem, was Hollis
davon sagt. Beyde waren Augenzeugen! –
Da ich vor einigen Jahren in Savoyen war,
untersuchte ich die beyden berühmten Kaker-
laken zu Chamouni, und las nach meiner Zu-
rückkunst in einer Versammlung der königli-
chen Societät der Wissenschaften eine Abhand-
lung darüber vor. Ein anderer Reisender,
und sonst ein trefflicher naturforschender Be-
obachter, war um die gleiche Zeit in Savoyen
gewesen, hatte die gleichen Menschen gesehen,
und erklärte öffentlich, daß sie keine Albinos
seyen, daß er keine rothe Augen an ihnen ge-
funden, und das Ganze eine Einbildung des
Herrn Bourrirt sey etc. Mein Trost war,
daß die Augen der Kakerlaken für mich schon
seit Jahren ein viel zu interessanter Gegenstand
gewesen waren, als daß ich nicht bey ihrer Un-
tersuchung meinen eigenen Augen hätte trauen
dürfen; auch hatten hundert andere kundige
Reisende vor und nach uns beyden, dieselben
Menschen für ungezweifelte Kakerlaken auf den
ersten Blick erkannt, und unter diesen hat noch
ganz neuerlich Herr de Saussure, der in Cha-
mouni so gut wie zu Hause ist, meine Beobach-
tungen vollkommen bestätigt.

[[X]]

Aber wenn nun solche qui pro quo bey
Dingen möglich waren, die mit aller Muße
untersucht werden, so augenblicklich entschieden
werden konnten, wie ungleich häufiger mögen
sie nun von Reisenden gemacht werden, die
unbekannte Länder mit unendlich wenigerer
Bequemlichkeit gleichsam durcheilen müssen;
und wie wenig wird man also die obigen War-
nungen bey dem Gebrauche der Reisegeschichten
für überflüßig oder übertrieben halten dürfen?

Uebrigens benehmen diese Warnungen dem
behutsamen kritischen Gebrauche der Reisebe-
schreibungen so gar nichts an seinem wahren
unverkennbaren Werthe, daß ich sie ohne alles
Bedenken zum Inhalt einer Vorrede mache,
die doch einer Sammlung von Schriften die-
ser Art zu einiger Empfehlung dienen soll.

Der Plan des Verlegers schränkt sich auf
seltenere und zugleich merkwürdige Reisege-
schichten ein, die nicht voluminös sind, und
wenn das Unternehmen Fortgang hat, so kann
es eine nützliche und interessante Sammlung
werden.

[[XI]]

Unter den zahlreichen ältern kleinen Reisen
von unberühmten Verfassern steckt noch über-
aus viel Wichtiges für Natur- und Völker-
kunde. Denn hier kommt’s weder auf die
Dicke der Reisebeschreibung, noch auf den
Stand des Reisenden an. Die kleine war-
hafftig Historia
des ehrlichen Pfahlbürgers
Hanns Staden ist zuverläßiger und klassi-
scher, als das vielpfündige Voyage en Siberie
des weit berühmten Akademisten Chappe
d’Anteroche.

Die Reisen werden in dieser Sammlung
ganz und unverstümmelt geliefert, da man
auch hier das prodesse & delectare zu verbin-
den sucht, und es bey weitem nicht, wie das
Abrégé des Herrn de la Harpe, ein Lese-
buch zum bloßen Zeitvertreib ohne alle kritische
Brauchbarkeit werden soll.

Die Uebersetzungen sollen immer von ei-
nem beyder Sprachen mächtigen Manne ver-
fertigt, und dann von einem andern in Rück-
sicht auf den Inhalt durchgesehen werden.
Denn ohne das letztere können seltsame Fehler
entstehen. So fand ich in der Uebersetzung
[[XII]] einer berühmten Reise, die von einem unserer
besten deutschen Schriftsteller besorgt war, aus
Unkunde der Naturgeschichte, die Fühlpflanze
mit dem wandelnden Blat (– eine Staude
mit einem Insekt –) verwechselt.

Die in diesem ersten Theile enthaltene
Reisegeschichte ist von einem hiesigen jungen
Gelehrten, Herrn Benecke, aus dem Oettin-
gischen, verfertigt worden; ich habe hin und
wieder kleine Anmerkungen beygefügt.

Der Verfasser war Sekretair von Ber-
bice, der im Jahr 1672. als Gevollmächtigter
dieser Kolonie mit dem Kommandeur von Esse-
quebo den Gränz-Vergleich zwischen Berbice
und Temerary zu Stande brachte(*), ein
Mann von natürlich gutem Beobachtungs-
geiste, der eine Menge interessanter und dar-
unter viele nicht gemeine Bemerkungen aufge-
zeichnet hat.

Göttingen, den 16. Febr. 1788.


[titlePage_recto]
Adrian van Berkel’s
Beschreibung seiner Reisen
nach
Rio de Berbice
und
Surinam.


Aus dem Holländischen übersetzt.
xxx

Memmingen,
bey Andreas Seyler.
1789
.
[titlePage_verso]

1

I.
Reise
nach
Rio de Berbice.

[[3]] [[4]]

I.
Reise nach Rio de Berbice.

[[5]]
xxx

I. Kapitel.

Der Verfasser wird angenommen, um nach Rio de
Berbice zu gehen. – Geht wegen widriger Win-
de verschiedene male in die See. – Eigenschaft
der Passatwinde. – Art, die Meerschweine oder
Braunfische zu fangen. – Anmerkung, dieselbe
betreffend. – Beschreibung der Hayen, Bonito,
und fliegenden Fischen. – Beschreibung einer
Wasserhofe. – Gefährlickeit derselben. – Was-
serhosen von einer andern Art, Pfeifen genannt.
– Ankunft in dem Strome von Berbice.

Schon lange hatte ich den Wunsch gehegt,
fremde Gegenden und Länder zu sehen, als die
Herren van Ree und van Penre, Patronen
der Kolonie von Berbice, ein Schiff ausrüsten
ließen, das erster Tagen dahin abgehen sollte.
Durch die Fürsprache guter Freunde gelang es
mir, als Kaufmann und Secretär auf demselben
[Seite 6] angenommen zu werden, um auf diese Weise
meine Begierde zu reisen einigermaßen zu befrie-
digen.

Ich schickte demnach meine Equipage nach
Vlissingen, und den 24. October 1670 begab
ich mich in Person dahin. Nachdem wir vier
Wochen auf guten Wind gewartet hatten, und
dieser endlich zu wehen anfieng, ließ ich mich an
Bord führen. Hier fand ich alles zur Abfahrt
bereit, und den 24. November giengen wir mit
einem Ostwinde in die See; unser Schiff war
die Fregatte Nassau von 16 Kanonen, unter
dem Kapitain Cornelius Marinus. Allein
schon den zweyten Tag, als wir Grevelingen
im Gesicht hatten, drehte sich der Wind, und
brachte uns wieder zurück nach Seeland.
Ehe wir indessen den Haven erreichen konnten,
gieng mit mir, der ich der See gar nicht gewohnt
war, – wiewol wir nur mit einem schwachen
Lüftchen fortgetrieben wurden – eine sehr unan-
genehme Veränderung vor. Alles kehrte sich
mit mir um und um, und ich mußte, so viel
Mühe ich auch anwandte es zurückzuhalten, alles,
was ich nur genossen hatte, durch denselben Weg
[Seite 7] wieder von mir geben, durch den ich es zu mir
genommen hatte. Da diese Beschwerden mit
einem starken Kopfweh und sonderbaren Schwin-
del verbunden waren, so befand ich mich in der
That recht übel: so bald ich aber die Nase in den
Wind steckte, und der See ins Gesicht schaute,
wurde ich mit einem male wieder besser.

Nach Verlauf von acht Tagen bekamen wir
wieder guten Wind, und fiengen daher an den
Anker zu lichten; aber als wir bald damit fertig
waren, kam uns ein Ostindienfahrer vor die Bug,
der unsere Gallione so anstieß, daß wir, um den
Schaden auszubessern, bis auf den nächsten Tag
liegen bleiben mußten. Den folgenden Tag war
das Schiff vorbey, und wir liefen des Nachmit-
tags auch wieder in die See. Des Abends rie-
fen einige lose Gäste, die unten im Schiffe wa-
ren, wir sänken. Auf dieses Geschrey sprang
ich, ganz unbekannt mit dergleichen Streichen,
und daher in tödtlicher Angst, heraus; aber Jan
Hagel, der sah, wie sehr ich mich erschrocken hat-
te, lachte über meine Einfalt, und sagte mir, es
wären blos die Klappen nicht geschlossen gewesen.
[Seite 8] Ich gieng daraus wieder nach meiner Schlafstelle,
um ein ziemliches ruhiger, als ich herausgekom-
men war, und schlief die ganze Nacht hindurch,
ohne irgend einer Störung.

Des andern Tages, als wir in den Kanal
bey Bervesier gekommen waren, drehete sich der
Wind wieder, wurde immer stärker und stärker,
und nahm sich vorzüglich des Nachts so heftig
auf, daß es schien, als wollte er unser Schiff
auseinander reissen. Ein noch unglücklicheres
Loos traf den Ostindienfahrer, von dem ich eben
gesprochen habe. Er stieß aus eine Sandbank,
die Gom oder Gonje genannt, borst von ein-
ander, und hielt bald die Nase unter; doch wur-
de alles Volk, bis auf den Steuermann, und
der größte Theil der Güter geborgen. Ein an-
deres Schiff, das von Bilboa kam, und mit
spanischer Wolle und 40,000 Stück von Achten
geladen war, gieng bey dieser Gelegenheit gleich-
falls unter. Wir sahen es bey uns liegen, als
wir zu Tische giengen; und als wir gegessen hat-
ten, sagte die Küchenwache, daß es gesunken sey;
daß aber das Volk sich insgesammt auf ein
[Seite 9] Schiff geborgen hätte, das an seiner Seite unter
dem Winde lag. Was uns anbelangt, so wur-
den wir nach dem Sturm, der uns zwischen Do-
ver
und Calais gebracht hatte, durch widrigen
Wind wieder zurückgetrieben, und kamen am
fünften Tage wieder vor Vlissingen, wo mich
mein Wirth, der mich nun zweymal beherbergt
hatte, mit großer Freude bewillkommte, weil er
gefürchtet hatte, daß wir gleichfalls verunglückt
wären, da bey Seeland auch ein Schiff geblie-
ben war.

Zwey Tage daraus wehete der Wind wieder
aus Osten, daher wir des Nachmittags zum
drittenmale unter Seegel giengen. Wir fuhren
alsdann so stark, daß wir in der Tagewache die
Feuer der englischen Küste sahen; und als ich
aufwachte, befanden wir uns Bervesier gegen
über, wo wir zuvor vom Sturm waren über-
fallen worden. Die Kälte, die uns bisher ziem-
lich beschwerlich gewesen war, fieng nun an täg-
lich abzunehmen, und der anhaltende gute Wind
war unserer Reise sehr förderlich, und brachte
uns auf die Höhe der canarischen Inseln;
[Seite 10] hier aber legte er sich, und wir mußten eine Wei-
le in einer Windstille hintreiben.

Indessen kriegten wir bald darauf Verände-
rung: denn da wir die Insel Madera ansichtig
wurden, hörte ich, daß wir, zur großen Freude
des ganzen Schiffvolks, die Passatwinde ange-
troffen hätten. Diese Winde wehen allezeit aus
derselben Gegend, zwischen Norden und Osten;
und man braucht alsdann sich nicht viel mit dem
Tauwerk und Seegeln zu bemühen. Auch mä-
ßigen sie, da sie kühl sind, die Hitze der Zone,
die sonst unerträglich seyn würde. Man findet
sie gemeiniglich auf der Höhe der genannten In-
seln, und so wie man sie angetroffen hat, legt
man durchgehends 40–50 Meilen in 24
Stunden zurück, und fast ohne die geringste Em-
pfindung der Bewegung des Schiffes oder des
Stoßens der See. –

Mittlerweile ergötzten wir uns des Tages
über mit dem Fischfange; denn wir sahen bey-
nahe alle Tage eine sehr große Menge allerley Fi-
sche, vorzüglich Meerschweine oder Braunfische,(*)
[Seite 11] welche in ganzen Haufen rings um das Schiff
schwammen. Der Fang geschieht auf folgende
Weise. Es standen auf verschiedenen Plätzen
des Schiffes, und vornehmlich vorne, etliche
Matrosen, jeder mit einer Harpune in der Hand,
an deren Ende ein Tau, ungefähr einen kleinen
Finger dick, befestiget war. So wie nun die
Braunfische bey ihnen vorbey schwammen, war-
fen sie die Harpune mit solcher Gewalt, daß sie
bisweilen den Fisch ganz durchbohrte. Die Har-
pune blieb dann in der Wunde stecken, und das
Tau ließen sie immerfort schießen, bis der Fisch,
durch den Verlust seines Blutes geschwächt, sich
ohne einige Gegenwehr herbeyziehen, und an
Bord holen ließ. Es wurden etliche auf diese
Art gefangen, sie waren 4 bis 5 Fuß lang, und
verhältnißmäßig dick. Dieser Fisch wird mit
Recht Meerschwein genannt, da er, nicht nur in
Ansehung seines Fleisches und Speckes, sondern
auch in Ansehung seines Körpers, Aehnlichkeit
mit dem Schweine hat. Das Fleisch hat aber
ganz und gar keinen leckern Geschmack, sondern
ist etwas thranartig.

[Seite 12]

Es ist eine gemeine Meynung vieler Leute,
die niemals Meerschweine gesehen haben, daß
das Blut dieser Thiere nicht warm sey; allein ich
kann aus eigener Erfahrung mit völliger Gewiß-
heit das Gegentheil versichern; denn da ich ei-
nem den Bauch aufgeschnitten hatte, und die
Hand in das Eingeweide steckte, fand ich das
Blut beynahe so warm, als bey einem Schweine.
Auch kann ich nicht zweifeln, daß sie athmen, da
ich ihre Lungen so gut zum Athemholen einge-
richtet fand, als bey Thieren, die außer dem
Wasser leben. Sie haben keine Kiefern, wie die
anderen Fische, sondern nur zwey Löcher an den
Seiten des Kopfes, um Luft zu schöpfen; und
dieß ist ohne Zweifel der Grund, warum sie von
Zeit zu Zeit den Kopf und bisweilen den ganzen
Körper über das Wasser heben, und allezeit ge-
gen den Wind schwimmen; daher auch die Ma-
trosen, wenn sie während einer Windstille Meer-
schweine nach einer Gegend hinziehen sehen, so-
gleich sagen, daß der Wind von dieser Gegend
kommen müsse.

[Seite 13]

Außer den Braunfischen oder Meerschwei-
nen fiengen wir auch viele Hayen.(*) Diese
Fische sind eine Art Seehunde. Sie haben
einen ganz breiten und flachen Kopf, und eine
sehr tiefe Kehle, weil ihr unterer Kinnladenkno-
chen viel kürzer ist, als der obere, so daß, wenn
sie beißen wollen, sie gezwungen sind, sich auf
die Seite, ja bisweilen sogar auf den Rücken zu
legen. Ein wenig unter dem Kopfe ist ihre
Haut eine Art großnarbichter Schagrin, mit
sechs Oeffnungen auf jeder Seite, die sich ver-
möge gewisser sehr dünner Häute verschließen,
und ihnen statt der Kiefern dienen. Es sind
dieß die allergefräßigsten Thiere, die man sich
denken kann; denn wenn sie auch drey oder vier-
mal an der Angel sich gefangen haben, und ihr
ganzer Mund voll Blut ist, kommen sie doch
allezeit mit derselben Gierigkeit wieder an, bis
sie entweder gefangen sind, oder das Aas weg-
haben. Ferner, wenn sie einmal jemand gefaßt
haben, so ist es um ihn geschehen; denn sie las-
sen niemals los. Die Ursache dieser ungemei-
nen Gierigkeit ist die Größe ihrer Leber. Sie
[Seite 14] haben drey Reihen Zähne, wovon die ersten
umgekrümmt, und die anderen gerade, und von
verschiedener Gestalt sind. Die dritte Reihe be-
steht aus dreyeckichten vorne dünnen und oben
sägeförmig zulaufenden Zähnen. Sie haben
immer ein Gefolge von gewissen kleinen Fischen(*)
bey sich, die so unzertrennliche Begleiter von
ihnen sind, daß sie sich lieber mit ihnen fangen
lassen, als daß sie sich von ihnen trennten. Man
nennt sie ihre Steuermänner oder Lootsen, weil
man behauptet, daß sie ihnen zu Führern die-
nen, um sie an die Stellen zu bringen, wo Aas
zu finden ist. Sie fressen die Ueberbleibsel des
Fanges, und heften sich an die Haut der Hayen,
durch ein knorpelartiges Häutchen von ovaler
Gestalt, das sie auf dem Kopfe haben, und das
in kleinen Rinnen hinläuft.

Wir fanden auch in dieser Gegend eine Men-
ge Bonito(**), die unversöhnliche Feinde der
fliegenden Fische sind, und sie beständig verfol-
gen. Diese Fische sind von der Größe unserer
[Seite 15] stärksten Karpfen, doch viel dicker, ohne Schup-
pen, von silberfarbener Haut, und auf dem Rü-
cken mit langen dunkeln und goldenen Streifen
gezeichnet. Sie sind leicht zu fangen; denn da
sie sehr hitzig auf die fliegenden Fische sind, so
macht man ähnliche Figuren aus Federn, und
befestigt dieses Lock an das Ende einer Linie.
Dieß Federbild läßt man vor ihnen auf dem Was-
ser hin und her hüpfen, und dadurch werden sie
augenblicklich getäuscht, und springen mit sol-
cher Heftigkeit darnach, daß man oft blos mit
zwey oder drey Linien in weniger als einer Stun-
de dreyßig bis vierzig fangen kann. Ihr Ge-
schmack ist gut.

Was die fliegenden Fische(*) anbetrift, so
sahen wir verschiedene Haufen derselben zu einer
Höhe von ungefähr acht bis zehen Fuß sich erhe-
ben, und funfzig oder sechszig Schritte fort-
fliegen, ehe sie wieder ins Wasser fielen, um
ihre Flügel naß zu machen, und neue Kräfte
gegen die Bonito zu nehmen, von denen sie bis-
weilen im Niederfallen erhascht, oder auch wohl
[Seite 16] durch einen Sprung aus dem Wasser im Fluge
gefangen werden. Außer den Bonito haben die
fliegenden Fische noch einen andern Feind, eine
gewisse Art Vögel(*), welche, so wie die armen
Fische aus dem Wasser auffliegen, um sich vor
den Bonito zu retten, auf sie niederschießen.
Unser Konstabel brachte mir den ersten fliegen-
den Fisch, der, von einem solchen Vogel verfolgt,
in unser Schiff niederfiel. Er war von Gestalt,
Farbe und Größe wie ein Hering, der Rücken
war ein wenig dicker, und der vordere Theil des
Kopfes rundlich, wie bey einem Seebrächsen;
seine Flügelfloßen sitzen über den Wammen.

So seegelten wir fort bis zum 17. Januar
1671, welches ein Sonntag war, als sich un-
gefähr um Mittag eine große schwarze Wolke
zeigte. Bald nachher sahen wir, daß ein Theil
davon sich absonderte; und so wie dieser abge-
sonderte Theil durch einen heftigen Wind fortge-
trieben wurde, veränderte die Wolke nach und
nach ihre Gestalt, und sank, einer langen Säule
ähnlich, aus der Luft auf die Oberfläche der See
[Seite 17] herunter. Wir Reisende, die noch nie auf der
See gewesen waren, sahen diese Erscheinung,
die so weit von uns entfernt war, daß wir nichts
von ihr zu befürchten hatten, mit Verwunderung
an; hörten aber von dem Steuermann, daß der-
gleichen Wasserhosen sehr gefährlich wären, nicht
allein wegen des vielen Wassers, das sie in das
Schiff bringen, wenn man gezwungen ist, in sie
zu seegeln, und mit den Seegelstangen und Ma-
sten des Schiffes sie zu durchschneiden; sondern
auch wegen der plötzlichen Heftigkeit und außer-
ordentlichen Gewalt des Wirbelwindes, durch
den sie fortgeführt werden, der im Stande ist,
dem größten Schiffe seine Masten wegzureißen,
ja selbst seinen Untergang zu verursachen; daher
man alles mögliche thut, sie zu vermeiden. In-
zwischen kann man sie bisweilen, ohne daß sie
den geringsten Schaden thun, niederstürzen,
wenn man nähmlich durch Kanonen- und Muske-
tenschüsse die benachbarte Luft verdünnt, wodurch
das Wasser, welches alsdann nicht mehr unter-
stützt wird, in sehr großer Menge herunterfällt,
und die ganze Erscheinung plötzlich verschwindet.
Wiewohl diese Hosen in der Ferne nur wie kleine
[Seite 18] Säulen von sechs oder sieben Fuß im Durch-
messer aussehen, so haben sie doch eine viel größe-
re Ausdehnung; und unser Steuermann versi-
cherte uns, daß er in der Entfernung eines Pisto-
lenschusses Wasserhosen von mehr als 100 Fuß
im Umkreis gesehen hätte.

Außer diesen sieht man auf der See noch eine
andere Art von Hosen, die von einigen wegen
ihrer langen Gestalt Pfeifen genannt werden;
diese sind aber nicht gefährlich, und zeigen sich
nur in der untersten Gegend der Luft, bey Son-
nen-Auf- und Untergang, ungefähr an derselben
Stelle, wo man alsdann die Sonne sieht. Es
sind lange und dicke Wolken mit andern helleren
und durchsichtigen umgeben. Sie fallen nicht
nieder, sondern verfließen zuletzt in einander,
und verschwinden nach und nach; da im Gegen-
theil die Hosen mit Gewalt fortgetrieben werden,
lange Zeit dauern, und immer mit Regen und
Wirbelwind verbunden sind, wodurch die See
unruhig gemacht, und mit Schaum bedeckt wird.

Denselben Tag, nähmlich den 17. Januar,
sah man die See heftig brennen, gleich als wenn
[Seite 19] sie mit Feuer bedeckt gewesen wäre. Wir, die
wir noch nie eine Seereise gemacht hatten, und
daher bey jeder ungewöhnlichen Erscheinung er-
staunten oder erschracken, fragten den Kapitain
und Steuermann um die Ursache hievon, und
erhielten zur Antwort, daß wir wahrscheinlich
in zwey oder drey Tagen Land sehen würden.
Es wurde nun das Senkbley ausgeworfen, und
die Tiefe des Wassers drey und vierzig Klafter
befunden, das zweytemal etwas mehr, und das
drittemal vierzig. Darauf rief der Kapitain,
daß der Steuermann zwey Grade lavieren sollte,
und den andern Tag um Mittag erblickten wir
Land, welches in der Ferne ganz dunkel aussah,
und, wie wir nachher fanden, die Teufelsinseln
waren. Diesen Tag, nähmlich Montag, so
wie auch Dienstag seegelten wir über Land; ein
Schifferausdruck, der anzeigt, daß man zu hoch
ist, und vor dem Winde nach dem Lande zu lauft.
Des Nachmittags, nachdem wir den Fluß
Surinam so wie auch Coppenam und Su-
ramkaka
passirt waren, warfen wir Anker, und
erblickten den Fluß Correntyn, der zu Su-
rinam gehört. Ich, der ich der See gar nicht
[Seite 20] gewohnt war, verlangte von ganzem Herzen fe-
stes Land unter den Füßen zu haben; allein ich
mußte mich gedulden, bis wir sieben Stunden
weiter, nach Rio de Berbice, gekommen seyn
würden. Den andern Tag wurde der Anker
gelichtet, um bequem mit der Fluth in den Fluß
einzulaufen. Dieß geschah dann auch: eine
Meile innerhalb des Flusses warfen wir den An-
ker aus, und beschlossen unsere Reise, die genau
fünf Wochen gedauert hatte, an einem Mittwo-
chen Abends, so wie wir an einem Mittwochen
Nachmittags das drittemal in die See gelaufen
waren.

II. Kapitel.

Der Verfasser fährt den Fluß von Berbice hinauf. –
Tritt ans Land. – Ißt Atty, und betrügt sich
dabey. – Kehrt wieder an Bord zurück. –
Wird nach dem Fort abgefertigt. – Trank,
den die Weiber durch Käuen zubereiten. – An-
müthigkeit der Gegend von Berbice. – An-
kunft auf dem Fort.

Den Abend, da wir in den Strom gekommen
waren, wie in dem vorhergehenden Kapitel ge-
sagt ist, konnten wir nichts sehen, als angenehme
grüne Gebüsche, aus denen von Zeit zu Zeit,
[Seite 21] und bisweilen auch wohl in einem fort, ein sehr
verwirrtes Geschrey von Meerkatzen und andern
Thieren gehört wurde. Des Morgens war ich
mit Anbruch des Tages auf, um zu sehen, wie
das Land aussähe; wobey, wie mich dünkte, das
schwere düstere Gefühl, das ich auf der See be-
kommen hatte, durch die frische Luft und den an-
muthigen Anblick der grünen Bäume mit einem
male vertrieben wurde.

Um neun Uhr wurde der Anker aufgewun-
den, und wir trieben sehr langsam mit der Fluth
fort. Es war wenig Wind; weßwegen wir
auch nicht über drey oder vier Meilen gekommen
waren, als wir den Anker wieder fallen lassen
mußten. Wir wurden darauf einige Indianer
gewahr, die gemeiniglich Bockjes genannt wer-
den. Einigen von dem Schiffvolk, die schon
öfter hier gewesen waren, baten sich die Erlaub-
niß aus, mit dem Boot an das Land zu fahren,
um Palmyt(*) zu kaufen. Ich war neugie-
rig, diese Art von Menschen zu sehen, und fuhr
mit; und da ich aus Land kam, fand ich Män-
[Seite 22] ner, Frauen und Kinder, alle miteinander mut-
ternackt, die Bedeckung ihrer Schaamtheile aus-
genommen, wovon wir nachher sprechen werden.
Während ich mit Verwunderung diese Menschen
betrachtete, fielen meine Augen auf einen schwar-
zen Topf mit rothem Pfeffer, eine Brühe, welche
immer von ihnen gebraucht wird. So wie ge-
meiniglich die Fremden große Neugierigkeit ha-
ben, oft auch etwas mehr, als nöthig ist, so
kriegte auch ich sogleich Lust, dieß zu kosten; nahm
ein Stück von ihrem Brode und tunkte es ein.
Aber diese Näscherey bekam mir nicht gut; denn
kaum war das Brod durch die Kehle, so fieng
der Mund an, mir so heftig zu brennen, als ob
er voll Feuer wäre. Ich fragte daher die, welche
schon öfter da gewesen waren, was dieß für eine
Speise wäre, und bekam zur Antwort, daß sie
Atty(*) genannt würde, und die gewöhnliche
Kost der Indianer wäre, wie wir nachher mit
mehrerem erzielen werden.(**)

Indessen giengen wir munter in den Wald
hinein, und nachdem wir eine Strecke Wegs
[Seite 23] durch ungebahnte Pfade gekommen waren, wur-
de von unsern Leuten Palmyt gehauen, wovon
wir gleichfalls nachher sprechen werden. Als-
dann kehrten wir wieder nach dem Flusse zurück,
und fuhren mit unserm Boote nach dem Schiffe.
Hier wurden wir von einigen Indianern mit
Frauen und Kindern besucht. Etliche von un-
serm Schiffsvolke, die schon mehrmals da ge-
wesen waren, und etwas von der Sprache ver-
stunden, fiengen an mit ihnen zu sprechen, und
mit einigen Kleinigkeiten zu handeln. Während
die Indianer noch am Bord waren, wurde ge-
rufen: ein Seegel! Es war das große Boot
von dem Fort, was nach der See gieng, um zu
fischen. Unser Kapitain rief sie an Bord, und
so bekamen wir Nachricht, wie es daselbst stün-
de. Gewisse Freunde, die schon einmal daselbst
gewesen waren, bekamen nebst mir den Auftrag,
mit nach dem Fort zu seegeln, und, wenn wir
dahin gekommen seyn würden, Briefe nach den
Pflanzstädten zu schicken, um unsere Ankunft be-
kannt zu machen. Wir stiegen dann hinüber,
lichteten den Anker, und gaben einander einen
Ehrenschuß. Nachdem wir ungefähr zwey
[Seite 24] Stunden gefahren waren, bekam ich durch die
Hitze großen Durst, und fragte deßwegen den
Schiffer, ob er etwas zu trinken habe? Trinken
genug, antwortete dieser, und befahl dem Neger,
der die Stelle des Kochs vertrat, mich damit zu
bedienen. Dieser wusch seine schwarzen Hände,
zapfte reines Wasser, und nahm aus einem Ge-
fäße eine handvoll von einer Masse, die einem
Brey nicht unähnlich sah. Dieß rieb er durch
die Hände, bis das Wasser weiß wurde, goß es
dann in einen Kürbis, die man dort statt der
Becher gebraucht, und reichte mir es dar. Ohne
weiter zu fragen, setzte ich den Kürbis an den
Mund, und trank ein gutes Nösel daraus. Un-
ter dem Trinken sagte mir der Schiffer, daß ich
die Zähne etwas von einander halten müßte, da-
mit das Getränke bequemer durchfließen könne.
Ich fand dieß auch bestätigt; denn da dieses
Getränk eine Art Brey ist, schießt das Dünne
durch, und die Krumen bleiben vor den Zähnen
sitzen. Unterdessen konnte sich der Schiffer nicht
enthalten heimlich zu lachen, und da ich die Ur-
sache davon wissen wollte, fragte er mich, ob ich
wohl wüßte, was ich getrunken hätte? Ich sagte
[Seite 25] nein; aber der Trank hätte mir, weil ich sehr
vom Durste geplagt gewesen wäre, recht wohl
geschmeckt, es möge nun auch gewesen seyn, was
es wolle. Es wird, sagte der Schiffer, dieser
Trank aus Brod, das die Weiber klein käuen,(*)
gemacht, und man muß sich hier zu Lande, in
Ermangelung eines bessern, damit behelfen.

Unterdessen fuhren wir sachte weiter, und ich
hatte dabey Gelegenheit, die Schönheit der Ge-
gend mit aller Muse zu betrachte. Sie ist
durchgehends sehr anmuthig. Bey der Aus-
sicht auf hohe grüne Bäume hört man ein be-
ständiges Geschrey von Affen, Meerkatzen, Pa-
pageyen u.s.f. Die letzten flogen uns von Zeit
zu Zeit in ganzen Haufen über den Kopf, und
machten einen Lärmen, daß man kaum einen Ka-
nonenschuß hätte hören können. Da wir uns
bis aus etwa zwey Stunden dem Fort genähert
hatten, wurden Ruder an Bord gelegt, weil wir
sonst die nächste Fluth hätten abwarten müssen.
Mittlerweile, da es anfieng Abend zu werden,
und die Aussicht mir keine Unterhaltung mehr
[Seite 26] gewähren konnte, legte ich mich zur Ruhe; al-
lein, ich hatte nicht lange geschlafen, als ich wie-
der aufgeweckt wurde, weil wir uns vor dem
Fort befanden. Zwey Stunden vorher hatten
wir unsere Kanonen gelöset, um die Ankunft
unseres Schiffes bekannt zu machen. Es konn-
ten diese sehr bequem gehört werden, weil der
Fluß in großen Krümmungen läuft, und dadurch
der Weg sehr verlängert wird. Wir traten
dann in das kleine Boot über; wurden nach
dem Lande geführt, und kamen des Nachts zwi-
schen Freytag und Sonnabend auf das Fort,
Nassau genannt, wo man große Freude über
unsere Ankunft bezeugte, und wo wir von dem
Oberhaupte mit aller erdenklichen Freundschaft
empfangen wurden. Nachdem wir einiger fro-
hen Gespräche miteinander gepflogen hatten,
wurde jedem von uns eine Hängmatte angewie-
sen, um den übrigen Theil der Nacht daselbst
zuzubringen.

III. Kapitel.

[Seite 27]

Der Verfasser schickt Briefe nach den Pflanzstädten. –
Schöner Hain von Orangen- und Limonienbäu-
men. – Ankunft des Schiffes vor dem Fort. –
Ansetzung eines neuen Kommandeurs oder Ober-
haupts. – Reise des Schiffes nach den Pflanz-
städten. – Der Verfasser geht dahin, um zu
inventiren. – Thut eben dieß an dem Fort. –
Es wird den Sclaven Leinwand ausgetheilt. –
Das Schiff kommt mit seiner Ladung wieder vor
das Fort. – Ankunft eines englischen Schiffes
in dem Flusse. Zwischen zween Frauen erhebt
sich Streit über einen Krug Ale. – Der Verfas-
ser geht nach der Mündung des Flusses. – Eine
besondere Art Reisehäuschen. – Weitere Fahrt
des Schiffes. – Unternehmung eines Handels
in dem Flusse Bourum.

Ungeachtet ich sehr schläferig war, konnte ich
doch diese Nacht wenig schlafen, weil ich noch
niemals in einer Hangmatte gelegen hatte. Auch
wußte ich nicht, wie man sich zu legen hat, und
erfuhr erst nachher, daß man in dieser Art Hang-
matten, die acht, zehen, und auch wohl zwölf
Fuß weit sind, überzwerch liegt. Ich stand da-
her auf so bald es nur Tag war, und machte
meine Briefe zurecht, die sogleich nach den Pflanz-
städten gesendet wurden. Darauf bekam ich
[Seite 28] Lust mich umzusehen, wo ich wäre. Alles gefiel
mir sehr wohl. Nicht weit von dem Fort zeigte
sich ein Hain von Orangenbäumen, von denen
jeder so groß ist, als in unserm Vaterlande ein
gewöhnlicher Lindenbaum, und an welchen man
immer Blühten, grüne und reife Früchte im
Ueberflusse sieht. Dieser Platz ist mit Limo-
nienbäumen eingefaßt, die an Schönheit den
Orangenbäumen nicht nachstehen, und mit ih-
nen zusammen einen sehr reizenden Anblick und
angenehmen Geruch geben. Hier gieng ich ein
oder anderthalb Stunden spazieren. Als ich
darauf wieder nach dem Fort gekommen war,
wurde mir meine Kammer angewiesen, welche ich
zu dem, was ich zu verrichtet hatte, groß und
geräumig genug fand. Gegen Mittag kam un-
ser Schiff vor das Fort, worauf sogleich von
beyden Seiten einige Kanonen gelöset wurden.
Alsdann traten die Passagier ans Land, und
ihnen folgte zuletzt der Kapitain, der gekommen
war, um das Oberhaupt abzulösen, dessen Platz
er in der Zukunft bekleiden sollte.

Indessen begaben sich die Herren Pflanzer,
welche Räthe der Kolonie sind, auf Empfang
[Seite 29] der vorgemeldeten Briefe des Sonnabend Nachts
und Sonntag Morgens nach dem Fort: es wur-
de durch den Prediger eine schöne Predigt gehal-
ten, und nach derselben setzte sich jeder nach sei-
nem Range zur Tafel. Hier wurde tüchtig auf-
getischet; aber kaum hatten wir eine halbe Vier-
telstunde gesessen, so mußte ich aufstehen, weil
mir sehr übel wurde. So wie ich in die Luft
kam, erbrach ich mich ein wenig, wodurch ich
heftige Kopfschmerzen bekam. Ich legte mich
daraus in eine Hangmatte, wurde aber durch den
Lieutenant, oder die zweyte Person heraus ge-
holt, mit dem Bedeuten, daß ich mich nicht le-
gen, sondern auf den Beinen halten müsse, weil
ich sonst die Landeskrankheit(*) bekommen könn-
te. Ich stund also wieder auf, nahm meinen
Platz an der Tafel ein, aß etwas, leerte einen
guten Becher, und war ein oder zwey Stunden
darauf vollkommen hergestellt. Des Nachmittags
wurde die Glocke geläutet, und darauf in Gegen-
wart aller Räthe der neue Kommandeur oder
Oberhaupt, welchem seine Bestallung von mir
vorgelesen wurde, vorgestellt; worauf wir den
[Seite 30] übrigen Tag, und noch einen guten Theil der
Nacht in Fröhlichkeit zubrachten.

Den andern Tag Morgens wurde der An-
fang mit der Ausladung unseres Schiffes ge-
macht, und einige Kisten und Tonnen, die ich
unter meiner Verwahrung haben mußte, so wie
auch einige andere Güter für die Bedienten des
Forts, ans Land gebracht. Darauf gieng das
Schiff weiter hinauf nach den Pflanzstädten.
Das Oberhaupt und ich folgten in einem Boote
voll nackter Indianer, weil wir inventiren, und
die Sclaven mustern mußten, um zu wissen, wie
viele gestorben und gebohren waren. Auf der
ersten Pflanzstädte dauerte mein Geschäfte drey
oder vier Stunden, worauf wir mit Essen und
Trinken vortrefflich bewirthet wurden. Ueberall,
wo wir hinkamen, war der Wein schon angezäpft;
und wir empfanden daher des Nachts eben nicht
sehr viel von den Stichen der Musquito.(*)

Kurz um, es war ein Herrnleben; und ich
wünschte wohl, daß es länger hätte währen
mögen.

[Seite 31]

Nachdem wir damit einige Tage zugebracht
hatten, kehrten wir wieder nach dem Fort zurück,
wo wir dasselbe Geschäft zuerst mit den Kauf-
mannsgütern, und dann mit den Sclaven vor-
nahmen, denen den folgenden Sonnabend auch
ihre Leinwand ausgetheilt wurde. Es erhält
nämlich alle Jahre ein Mann so viel Leinwand,
als er zu einer Hose braucht; eine Frau so viel
als zu einem Rocke nöthig ist, der bis an die
Kniee geht; und die Kinder eben so viel. Diese
Arbeit beschäftigte mich einige Tage.

Eine andere wichtigere bekam ich, als drey
Wochen nachher unser Schiff, das an den Pflanz-
städten seine Ladung eingenommen hatte, wieder
an das Fort kam, um da ein gleiches zu thun.
Bey dieser Gelegenheit gieng ich, außer andern
Geschäften, mit dem Oberhaupte wenigstens
zweymal des Tages an Bord, um Sorge zu
tragen, daß das Beßte der Kolonie nicht möchte
beeinträchtiget werden.

Unterdessen erhielten wir von einigen India-
nern, die von unten heraufkamen, die Nachricht,
daß ein englisches Schiff in den Fluß eingelaufen
[Seite 32] sey. Sogleich wurden etliche Indianer nebst
drey Christen dahin geschickt, um zu sehen, wie
diese Sache beschaffen wäre; wiewohl wir da-
mals mit den Engländern keinen Krieg hatten.
Unsere Leute brachten, so wie sie zurückkamen,
den Schiffer des englischen Schiffes mit sich,
der wegen frischem Wasser in Verlegenheit war.
Es sehlten, seiner Erzählung zufolge, keine zwey
Tage, daß wir nicht zugleich in die See gegan-
gen waren; aber er wurde durch Sturm und
Ungewitter sehr zurück gehalten; und, was son-
derbar ist, um dieselbe Zeit, da wir bey den
Canarischen Inseln einige Zeit in Windstille hin-
treiben mußten, hatte er beynahe auf derselben
Höhe so schlechtes Wetter gehabt, daß er nicht
anders dachte, als er würde mit Mann und
Maus untergehen. Fünf bis sechs Bouteillen
Sect, den der Schiffer mitgebracht hatte, nebst
dem Versprechen einer Tonne Ale, verschafften
ihm die Erlaubniß, mit seinem Schiffe zum fri-
schen Wasser zu kommen. Unterdessen blieb der
Schiffer bey uns auf dem Fort, und wurde gut
bewirthet, bis er die Nachricht bekam, daß alles
richtig wäre; woraus er durch einige unserer
[Seite 33] Leute an seinen Bord gebracht wurde, die er
herrlich tractirte, und denen er die versprochene
Tonne Ale mitgab. Allein diese war ein Zank-
apfel, und hätte beynahe großes Unheil zuwege
gebracht. Das Oberhaupt ließ diese Ale an
Bord unseres Schiffes bringen, um sie, wenn
man nach alter Gewohnheit vor der Abreise die
Herren Pflanzer daselbst tractiren würde, in
Fröhlichkeit zu genießen; und da er dem Predi-
ger der Kolonie und einen gewissen andern Herrn
eine besondere Gefälligkeit erzeigen wollte, so
schickte er durch einen Jungen einen Krug dieses
englischen Bieres an ihre Frauen. Zu allem
Unglücke wurde die Ale nach dem Hause des letz-
tern Herrn gebracht. Seine Frau, trinklustiger,
als sie wohl hätte seyn sollen, kam in den Ge-
schmack des Bieres, und trank es ganz rein aus,
ohne der Frau des Predigers ihren Theil abzu-
geben. Diese wurde hierüber gewaltig unzu-
frieden, und ließ sich einige Worte entfallen, die
mit der christlichen Liebe nicht allzuwohl überein
kamen. Die andere schwieg dagegen auch nicht,
so daß schnell ein gefährlicher Lärmen entstand;
und da jede sich beleidigt glaubte, und die Klage
[Seite 34] an ihren Mann brachte, so erhob sich auch bald
unter diesen ein harter Streit, der einen schlim-
men Ausgang gehabt haben würde, wenn nicht
das Oberhaupt mir den Auftrag gegeben hätte,
zu versuchen, die Frauen und ihre Männer zu
besänftigen. Ich hatte das Glück gehört zu wer-
den, und meine Absicht zu erreichen, worüber
mir alle Herren Pflanzer ihren Dank bezeugten;
denn da sie beyde Personen von Ansehen waren,
so war zu befürchten, daß dieß kleine Fünkchen,
wenn es nicht beyzeiten gelöscht würde, die ganze
Kolonie in Brand stecken möchte. Doch das
Vergnügen, das wir hatten, da das Schiff ab-
seegeln sollte, brachte diesen verdrießlichen Zwist
in Vergessenheit. Wir schmaußten diesen gan-
zen Tag hoch, und den Tag darauf wurde ein
gleiches auf dem Fort gethan; denn die Herren
Pflanzer wollten nicht auseinander gehen, ehe
die Ale, wovon ein kleiner Theil mehr Unfug
angerichtet hatte, als das Ganze that, in Freude
und Jubel bis auf den letzten Tropfen ausgetrun-
ken war.

Zwey Tage nachher trat ich mit dem Ober-
haupte in ein Canot, das mit einem Zelte von
[Seite 35] Blättern bedeckt war, um uns nach der Mün-
dung des Flusses, wo das Schiff seegelfertig lag,
zu verfügen. Am Abend wurde meine Hang-
matte an zwey Bäumen fest gemacht, und ich
legte mich zum ersten male am Land, im Walde,
schlafen. Das Oberhaupt blieb indessen in dem
Canot auf Kissen liegen. Ueber meiner Hang-
matte hatten unsere Sclaven ein Reisehäuschen
ausgerichtet. Dieß sind vier Stangen, die vor-
deren etwas höher als die hinteren, und über
diesen ein Dach von Blättern, die ungemein
groß, und durchgehends vier bis fünf Fuß lang
und wohl zwey breit sind.(*) Weder Sonne
noch Regen kann hier durchdringen, so dicht lie-
gen die Blätter auf einander. Solche Reise-
häuschen sieht man längst dem ganzen Flusse,
und man läßt sie in einem Augenblicke aufrichten
wo man will; denn ein Indianer ist, gleich einer
Schildkröte, überall zu Hause. Den andern
Tag kamen wir an das Schiff, das ungefähr eine
Viertelstunde von der Mündung des Flusses lag.
Hier fertigte ich noch alle Depeschen ab; und
machte mir in den zwey Tagen, die wir uns dort
[Seite 36] aufhielten, das Vergnügen, mit den Indianern
nach dem Strande zu fahren, und in den Wald
auf die Jagd zu gehen. Endlich stach das Schiff
in die See, und ich kehrte mit dem Oberhaupte,
nachdem ich noch eine Nacht in einem Reise-
häuschen zugebracht hatte, nach dem Fort zurück.

Zwey oder drey Tage, nachdem wir wieder
angekommen waren, meldete sich bey dem Ober-
haupte ein gewisser Pflanzer aus dem Gouverne-
ment Canje, der unsern Herren Patronen die
unglaublichsten Vortheile, die mit einer ziemli-
chen Ladung auf dem Flusse Bourum zu erhal-
ten stünden, vorgespiegelt hatte. Das Ober-
haupt war schon davon unterrichtet, und hatte,
ungeachtet aller seiner Vorsichtigkeit, viel größere
Erwartungen, als der nachherige Ausgang er-
füllte. Inzwischen war große Ueberlegung nö-
thig; und ich verstand mich auf die Sache nicht.
Allein, sie sollte durchgesetzt werden; und ich
bekam Befehl, einige Kaufmannsgüter zurechte
zu machen, womit dieser Windbeutel auf unserm
Boote nach dem gedachten Flusse abreisete.

Wie schlecht diese Unternehmung ablief, davon
[Seite 37] werden wir dem Leser in der Folge Nachricht
ertheilen.

IV. Kapitel.

Einfalt der Indianer in dem Zählen. – Langsamkeit
in ihren Gesprächen. – Kinderzucht. – Ver-
abscheuung des Diebstahls. – Gottesdienst. –
Beschreibung indianischer Männer und Frauen.
– Trauungsgebräuche und Lustbarkeiten.

Während ich damit beschäftigt war, die ge-
dachten Güter herzurichten, kamen einige India-
ner mit ihren Waaren an das Fort. Diese fer-
tigte mein Dollmetscher ab; und nach seinen Pa-
pieren trug ich nachher das Abgelieferte zu Buche.
Diese Leute sind in Ansehung des Zählens äu-
ßerst einfältig, wie ich bey verschiedenen derglei-
chen Gelegenheiten bemerkt habe. Denn wenn
sie mit dreyßig Ballen Farbe, Oriane(*) ge-
nannt, zu Markte kommen, wissen sie dieselben
nicht hintereinander zu zählen. Sie legen fünf
Ballen zusammen, nach der Zahl der Finger
einer Hand, und dann wieder fünf andere. Als
ich dieß das erstemal sah, fragte ich meinen
[Seite 38] Dollmetscher um die Ursache dieses Verfahrens.
Dieser sagte mir, daß ihre Zahlen nicht weiter
gehen, als bis fünf.(*) Wenn sie zehen andeu-
ten wollen, so zeigen sie alle Finger; und zwan-
zig wird durch die Finger und Zehen ausgedrückt.
Eben so einfältig sind sie auch in andern Din-
[Seite 39] gen. So bewiesen sie ein großes Erstaunen,
als sie mich schreiben sahen; denn sie konnten
nicht begreifen, daß man auf diese Art seine Ge-
danken einen andern, der abwesend ist, mitthei-
len kann.

In ihren Gesprächen sind sie äußerst lang-
sam. Zu dem, was wir in einer halben Vier-
telstunde erzählen würden, haben sie wenigstens
einen halben Tag nöthig. Inzwischen sind sie
bey aller dieser Langsamkeit so geduldig, daß kei-
ner dem andern in die Rede fällt; und der Zu-
hörer, der Etwas vorbringen will, sagt zu dem
Sprechenden weiter nichts, als wa, welches so
viel bedeutet, als gut. Ich hörte einmal, da
wir jeder in seiner Hangmatte lagen, ein Mägd-
chen singen; und da ich beständig dieselben Worte
ohne die geringste Veränderung hörte, fragte ich
meinen Dollmetscher, was der Inhalt dieses
Gesanges, der so oft wiederholet würde, wäre.
Nichts anders, gab er mir zur Antwort, als:
Klein Väterlein, klein Väterlein, mein
Aeugelein, mein Aeugelein, wenn ich ge-
storben bin.
Dieß hatte wohl eine halbe
[Seite 40] Stunde gedauert, als die Mutter ihr zuknurrte:
wenn nur dein Vater hier wäre, er würde
dir was anders sagen.
Denn der Mann
würde durch den Namen kleines Väterlein
sich beschimpft gefunden haben.

Was die Erziehung der Kinder betrift, so
schlagen sie dieselben niemals, strafen sie aber
wohl mit Worten wegen ihrer Fehler und Ver-
gehungen, damit sie sich in Zukunft davor hüten
mögen.

Der Diebstahl wird unter ihnen sehr verab-
scheuet, und blos aus äußerster Faulheit began-
gen. Denn sie haben weder Kisten noch Kästen;
und würden daher das Gestohlene nicht gut ver-
bergen können. Selbst die Frauen haben nichts,
um ihren Schmuck darinn aufzuheben, als etwa
ein Schächtelchen oder Körbchen, das sie Pa-
gale
nennen.

Gottesdienst findet man ganz und gar nicht;
auch machen sie keinen Unterschied unter Tagen
und Zeiten.

Doch wir müssen auch von dem Aeußeren
dieser Menschen sprechen. Die Indianer sind
[Seite 41] von einer gewöhnlichen Gestalt, röthlich von
Farbe, und schwarz von Haaren, die ihnen,
wenn sie die Würde eines Hauptmanns erhalten,
bis an die Ohren abgeschnitten werden. Sonst
hängen sie gewöhnlich bis auf die Schultern.
In der Scheidewand der Nase haben sie ein Loch,
in welchem ein silbernes Plättchen, von der
Größe eines doppelten Stübers, befestigt wird.
Dieses hängt zwischen Mund und Nase, und
wird beym Trinken, damit es nicht hinderlich
seyn möge, aufgehoben. Sie ziehen aus Bart(*)
[Seite 42] und Augenbraunen die Haare aus, und können
an keinem Theile ihres Körpers Rauchheit er-
tragen. Von Zeit zu Zeit überstreichen sie sich
[Seite 43] mit rother Farbe, die in ihren Augen eine un-
gemeine Annehmlichkeit hat. Corallen, die bey
ihnen so hoch geachtet werden, gebrauchen die
Männer wenig zum Schmucke, außer bey eini-
gen Lustbarkeiten. Mitten um den Leib haben
sie einen Gürtel, worinn ihr Messer steckt.
Durch diesen wird auch der Lappen, womit sie
ihre Schaam bedecken, vorn und hinten durch-
gesteckt, und zwar so, daß er eine gute halbe
Ele über das Gesäß herunterhängt: der Kopf
wird mit einem Bändchen umbunden, an wel-
chem verschiedene Arten Federn festsitzen; doch
findet man dieß meist nur bey den jungen In-
dianern.

Es giebt auch eine Art Indianer Aque
wyen
genannt. Diese wohnen höher hinauf
in dem Lande, und im Gebirge, von wo aus sie
selten nach dem Fort, wohl aber nach einem ge-
wissen Platze, Namens Markaay, welches der
höchste Handelsplatz ist, kommen. Sie sind
viel eifersüchtiger, als die andern Indianer, und
bewachen daher auch ihre Frauen sorgfältiger.
Bey dem gedachten Handelsplatze fängt das Land
allmählig an höher zu werden, und der Fluß
[Seite 44] geht ungefähr noch fünf oder sechs Stunden wei-
ter hinauf. Hier findet man dann das Gebirg,
und den Ursprung des Flusses, mit sehr vielen
Steinklippen, auf denen man noch die Zeichen
der Spanier sieht, die die Küste zuerst entdeckt,
und den ganzen Fluß durchsucht haben.

Wenn die Indianer in den Krieg gehen wol-
len, bereiten sie mancherley Pfeile, worunter
einige so vergiftet sind, daß wenige, die damit
verwundet werden, beym Leben bleiben.(*)
Auch haben sie welche mit eisernen und knöcher-
nen Spitzen, mit Widerhaken(**) u.s.f. die sie
mit ihren Messern aufs bequemste zurechte zu
machen wissen. Sie schießen alle ihre Pfeile in
die Höhe, und wissen so gut zu zielen, daß sie
immer dem in den Leib fallen, dem sie bestimmt
sind.

[Seite 45]

Die indianischen Frauen sind gleichfalls von
mittelmäßiger Gestalt; zwar nicht schön, aber
in hohem Grade Liebhaberinnen des Putzes.
Ihr vornehmster Schmuck besteht in Oreweb-
be,
einer gewissen Art Knochen, die platt ge-
schliffen werden, und ungefähr von der Dicke
eines Reichsthalers, und der Größe eines Stü-
bers sind. Ich habe Frauen oder Mägdchen ge-
sehen, die, nach meinem Bedünken, fünfzehen bis
achtzehen Pfund dieser Knochen um den Hals
hatten. Auch tragen sie in den Ohren kurze
Büschelchen davon, an deren Ende Kupfer-
plättchen hängen; doch diese sind nicht den drit-
ten Theil so groß, und bald dicker, bald dünner.
Auf beyden Seiten unter den Armen haben sie,
gleichsam ein Bandelier, von verschiedenen Ar-
ten von Corallen hängen. Unter diesen werden
die grünen und gelben für die besten gehalten.
Für ein Büschelchen von zwölf bis sechszehen
Strängen kann man von dem hübschesten Mägd-
chen alles erhalten, was sie nur zu gewähren
vermag. – Diesen Corallenschmuck haben sie
auch an drey Stellen um den Arm gewunden,
nähmlich an der Hand, über dem Elbogen und
[Seite 46] an den Schultern; und mit einer Schürze, die
auf eine sehr künstliche Weise aus eben diesen
Corallen gemacht ist, bedecken sie ihre Schaam-
theile. Unter dem Knie steht man denselben
Schmuck, so wie auch über dem Knöchel, wo
er einem ungefähr drey Finger breiten Strumpfe
gleicht. Dieser Putz kommt nicht von ihrem
Leibe, bis er ganz abgetragen ist. Wenn der
Tod jemand von ihren Blutsverwandten weg-
nimmt, legen sie ihre Kleinodien ab, und gehen
einige Zeit ganz nackt, um so, nach ihrer Weise,
den Abgestorbenen zu betrauern. Auch die al-
ten Weiber schmücken sich nicht, und bekümmern
sich selbst nicht mehr darum, ihre Schaam zu
bedecken; sondern gehen ganz und gar nackt mit
langen hängenden Brüsten, die ihnen vor dem
Leibe herschländern. Uebrigens darf niemand
glauben, daß bey der Trauerzeit lüsterne Augen
großen Genuß zu hoffen haben. Die jungen
Frauensleute sind so gewöhnt, die Beine geschlos-
sen zu halten, daß, was sie auch immer für eine
Lage annehmen, man nichts von der Welt sehen
kann; ja sogar auch, wenn sie ihre monatliche
Unpäßlichkeit haben, ist nicht das geringste Zei-
[Seite 47] chen davon zu bemerken(*): und wenn sie, ih-
rer Gewohnheit nach, sich auf den Boden setzen,
wissen sie das eine Bein auf eine so geschickte Ma-
nier unter den Leib zu legen, daß auch, wenn sie
sich vorwärts bücken, das Auge nicht geärgert
werden kann.(**) Alle Morgen gehen sie ins
Wasser, und nehmen auch selbst die säugenden
Kinder mit, um sie von Jugend auf daran zu
gewöhnen; denn jedermann unter ihnen kann
schwimmen. Sie bemalen sich häufig das Ge-
sicht mit rother Farbe, und ziehen eben so, wie
die Männer, die Augenbraunen rein aus, an de-
ren Stelle sie einen Strich brauner mit Gummi
[Seite 48] angemengter Farbe machen. Einige lassen sich
einen Theil des Leibes, bald den Oberleib, bald
den Unterleib u.s.f. mit Wasser bemalen, das
so schwarz wie Dinte trocknet, und so beständig
ist, daß wenn jemand sich auch täglich wüsche,
es doch in drey Wochen nicht abgehen würde.

So viel von der äußerlichen Gestalt und dem
gewöhnlichen Putze dieses Volkes. – Was ihre
Arbeiten und Haushaltungsgeschäfte betrift, so
müssen die indianische Frauen Brod machen, den
Garten in Ordnung halten, Brod zu dem Ge-
tränke käuen, und Carsy(*) raspeln, wozu sie
eine Raspel von Stein gebrauchen. Wenn der
Mann etwas gejagt oder geschossen hat, so kommt
es ihm zu, solches zuzubereiten und aufzutischen.
Ist es ein Hase, Caninchen, Schwein, Hirsch
u.s.w. so wird das Haar abgebrannt, das Ein-
geweide gewaschen, und das Fleisch auf ein
Berbecot gelegt. Dieses ist ein indianischer
Rost, von hölzernen Stöckchen, ungefähr zwey
Fuß hoch. Auf diesen legen sie ihre Speisen,
Fleisch und Fische, ohne es zu salzen; und wenn
[Seite 49] es halb gebraten ist, so bröseln sie es in den
Pfeffertopf, um es entweder sogleich zu essen,
oder auf eine andere Gelegenheit aufzuheben;
denn der Pfeffertopf ist ihre einzige Zuflucht.
Sie wissen von keinen Schmausereyen oder fei-
nen Leckerbissen. Das Beste, was ich jemals
bey ihnen gefunden habe, war ein Stück von
einem Hasen; übrigens essen sie auch Krabben,
Meerkatzen, Ytonries, Ameisenbären, ja selbst
Crocodile. Vögel findet man bey ihnen gar
nicht, und Fische selten.

Obgleich die Indianer weder Staatsverfas-
sung noch Gesetze haben, so sind doch unter ih-
nen so gut als unter den civilisirten Völkern
ordentliche Eheverbindungen. Wenn die jun-
gen Leute sich zusammen verstehen, und beyder-
seitige Aeltern mit der Heirath zufrieden sind, so
kommen die Verwandten zusammen. Einer
von ihnen nimmt alsdann das Wort, und em-
pfiehlt dem Bräutigam, nicht nach einer andern
zu laufen, für sein Weib zu sorgen, fleißig zu
seyn in Anpflanzung der Brodgewächse, täglich
für seine Küche zu fischen und zu schießen, Krab-
[Seite 50] ben fangen zu helfen u.s.f.: eben so auch der
Braut, mit keinem andern zu thun zu haben,
ihrem Manne die schuldige Treue und Achtung
zu b weisen, ihm jedesmal, wenn er nach Hause
kömmt, Speise und Trank vorzusetzen, nicht
mehr mit den Kindern zu spielen u.s.w. Die
letzte Ermahnung ist auch in der That sehr nö-
thig; denn die Mägdchen werden in einem Alter
von eilf bis zwölf Jahren verheirathet, in wel-
chen Jahren sich selten ein gesetztes Wesen findet,
die wohl eigentlich zur ehelichen Verbindung er-
fodert wird. Was die Männer anbetrift, so
würden sie allerdings, wenn sie die empfohlene
Thätigkeit beobachteten, Essen und Trinken im
Ueberfluß haben; denn das Land ist voll Wild,
Vögel und Fischen; aber ihre angebohrne Träg-
heit macht, daß sie sich ganze Tage mit ihrem
Pfeffertopf behelfen, wobey sie Payewar oder
Beltiery trinken, ein Getränke, von dem wir
weiter unten sprechen werden.(*)

Auch ihre Vergnügungen und Lustbarkeiten
verdienen angemerkt zu werden. Wir hatten
[Seite 51] einmal, um uns eine Unterhaltung zu machen,
eine Einladung abgeschickt. Diese besteht in
einem kleinen Stricke, in welchem so viele Kno-
ten geknüpft sind, als bis zu dem Anfange der
bestimmten Lustbarkeit Tage verstreichen sollen.(*)
Die Indianer, die einen solchen Strick empfan-
gen, schneiden alle Morgen einen Knoten ab,
und wenn der letzte abgeschnitten ist, begeben sie
sich auf den Weg. Damals kamen ungefähr
vierzig bis funfzig Junge und Alte, Mannsper-
sonen und Frauenspersonen. Das Getränke
so zu diesem Feste zubereitet wurde, wird
Graaf(**) genannt, und besteht aus Syrup
und Wasser. In Zeit von drey Tagen hat es
stark genug gegohren, um betrunken zu machen.
Auf ein gegebenes Zeichen fiengen die Indianer
plötzlich an zu tanzen, zu singen und zu spielen,
wozu sie eine gewisse Art von Queerflöten ge-
brauchten, die einen sonderbaren Laut von sich
gab. Sie tanzen, ohne sich einander fest zu hal-
ten, in einem Kreise, um ein großes Feuer her-
[Seite 52] um, welches in der Mitte angezündet ist. Auch
sind sie bey einer solchen Gelegenheit insgesamt
bemalt, jeder so, wie er glaubt, daß es am schön-
sten sey; doch wählen sie meistens schwarzen
Gummi, und bestreichen dann die Augenbraunen
mit brauner, und die Wangen mit rother Farbe.
Und in der That, diese Verschiedenheit der Far-
ben gewährt dem Auge keinen unangenehmen
Anblick. Das Haar wird auf eine künstliche
Art mit Corallensträngen geflochten, und an
diesen hängen Bilderchen und Plättchen, die ih-
nen über den nackten Rücken herschläudern.
Der Tanz dauerte bis an den Tag, wo jeder
seine Hangmatte aufhieng, und einige Stunden
schlief. Inzwischen fand ich hier das Sprich-
wort bestätigt, daß eine betrunkene Frau eine
offene Thür ist; denn kaum waren die Köpfe
durch den Trunk benebelt, und der Abend ange-
brochen, als man in jedem Schlupfwinkel ein
Pärchen fand, die sich dann in aller Stille wie-
der an den Tanz anschlossen, gleich als wenn gar
nichts vorgegangen wäre.

Sonnabends habe ich auch die Schwarzen
oftmals tanzen sehen. Diese spielen auf einem
[Seite 53] hohlen Stücke Holz, das oben und unten ein
Loch hat, worauf ein Stück Leder genagelt ist.
Bey dem Laute dieses Instrumentes machen sie
so seltsame Figuren, daß man sich unmöglich des
Lachens enthalten kann; und wer seinen Körper
in die sonderbarsten Stellungen zu drehen weis,
ist der beste Tänzer.

V. Kapitel.

Der Verfasser bekommt einen Auftrag, nach Ysekepe
zu gehen. – Sitte, die aufbehaltenen Gebeine
der verstorbenen Hauptleute zu verbrennen. –
Feigherzigkeit eines indianischen Hauptmanns. –
Beschreibung des Dorfes Alten Amen, und
der indianischen Kriegshäuser. – Ankunft des
Verfassers bey einem Hause der westindischen
Kompagnie von Seeland. – Rückreise nach
Berbice. – Beschreibung eines indianischen
Dorfes. – Zurückkunft nach dem Fort.

Indeß man nun mit Ungeduld erwartete, was
der Pflanzer aus dem Gouvernement von Canje,
von dem wir am Ende des dritten Kapitels ge-
sprochen haben, in dem Flusse Bourum aus-
richten würde, kommt ein Indianer mit einem
Briefe von Ysekepe, worinn man uns meldete,
daß der Pflanzer mit dem Boote und der Ladung
[Seite 54] in Arrest genommen sey. Hier war guter Rath
theuer. Man versammelte die Herren Pflanzer,
um sich zu berathschlagen, was in diesem ver-
wirrten Zustande der Sachen zu thun sey. Nach
langem Ueberlegen wurde es für das Beste be-
funden, mich als Gesandten hinzuschicken. Ich
hatte wenig Lust dazu; allein, da ich sah, daß
ich die Last nicht wohl würde von mir abwälzen
können, so setzte ich eine Vollmacht auf, die
durch das Oberhaupt und alle Räthe unterzeich-
net, und mit dem Siegel der Kolonie von Ber-
bice besiegelt wurde. Ich hatte nur zwey Tage
Zeit, mich zu der Reise anzuschicken. Als diese
verstrichen, und alles in gehörige Ordnung ge-
bracht war, begab ich mich ungefähr um Mittag
auf den Weg, konnte aber diesen Tag nicht wei-
ter kommen, als nach der Pflanzstadt, den Berg,
die von Mr. de Feer bewohnt wird, und, wenn
man mit der Fluth fährt, etwa zwey Stunden
über dem Fort liegt. Hier wurde ich wohl auf-
genommen, und brachte die Zeit, die ich daselbst
war, sehr vergnügt zu. Ich hatte sechs India-
ner bey mir, die mein Gepäck trugen. Diese
ersuchten mich, weil ich doch diese Nacht da blei-
[Seite 55] ben müßte, unterdessen nach einem gewissen Dor-
fe, Abary genannt, gehen zu dürfen. Ich
fragte meinen Dollmetscher um die Ursache dieses
Verlangens, und erhielt die Antwort, daß an
diesem Orte vor drey oder vier Wochen ein Haupt-
mann gestorben wäre, von welchem man, seiner
Tapferkeit wegen, der Gewohnheit gemäß, etli-
che Knochen aufbehalten hätte, die nun verbrannt
werden sollten. Es sind dieß Knochen aus ei-
nigen abgeschnittenen Gliedmaßen, den Fingern,
Zehen u.s.f. welche, nachdem das Fleisch rein
abgeschabt ist, unter das Dach des Hauses ge-
hängt und getrocknet werden. Dieß ist das ein-
zige, was sie so lange aufheben; alles andere,
was der Verstorbene nachläßt, als Beil, Hack-
messer, Messer, Hacke u.s.w. wird zugleich mit
ihm ins Grab geworfen, weil sie sich einbilden,
daß er es auf seiner Reise gebrauchen werde.
So wie man nun jene Knochen verbrennen will,
werden Männer und Weiber eingeladen, dieser
Ceremonie beyzuwohnen; und dabey wird dann
in großem Ueberflusse ein Getränk gereicht, von
den Indianern Bassia, von uns Pernou(*)
[Seite 56] genannt. Nachdem mir mein Dolmetscher die
Sache mit allen Umständen erzählt hatte, trieb
mich meine Neugierde an, gleichfalls hinzuge-
hen, und als Augenzeuge das anzusehen, was
ich meinem Erzähler kaum glauben konnte. –
Meine Indianer schlossen sogleich an den Zug an,
der ungefähr aus vierzig Personen bestand, und
von einer andern Reihe, die wenigstens eben so
stark war, umgeben wurde. Jeder hatte etwas
in der Hand, das wie eine lange Peitsche aus-
sah, womit sie sich einer nach dem andern einen
heftigen Schlag um die Beine geben. Derje-
nige, der geschlagen werden soll, steht in der
Mitte der Reihe, und wenn er den Schlag aus-
gehalten hat, so tritt er in die Stelle dessen, der
ihn ihm gegeben hat. Dieß geschieht unter ei-
nem abscheulichen Rufen und Schreyen, womit
sie sich herauszufodern scheinen. Der eine sagt
nähmlich: Bockja watilly (Ich bin ein Kerl),
und der andere: Dackje wathia (Ich bin auch
ein Kerl); und wer dieß Hauen nicht bis an den
andern Morgen aushalten kann, wird als ein
Feigherziger ausgeschrieen, und darf nicht in
eine einzige Gesellschaft kommen. Wer einen
[Seite 57] Augenblick Zeit hat, geht unterdessen hin, und
trinkt; denn es ist ein solcher Ueberfluß von Ge-
tränk da, daß er nie ausgebraucht werden kann.
Während diesem Schauspiele des Muthes haben
auch die Weiber das ihrige zu thun; sie machen
nähmlich ein heftiges Geschrey und Wehklagen,
und rufen unter beständigem Schluchzen und
Seufzen, wer nun für die Wittwe, ihre Schwe-
ster (denn sie nennen alle, selbst die Christen,
ihre Brüder und Schwestern) Brod pflanzen,
auf Jagd und Fischfang ausgehen, Krabben fan-
gen soll, u.s.f. Unterdessen liegen die Knochen
des Verstorbenen in dem Feuer, um zur Asche
verzehrt zu werden; und hieraus haben die Wei-
ber gleichfalls Acht zu geben, während die Män-
ner außerhalb dem Hause bey dem Flimmern ei-
niger Feuer, die ihnen statt der Fackeln dienen,
einander so herrlich mit Ruthenhieben begrüßen.
Man sieht hieraus, wie sehr die Tapferkeit un-
ter dieser Nation verehrt wird. Inzwischen be-
zeigen sie sich doch gegen ihre Feinde, wenigstens
gegen die Christen, äußerst feig, wovon ich hier
nur ein Beyspiel beybringen will.

[Seite 58]

In demselben Dorfe Abary wohnte ein in-
dianischer Hauptmann, von den Christen ge-
wöhnlich Kakkebaretje genannt. Im Jahre
165 ereignete es sich, daß während unseres
Krieges mit England einige Seeräuber ohne
Schwertschlag den Fluß Ysekepe einnahmen.
Dieses gute Glück reizte sie auch zu einem Ver-
suche auf Rio de Berbice, wo sie dieselbe Feig-
herzigkeit anzutreffen dachten. Die Nachricht
davon kam aber ziemlich bald an das Fort, und
man rüstete sich daher sogleich zur Gegenwehr.
Indessen waren einige Indianer daselbst ange-
kommen, um ihre Waaren zu verhandeln. Die
Engländer zeigten sich auf dem Flusse mit einer
Barke von acht bis zehn Kanonen, und schossen
durch das Dach des Forts hin. Dieses Don-
nern nun konnten die Indianer nicht in ihren
Ohren ertragen; sie wußten nicht, wo sie sich
vor Angst verbergen sollten, und krochen in das
Gebüsch, oder sonst wohin, wo sie sich sicher
glaubten. Die Christen, die von ihrer Seite
auch tapfer feuerten, suchten sie zurückzuhalten;
allein es war vergebens. Zum Unglück befand
sich auch der Hauptmann Kakkebaretje da, der,
[Seite 59] um gleichsam noch einigen Muth zu zeigen, bey
den Christen in dem Fort blieb. Doch in seinem
Herzen sah es ganz anders aus, und bald hatte
sich die Furcht seiner so bemeistert, daß er nicht
mehr wußte, wo er sich verstecken sollte; in die-
ser Angst kroch er in einen leeren Zuckerkessel,
den er nicht wenig verunreinigte. Der Angriff
hatte ungefähr eine halbe Stunde gedauert, als
die Engländer wichen. Nun fiel es einigen von
uns ein, den Hauptmann Kakkebaretje aufzusu-
chen, und endlich fanden sie ihn, noch zitternd
an allen Gliedern, in jener Positur in dem Zu-
ckerkessel sitzen. Ueber diesen Vorfall entstand
ein großes Gelächter, und es war keiner, der
nicht diesen tapfern Kriegshelden besichtigte. So
feige er sich indeß betragen hatte, so war er kaum
zu seinen Leuten gekommen, als er ihnen mit
großem Pochen und Prahlen erzählte, wie mu-
thig er mit den Christen gegen die Engländer ge-
fochten habe, und daß man es größtentheils ihm
zu verdanken habe, daß das Fort nicht von den
Feinden wäre eingenommen worden; zugleich
verwieß er ihnen sehr, daß sie so weibisch davon
gelaufen wären, und nicht Muth genug gehabt
[Seite 60] hätten, das Donnern der Kanonen anzuhören;
u.s.w.

Doch ich kehre wieder zu dem Trauerhaus
zurück. Nachdem ich das Schlagen mit den
Ruthen und andern Possen, die dort vorgiengen,
eine Zeitlang angesehen hatte, kehrte ich des
Nachts ungefähr um halb zwölf Uhr wieder
nach der Pflanzstadt zurück, ohne daß ich meine
tapferen Indianer mitkriegen konnte, die der Ce-
remonie bis zu Ende beywohnen wollten. Mit
Gewalt kann man diese Leute nicht zwingen.
Sie werden zwar von den Christen angenommen,
um mit ihnen zu reisen, ihr Gepäck fortzubrin-
gen, und bey Tag und Nacht sie zu führen; aber
dafür werden sie bey der Rückkunft bezahlt, und
sie dürfen keineswegs als Sclaven behandelt
werden. Des Morgens gegen acht Uhr kamen
meine Indianer wieder zurück, so zerschlagen,
daß man zwischen den Knieen und Knöcheln kei-
nen Finger legen konnte, wo sich nicht blutige
Striemen zeigten. Es wäre noch Zeit genug
gewesen, um uns auf die Reise zu begeben, allein
da die Indianer betrunken waren, und nicht ge-
schlafen hatten, so mußte ich diesen Tag liegen
[Seite 61] bleiben. Bey Tische fragte mich die Jungfer
von der Pflanzstädte, ob ich wohl etwas Pro-
viant mit mir genommen hätte, indem ich unter
den Indianern nicht viel finden würde. Ich
sagte, daß ich mich einigermaßen versorgt hätte,
und, wenn es sehr schlimm gienge, einen oder
drey Tage mich behelfen könne. Sie ließ mir
dann ein Dutzend Truthühnereyer hart sieden,
und legte ein Stück Fleisch und eine Keule von
einem Huhne dabey. Ich stellte mir vor, daß
die indianischen Dörfer eben so wären, wie unsre
holländischen, und daß man alle zwey oder drey
Stunden eines antreffen würde; allein diese
Meynung betrog mich sehr. Den folgenden
Tag begaben wir uns auf den Weg; aber kaum
hatten wir die Pflanzstadt aus dem Gesichte ver-
loren, so befanden wir uns an einem Moraste,
der wenigstens dreyßig Ruthen breit, und ziem-
lich tief war. Das Gepäcke wurde voraus ge-
schickt, und nachher wurde ich von den India-
nern hinübergetragen. Gegen Mittag kamen
wir an einen Wald, und nachdem wir eine gute
Strecke darinn zurückgelegt hatten, wurde abge-
packt, und eine Stelle gewählt, um etwas aus-
[Seite 62] zuruhen und zu speisen. Ich schloß den Korb
auf, und machte mich mit gutem Appetit
an die Eyer, indeß die Indianer sich mit
schlechterer Kost behalfen. Nach Verlauf einer
guten Stunde zogen wir wieder fort, und kamen
gegen vier Uhr an ein Dorf, Alten Amen ge-
nannt. Ich sah mich sogleich nach einem Abend-
essen um, weil ich meinen Mundvorrath sparen
wollte; allein ich konnte nichts finden, das mir
behagte. Hier sah ich nun, wie sorgfältig die
Jungfer von der Pflanzstadt gewesen war; und
was sie mir für einen großen Dienst durch den
Korb erwiesen hatte, der nun gegen Abend, da
ich guten Hunger hatte, wieder tüchtig herhalten
mußte. Nach dem Essen begab ich mich in mei-
ne Hangmatte, allein, das Geheul der Kinder,
und die Prahlerey der Indianer, von denen je-
der sich rühmte, im Aushalten der Ruthenhiebe
zu Abary, alle andere an Tapferkeit übertroffen
zu haben, ließ mich lange nicht einschlafen; je-
doch wußte ich mich des Morgens meines Scha-
dens zu erholen. Als ich aufgestanden war,
kam die Frau vom Hause mit einem Wyda(*)
[Seite 63] dicken Payewar, einem Körbchen mit Brod,
und dem Pfeffertopfe, um uns ein Frühstück zu
reichen. Dafür, so wie auch für das Nachtla-
ger, machte ich ihr, als wir wieder wegzogen,
ein Geschenk mit einem Büschelchen Corallen
von vierzehn bis sechszehn Strängen, welches
sie mit großer Freude und Dankbarkeit annahm.
Ich würde ihr wohl auch sonst etwas gegeben
haben; aber da sie nichts hatte, was mir be-
hagte, schloß ich meinen Pagaal,(*) und
wünschte ihr wohl zu leben.

Dieses Dorf Alten Amen liegt an einem
anmuthigen Orte, in einem Gebüsche, und hat
sechszehn oder achtzehn Häuser, welche so gebauet
sind, daß man durch Alleen von einem zu dem
andern gehen kann. Einige davon werden durch
vier ja fünf und sechs Familien bewohnt. Das
Haus, in welchem wir des Nachts geschlafen
hatten, war eines von denjenigen, worinn sich
die Indianer bey feindlichen Ueberfällen verthei-
digen; wie denn zu meiner Zeit auf verschiede-
nen Dörfern dergleichen Feindseligkeiten vorfie-
[Seite 64] len. Es hatte die Länge von 120 bis 130 Fuß,
und die Breite von 30 bis 40, und war rings-
um mit Pallisaden besetzt, die so dick sind, als
eine gewöhnliche Sparre, und in bestimmter
Entfernung Oeffnungen haben, um dadurch zu
schießen. Hiezu gebrauchen sie Pfeil und Bo-
gen; alle andere Vertheidigungsarten sind ih-
nen unbekannt. Ich sah auch nicht das gering-
ste in dem Hause, als einige Bogen und Pfeile.
Diese Häuser, die von den sämmtlichen Einwoh-
nern der Dörfer unterhalten werden, sind mit
ungemein großen Blättern bedeckt, die unten fest
geheftet, parteienweise in einander gerollt, dann
hinaufgeführt, und mit Bändern, die man statt
der Stricke gebraucht, auf eine solche Art befe-
stigt werden, daß man bey Feuersgefahr das
ganze Dach in der Geschwindigkeit losschneiden
kann. – Die Indianer eines und ebendesselben
Dorfes leben übrigens sehr friedsam miteinan-
der. Es kann auch nicht leicht Uneinigkeit ent-
stehen; denn jeder jagt, fischt und schießt, was
ihm gefällt. Kein Land oder Wald ist verbo-
ten, kein Wasser verpachtet u.s.w. Inzwischen
können Reisende doch nichts bekommen; denn
[Seite 65] der Indianer sorgt meistens nur für das gegen-
wärtige Bedürfniß, ohne sich viel um die Zu-
kunft zu bekümmern.

So wie wir das Frühstück zu uns genommen
hatten, machten wir uns wieder auf den Weg,
und marschirten durch Wald und Feld und Busch.
Gegen 1 Uhr Nachmittags kamen wir an ein
Dorf, das aus einem einzigen Hause bestand,
in welchem kein Mensch zu sehen war. Die In-
dianer nennen es indeß doch ein Dorf, weil es
vormals von einigen Leuten bewohnt war. Sie
gehen auch hin, um Brod zu pflücken, und her-
bergen dann in diesem Hause. Wir blieben eine
gute Stunde daselbst, um zu essen, und uns
auszuruhen; und kamen gegen Abend, nachdem
wir einen Weg von vier Stunden zurückgelegt
hatten, wieder an ein Dorf, dessen Namen ich
vergessen habe. Hier nahmen wir unser Quar-
tier bey einem Hauptmanne, Namens Tome-
nak;
denn die Indianer haben so viel Hochach-
tung für die Christen, daß sie ihnen sogleich einen
Theil ihres Hauses einräumen. Die Müdigkeit
benahm mir die Lust zum Essen; die Indianer
[Seite 66] hingegen, ungeachtet sie so schwer beladen, und
an den Beinen so jämmerlich zerhauen waren,
schienen nichts davon zu wissen. Ich gab so-
gleich Befehl, das gewöhnliche Feuer neben der
Hangmatte anzumachen, und legte mich zur
Ruhe. Doch, da ich den Abend nichts geges-
sen hatte, weckte mich der Hunger um Mitter-
nacht wieder auf. Ich setzte mich zum Feuer,
verzehrte alles, was ich noch von Speise und
Trank übrig hatte, und begab mich dann wieder
nach meiner Schlafstelle. Des Morgens wur-
de uns durch die Frau wieder das Frühstück ge-
bracht, das in dem gewöhnlichen indianischen
Tractament bestand, nähmlich einer Wyda mit
Payewar, so dick von gekäuetem Brod als
Brey, einem Körbchen mit Brod, und dem
Pfeffertopfe, um das Brod darinn anzufeuch-
ten. Nun waren wir noch ungefähr drey gute
Stunden von dem Flusse Camerary, der der
westindischen Kompagnie von Seeland gehört.
Hier hatten wir fünfzehn bis sechszehn Mann
liegen, um die Farbe, die Oriane genannt wird,
von den Indianern einzuhandeln. Wir bega-
ben uns dann wieder auf den Weg, der uns be-
[Seite 67] ständig durch hohes und niedriges Gebüsch bis
an das Wasser führte, wo wir ein großes Horn
fanden. Auf den Laut desselben, der von un-
sern Leuten gehört werden konnte, wurden wir
mit einem Fahrzeuge abgeholt. Das Haus,
woraus diese Leute wohnten, war aus einem ge-
wissen Holze, Mannekole(*) genannt, das
sehr fasericht ist, und sich gut spalten läßt, er-
bauet. Dieses Holz wird, weil es sehr bequem
zu verarbeiten ist, von den Christen am meisten
gebraucht. Der Vorrathskorb war nun ledig,
und hier fand ich keinen Bissen zu essen. Wir
sahen daher einander traurig an, und mußten
uns, einer wie der andere, hungrig niederlegen,
bis den andern Tag der Befehlshaber des Hau-
fens nach den Indianern gieng, und etwas
Speise und Trank bestellte, die sie ihm, da er
bereits fünfzehn bis sechszehn Jahre unter ihnen
gewohnt hatte, nicht versagen konnte. Hier
hatte er noch das Glück, einen Hasen(**) zu
bekommen, die an delicatem Geschmack das
[Seite 68] beste holländische Kalbfleisch übertreffen. In-
zwischen wurden auch Fische gebracht, die einige
gefangen hatten, und die Indianer kamen mit
Brod, und einem Commodyen oder großen
Topf mit Getränk, Pernou genannt, an.
Bald darauf machten wir uns mit begierigen
Zähnen über das Essen her, und brachten den
ganzen Tag, mit aller Lustbarkeit, die uns der
Pernon gegeben hatte, zu. Den folgenden Tag
wollte ich meine Reise weiter nach Ysekepe fort-
setzen; gegen Abend aber kam ein Bote, der
über Land nach Berbice abgefertigt war, um die
Nachricht zu bringen, daß der Pflanzer von
Canje mit der Barke seines Arrestes entlassen
wäre, die Ladung aber noch unter dem Komman-
danten von Ysekepe läge. Ich gab daher mei-
nen Indianern Befehl, daß sie sich des andern
Tages bereit halten sollten, mich wieder nach
Berbice zu begleiten. Diesen Tag hatten wir
uns, weil Jagen und Fischen sehr wenig aufge-
bracht hatte, äußerst knapp behelfen müssen.
Des andern Tages, als wir abreisen wollten,
und die Dienstfertigkeit der Indianer uns mit
einigen Lebensmitteln versorgt hatte, brachte mir
[Seite 69] eine indianische Frau noch ein Fischchen, das
eben so wie ein Bley aussah, ungefähr vier Zoll
lang, und nach Landes Brauch gebraten war, mit
einem Stückchen Brod dazu. Ich hätte sie aus
Dankbarkeit wohl küssen mögen, und nie hat
mir ein ganzer Kabliau in meinem Vaterlande
so viel Vergnügen gemacht, als dieser kleine Fisch.
Gegen Mittag traten wir sämmtlich in den Co-
riaar.
Dieß sind kleine aus einem Baume ge-
machte Fahrzeuge, die gemeiniglich 16 bis 17
Fuß lang und 3 Fuß breit sind. Man sieht
auch wohl größere; doch selten. Dieses Boot
brachte uns bis an das Dorf, wo der Haupt-
mann Tomenak wohnte, in dessen Hause wir
wieder einkehrten. Ich hatte guten Appetit,
und suchte alles durch; fand aber nichts, als ei-
nige Hühner. Einem von diesen, das ich mit
einem Messer bezahlte, schnitt ich sogleich den
Hals ab, rupfte und kochte es, und verzehrte es
mit etwas Pfeffer.

Dieses Dorf ist nicht minder reizend, als
Alten Amen. Man kann kaum glauben, daß
alles so durch die Natur angelegt ist. So wie
[Seite 70] man von einem Hause nach dem andern geht,
hat man die schönsten Aussichten, so perspecti-
visch, als nur immer die Kunst der Menschen sie
ordnen könnte. Die Häuser stehen auf einem
sandichten Grunde, und dicht dabey sind Gebü-
sche, die durchaus einen leimichten Boden ha-
ben. Ich zählte siebenzehn Häuser, große und
kleine. Auch war, eben so wie zu Alten Amen,
ein Kriegshaus da; es war aber verfallen, weil
in der Nähe umher Christen wohnen, auf deren
Fürsorge und Tapferkeit sich die Indianer ver-
lassen. Sie sind überhaupt von Natur ganz
und gar nicht sorgsam und thätig, und daher
kommt es auch, daß man sich so knapp behelfen
muß, da man sonst im Ueberflusse leben könnte;
denn das Land ist fruchtbar genug, und würde,
wenn man die gehörige Mühe anwenden wollte,
alle Bedürfnisse reichlich hervorbringen. Aber
ein Indianer pflanzt um sein Haus nichts als
einen Baumwollenbaum, auf dem Oriane wächst,
weil die Frauen immer etwas von dieser Farbe
in ihrem Pagal oder Körbchen haben müssen, um
ihre Wangen damit zu schminken. Um andere
Nothwendigkeiten, von denen sie größern Nutzen
[Seite 71] haben könnten, sind sie nicht gewohnt sich zu be-
kümmern.

Des Morgens, so bald nur der Tag anbrach,
waren wir bereits bey dem Frühstück, und eine
Stunde nachher setzten wir unsere Reise weiter
fort. Den ersten Rastplatz machten wir bey dem
leeren Hause, von dem ich vorher gesprochen
habe, wo wir uns ungefähr eine halbe Stunde
aufhielten. Des Nachmittags um drey Uhr be-
fanden wir uns in einem Walde, der von Ferne
eben so anmuthig aussah, als wir ihn in der
Nähe fanden. Hier ruheten wir wieder bey ei-
nem kleinen Bache etwas aus, und eine halbe
Stunde vor Abends kamen wir nach Alten A-
men.
Hier gelang es mir wieder ein Huhn zu
bekommen, das zwar nicht auf das beste zuge-
richtet war, aber mit desto größerm Appetite ver-
zehrt wurde. Gern hätte ich auch ein oder zwey
Stücke für meine Leute gehabt, und wohl dop-
pelt dafür bezahlt; aber die Indianer, und vor-
nehmlich die Weiber, thun mit ihren Hühnern
so rar, daß sie manchmal auch für den sechsfa-
chen Werth solche nicht hergeben wollen; und
[Seite 72] die Christen dürfen überhaupt keine allzugroße
Ansprüche auf ihre Gefälligkeit machen. Unter
sich selbst im Gegentheile haben sie alles im Ue-
berfluß; und bleibt ein fremder Indianer einen
oder zwey Monate in eines andern Hause liegen,
so wird solches gar nicht geachtet.

Den andern Morgen, nachdem wir unser
gewöhnliches Frühstück eingenommen, und mit
Corallenbüschelchen bezahlt hatten, gieng die
Reise wieder weiter, und zwar, weil wir, so zu
sagen, schon die Krippe witterten, mit solcher
Leichtigkeit, daß wir uns schon des Nachmittags
um zwey Uhr auf der Pflanzstadt den Berg
befanden. Hier thaten wir uns, um die Müh-
seligkeiten der Reise zu vergessen, wieder etwas
zu gute, und dann trat ich mit meinen India-
nern in ein Fahrzeug, und fuhr nach dem Fort,
wo ich gegen Abend ankam.

VI. Kapitel.

[Seite 73]

Der Verfasser bekommt Befehl, zum zweytenmale
nach Ysekepe zu gehen. – Macht sich zur Reise
fertig. – Neue Art, Fische zu braten. – An-
kunft bey dem Hause in Tamerary, und Abreise
von daselbst. – Gestalt der Wurzel- oder Auster-
bäume. – Ankunft in dem Fluß von Ysekepe,
und Beschreibung desselben. – Ankunft auf dem
Fort von Ysekepe, und vortrefliche Aufnahme
daselbst. – Beschreibung desselben. – Gaste-
rey aus einer Pflanzstadt. – Rückreise nach dem
Fort von Berbice.

Nachdem ich diese mühselige Reise zurückgelegt
hatte, wurde ich aus das freundschaftlichste von
dem Oberhaupte empfangen; dachte aber nichts
weniger, als sie noch einmal zu machen; und
doch war dieß nothwendig, weil man gar keinen
andern Weg sah, die Ladung wieder zu bekom-
men. Ich bekam daher Befehl, Briefe an die
Herren Räthe abzufertigen, und sie zu ersuchen,
sich des andern Tages auf dem Fort einzufinden,
um zu überlegen, durch welche Mittel die Sache
in das rechte Geleis zu bringen wäre. So wie
sie nun zur bestimmten Zeit gegenwärtig waren,
wurde dieß Geschäft vorgenommen. Der Kom-
mandant von Canje, der durch seine Unvorsich-
[Seite 74] tigkeit den Karren in den Sumpf geschoben hatte,
war auch zugegen; und da er noch mit einer
Halsstarrigkeit die Sache zu vertheidigen suchte,
wurde ihm von den Herren Räthen zu Gemüthe
geführt, daß sie lange Jahre vor ihm im Lande
gewesen wären; daß es seine Schuldigkeit gewe-
sen wäre, auch ihnen umständliche Nachricht zu
geben; und daß sie aus ganz guten Gründen sich
nicht würden dazu verstanden haben. Indessen
wurde doch, in der Hoffnung, durch einen ge-
schickten Mann die Sache wieder gut zu machen,
der Streit beygelegt; und da ich schon einmal
da gewesen war, so wurde ich einmüthig ernannt,
mich auch das zweytemal hin zu begeben. Ich
hatte nicht viel dagegen einzuwenden, außer daß
ich besser verproviantirt werden müßte, weil un-
terwegs bey den Indianern nichts zu finden wäre.
Man sagte mir darauf, daß ich mich mit allem,
was ich zu der Reise nöthig hätte, ohne Umstän-
de versorgen sollte. Aber wahrhaftig, wer in
unserm Vaterlande sich so zu einer Reise anschi-
cken sollte, würde sehr unzufrieden seyn; doch es
war nun einmal nicht anders. Ich hatte nur
zwey Tage Zeit, um alles in Ordnung zu bringen;
[Seite 75] war aber doch, da die Zurüstung nicht sehr weit-
läuftig war, bald genug fertig. Indessen hatte
mir unser Prediger, dem ich meine bevorstehende
Reise erzählte, zu verstehen gegeben, daß er wohl
wünschte, mit von der Partie zu seyn; daß er
aber, da es sich nicht recht für ihn schicke, sich
dazu anzubieten, keine Gelegenheit sähe, seine
Neugierde zu befriedigen. Ich war über diesen
Vorschlag sehr erfreut, und sagte ihm, daß ich
es wohl einrichten wollte, daß er gebeten würde;
und nach dieser Abrede verfügte ich mich wieder
nach dem Fort, und legte mich in meine Hang-
matte. Einen Augenblick nachher kommt das
Oberhaupt, und fragt mich, ob ich schliefe. Ich
antwortete, daß mir die Gedanken an meine vor-
zunehmende Reise dieses nicht erlaubten. Es
soll schon gut gehen, sagte der Kommandant;
machen Sie sich nur fertig; und schlägt ja alles
fehl: so sind nur ungefähr 600 Gulden verloh-
ren. Auch zweifle ich nicht, es ganz gut ver-
antworten zu können, da die Patronen selbst
Wissenschaft davon gehabt haben. Wollen uns
mit einem guten Trunk die Besorgnisse vom Herzen
spülen. Während wir zusammen tranken, sagte
[Seite 76] ich: mir fällt etwas ein, was sicherlich Euer
Edeln Beyfall hat. Der Prediger ist ein ge-
schickter kluger Mann; wenn er die Reise mit
wagen wollte, so dürfte man gewiß auf einen
guten Ausgang hoffen. – Es würde, meinte
er, schwer halten, daß er sich dazu verstünde. –
Ich sagte, ich wolle ihm den Puls fühlen, und
wenn ich mit ihm hinauf käme, so könne er sei-
ner Einwilligung versichert seyn. Nachdem die
Sache so eingeleitet war, kam ich mit dem Pre-
diger hinauf, und er wurde aufs freundschaft-
lichste von dem Kommandanten empfangen, und
machte sich alsdann fertig, den andern Tag, als
an einem Montage, mit mir die Reise anzutre-
ten. Unser Vorrath bestand in rohem geräu-
cherten Speck, hart gekochten Eyern, und einer
tüchtigen Flasche Brantewein. Unterdessen er-
suchten den Kommandanten noch drey Christen,
daß sie, um die Gesandtschaft ansehnlicher zu
machen, mitreisen dürften. Dieses wurde ihnen
auch mit meiner Bewilligung zugestanden; doch
unter der Bedingung, daß sie selbst für India-
ner sorgen müßten, die ihr Gepäcke trügen. Mit
der Fluth wurde unsere Bagage nebst zehen In-
[Seite 77] dianern eingeschifft, und wir selbst wurden dar-
auf, nachdem wir von dem Oberhaupt Abschied
genommen hatten, nach der Pflanzstadt den
Berg geführt. Hier vertheilten die Indianer
die Güter, die sie tragen sollten, unter einander.
Weil mir indessen beyfiel, daß wir bey unsern
Leuten auf dem Hause zu Tamerary nicht viel zu
essen finden würden, hielt ich es für rathsam,
zwey Indianer voraus zu schicken, durch welche
ich meine Ankunft wissen, und zugleich bestellen
ließ, daß sie gegen den Donnerstag ein Canot
mit einem Zelte, unter welchem zwey bis drey
Personen sitzen könnten, bereit halten, und mir
zwölf bis vierzehn Schiffer anschaffen sollten.
Die Indianer machten sich sogleich mit Anbruch
des Tages aus den Weg, und einige Stunden
nach ihnen nahmen auch wir von unsern Freun-
den Abschied, und traten unsere Reise in Gesell-
schaft eines sechsten Mannes an, der ein Schwa-
ger des Predigers war, und auf der Pflanzstädte
den Berg wohnte.

Gegen Mittag hielten wir in dem Walde bey
einem schönen Sumpfe, von dem ich oben ge-
[Seite 78] sprochen habe, stille. Wir sahen wie eine kleine
Caravane aus, die durch die Wüste reiset. Ich
ließ jedem Christen zwey Eyer und einen tüchti-
gen Schluck Brantewein reichen. Die India-
ner hatten zwey Körbe mit Brod, wozu ich ih-
nen Salz geben ließ, und ihren Durst löschten
sie mit Wasser aus dem Sumpfe. Nachdem
wir uns wieder auf den Weg gemacht hatten,
ließen mich die Indianer ungefähr zwey Stunden
dießseits Alten Amen durch den Dollmetscher
um Erlaubniß bitten, etwas stille zu halten,
nicht, weil sie müde wären, sondern weil sie glaub-
ten, einige Fische fangen zu können. Ich fragte
den Dollmetscher, ob sie von Sinnen wären,
daß sie an einem Orte, wo man mit mehrerem
Rechte vierfüßige Thiere erwarten könnte, Fische
fangen wollten; denn es war eine kaum überseh-
bare flache Ebene, Und wenn sie auch Fische
bekämen, so konnte ich doch nicht begreifen, wo-
mit man Feuer machen wollte, da ich ganz und
gar keine Brennmaterialien sehen konnte. Mein
Dollmetscher sagte mir, daß ich deßwegen gar
keine Sorge tragen sollte; wenn wir erst Fische
hätten, wollten wir auch Feuer bekommen. Der
[Seite 79] Prediger und ich setzten uns in das Gras nieder,
und warteten mit Ungeduld, was die Indianer
ausrichten würden. Kaum war eine kleine
Stunde vergangen, so kamen diese mit einem
artigen Gericht einer gewissen Art Fische zurück,
die von ihnen Louwkiddy genannt werden,
und die eben so aussehen, wie unsere Quappen;(*)
hätten wir sie mit Sauce zubereiten können, so
würden sie auch, wie ich bey dem Essen fand,
denselben Geschmack gehabt haben. Es ist mir
daher wahrscheinlich, daß dieß vollkommen der-
selbe Fisch ist. Man hat auch eine Art Fische,
die unsern Barsen gleichen; allein ihr Geschmack
ist etwas verschieden, und sie sind so grätig, daß
sie kaum können gegessen werden. – Doch wir
kehren wieder zu unsern Indianern zurück. Als
die gedachten Fische, die in einem kleinen Wäs-
serchen gefangen wurden, und das wir nachher in
Augenschein nahmen, rein gemacht waren, schlug
ein Indianer an einer baumwollenen Lunte Feuer
an. Die andern holten unterdessen Gras, und
steckten es durchs Blasen in Brand. Dieses
warfen sie in das andere Gras, das sogleich
[Seite 80] schnell fortbrannte; und so brachten sie die Fische
zum Feuer, bis sie zum Essen weich waren. Der
Prediger und ich kosteten solche, und fanden sie
tauglich; doch waren sie uns, auf diese Art zu-
recht gemacht, nicht gut genug, um den Hunger
damit zu stillen, der dießmal eben nicht stark
war. Wir überließen sie daher den Indianern,
die sie mit außerordentlichem Appetite verzehrten.
Dann nahm jeder seine Tracht auf die Schul-
tern, und marschirte weiter fort, bis wir an das
Dorf Alten Amen kamen, wo wir zu übernach-
ten gedachten. Wir herbergten wieder in dem
Kriegshause, wo für hundert bis zweyhundert
Menschen Platz war. Hier wurde mir zuerst
gesagt, daß ich Zieken, von den Indianern
Mebyky(*) genannt, in den Füßen habe.
Ich glaubte dieß nicht, weil ich immer meine
Strümpfe anbehalten hatte, wodurch ich diesem
Schmerzen ganz sicher zu entgehen dachte. In-
zwischen fand ich nachher, daß dasjenige, was
ich, ohne meine Füße untersuchen zu lassen, für
Müdigkeit gehalten hatte, allerdings der schmerz-
liche Zufall wäre, wovor man mich gewarnet
[Seite 81] hatte, und von dem ich nachher ausführlicher
sprechen will. Des Morgens wurde uns der
Pfeffertopf, nebst einem Körbchen mit Brod,
und Payewar zum Trinken gebracht; und so wie
dieß mit einer Kleinigkeit von Corallen bezahlt
war, machten wir uns wieder auf den Weg.
Gegen eilf Uhr hielten wir in einem Walde bey
einem Teiche still, wo wir unsern Vorrath von
Eyern beynahe ganz aufzehrten. Mittlerweile
wurde der Speck, wovon wir noch nicht das min-
deste genossen hatten, vermißt; und einer von
unsern Leuten sagte uns, es wären des Nachts
zwey oder drey Hunde da gewesen, die er hätte
fressen sehen, ohne daß es ihm in den Sinn ge-
kommen wäre, daß dieß unser Speck sey. Hier
sahen wir einander betrübt an, weil der Verlust
gar nicht zu ersetzen war. Es kam uns sehr
hart an, noch einen so großen Weg blos mit
trocknem Brode und Salz machen zu müssen.
Doch es war geschehen, und konnte nicht geän-
dert werden; der Proviantbediente hätte besser
auf den Korb Acht haben sollen. Wir faßten
wieder Muth, und giengen fort bis an das ein-
zeln stehende Haus, wo wir nochmal Halt mach-
[Seite 82] ten; und gegen Abend kamen wir an das Dorf –
dem wir den Namen Nahbey gegeben hatten –
wo der Kapitain Tomenak wohnte. Hier hiel-
ten wir unsere Nachtruhe; und sobald wir das
Frühstück genossen und bezahlt hatten, giengen
wir wieder fort; ehe wir aber an eine Anfurth
kamen, schlug der Prediger vor, wir möchten den
übrigen Vorrath aufessen, um die Indianer zu
erleichtern; denn es wäre begreiflich, daß wir
sechse es besser im Leibe würden tragen können,
als sie auf den Schultern.

Es wurde also Halt gemacht, und der Rest
unseres Essens und Trinkens verzehrt; worauf
wir mit frischem Muthe wieder fortmarschirten,
und des Vormittags gegen eilf Uhr an die An-
furth, und darauf an das Haus in Tamerary
kamen. Hier fand ich alles, so wie ich es durch
meine vorausgeschickten Indianer bestellt hatte,
und befahl sogleich, das Gepäcke nebst einer
Quantität Wasser (mit Brod und Salz waren
wir noch hinlänglich versehen) nach dem Canot
zu bringen. Unterdessen warteten wir die Ebbe
ab, und ich schickte einen Indianer nach dem
Fort Berbice mit einem Briefe fort, in welchem
[Seite 83] ich das Unglück meldete, in das uns die Hunde,
in Ansehung unseres Speckes, versetzt hätten;
und den Kommandanten ersuchte, uns, in Rück-
sicht unseres dürftigen Zustandes, eine Flasche
Brantewein, und zwey bis drey Stücke Speck
nach Tomenak’s Hause zu schicken, damit wir
bey unserer Zurückkunft etwas zu leben hätten.
Nachdem dieß alles bestellt war, ließ ich durch
eine indianische Frau meine Füße waschen, um
zu sehen, ob ich mir etwa Dornen eingetreten
hätte. Sie fand sieben Stück Zieken oder Me-
byky darinn, wovon wir nachher noch sprechen
wollen.(*) Des Nachmittags um drey Uhr
traten wir unsere Reise wieder an, und fuhren
mit der Ebbe den Fluß hinab. Dieser Fluß
Tamerary ist sehr angenehm, ungefähr eben so
breit, als der Fluß Berbice, und hat an bey-
den Seiten hohe Bäume, aber wenige Savaa-
nen oder Weideplätze. Des Abends gegen acht
Uhr kamen wir an eine Anfurth, wo mir aus
Land traten, um, während die Fluth gieng, un-
sere Nachtruhe zu halten. Die Indianer hack-
ten sogleich Holz, und machten Feuer an, wie
[Seite 84] dort zu Lande gebräuchlich ist. Des Morgens
vor Tag giengen wir wieder fort, und befanden
uns gegen Abend unfern der See. Hier muß-
ten wir ungefähr eine halbe Stunde von der
Mündung des Flusses landen, um den andern
Tag mit der Ebbe längst der See hinzufahren.
Die größte Schwierigkeit war aber an das Land
zu kommen; denn man mußte über eine gewisse
Art Bäume, Tausendfuß(*) genannt, hinklim-
men. Diese Bäume wachsen an dem Rande des
Wassers, ungefähr fünf oder sechs Ruthen von
dem festen Lande; schießen anderthalb oder zwey
Klafter lange Aeste aus, und fassen dann wieder
im Boden Wurzel, so daß sie wie eine lange
Reihe von Bogen aussehen. Ueber diese muß
man nun mit vieler Gefahr hinklettern; denn da
sie von Schlamm und Morast ganz glatt sind, so
weiß man kaum, wo man sich fest halten soll.
Indessen thut auch hier die Gewohnheit sehr viel;
die Indianer wissen bey Nacht bequemer über
hin zu klettern, als die Christen bey Tage. Wir
krochen inzwischen doch alle ohne Unglück hin-
[Seite 85] über; und, nachdem wir eine sparsame Mahlzeit
gehalten hatten, sagte mir mein Dollmetscher,
daß er ein wenig mit der Angel fischen wolle.
Dieß kam mir, da es sehr dunkel war, seltsam
vor; und ich bildete mir ein, daß er, wegen der
Glätte der Bäume, wahrscheinlich den andern
Indianern Gelegenheit geben würde, ihn zu fan-
gen. Allein, nach Verlauf einer halben Stun-
de kam er wieder mit einem Fische zurück, der
von der Größe eines gewöhnlichen Cabliau war,
und von den Indianern Loulouw(*) genannt
wird. Wir hatten den Dollmetscher bereits
vergessen, und uns schlafen gelegt; so wie wir
aber von seinem guten Fange hörten, sprang je-
der aus der Hangmatte heraus, und es hatte
beynahe das Ansehen, als ob man den Fisch le-
bendig verschlingen wollte. Man nahm sich
auch kaum die Zeit, ihn zu kochen, und nach
einer Stunde sah man nichts mehr als Gräten
davon. Den andern Tag Morgens fuhren wir
mit der Ebbe wieder fort, und hielten uns be-
[Seite 86] ständig in einer Höhe von zwey bis drey Fuß
Wasser, weil wir uns nicht tiefer in die See
wagen durften. Kaum waren wir den hal-
ben Weg gekommen, als die Indianer sagten,
daß sie Fahrzeuge sähen. Dieß setzte uns alle
in großen Schrecken, weil wir uns vorstellten,
daß es leicht Caraiben seyn könnten, die Tod-
feinde der Arrewakken oder der unsrigen sind,
die sich in diesem Falle sicherlich mit der Flucht
gerettet, und uns verlassen hätten. Wir spra-
chen ihnen daher Muth ein, und ließen ihnen
durch den Dollmetscher sagen, daß wir für sie
fechten würden. Aber es war unser Glück, daß
es nicht dazu kam; denn sie lassen sich zwar mit
diesen Worten etwas zufrieden stellen; wenn
aber Noth an Mann geht, thun sie doch was sie
wollen. Die Furcht vor der Grausamkeit, mit
der sie die Ueberwundenen behandeln, macht,
daß sie, wenn es nur immer möglich ich, die
Flucht wählen; und in der That ist ihr Verfah-
ren auch schrecklich, wovon wir den Leser in der
Folge, wenn wir von ihren Kriegen handeln,
überzeugen werden. Indessen fuhren wir sehr
langsam fort, und nachdem wir etwas näher ge-
[Seite 87] kommen waren, riefen unsere Indianer, daß sie
Christen sähen; wodurch im Augenblick alle
Angst und Bekümmerniß verschwand. Wir
zählten vier Canot, und in denselben einige
Christen und Indianer, wovon die letzten be-
schäftigt waren Fische zu fangen, welches mit
Pfeil und Bogen geschieht. Sie waren von
Ysekepe, und verkauften mir am Werth von 5
bis 6 Stüber ein gutes Gerichte Querenam,(*)
welches ein leckerer Fisch ist. Unsere Bokjes
eilten, um in den Fluß von Ysekepe zu kommen,
und den Topf zu Feuer zu bringen; denn die ar-
men Leute hatten seit dem Donnerstag, und es
war nun bereits Sonnabend, nicht viel gehabt.
Endlich kamen wir in die Mündung des gedach-
ten Flusses, wo wir uns, während die Ebbe
noch gieng, ans Land setzen ließen. Sogleich
wurde hier Feuer gemacht, die Fische zerschnitten,
und nach dortigem Brauch mit Atty oder Pfef-
fer gekocht. Jeder sättigte sich nun vollkommen,
und dann giengen wir mit der Fluth wieder fort,
bis Abends spät, da wir uns nach einer bequemen
Anfurth umsahen.

[Seite 88]

Dieser Fluß von Ysekepe ist bey seiner Mün-
dung ungefähr drey Meilen breit, aber gar nicht
verhältnißmäßig tief; denn an den tiefesten Stel-
len hat er bey der Fluth nicht über zehn oder eilf
Fuß Wasser. In der Mündung finden sich sehr
viele Sandbänke, und auch drey Inseln, die mit
Bäumen bewachsen sind; dergleichen sahen wir
auch in großer Menge in dem Flusse durchgehends
mit Bäumen überdeckt. Das Landen ist hier
bequemer, als ich es irgend gefunden habe, da
man von Anfang an Sandgrund hat; so ich
nirgends in einem Flusse angetroffen habe. In-
zwischen ist doch an dem festen Lande laimichter
Boden, so wie bey andern Flüssen. Er bleibt
beständig breit, und ist wegen der Bäume auf
den genannten Inseln und dem Gebüsche, das
eine sehr schöne Aussicht gewährt, äußerst ange-
nehm. Das Fort liegt ungefähr zwölf Stun-
den von der See auf einer Insel; über welcher
man bald die Ecke des Waldes, Steinklippen,
und eine größere Tiefe findet. – Und dieß
wäre, was diesen Fluß betrift, das merkwür-
digste.

[Seite 89]

Des Morgens mit Anbruch des Tages fuh-
ren wir mit der Fluth wieder ab, und kamen end-
lich an das Fort, wo man schon stand, und nach
uns umsah, da man wegen des Zeltes, das wir
auf unserm Fahrzeug hatten, uns sogleich als
eine Gesandtschaft erwarten mußte. Wir ließen
uns an einer bequemen Stelle ans Land setzen.
Der Kommandant, Henrich Hol genannt, kam
mir und den Prediger mit dem Degen in der
Hand entgegen, um uns zu bewillkommen, und
führte uns durch eine doppelte Reihe Soldaten
hin, die unterdessen feuerten. Oben wurden wir
von dem Secretär empfangen, und dann noch
drey Schüsse mit leichten Kanonen gethan.
Diese Ehrenbezeugungen setzten uns in der That
ganz außer uns, und wir stellten uns vor, eu-
ropäische Fürsten zu seyn, die irgendwo einen öf-
fentlichen Einzug hielten. Daraus wurden wir
nach dem Zimmer des Kommaudanten gebracht,
wo ich sogleich meinen Auftrag eröffnen wollte;
jedoch er ersuchte mich freundschaftlich, noch ei-
nen oder vier Tage zu warten, und mich erst
etwas auszuruhen. Mein anderes Gefolge von
Christen blieb unter den Soldaten zur Herberge.
[Seite 90] Inzwischen wurden starke Getränke herunterge-
holt, und dem Kommandanten ein Faß Wein
verehrt, um uns damit zu bewirthen. Abends
wurden wir mit fünf Schüsseln Gebratenes und
Gesottenes tractirt, wobey wir uns ziemlich et-
was zu Gute thaten; darauf legten wir uns mit
vollem Bauche zu Bette, und schliefen bis Mor-
gens neun Uhr, da meine Indianer kamen, und
mich um Erlaubniß baten, einige Tage nach ih-
ren Freunden gehen zu dürfen. Ich gab ihnen
ein Denkzeichen(*) (wovon ich oben am Ende
des vierten Kapitels gesprochen habe) mit, auf
die Zeit von drey Tagen. Darauf gieng ich um
alles zu besehen, und damit war ich in sehr kur-
zer Zeit fertig; denn das Fort Ysekepe liegt auf
einem Inselchen, das so klein ist, daß man da,
wo es am längsten ist, mit einem Steine dar-
über hinwerfen kann. Das Fort selbst ist vier-
eckicht; unten ist das Magazin, und oben drey
Gemächer, eines, worinn die Soldaten wohnen,
ein Zimmer für den Kommandanten, und eines
für den Secretär, welches auch zugleich dient,
um die Schiffsladungen hineinzusetzen. Die
[Seite 91] Insel hat viele Klippen. Um das Fort herum
geht man gemeiniglich auf die Jagd; wiewohl
kein Wild ist, als das, was angeschwommen
kommt; dieß ist aber überflüßig genug. Gegen
Mittag, als wir unsern Spaziergang geendigt
hatten, kam ein Christ von der Pflanzstadt des
Herrn von Graaf (der die Güte gehabt hatte,
bey unserer Ankunft den gedachten Wein an den
Kommandanten zu schicken) und bat den Kom-
mandanten, ihn den andern Tag nebst seinen Gä-
sten zu besuchen, auf welche Zelt eine gute Mahl-
zeit zubereitet werden solle. Es wurde dieß ohne
viele Komplimente angenommen, und wir traten
den andern Morgen in den Coriaar, welches ein
recht bequemes Fahrzeug ist, um nach der Pflanz-
städte des gedachten Herrn zu fahren, die unge-
fähr eine Stunde über den Fort lag. Hier fan-
den wir alles so gut eingerichtet, als ob wir in
unserm Vaterlande gewesen wären. Die Be-
wirthung war auch vortrefflich. Wir hatten
fünferley Sorten Braten, Hirschbraten, Hüh-
ner, Puter, Enten und Tauben; und dabey drey
Schüsseln Suppe von Hirsch-Hafen- und Puter-
fleisch. Das Getränk bestand aus Dortrecht’-
[Seite 92] scher Mumme, Wein und Brantewein; wobey
wir uns bis an den Abend lustig machten, und
in größter Fröhlichkeit wieder an das Fort ka-
men. Es waren da überhaupt drey Pflanz-
städte, wovon der Herr von Graaf die größeste
besitzt, der 28 bis 30 Sclaven hat. Die an-
dern zwey mochten jeder 12 bis 14 haben. Man
führt da, was Speise und Trank anbetrift, ein
Fürstenleben; aber wer geselliger Art ist, und
gerne mit Menschen Verkehr hat, darf sich nicht
dahin begeben. Und in der That, wegen dieses
Mangels haben die warmen Länder nicht ganz
das Angenehme, was man wohl nach der Er-
zählung dieses und jenes sich in ihnen vermuthet.
Die brennenden Sonnenstralen sind lästig ge-
nug zu ertragen; und der Mangel vieler Dinge,
die zum Leben nothwendig sind, erzeugt einen ge-
wissen Mismuth, dessen man sich nicht wohl ent-
schlagen kann. Doch wieder einzulenken. Nach-
dem wir uns genug ausgeruhet hatten, (es war
bereits Freytag) ersuchte ich den Kommandan-
ten, daß wir uns nun über die Sachen, wegen
welcher ich hieher gesandt wäre, besprechen möch-
ten. Die Foderung war, daß wir den Fluß
[Seite 93] Tamerary verlassen sollten, ohne ferner irgend
darinn zu handeln, und dann sollte man die in
Beschlag genommene Ladung schätzen, und mit
Copeira-Balsam(*), in gemeiner Redensart
Maraan genannt, bezahlen. Dieser Balsam
wird von den Indianern in der Gegend des Flus-
ses Aernocque(**) geholt, an dessen Mündung
das Fort Trinidad, welches dem Könige von
Spanien gehört, liegt. Er träuft aus einer
gewissen Art Bäume, in die mit einem Beile
eingehauen, und dann ein Kürbis angehangen
wird, um die Feuchtigkeit, die aus der Spalte
fließt, darinn aufzufangen. Es ist ein sehr heil-
sames Mittel gegen Griesstein und frische Wun-
den. Uebrigens erstreckte sich meine Vollmacht
nicht so weit, daß ich den angebotenen Vergleich
hätte schließen können; und unsere Conferenz
hatte daher ein Ende, unter dem Beding, daß
ich mit der nächsten Fracht wieder kommen sollte.
Ich bat darauf, innerhalb einem oder zwey Ta-
gen abreisen zu dürfen, und dieß wurde mir auch
[Seite 94] zugestanden; nur sollte der Prediger vorher des
Sonntags eine Predigt halten, und zwey Kin-
der taufen: wozu er sich auch leicht überreden
ließ. Dieß war Ursache, daß wir bis gegen
Montags Mittag blieben, wo wir wohl ver-
proviantirt, und mit einigen Schüssen begleitet,
unsere Reise wieder antraten, und, nachdem wir
die See passirt waren, mit der Vorfluth an die
Mündung des Flusses Tamerary kamen. Hier
ließ ich durch die Indianer eine Partie Krabben
fangen, um uns derselben auf unserer Wasser-
fahrt zu bedienen. Diese Krabben, welche auch
in Menge in dem Fluß Ysekepe an den Klippen
gefangen werden, nennt man Süßwasser-Krab-
ben, und sie sind viel schmackhafter, als die in
der See gefangenen, aber nicht ganz so groß.
Wir kamen darauf wieder zu unsern Leuten in
Tamerary, wo wir sehr willkommen waren, weil
wir noch einige Krabben aufgehoben hatten.
Hier blieben wir bis den andern Mittag, ließen
uns dann an die Anfurth bringen, und nahmen
unser Nachtlager in dem Dorfe Naby, in dem
Hause des Kapitain Tomenak, wo wir zu unse-
rer großen Freude einen Vorrath von Speck und
[Seite 95] Brantewein fanden, bey welchem wir uns die-
sen Abend lustig machten. Den andern Mor-
gen zogen wir mit Tages Anbruch wieder fort,
und kamen des Abends an das Dorf Alten A-
men. Von da brachen wir den andern Morgen
auf, und kamen des Nachmittags gegen vier Uhr
auf die Pflanzstadt den Berg, und von dort
aus den andern Tag nach dem Fort, wo wir
aufs freundschaftlichste von dem Kommandanten
empfangen wurden.

VII. Kapitel.

Dritte Reise des Verfassers nach Ysekepe. – Fürch-
terliche Art, einen Indianer zum Kapitain zu
machen. – Ankunft auf dem Ysekepe. –
Schlichtung der Streitigkeiten über die in Be-
schlag genommenen Güter, und Abschließung
eines Vertrags mit dem Kommandanten von
Ysekepe. – Zurückkunft nach dem Fort Berbice.

Nachdem ich dem Kommandanten weitläufti-
gen Bericht meines ausgerichteten Geschäftes ab-
gestattet hatte, wurde wieder eine Versammlung
von den Räthen der Colonie gehalten. So un-
gern sie auf den Fluß Tamerary Verzicht thaten;
so beschlossen sie doch, in Erwägung des Rechtes
[Seite 96] ihres Besitzes, mir nochmal eine neue Voll-
macht zu geben, und mir zugleich vollkommene
Autorität zu ertheilen, die Sache mit der Kom-
pagnie zu Ysekepe so abzuthun, wie ich es für
das rathsamste halten würde. Es wurden mir
zwey Wochen Zeit gegeben, mich zu dieser Reise
zu rüsten, bey welcher der Prediger mir wieder
Gesellschaft leisten wollte. Wir begaben uns
dann in Begleitung einiger Indianer an einem
Freytage nach der Pflanzstädte den Berg, wo
wir übernachteten. Den andern Tag zogen wir
weiter nach dem Dorfe Alten Amen, wo man
uns den Vorschlag that, den Sonntag über zu
bleiben, indem ein Indianer zum Kapitain ge-
macht werden sollte. Unsere Reise war so schleu-
nig nicht, daß wir nicht einen Tag unserm Ver-
gnügen hätten schenken können; und, da wir
ohnedieß sehr begierig waren, diese Feyerlichkeit,
von der uns so viele sonderbare Dinge erzählt
wurden, mit eigenen Augen anzusehen, so ließen
wir uns leicht überreden. Wir verfügten uns
daher Sonntags Morgens nach dem Hause eines
gemeinen Indianers, welches der Ort war, wo
die Ceremonie vor sich gehen sollte. Da die
[Seite 97] Indianer immer auf der Erde sitzen, und also
weder Stuhl, noch Bank, noch Tisch da war; so
wurden sogleich für uns Hangmatten zurecht ge-
macht. Wir sahen zuvörderst eine große Menge
des oben genannten Getränkes Pernouw, wo-
von bey dieser Gelegenheit jeder so viel trinken
kann, als ihm beliebt. Es wird dieses Getränk
von den schönsten jungen Mägdchen herum ge-
reicht, die drey oder vier Finger in die hohle Sei-
te des Kürbis und den Daumen an die äußern
setzen, und so den Christen sowohl als den In-
dianern zu trinken geben, ohne daß der Trinkende
Hand oder Finger anbringt, außer was blos ge-
schieht, wenn man genug hat, und den Kürbis
zurückweiset. Je größer die Gesellschaft ist, de-
stomehr Mägdchen reichen das Getränk umher;
und wenn es an Mägdchen fehlt, so werden auch
wohl Frauen dazu genommen. Gegen Mittag,
während die Mägdchen und Frauen noch beschäf-
tigt waren, den Gästen ihre Portion zu trinken
zu geben, erschien der Indianer, der zu der
Würde eines Kapitains erhoben werden sollte.
Es führten ihn drey Kapitains, die ihn mit wun-
derlichen Gebärden zur Tapferkeit aufmunterten.
[Seite 98] So bald er in die Mitte des Hauses gekommen
war, blieb er stehen, und hielt seine Arme über
den Kopf. Unterdessen nahmen jene drey Kapi-
tains jeder eine Maquary zur Hand, welches
eine Art geflochener Peitschen ist, ungefähr
fünf Fuß lang, unten dick, oben aber allmählig
dünner. Hiemit schlugen sie den armen India-
ner dergestalt um den Leib, daß von den Achseln
bis an den Bauch wenig heiles Fleisch blieb, son-
dern allenthalben auf eine fürchterliche Weise die
Lappen umherhiengen. Man konnte das Klap-
pen der Peitschen außerhalb dem Hause hören;
und doch gab der Geschlagene nicht das geringste
Zeichen von Schmerz. Bald darauf, als er
nun so gut als geschunden war, wurde er auf
einen hölzernen Rost, den die Indianer Berbe-
kot
nennen, gelegt, und mit Blättern überdeckt.
Unter diesem Rost war ein kleines Feuer, das
mehr Rauch als Flamme machte. Von Zeit zu
Zeit wurden einige Blätter aufgehoben, um zu
sehen, ob er Gefahr liefe in Ohnmacht zu fallen;
und bald nachdem man dieß bemerkt hatte, nah-
men sie ihn vom Reste auf, goßen ihm einen
Eimer Wasser ins Gesicht, und sprachen ihm,
[Seite 99] so wie er wieder zu sich selbst gekommen war,
von neuem mit seltsamen Gebärden Muth ein.
Darauf gab ihm jeder Kapitain auf seinen wun-
den Körper noch acht bis neun Hiebe, so daß er
wie ein Bettler aussah, von dem allenthalben
die Lumpen herunterhängen.

Diese Feyerlichkeit muß nach zwey oder drey
Wochen nochmal vorgenommen werden, ehe er
zur Würde eines Kapitains erhoben werden kann.
Bey dieser Gelegenheit bekommt alsdann auch
seine Frau, wenn er eine hat, zwey oder drey
Hiebe, um der Ehre ihres Mannes theilhaftig
zu werden; mehrere Schläge wartet sie nicht ab,
sondern lauft sogleich davon. – Nach allen die-
sen Qualen wurde der arme Verwundete wieder
in sein Quartier gebracht, welches eine kleine vier-
eckichte Abtheilung in dem Hause ist, in der ge-
rade seine Hangmatte hängen konnte. Unterdes-
sen dauerte das Trinken beständig fort; und die
Frauen bezeugten ihre Freude, daß sie so tapfere
Männer hätten, die sich nicht fürchten würden
Rache von ihren Feinden zu nehmen, und für sie
in den Tod zu gehen; dabey sangen sie Lieder
zum Ruhm ihrer Heldenthaten. Wenn wir
[Seite 100] nachher von ihren Kriegszügen sprechen, werden
wir zugleich auch melden, was für Thaten sie
müssen verrichtet haben, um zu der Ehrenstelle
eines Kapitains zu gelangen. Was diesem be-
trift, von welchem wir eben erzählet haben; so
hatte er bey einem gewissen Kriege eine alte Frau
halb todt geschlagen, darauf sie in das Wasser
geschmissen, in demselben auf tausendfältige Art
gequälet, und endlich unter unaussprechlichen
Peinigungen ums Leben gebracht. Dieß sind
ihre Heldenthaten; Schläge aushalten, und die
abscheulichsten Grausamkeiten auszuüben, darinn
besteht ihre Tapferkeit. Sonst sind sie die feig-
sten Memmen, die bey dem Losfeuern einer Ka-
none oder Muskete nicht wissen, wo sie sich ver-
kriechen sollen; wie schon oben ein Exempel hie-
von erzählt worden.

Mit Anbruch des folgenden Tages machten
wir uns wieder auf die Füße, und kamen end-
lich, nachdem wir einen Weg von eilf Meilen
zurückgelegt hatten, bey unserm alten Kapitain
Tomenak, und darauf in Rio de Tamerary an.
Hier blieben wir bis zum Freytag, da wir uns
[Seite 101] wieder in ein Fahrzeug, das mit einem guten
Zelte überdeckt war, einschifften, mit dem wir
längst dem Strande hinfuhren, und des anderen
Tages in den Fluß von Ysekepe, und dann wei-
ter an das Fort kamen. Hier wurden wir auf
dieselbe Art, wie bey der ersten Reise, empfangen,
und abermals auf das freundschaftlichste von
Herrn de Graaf tractiret. Nach Verfluß eini-
ger Tage, die wir mit Jagen und andern Ergötz-
lichkeiten zubrachten, trat ich mit dem Komman-
danten wegen unserer in Beschlag genommenen
Güter in Unterhandlnng. Wir kamen in aller
Güte überein, daß diese taxirt, und binnen einer
bestimmten Zeit mit Balsamum Copaiva be-
zahlt werden sollten; wogegen wir gehalten seyn
sollten, den Fluß Tamerary zu verlassen. Hier-
über wurden von beyden Seiten Schriften aus-
gefertigt und unterzeichnet; und den folgenden
Dienstag fuhren wir mit dem Kommandanten
von Ysekepe nach Tamerary, um unsern Ver-
trag zu erfüllen, und unsere Leute von da wegzu-
ziehen. Wir waren vier Tage unter Wegs, ehe
wir an das Haus von Tamerary kamen. Nach-
dem wir die Nacht da geschlafen hatten, ließen
[Seite 102] wir uns des andern Tages insgesammt nach der
Anfurth bringen, und die Güter und Kisten
durch unsere Leute zu Wasser nach Rio de Ber-
bice führen; woraus wir in Freundschaft von
einander Abschied nahmen. Die folgende Nacht
brachten wir wieder auf dem Dorfe Naby in dem
Hause des Kapitain Tomenak zu. Hier fanden
wir einen Vorrath von Speise und Getränk, den
unser Kommandant auf mein Ersuchen hieher ge-
schickt hatte. Ich kommandirte vierzehn Mann,
sich des Morgens bereit zu halten, um ihren Weg
über Alten Amen zu nehmen; wir selbst giengen
über ein Dorf, Namens Woeroenje, das eine
gute Tagereise von dem Dorfe Naby liegt. Nie-
mals habe ich in diesem Lande einen angenehmern
Weg gehabt. Man findet Waldungen, wo die
Bäume so regelmäßig stehen, als wenn sie mit
Händen gepflanzt wären. In diesem Dorfe
Woeroenje hatten wir drey Mann liegen, die
mit den Indianern handelten. Sie bewirtheten
uns überflüßig, und ließen den andern Tag einen
Coriaar für uns zurechte machen, womit wir des
Mittags an die Pflanzstädte, der Mierenberg
genannt, kamen, die ungefähr drey Stunden zu
[Seite 103] Wasser von dem Fort von Berbice liegt. Ich
fand diesen Weg viel angenehmer; doch da ich
noch eine Nacht auf der Pflanzstadt den Berg
zubringen wollte, wo ich allezeit eine sehr freund-
liche Aufnahme genossen hatte, marschirten wir
fort, und kamen nach drey Stunden daselbst an.
Den andern Tag giengen wir gegen Mittag wie-
der ab, und fuhren in zwey Stunden nach dem
Fort.

VIII. Kapitel.

Einige Indianer, die einen Kriegszug unternehmen
wollen, kommen an das Fort. – Vorbereitung
zu demselben. – Schreckliche Behandlung der
Gefangenen, u.s.w.

Als ich von Ysekepe wieder zurückgekommen
war, bezeugten mir der Gouverneur und die
Herren Räthe ihren Dank und Zufriedenheit
wegen meines ausgerichteten Geschäftes; denn
an dem Fluß Tamerary war wenig verlohren,
weil man ihn, um durch die Kompagnie von
Ysekepe nicht vertrieben zu werden, mit sehr vie-
len Leuten besetzen mußte. Bald darauf kamen
einige Indianer an das Fort, die uns, nach her-
[Seite 104] gebrachter Sitte, bekannt machten, daß sie nach
acht und zwanzig Tagen, zum Krieg gegen ihre
Feinde, die an dem Flusse Correntyn, sieben
Meilen südlich von dem Flusse Berbice wohne-
ten, ausziehen würden. Es ist außerordentlich,
wie sie bey dieser Gelegenheit sich angreifen, um
ihre Flotte, die aus ungesähr sechszehen oder
achtzehen Canots besteht, fertig zu machen; denn
es ist die faulste Nation, die man irgends antref-
fen kann; und man würde bey uns eben so ge-
schwind eine gleiche Anzahl von Kriegsschiffen
verfertigen.

Wenn ihnen der Gedanke kommt, gegen ihre
Feinde auszuziehen, schicken sie einige Leute nach
den verschiedenen Dörfern an die Kapitains, die
sich daselbst aufhalten. Jeder, der beytritt,
nimmt ein Merkzeichen, das aus Schilfröhrchen
gemacht ist, von welchen alle Morgen eines ab-
geschnitten wird. Es macht dieß, wie wir oben
gesagt haben, ihre Zeitrechnung aus. Sogleich
fällt nun die junge Mannschaft über die Arbeit
her, und jeder sucht zuerst Ehre einzulegen; in-
dessen geht es, die Wahrheit zu sagen, langsam
[Seite 105] genug; denn sie arbeiten kaum ein oder zwey
Stunden des Tages an ihren Fahrzeugen, und
bringen die übrige Zeit damit hin, sich über die
eingebildeten Folgen ihres bevorstehenden Zuges
zu freuen. Wenn nun die Canots fertig, und
mit allem Nothwendigen versehen sind, machen
sie sich 24 Stunden hindurch lustig, und begeben
sich daraus nach dem Versammlungsplatze. Hier
berathschlagen sich die Kapitains mit einander
über ihre Unternehmung, und sobald der Schluß
gefaßt ist, wird er sogleich jedem, selbst die Frauen
nicht ausgenommen, kund gethan; doch weis
man nichts von Verrath noch Verräthern. Als-
dann kommen die Helden insgesammt nach dem
Fort, der eine um ein Gewehr zu leihen, der
andere Pulver, der dritte Kugeln u.s.w. wel-
ches ihnen alles, ohne etwas dafür zu fodern,
gegeben wird: das größte Geschenk besteht aus
drey Schuß Pulver und drey Kugeln. Lächerlich
sind die Stellungen und Gebärden, die sie bey
dieser Gelegenheit machen, um uns anzuzeigen,
wie sie ihre Feinde schlagen, und die Töchter der-
selben zu Sclavinnen machen wollen. Ganz,
nach dem Sprichwort, verkaufen sie die Haut,
[Seite 106] ehe sie den Bären gefangen haben, In jedem
Canot sieht man auch zwey oder drey Frauen, die
den Trank bereiten, und die Männer bedienen
müssen. Der ganze Zug dauert gemeiniglich 20
bis 22 Tage. In zwey Ebben kommen sie an
die Seeküste; indeß bringen sie gemeiniglich zwey
bis drey Tage damit zu; denn sie sehen kein Vö-
gelchen sitzen, ohne Knippchen zu schlagen, und
sich etwas davon zu erzählen. Wenn sie nun so
einer nach dem andern an die Seeküste gekommen
sind, wird wieder Kriegsrath gehalten, und dar-
auf mit der ganzen Flotte in die See gegangen,
wo sie jeden Tag ungefähr drey Meilen zurück
legen; doch wenn sie sich in dem Flusse der Feinde
befinden, fahren sie nur des Nachts, und nützen
zu dem Ende das Mondlicht. Bey Tage verste-
cken sie sich tief in die Wälder, und verbergen die
Canots, damit man ihre Annäherung nicht ge-
wahr werde, unter einige abgehauene grüne Aeste,
welches sie so geschickt zu machen wissen, daß das
aufmerksamste Auge dadurch getäuscht werden
könnte. Mittlerweile recognoscirt einer bey
Nacht, ob nicht irgendwo einige ihrer Feinde an-
zutreffen sind; in welchem Falle er schleunigst
[Seite 107] zurückgeht, um der Flotte davon Nachricht zu
geben. Hierauf werden alle Fahrzeuge besorgt;
die Indianer treten ans Land, und alles geht so
still zu, daß die Feinde überrumpelt sind, ehe sie
sich mit der Flucht retten können. Doch dauert
diese Stille nicht länger, als bis sie ihre Feinde
umzingelt haben; denn alsdann machen sie ein
greuliches Geschrey, und schlagen in der ersten
Wuth alles todt, was sie antreffen. Wenn sie
sich aber vollkommen Meister sehen, und keinen
Widerstand mehr zu fürchten haben, fangen sie
an Gefangene zu machen; die inzwischen entflie-
hen können, dürfen sich für die glücklichsten schä-
tzen. Wenn sie Frauensleute bekommen, die
nicht schön und jung genug sind, um ihnen zur
Befriedigung ihrer Begierden tauglich zu schei-
nen, ungeachtet sie deßwegen nichts destoweniger
Sclavinnen bleiben, so schlagen sie dieselben au-
genblicklich todt; wenn sie aber etwas hübsch
sind, werden sie an die Frauen, die mit ihnen aus-
gefahren sind, gegeben. Mit den Kindern, es
mögen Jungen oder Mägdchen seyn, verfahren
sie nach Willkühr. Gefallen sie ihnen, so haben
sie eine harte Dienstbarkeit zu erwarten, bleiben
[Seite 108] aber doch am Leben; haben sie aber ziemlich viele
gefangen bekommen, so werden einige davon zum
Spaß getödtet. Unglücklich aber ist der Mann
oder Jüngling, der keine Gelegenheit zu entflie-
hen, oder sich todt zu fechten, finden kann, und
lebendig seinen Feinden in die Hände fällt; denn
es können keine Grausamkeiten erdacht werden,
die sie nicht an ihm ausüben, um ihn auf die
erschrecklichste Art zu todt zu quälen. Wenn sie
übrigens ihre Feinde auf diese Art nicht überlisten
können, fahren sie den Fluß etwas höher hinauf,
und suchen ein anderes Dorf zu überrumpeln.
Dieß geschieht alles mit Anbruch des Tages, und
mit einem Geschrey, wovon die Luft wiederhal-
let. Da aber das Kriegsglück nicht immer gleich
ist, so ereignet sichs auch wohl, daß sie so starken
Widerstand finden, daß sie genöthigt sind, über
Hals und Kopf zu fliehen, und sich aus dem
Flusse fort zu machen. Wenn sie so unverrich-
teter Sachen wieder nach Haus kommen, wird
Getränke gemacht; und wenn sie sich niederge-
kauert haben, sagen sie, sie hätten Leibschmerzen,
und trinken so viel, daß sie sich erbrechen müssen;
worauf sie wieder gesund werden. Dieß ist ihre
[Seite 109] Art Krieg zu führen; nun noch etwas von ihrem
Betragen gegen die Gefangenen.

Die Flotte, von der wir eben gesprochen ha-
ben, brachte bey ihrer Zurückkunft zwey Jüng-
linge mit, die sie gefangen gemacht hatten. Sie
fuhren bey Nacht still vor dem Fort vorbey, und
hatten ihnen aufs sorgfältigste jede Gelegenheit
zu entkommen verwehrt. Diese Unglücklichen
sitzen ungefähr drey Wochen geschlossen und ge-
fesselt, und werden unter der Zeit aufs beste mit
Essen und Trinken versorgt. Gemeiniglich be-
schäftigen sie sich, um in ihrer traurigen Lage
Zeitvertreib zu haben, einen Pagal oder Körb-
chen, die dort zu Lande statt der Kästen gebräuch-
lich sind, zu machen. Bey Nacht werden die
Gefangenen bewacht, und gegen die Zeit, daß
einer von ihnen verbrannt werden soll, bereiten
die Frauen eine Menge des Getränkes, das Per-
nou genannt wird, von welchem wir oben schon
gesagt haben, und von dessen Beschaffenheit wir
nachher noch umständliche Meldung thun wer-
den. Des Tages, ehe er sterben soll, wird er
– wie ich mit eigenen Augen öfter als einmal
[Seite 110] gesehen habe – bestens bewirthet, damit er desto
frischer in den Tod gehen möge. Nachmittag
wird er mit Spott und Schimpf von einem
Hause zum andern geführt, bey welcher Gele-
genheit er bisweilen unerwartet einen Schlag
über den Kopf bekommt, daß das Blut herunter
fließt, wobey ihm zugerufen wird: So haben
es deine Freunde den unsern gemacht.
So
wie die Sonne am Untergehen ist, fragt ein Ka-
pitain, ob er die Sonne wohl sehe; und wenn
er diese Frage mit Ja beantwortet hat, sagt er
ihm: Du sollst sie nicht wieder sehen. Dieß
ist seine Verurtheilung. Ich habe einen zum
Tode bringen sehen, der so muthig war, daß we-
der Drohungen noch Angst vor den bevorstehen-
den Qualen ihn bange machen konnten, und der
dem Kapitain, der ihm das Todesurtheil sprach,
mit einer heldenmüthigen Stimme, voll stolzer
Verachtung, sagte: Es ist wahr, das Loos
ist jetzt mir gefallen; aber meine Freunde
werden nach kurzer Zeit auch zu euch kom-
men, und euch zur Rechenschaft fodern,
wegen der Qualen, die ihr mir anzuthun
vorhabt. Das Leben ist mir gar nicht so
[Seite 111] angenehm, daß ich es nicht leicht verlassen
könnte; nur kränkt es mich, sterben zu
müssen, ohne meinen Tod rächen zu kön-
nen.
u.s.w. Am Abend geben sie ihm zu es-
sen und zu trinken, so viel er begehrt. Alsdann
binden sie ihm die Hände auf den Rücken; und
an jeden Fuß ein langes Seil. Unterdessen ver-
sammeln sich die eingeladenen Gäste, und jeder
bringt einige Maquarys oder Fackeln mit, die um
desto besser zu brennen, mit einer pechartigen
Materie überstrichen sind. Des Abends gegen
sieben Uhr macht man rund herum, und auch in
dem Hause Feuer an. Darauf wird der Gefan-
gene in die Mitte seiner Feinde gestellt; und der
älteste Kapitain fängt ein fürchterliches Geheul
an, und ruft mit lauter Stimme: Dein Volk
hat Freunde von mir gekriegt, und so mit
ihnen gehandelt.
Nach diesen Worten stößt
er ihn mit der brennenden Maquary in die Haut;
und dann fällt jeder, der ihn erreichen kann,
über ihn her. Der eine stößt ihn ins Gesicht,
der andere an die Schamtheile, der dritte an ei-
nen andern der empfindlichsten Theile, und da-
bey wird er mit den Stricken hin und her ge-
[Seite 112] schleudert. Wenn er dann durch alle diese Mar-
tern anfängt schwach zu werden, so geben sie
ihm eine kleine Ruhe, um seine Qualen desto
langwieriger zu machen, und ihre wilde Lust voll-
kommen zu sättigen. In dieser Zwischenzeit
trinken sie wieder miteinander, gleich als ob sie
die besten Freunde wären; und wenn dann der
Gemarterte etwas erfrischt ist, so wird das Pei-
nigen von neuem angefangen. Dieß dauert so
fort bis ungefähr eine kleine Stunde vor Son-
nenaufgang; denn alsdann muß das fürchterli-
che Schauspiel geendigt werden; und zwar ge-
schieht dieß durch einen Kapitain, der dem un-
glücklichen Gefangenen mit einem hölzernen
Schwerte(*) den Kopf einschlägt. Sobald
dieß geschehen ist, fällt jeder mit einem Messer
über ihn her; der eine schneidet ihm ein Stück
aus dem Gesäße, der andere aus den Dickbeinen,
ein dritter metzelt an einer andern Stelle an ihm,
und kurz, jeder bemüht sich etwas davon zu be-
kommen. Das abgeschnittene Fleisch wird ge-
kocht, in den Pfeffertopf gesteckt, und als ein
Leckerbissen verzehrt. Ich habe zwey Christen
[Seite 113] gesprochen, die davon gekostet hatten, und mir
versicherten, daß es wirklich einen leckern Ge-
schmack habe. Die Gebeine werden bis auf ei-
nige Knöchelchen, aus denen sie Flöten zu machen
wissen, in die Erde vergraben. Während alles
dieß vorgeht, sitzen die Weiber(*) und singen
Lieder, die die Marter, welche ihre Freunde, die
den Feinden in die Hände gefallen waren, ausge-
standen haben, und das Lob der tapferen Männer,
die den Tod derselben auf diese Art zu rächen wis-
sen, zum Gegenstand haben. Es ist schrecklich,
dieß anzusehen; und schon der Geruch des Flei-
[Seite 114] sches, das unaufhörlich mit den Maquarys ge-
brannt wird, und wovon das siedende Fett her-
untertrieft, kann einen Christen nicht nur zum
Erbrechen bringen, sondern beynahe zum Ersti-
cken. Inzwischen muß man über die heldenmü-
thige Standhaftigkeit erstaunen, die diese Gefan-
genen unter den grausamsten Peinigungen be-
weisen. Ohne die mindeste Furchtsamkeit zu zei-
gen, lassen sie sich auf die greulichste Art zu todt
martern, und trösten sich mit der Hoffnung, daß
ihre Freunde sie nach einiger Zeit rächen werden.

IX. Kapitel.

Der Verfasser thut wieder eine Reise nach Ysekepe. –
Gefahr eines Schiffbruchs. – Ankunft bey dem
Fort zu Ysekepe. – Abreise von dannen. –
Sonderbare Weise der indianischen Frauen, die
Zwillinge gebähren. – Zurückkunft nach Rio
de Berbice.

Da die Zeit verstrichen war, welche der Kom-
pagnie zu Ysekepe zu Bezahlung der in Beschlag
genommenen Güter, wovon wir am Ende des
siebenten Kapitels gesprochen haben, zugestanden
war; so erhielt ich den Auftrag, wieder dahin zu
reisen, und die Barke zu dem Ende mit alten
[Seite 115] Nothwendigkeiten zu versehen. Den Tag vor
der Abreise waren wir, nach hergebrachter Weise,
fröhlich; aber kaum waren wir unter beständigem
Lavieren zwey Stunden gefahren, so hatten wir
das Unglück, daß die Besanstange entzwey brach.
Der Steuermann des Schiffes, der bey dieser
Gelegenheit die Stelle des Schiffers bekleidete,
mußte daher wieder nach dem Fort zurück, um
eine neue Besanstange zu holen; und ich blieb
am Bord, und erwartete ihn. Des andern Ta-
ges kam er zurück und brachte außer der Besan-
stange, auch eine große Flasche Wein mit, der
mit Eyerdottern und Gewürz sehr lecker zuberei-
tet war. Inzwischen hatte sich die Zahl der
Menschen auf unserer Barke durch einen kleinen
Jungen vermehrt; und dabey war es so stille her-
gegangen, daß beynahe niemand etwas davon
gewahr worden. Ein indianischer Sclave hatte
das Amt einer Hebamme versehen. Ich schenkte
der Kindbetterin – einer Indianerin, der unser
Jäger die Freundschaft angethan hatte, sie zur
Mutter zu machen – eine Flasche geglühten
Wein, der ihr, wie mir gesagt wurde, ganz gut
bekam; doch war dieß einmal für allemal; denn
[Seite 116] der Wein war zu gut, als daß man ihn hätte
an misfärbige Menschen verschenken sollen. Des
andern Tags, Abends gegen neun Uhr, liefen
wir in die See, und segelten die ganze Nacht durch
mit ziemlichem Winde. Gegen Morgen beka-
men wir den Fluß Majeyke ins Gesicht, und
bald Nachmittag den Fluß Tamerary. Wäh-
rend wir aber so fleißig fortsegelten, stieß die
Barke gegen vier Uhr, nicht weit von dem Flusse
Ysekepe, auf eine Sandbank, auf der wir unge-
fähr eine halbe Stunde fest saßen. Das Wasser
kam sogleich von allen Seiten hereingeschossen,
und wir hatten Mühe genug, uns durch Schö-
pfen oben zu halten. Kaum waren wir dieser
Gefahr entgangen, so wurden wir wieder so un-
sanft auf eine andere Bank niedergesetzt, daß
man nicht anders dachte, als die Barke würde
zu Trümmern splittern; und in der That, wenn
uns nicht eine hohle Welle von da weggeführt
hätte, so wären wir in der äußersten Gefahr ei-
nes Schiffbruches gewesen. Darauf mußten
wir stille halten, um zu pumpen und auszuschö-
pfen, und unter dieser Arbeit kamen wir endlich
des Abends nach dem Fluß Ysekepe, wo wir
[Seite 117] Anker warfen. Hier waren wir, weil nicht ge-
kocht werden konnte, genöthigt, uns, so gut als
unser gemeines Schiffvolk, mit einem Stück ro-
hen geräucherten Speck zu behelfen, nur daß der
Steuermann und ich noch ein gut Glas Brante-
wein darauf setzten. Ungefähr gegen zehn Uhr
waren zu unserer großen Freude zwey oder drey
große Lecke gestopft. Mit der Fluth segelten wir
dann wieder fort, und kamen an das Fort, wo
von beyden Seiten einige Ehrenschüsse gethan
wurden. Alsdann trat ich mit dem Steuer-
mann ans Land, wo wir von dem Kommandan-
ten sehr freundschaftlich empfangen und bewir-
thet wurden. Da ich nach einem oder zwey Ta-
gen mein Geschäft abgethan hatte, beorderte ich
die Barke wieder zurückzukehren; ich selbst aber
wollte, well sie sich nicht in den besten Umstän-
den befand, lieber meinen alten Weg nehmen.
Nach sechs bis sieben Tagen nahm ich vom Kom-
mandanten Abschied, und bekam an einem ge-
wissen Freund, der zu Tamerary etwas zu ver-
richten hatte, einen Reisegefährten. Weil dieser
mir weiß machte, daß wir auf einem nahe gele-
genen Dorfe, wo die Indianer ein Fest haben
[Seite 118] würden, alles im Ueberflusse finden würden, so
nahmen wir wenig Proviant mit. Allein wir
fanden uns sehr betrogen; denn da wir an dieß
Dorf kamen, das sehr schön war, und wohl zwan-
zig Häuser hatte, hörten wir, daß dieses Fest aus
gewissen Ursachen verschoben wäre. Wir muß-
ten uns also nach Landes Brauch, der kärglich
genug, und gar nicht meine Gewohnheit war,
behelfen. Den andern Morgen, als wir abrei-
sen wollten, zeigte man uns eine indianische Frau,
ziemlich schön von Gesicht und Wuchs, die vor
vier oder sechs Wochen zwey Kinder zur Welt ge-
bracht, und das eine davon sogleich getödte, und
in die Erde verscharrt hatte. Denn sie halten
dieß bey einem Menschen für unnatürlich, und
wollen, wie sie sagen, in diesem Stücke nicht den
Hunden und andern fruchtbaren Thieren gleich
seyn. Ich betrachtete sie sehr aufmerksam, so
wie auch das noch lebende Kind, das, so jung es
auch war, nach Landessitte, dicht bey ihrer Woh-
nung, in dem Sand umherwühlte; denn dort
werden nicht so viel Umstände mit den Kindern
gemacht, als bey uns. Wir reiseten darauf wie-
der fort, und da wir auf dieser Rückreise keine
[Seite 119] weitere Abentheuer von Belang hatten, so be-
gnüge ich mich dem Leser blos zu sagen, daß ich
gesund und wohl behalten, wiewohl mit wenig
Vergnügen, wieder an unser Fort kam.

X. Kapitel.

Ankunft eines Schiffes aus dem Vaterlande. –
Streitigkeit zwischen dem alten Oberhaupt und
dem Prediger. – Die Caribischen Indianer ver-
brennen ein Handlungshaus. – Der Komman-
dant und der Verfasser machen eine Reise dahin,
u.s.w.

Jedermann verlangte nun nach einem Schiffe
aus unserm Vaterlande, da wir lange Zeit keine
Nachricht daher gehabt hatten. Endlich kam
auch eines an, und mit demselben ein neuer Kom-
mandant oder Oberhaupt. Mit diesem mußte
ich, nachdem einige Tage mit den gewöhnlichen
Schmausereyen und Lustbarkeiten zugebracht wa-
ren, nach den Pflanzstädten gehen, um den Zu-
stand derselben zu untersuchen. Indem wir da-
mit beschäftiget waren, brach eine Streitigkeit
zwischen dem alten Oberhaupt und dem Prediger
aus, der, als der schwächste Theil, so bald wir
wieder zurückgekommen waren, gegen alles Recht
[Seite 120] und Billigkeit Befehl bekam, sich nebst Frau
und Kindern zur Rückreise nach dem Vaterland
bereit zu halten. Der alte Kommandant war
ein rachgierig er Mann, der schon lange getrachtet
hatte, dem guten Prediger ein Bein unterzuschla-
gen, ohne daß er bisher eine Gelegenheit dazu
finden konnte. Endlich aber gelang es ihm, bey
einem fröhlichen Feste diese längst gewünschte
Veranlassung bey den Haaren herbeyzuziehen,
und um einen Trunk Brantewein sich einige
Zeugnisse zu erkaufen, in denen der Wahrheit
auf eine schreckliche Weise Gewalt angethan wur-
de. Ich hatte meinen Freund, weil ich lange
schon dergleichen Hinterlist erwartete, oft genug
gewarnt; doch es schien, als wenn sich dieß Un-
glück hätte ereignen müssen. Da ich ihm indeß
gerne mit Rath und That an Hand gehen wollte,
so versah ich ihn heimlich mit einem Briefe an
den Kirchenrath der französischen Gemeinde zu
Vlissingen, wodurch, wie ich nachher hörte, alle
Zeugnisse des alten Kommandanten unwirksam
gemacht wurden. Wie freundlich ihn dieser
inzwischen auf der Reise behandelt haben mag –
denn sie fuhren bald nachher miteinander auf dem
[Seite 121] erwähnten Schiffe ab – kann sich der Leser leicht
vorstellen. Ich begleitete sie bis an die See,
und dankte dem Kommandanten, als wir Ab-
schied von einander nahmen, für das freund-
schaftliche Wohlwollen, das er, wie ich nicht
läugnen kann, immer für mich gehabt hatte; zu-
gleich erklärte ich ihm aber auch, daß es mir von
Herzen leid thue, daß der Prediger mitgehen müs-
se, und daß mehrere mit mir gerne gesehen hät-
ten, wenn er hätte bleiben dürfen. Der Kom-
mandant brachte einige Gründe dagegen an; war
aber übrigens voll Mäßigung und Verstellung.
Hätte er gewußt, daß ich dem guten Manne den
gedachten Brief mitgegeben, wir würden ge-
wiß nicht so freundschaftlich von einander geschie-
den seyn. Sein unvernünftiger Haß war so
groß, daß er es dahin zu bringen suchte, daß dem
Prediger die Kanzel möchte verboten werden; je-
doch zur Freude vieler aufrichtigen Menschen mis-
lang ihm diese Unternehmung, wofür er mir
nachher, wie in dem folgenden Kapitel gesagt wer-
den soll, meinen Lohn zu geben suchte.

Kurz nach der Abreise des alten Oberhaupts,
erhielten wir von dem Flusse Canje die Nachricht,
[Seite 122] daß die Caribischen Indianer aus dem Flusse
Corentyn, welches Feinde der Arewacken oder
der Einwohner von Berbice sind, das Haus, so
wir daselbst hatten, verbrannt hätten; daß un-
sere Leute genöthigt gewesen wären, sich mit der
Flucht zu retten; daß sie aber doch weiter keinen
Schaden gethan, und niemand getödtet oder ge-
fangen genommen hätten, weil sie beyzeiten von
drey Indianern wären entdeckt worden. Man
kann hiebey die Tapferkeit dieser Leute kennen ler-
nen. Unsere Besatzung bestand aus sieben Mann,
die auf erhaltene Warnung die Flucht nahmen,
und sich in das nächste Dorf postirten. Die Ca-
riben, bey denen es nicht sowohl auf unsere Leute,
als vielmehr auf ihre Feinde angesehen war, fie-
len das Dorf mit einem abscheulichen Lärmen
an; da sie aber sahen, daß sich sieben Christen
mit den Indianern verbunden hatten, ließen sie
den Muth sinken, und zogen sich, ob sie gleich
mehr als dreymal so stark waren, ohne einen
weiteren Versuch zurück. Auf diese Nachricht
schickte der Kommandant ein Aufgebot, woran
nach der gewöhnlichen Weise die Tage bemerkt
waren, an die umher wohnenden Indianer, um
[Seite 123] sie zu der Errichtung eines neuen Hauses zu be-
stellen; und wir zogen aus, um den Platz dazu
zu besichtigen. Vier Tage vor unserer Abreise
schickten wir drey Christen aus, um uns unter-
wegs Essen und Trinken, und eine bequeme Her-
berge zu bestellen. Darauf fuhren der Kom-
mandant und ich mit zwey Pferden dahin ab;
und ungeachtet dieß ziemlich schnell gieng, brauch-
ten wir doch vier Stunden, bis wir an die An-
furth kamen. Die Neger waren zwey Stunden
vorausgegangen, um Gras für die Pferde bereit
zu halten. Zwey andere, nebst sechs Indianern,
die das Gepäck trugen, begleiteten uns. Der
Weg war angenehm. Immer wechselten Felder
und Wälder ab; und immer hatten wir ebenes
Land, ohne die kleinsten Hügel oder Thäler.
Wir mußten zweymal mit den Pferden durch das
Wasser; und an dem Flusse Canje fanden wir
ein Fahrzeug, das uns an den Ort brachte, den
man zur Baustelle gewählt hatte. Hier trafen
wir eine große Menge Indianer an, die sich von
allen Orten her versammelt hatten, theils aus
Neugierde, um den neuen Kommandanten zu
sehen, theils um sich zur Arbeit gebrauchen zu
[Seite 124] lassen. Es war alles nach Landessitte gut ein-
gerichtet, und Essen und Trinken im Ueberflusse.
Der Erdboden diente uns zur Tafel, und einige
große grüne Blätter zu Tafeltüchern und Ser-
vietten. Vom Brantewein bekamen die India-
ner nichts; dagegen hatten wir aber vier Kannen
Kilduivel (Rum) mitgenommen, um sie ihnen
zum Geschenke zu machen. Dieß ist ein Getränke,
das leicht berauscht, und von dem wir weiter un-
ten noch sprechen wollen. Am Abend mußten
bereits etliche sich schlafen legen; und anderen
war der Kopf so benebelt, daß sie einen großen
Theil der Nacht mit Plaudern und Lachen zu-
brachten, und mich dadurch hinderten, das Süße
der Ruhe zu genießen. Den andern Morgen
wurde ein Vertrag zwischen uns und den India-
nern geschlossen, dem zufolge sie das Haus in-
nerhalb fünf Tagen fertig liefern, und ringsum
mit Pallisaden, mit Schießscharten darin besetzen
sollten; damit man in Zukunft nicht wieder möch-
te überrumpelt werden. Darauf wurde ihnen,
um sie desto eifriger in ihrer Arbeit zu machen, der
übrige Kilduivel geschenkt; und wir nahmen un-
sern Abschied, und kehrten auf demselben Wege
wieder zurück.

XI. Kapitel.

[Seite 125]

Ankunft eines Schiffes aus dem Vaterlande. – Groll
des alten Oberhaupts gegen den Verfasser. –
Sonderbares Schicksal eines Indianers. –
Trauriges Unglück zweyer Neger.

Es verstrich nun eine geraume Zeit, ehe wieder
ein Schiff aus dem Vaterlande ankam, und unser
Tisch fieng daher an, gewaltig mager zu werden;
denn unser Wein und Brantewein – Dinge, die
hier zu Land zur Erhaltung der Gesundheit sehr
nöthig sind – waren beynahe gänzlich aufge-
braucht. Endlich bekamen wir jedoch Nachricht,
daß ein Schiff an der Mündung des Flusses an-
gekommen sey. Sogleich wurde eine Barke da-
hin gesandt; allein nur allznbald mußten wir zu
unserm herzlichen Leidwesen hören, daß es nicht
so viel Vorrath mitgebracht habe, als wir bedurf-
ten, und gerne gehabt hätten. Die Ursache war
theils, daß es in Hamburg geladen hatte, theils
ein gewisser Groll gegen die Vornehmsten der
Colonie. Der Kapitain nämlich, der mein er-
stes Oberhaupt gewesen war, war ein rachgieriger
Mann, der zwar äußerlich Beleidigungen zu ver-
geben schien, im Herzen aber sie niemals vergaß.
[Seite 126] Doch dachte ich nichts weniger, als daß auch ich
unter der Zahl seiner Feinde stünde, wie mir
doch bald nachher deutlich bewiesen wurde. Das
Schiff segelte indeß den Fluß hinauf, und nach-
dem es vor dem Fort Anker geworfen hatte, be-
kam ich von dem Kommandanten den Auftrag,
den Kapitain zu bewillkommen. Ich fuhr da-
her nach seinem Bord, und wurde mit verstellter
Freundlichkeit nach der Cajüte genöthigt. So-
gleich setzte man mir geräuchert Fleisch, Butter,
Käse und weissen Zwieback vor. Auch wurde
der Wein bey dem Essen nicht gespart. Aber so
wie wir einige Gläser miteinander getrunken hat-
ten, und die Falschheit nicht länger verborgen
werden konnte, folgte auf die Fröhlichkeit ein
plötzliches Stillschweigen, dann ein dunkles
Brummen, und endlich die Frage: warum ich
die schöne feine Hangmatte, die mir der Kom-
mandant von Ysekepe als ein Geschenk für ihn
gegeben, mit einer anderm viel schlechtern umge-
tauscht hätte? – Dieß war wahr; aber ich
hatte durch sein Beyspiel gelernt, daß wer dem
Altar dient, davon leben muß. Auch hatte ich
ihm bey dieser Gelegenheit Dienste gethan, die
[Seite 127] durch keine Hangmatte, wenn sie auch noch zehn-
mal feiner gewesen wäre, bezahlt werden konn-
ten. – Doch dieß war nur Einleitung; denn
als er mir darauf mit verstelltem Lachen vorge-
halten hatte, ob er mich nicht immer wie sein ei-
genes Kind behandelt habe, und ich ihm diese
Frage mit Ja beantwortet hatte; fragte er wei-
ter, was mich denn bewogen hätte, ohne sein
Wissen, dem Prediger jenen Brief mitzuge-
ben. Ich sagte ihm, wir würden in der Folge
miteinander über die Sache sprechen können;
jetzt wäre ich gekommen, um ihn im Namen
des Oberhaupts zu bewillkommen, nicht alte
Schinken aus dem Salze zu holen; ich müsse
bald wieder ans Land zurück, und wünsche in
Freundschaft von ihm zu scheiden. Damit be-
friedigte er sich auch, ließ einen großen Birken-
meyer in die Cajüte bringen, und trank mir zu,
ohne weiter von diesen Verdrüßlichkeiten zu
sprechen. Sobald ich wieder am Lande war,
erzählte ich dem Kommandanten diesen Vorfall;
dieser sagte mir, daß er den Mann besser kenne
als ich, und daß er nur wünschte Gelegenheit zu
finden, ihm einen Strich durch seine Rechnung
[Seite 128] zu machen, da er dieß schon lange an ihm ver-
dient hätte. Das Feuer glimmte einige Tage
unter der Asche, wurde aber nicht ausgelöscht;
denn da wir eines Morgens miteinander nach
der Pflanzstädte der Mierenberg giengen, holte
er die Sache mit dem Prediger wieder hervor.
Ich sagte ihm mit kurzen Worten: ich hätte nach
meinem Gewissen gehandelt; auch der beßte
Mensch könne einen Fehltritt thun; es wäre nicht
rechtschaffen, einen Mann, weiter einmal ein
Glas zu viel getrunken habe, um sein ganzes
Glück zu bringen; man müsse sich nicht so seiner
Leidenschaft überlassen; u.s.f. Er wurde blaß
für Aerger, biß sich auf die Lippen, und schwieg
still; gab mir aber durch seine Mienen genugsam
zu erkennen, wie sehr er wünsche mich zu bezah-
len. Einige Tage nachher kehrten wir insge-
sammt mit dem Kommandanten wieder nach dem
Fort zurück, von wo aus wir uns verschiedene
male nach dem Schiffe verfügten, um uns lustig
zu machen; doch gieng ich nie allein dahin, so
freundlich ich auch dazu genöthigt wurde, weil
mir durch einen meiner Freunde, von dem er
glaubte, daß er sich mit mir entzweyet hätte, ge-
[Seite 129] sagt war, er denke mir durch seine Matrosen auf
eine schlimme Art mitspielen zu lassen, und sich
dann zu stellen, als hätte er gar nichts davon ge-
wußt. Ob ich nun gleich unter dem Schulze
des Oberhaupts mich sicher genug glaubte, so
suchte ich doch, mich mit dem Kommandanten
zu versöhnen, und ließ ihn deßwegen ansprechen.
Er stellte sich sehr befremdet hierüber, und sagte,
daß, weit entfernt böse gegen mich zu seyn, er im
Gegentheil einer meiner beßten Freunde wäre,
und bey allen verkommenden Gelegenheiten dieses
beweisen würde. Wie viel aber an dieser Ver-
sicherung war, zeigte sich bey verschiedenen Gele-
genheiten, wo er sich nicht so sehr bezwingen
konnte, daß nicht der dümmste Mensch hätte
merken müssen, daß in seinem Herzen etwas ver-
borgen läge, was er sich scheute blicken zu lassen.
Ich hielt mich daher ruhig, und vermied seine
Gesellschaft so viel ich konnte. Indessen kam
die Zeit der Abreise herbey. Wir waren dann,
der Gewohnheit gemäß, mit allen Herren Pflan-
zern auf dem Schiffe, das schon an der Mündung
des Flusses lag, fröhlich zusammen; und den
andern Tag stach es in die See, ohne daß der
[Seite 130] alte Kommandant, während seinem ganzen Auf-
enthalte zu Rio de Berbice, Gelegenheit hatte
finden können, seine Rachlust an mir zu büßen.

Als wir kaum wieder nach dem Fort zurück
gekommen waren, ereignete sich ein sehr merk-
würdiger Vorfall. Ein gewisser Indianer, der
nach dem Walde gegangen war, um Holz zu ha-
cken, wurde, während er mit seiner Arbeit be-
schäftigt war, von hinten durch einen Tieger(*)
angefallen, der ihm mit dem ersten Schlag ein
ziemliches Stück Fleisch aus der Lende wegriß,
und bey dem zweyten Angriff ihm die Klauen in
den Rücken setzte. Der Indianer ließ aus Schre-
cken das Beil fallen; faßte sich aber jedoch wie-
der, und rang so lange, bis er das blutgierige
Thier, ungeachtet es ihn mit Klauen und Zähnen
gepackt hatte, von vorne kriegte. Dann bekam
er Muth, und ergriff, während der Tieger auf
seinen Hinterfüßen stand, und ihm den Rachen
in den linken Arm gesetzt hatte, mit der rechten
Hand das Messer, das die Indianer an einer
Schnur um den Leib tragen, und stieß es ihm
[Seite 131] bis an das Heft in den Bauch; darauf riß et
die Wunde noch weiter auf, und stürzte die Be-
stie todt zur Erde nieder. Und gewiß, damit
durfte er nicht länger säumen; denn bald nach-
her fanden ihn einige Indianer, die nach demsel-
ben Walde gegangen warm, geschwächt durch den
starken Blutverlust, nicht weit von dem todten
Tieger, mit dem blutigen Messer in der Hand lie-
gen. Diese bemerkten, daß noch Leben in ihm
war, und brachten ihn nach dem Fort, wo er
durch die Sorgfalt unseres Arztes wieder voll-
kommen hergestellt wurde. Ich habe diesen ta-
pfern Indianer noch lange Zeit nachher gesehen,
und die Narben seiner Wunden waren noch so
kenntlich, als ob er sie frisch bekommen hätte.

Ungefähr eine Woche nach diesem Vorfalle
wurde uns Nachricht gebracht, daß zwey Neger
von der Pflanzstädte, der Mierenberg genannt,
während sie Zucker rührten, ich weis nicht durch
welche Unvorsichtigkeit oder Unglück – denn
man konnte keine rechte Erklärung darüber erhal-
ten – in den Kessel gefallen wären. Ich wurde
darauf nebst unserm Wundarzt dahin geschickt.
[Seite 132] Wir trafen zwar beyde noch lebendig an; allein
sie waren dergestalt zugerichtet, daß ich einen so
traurigen Anblick nicht ohne Thränen betrach-
ten konnte. Ihr ganzer Körper sah aus wie
geschunden; und der Löcher, die der siedende Zu-
cker hineingebrannt hatte, waren so viele, daß
man nirgends eine Hand dazwischen legen konnte.
Der Wundarzt wickelte sie, so zu sagen, ganz in
Pflaster ein; jedoch ein dritter Verband war
nicht nöthig. Sie starben beyde in dem äußer-
sten Jammer; der eine unter so heftiger Rase-
rey, daß man ihm, weil er alles, was er nur
fassen konnte, entzwey brach, Hände und Füße
hatte binden müssen. Inzwischen schien man
auf der Pflanzstädte nicht viel daraus zu machen,
man aß und trank, und war lustig. Denn weil
die Neger allem Ansehen nach doch sterben muß-
ten, bekümmerte man sich nichts darum, ob sie
viel oder wenig Schmerzen litten. So wenig
werden diese armen Menschen von den Christen,
die ihnen doch viel größere Liebe und Mitleiden
schuldig wären, geachtet.

Dieses ist das wichtigste, was mir bis jetzt
auf Rio de Berbice begegnet ist. Gegenwärtig,
[Seite 133] weil einige Zeit nichts von Belang vorgefallen
ist, werde ich den Leser mit einigen Merkwürdig-
keiten unterhalten, die die Beschaffenheit des
Landes, die Lebensart der Indianer, die Erd-
und Baumgewächse, die Thiere, Vögel, Fische
u.s.w. betreffen.

XII. Kapitel.

Beschaffenheit des Landes. – Beschreibung einer
gewissen Art Indianer, Warouwen genannt. –
Dienstfertigkeit der Indianer gegen die Christen. –
Andere Merkwürdigkeiten, die indianischen Män-
ner und Frauen betreffend.

Was die Beschaffenheit des Landes betrift, so
ist es durchgehends waldicht; und an verschiede-
nen Stellen stehen die Bäume kaum eine halbe
Meile von der See, längs welcher das Land auf
der Süd- und Nordseite hinläuft. Das vor-
derste Land wird, jedoch nicht sehr weit, bey der
Fluth überschwemmt. Die Christen fangen an
dem Ufer der See viele Hirsche;(*) die Indianer
aber geben sich die Mühe nicht, und begnügen
sich mit kleinen Krabben.

[Seite 134]

An der Gränze des Waldes hält sich eine
gewisse Art Indianer auf, die Warouwen heißen.
Diese wohnen hier sicherer, als irgend jemand in
der ganzen Gegend; denn es ist gar nicht mög-
lich ihren Häusern beyzukommen. Der Weg zu
denselben geht nähmlich über dicke Balken,
die zehn bis eilf Fuß hoch von der Erde auf eine
so sonderbare Art gelegt sind, daß kein Mensch
bey Tage so gut darüber weglaufen kann, als sie
bey der Nacht. Auch alle andern Indianer, von
welcher Nation sie immer seyn mögen, scheuen
sich davor; denn wenn sie einen Fehltritt thun,
so fallen sie mit bloßem Leibe in die Dornen, von
welchen der ganze Wald voll ist. Diese Wege
sind bald länger, bald kürzer, bis sie an höheres
Land kommen, welches sandicht ist, und wo sich
verschiedene Quellen mit süßem Wasser befinden.
Diese Warouwen bekriegen die Arewakken nie-
mals, und werden eben sowohl als die letzteren
von den Caribischen Indianern todt geschlagen;
wiewohl es selten geschieht, daß sie von ihnen er-
wischt werden. Ihre beyderseitigen Sprachen
sind ungefähr wie italiänisch und französisch von
einander verschieden; und die Warouwen können
[Seite 135] ganz leicht die Arewakken verstehen; aber nicht
so vollkommen die Arewakken die Warouwen.
Sie geben sich weder mit säen noch ärnten ab,
und nähren sich von der Fischerey und Jagd, die
sie für die Christen besorgen. Wenn die Zeit ist,
daß der Jarouw – ein Fisch von der Gestalt ei-
nes starken Rötlings(*), sieben bis acht Zoll
lang, doch nicht so weiß – gefangen werden
muß, so benachrichtigen sie die Christen davon,
die alsdann von dem Fort sowohl als den Pflanz-
städten kommen, um dem Fischfange beyzuwoh-
nen. Dieser Fisch wird in gewissen Körben, wo-
mit die Warouwen die Bäche und Quellen, die
von oben herunter kommen, verstopfen, gefangen,
und das in solchem Ueberflusse, daß die Christen
mit genauer Noth alles einsalzen können. Er
wird, wenn das Eingeweide herausgenommen,
und der Kopf abgeschnitten ist, auf dieselbe Art
wie die Heringe in Salz gelegt. Die Bezah-
lung für dieses Fischen besteht in Beilen, Mes-
sern und dergleichen Dingen, die die Warouwen
gegen andere Bedürfnisse wieder an die Indianer
vertauschen.

[Seite 136]

Die Werber zeigen sich unter den Warouwen
nicht so geschmückt und prächtig, als unter den
Arewakken; ihre Zierathen bestehen blos aus
Corallenschnüren, die kreuzweise um den Leib ge-
wunden sind; doch sind sie eben so schön, und
ihre Männer etwas eifersüchtiger, und zugleich
auch schamloser; denn meistens laufen sie umher
ohne ein Tuch vor ihren männlichen Theilen zu
haben, wohl aber befestigen sie ein Bändchen
um die Eichel, ziehen dieß denn gegen den Bauch
herauf, binden es um den Leib herum, und knü-
pfen es hinten fest.(*) Was ihre Stellung be-
trift, so sitzen sie entweder, oder sie kauern; und
[Seite 137] dieß auch dann, wenn sie eine Bank vorfinden;
die lange Gewohnheit hat ihnen diese Art zu
sitzen so bequem gemacht, daß sie sich gar nicht
auf eine andere einlassen. Uebrigens sind sie
eben so träge als die Arewakken, und beschäfti-
gen sich, wenn sie nicht die Noth dazu zwingt,
weder mit jagen noch schießen. Von den letzte-
ren haben wir oben schon weitläuftig gesprochen,
und fügen daher hier nur noch einige Bemerkun-
gen bey.

Ungeachtet ihrer außerordentlichen Trägheit,
sind sie doch sehr willig gegen die Christen, und
lassen sich von denselben verschicken und zu man-
cherley Diensten gebrauchen. Wenn wir einen
Brief nach Rio de Tamerary oder Ysekepe schick-
ten, war der Lohn ein Messer, das in Holland
anderthalb Stüber kostet. – Sie sind gar nicht
zärtlich noch lecker, und essen verschiedene Spei-
sen, wovor andere Nationen einen Abscheu haben
würden; so habe ich mehrmalen gesehen, daß sie
faul-gebrütete Eyer aßen,(*) die einen Gestank
[Seite 138] von sich gaben, der gar nicht auszuhalten war.(*)
Wenn man mit ihnen auf der Jagd gewesen ist,
bekommen sie allezeit dem Abfall vom Wilde,
Gedärme, Kaldaunen u. dgl., das sie mit Atty
kochen, und für einen guten Leckerbissen halten. –
Gottesdienst ist ihnen gänzlich unbekannt, auch
sondern sie keinen Tag von dem andern aus. –
Auch haben sie keine Gesetze oder bürgerliche Ver-
fassung, und wissen weder von Obrigkeit noch
Unterthanen. Doch giebt es einen Kapitain,
dem die Christen den Titel Prinz geben. Die-
ser hat noch das meiste zu sagen, und bekommt
aus dieser Rücksicht alle zwey Jahre aus dem
Vaterlande ein roth sergenes Kleid und einen
Hut, womit er auch gemeiniglich an dem Fort
erscheint. – Todtschlag geschieht sehr selten;
und wenn ein Indianer jemand tödtet, so kann
er alle Strafe damit büßen, wenn er der Wittwe
oder den Kindern einen Sclaven, oder eine Scla-
vinn an die Stelle des Erschlagenen giebt. –
[Seite 139] Das Kindergebähren, womit unter den euro-
päischen Nationen so viele Umstände gemacht
werden, geht hier ganz gemächlich von statten.(*)
Die Mutter läuft sogleich nach der Entbindung
nach dem Flusse, um sich und ihr Kind zu wa-
schen. Alsdann wird es, ohne daß man etwas
von Nabelbändern oder Windeln weis, zwey oder
drey Wochen in einer dazu gemachten kleinen
Hangmatte, die von der rechten Schulter nach
der linken hängt, von der Mutter auf dem Rü-
cken getragen; und nach der Zeit gerades Weges
in den Sand gesetzt, wo man es so lange wühlen
und kriechen läßt, bis es nach und nach Kraft
bekommt, sich von der Erde aufzurichten und ge-
hen zu lernen. Auch wissen die Kinder nicht so
[Seite 140] viel von Heulen und Schreyen, als in unserm
Vaterlande, und kriechen geduldiger auf dem
Boden umher, als sie bey uns bequem und warm
zugedeckt in der Wiege liegen. Ungeachtet aber
so wenig Sorge für die Kinder getragen wird;
so habe ich doch niemals Lahme oder Krüppel ge-
sehen, auch keinen der schielte; ausgenommen
einen, der eine lahme Hand hatte, und einen der
hinkte. – Gegen die Läuse haben sie eine tödtliche
Feindschaft. Wenn die Weiber sie einander ab-
klauben, so sitzen sie zu vier, fünf und sechs bey-
sammen; und so oft sie eine kriegen, beißen sie
sie zwischen den Zähnen todt;(*) fragt man sie
[Seite 141] um die Ursache, so sagen sie, daß sie uns glei-
ches mit gleichem vergälten.

Ich dachte hier noch eine Beschreibung, von
ihrer Art Krieg zu führen, beyzufügen; allein da
ich schon an zwey verschiedenen Orten davon ge-
sprochen habe, und nichts Wesentliches beyzuse-
tzen weis; so halte ich es für besser, es zu unter-
lassen, und meine Schrift nicht durch Wiederho-
lungen zu verlängern.

XIII. Kapitel.

Brod der Indianer, und Bereitung desselben. – Be-
schreibung der Erd- und Baumfrüchte. – Ver-
schiedene bey den Indianern, und selbst auch bey
den Christen gebräuchliche Getränke.

Nach dieser Erzählung der vorzüglichsten Merk-
würdigkeiten des Landes und der Einwohner,
will ich nun von dem, was es zum Unterhalt
und zur Bequemlichkeit des menschlichen Lebens
hervorbringt, sprechen, und zwar erstlich vom
Brode, als dem nothwendigsten Bedürfnisse.

Das Brod, womit man sich hier zu Lande
behilft, und auch ganz gemächlich behelfen kann,
wird aus der Wurzel eines Baumes, der
[Seite 142] Cassavy(*) heißt, gemacht. Dieser Baum
wächset gemeiniglich zu einer Höhe von acht, neun
bis zehen Fuß, und gleicht in seinem Blatte
ziemlich der Esche. Wenn man ihn pflanzt,
wird der Boden etwas umgehackt, so wie man
es beym Pflanzen des Zuckers zu thun pflegt.
Alsdann werden einige Stücke Holz von diesem
Baume in die Erde gelegt, aus welchen nachher
der Baum hervorsprießt, indem man die andern
schwächeren Sprossen abschneidet. Die Wurzel,
aus der, wie wir oben gesagt haben, das Brod
eigentlich gemacht wird, ist ziemlich hart. Sie
wird, nachdem die Haut davon abgeschabt ist,
auf einem dazu eingerichteten Steine geraspelt,
und dann in eine ungefähr vier Fuß lang, und
sehr dicht aus Rohren geflochtene Presse(**) ge-
than. Alsdann setzen sich die Frauen auf den
Deckel dieser Presse, und drücken diesen durch
[Seite 143] die Schwere ihres Körpers dergestalt nieder, daß
alles Nasse durch eine unten angebrachte Oeff-
nung abläuft. Das Abfließende wird in einem
Topfe aufgefangen, und mit Atty oder Pfeffer
gekocht; denn wenn es ungekocht gegessen oder
getrunken wird, ist es ein schreckliches Gift. Wir
hatten das Unglück, dieß an einigen unserer
Schweine bestättiget zu finden, die davon fraßen,
und augenblicklich starben. Uebrigens ist es zu-
ckersüß, und schmeckt ziemlich angenehm. Wenn
die geraspelte Wurzel nun so ausgepreßt ist, wird
sie in eine runde eiserne Pfanne gethan, und,
nach Maaßgabe des künstigen Gebrauchs, gelin-
der oder härter gebacken. Zum Getränke nähm-
lich muß sie viel härter, und bis zum Anbrennen
gebacken werden; zur Speise aber gelinder. Es
giebt ein gutes schmackhaftes Brod, das mir bes-
ser dünkt, als der gewöhnliche Schiffzwieback.
Auch kann es so gemacht werden, daß es wohl
zwey Jahre gut bleibt; nur gehören alsdann
gute Zähne dazu, es zu kauen.

So viel über das Brod der Indianer. Von
den andern Speisen, Fleisch nähmlich und Fischen,
soll nachher gehandelt werden, wenn ich erst ei-
[Seite 144] niges von den Erd- und Baumfrüchten, den ver-
schiedenen Getränken u.s.w. werde gesagt haben.

Unter den mancherley Erdfrüchten, die die
gütige Natur hier zu Lande erzeugt, findet man
auch eine Art Böhnchen, die an Schmackhaftig-
keit unsern vaterländischen gar nicht nachstehen.
Sie wachsen im Ueberfluß; werden aber doch von
den Christen ordentlich gepflanzt und ausge-
hülset.

Es giebt noch eine andere Art Böhnchen, die
wild wachsen, von der Größe unserer Schoten-
erbsen sind, und eine auf der Oberfläche rauhe
Schale haben. Dieses Rauhe, das ganz kurz,
und feiner als ein Haar ist, ist das beste Kribbel-
kraut, das man nur finden kann. Denn wenn
man etwas davon auf den Finger nimmt, und
jemand irgend einen Theil des Körpers damit be-
streicht, so verursacht es ein unerträgliches Jü-
cken, das länger als eine halbe Stunde anhält,
und so schmerzlich ist, daß man nicht einen Au-
genblick sich des Kratzens erwehren kann. Ob
übrigens das Innere dieser Böhnchen gut zu
essen ist, weis ich nicht. Sie laufen in die Höhe
[Seite 145] wie die Schminkbohnen, haben aber ein viel
kleineres Blatt.

Artischocken, die man hieher geführt hat, ge-
rathen sehr wohl; und man würde gewiß noch
viel mehr aus ihnen machen, wenn die holländi-
sche Butter weniger rar wäre. – Auch der Sel-
lery kommt gegenwärtig ziemlich gut fort.

Melonen und Gurken, von derselben Art
wie in unserm Vaterlande, hat man das ganze
Jahr hindurch.

Portulak wächst an vielen Orten wild, und
ist sehr gesund.

Jammes(*) und Petaddes(**), inländische
Erdgewächse, giebt es in großer Menge; weisse
sowohl als rothe. Sie sind mehlartig, und ge-
ben einen sehr schmackhaften Salat, vorzüglich,
wenn sie mit etwas grünem, als Portulak, Senf-
blättern u. dgl. gekocht werden. Diese Jammes
und Petaddes werden, wenn sie geraspelt sind,
von den Indianern häufig unter die Orianefarbe
vermischt. Auch macht man ein Getränk daraus.
Sie wachsen wie die Gurken; nur sind die Blät-
ter viel kleiner.

[Seite 146]

Der Weinstock gedeiht außerordentlich. Wir
hatten einen Weingarten hinter dem Fort, in un-
serm Hofe, der des Jahrs dreymal reife Trauben
lieferte.

Zuckerrohr wächst sehr geil, und in großer
Menge. Es kann drey Jahre nacheinander
Frucht tragen; aber das vierte kommt es sparsa-
mer und giebt keinen Saft. Es steht zwölf Mo-
nate, ehe es gekappt wird.

Der Tobak, ob er gleich nicht zur Speise ge-
braucht wird, verdient doch hier auch eine Stel-
le. Es wächset so viel, als verbraucht werden
kann; doch ist er nicht so gut als der Virgini-
sche, und schwerer im Rauchen.

Die Baumfrüchte sind auch vorzüglich gut,
und einige derselben so schmackhaft, daß die va-
terländischen gar nicht in Vergleich damit kom-
men. Hieher gehören z.E. die Wasserlimonen,
die diesen Namen nicht haben, weil sie im Was-
ser wachsen; – denn die Bäume stehen eben so-
wohl als andere aus dem Lande – sondern weil
sie sehr wässericht und kühl sind; dessen ungeach-
tet kann man aber doch ohne die geringste üblen
Folgen, so viele davon essen, als man will. Sie
[Seite 147] sind von außen grün, von innen aber röthlicht,
gleich Apfelblühten.

Die Orangenbäume sind ungemein groß.
Bey dem Fort ist ein Hain davon, der 80 bis
100 Ruthen lang, und mit Limonienbäumen
eingefaßt ist. Dieses ist ein sehr angenehmer
Spaziergang, sowohl wegen des Schattens, als
auch wegen des angenehmen Duftes; denn man
findet beständig Blühten, grüne und reife Früch-
te. Letztere sind von der Größe eines gewöhnli-
chen Apfels, und schmecken eben so gut, als sie
riechen. Die Litnonen sind etwas kleiner, unge-
fähr wie eine Zuckerbirn, doch äußerst saftig.
Wir ließen jährlich zehn bis zwölf Faß pressen,
und schickten dem Saft davon nach Holland.

Die Dattelbäume sind auch außerordentlich
gut. Dieser Baum hat ein Mark, das, roh
gegessen, so gut schmeckt als eine Nuß, und ge-
dämpft, vollkommen dem Kohle gleicht. Das
Holz ist sehr hart, und möchte wahrscheinlich
vortheilhaft gebraucht werden können; allein
man hat hier zu Land nicht genug Kenntniß von
den Eigenschaften der Dinge.

[Seite 148]

Der Gujavis(*) ist gleichfalls eine ange-
nehme Frucht. Er wächset in den Savaanen
oder Wiesen, an zwey bis drey Zoll dicken Bäum-
chen. Gedämpft schmeckt er beynahe wie Quit-
ten; roh hat er einen ähnlichen Geschmack, nur
zieht er etwas den Mund zusammen. Die Far-
be ist gelb, und die Größe wie bey einem kleinen
Apfel.

Man findet auch eine gewisse Frucht, die
Cajouw-Apfel(**) genannt wird. Diese wächst
an Bäumen, die wie gewöhnliche Apfelbäume
aussehen; ist außerhalb roth und länglicht; zieht
den Mund etwas zusammen; und wird für ein
gutes Mittel gegen den Durchfall gehalten.

Außerdem giebt es eine Art Aepfel, Yet-
Aepfel(***) genannt. Sie haben die Gestalt
eines Fichtenapfels, und die Größe eines gemei-
nen Apfels. Anstatt des Kernhauses haben sie
einen sehr großen Stein. Um diesen liegt einen
guten Messerrücken dick eine gewisse mehlartige
[Seite 149] Materie, von gelber Farbe; diese hat die Eigen-
schaft, daß, wenn man acht oder zehen von diesen
Aepfeln ißt, der Körper so einen gelben Schweiß
ausdünstet, daß es selbst an den Hemden sichtbar
wird. Diese Frucht wächst an einem Baume
von gewöhnlicher Größe, der birnbaumähnliche
Blätter(*) hat.

Die Feigen sind höchst schmackhaft, apfel-
blühtenfarben, und so groß wie eine Birn. Sie
hängen beynahe das ganze Jahr hindurch an den
Bäumen.

Es giebt auch noch ein gewisses kleines Bäum-
chen, das dem Kirschbaume ähnlich ist, und eine
besondere Art von Nüssen, Purgier-Nüsse(**)
genannt, trägt. Sie wachsen in einer Schale,
die, wenn sie reif ist, schwarz aussieht; sind
schmackhafter als eine Haselnuß, und nicht so
[Seite 150] hart. Sie müssen jedoch mit Vorsicht gegessen
werden. Denn wenn man nicht ein gewisses
Häutchen, das mitten in dem Kern sitzt, rein
heraus macht, so verursachen sie Uebelkeit,
Schwindel und heftigen Durchfall. Außer je-
nen Häutchen aber haben sie ganz und gar nichts
Schädliches. Neulinge werden daher gemeini-
glich damit betrogen.

Außer diesen gemeldeten Bäumen hat man
auch Ananas, Benanes, Bakoves(*) u.s.w.
lauter Früchte von ausnehmender Delicatesse, die
alle im Ueberflusse zu bekommen sind.

Die Marmelade(**) ist gleichfalls eine le-
ckere Frucht. Sie wächst an Bäumen von ge-
wöhnlicher Größe, zwischen zwey Schalen, bey-
nahe so wie die römische Bohne; doch sind die
Schalen nicht so dick, wohl aber eben so breit.
Diese Frucht ist von außen gelb, und von innen
röthlicht, und schmeckt wie eine Confitüre.

Der Atty oder spanische Pfeffer wächst an
Bäumchen, die der Johannisbeerstaude glei-
[Seite 151] chen. Wenn man sie pflanzt, wird der Saame
gekocht, und so ausgesäet.

Man könnte noch einige andere Erd- und
Baumgewächse anführen; indeß sind dieß die
vornehmsten. – Was das Getränk anbelangt, so
hat man verschiedene Arten desselben, alle aber
werden auf eine unreinliche Art zubereitet.(*)

Erstlich hat man Beltiry; diese wird aus
Carsavy-Brod gemacht, welches alte Weiber
kauen, und mit einer großen Menge Speichel ver-
mischen. Diese gekauete Brocken läßt man mit
ungefähr dreymal so viel Carsavy-Brod weichen,
[Seite 152] bis sich beydes zu einem dicken Brey setzt, alsdann
wird es ganz ordentlich zwischen Blätter gelegt,
und aufgehoben. Wenn nun Getränk gemacht
werden soll, so nimmt man eine Handvoll davon,
und mischt dieß unter das Wasser. Bey dem
Trinken muß man die Zähne dicht auf einander
schließen, damit die Brocken davor liegen bleiben.

Payewar wird beynahe auf dieselbe Weise
zubereitet; nur läßt man ihn eine Nacht stehen,
wodurch er einen säuerlichen nicht unangenehmen
Geschmack annimmt. Wir lassen dieß Getränk
durch eine Brodpresse gießen, in welcher dann
die Brocken liegen bleiben.

Pernouw oder Bassia wird gleichfalls aus
gekautem und ungekautem Carsavy-Brod ge-
macht, nur muß das letztere hiezu stärker gebrannt
seyn, und in einer größern Menge genommen
werden. Diese Mischung wird durch eine Presse
gegossen, gährt alsdann drey oder vier Tage,
und giebt einen guten Schaum. Es ist dieß
ein gutes Getränk, das die Farbe und den Ge-
schmack des Bieres hat; nur wird es nicht so
klar. Uebrigens ist eine Portion für einen oder
[Seite 153] zwey Stüber hinlänglich, uns ziemlich betrunken
zu machen.

Commany wird vorzüglich auf Ysekepe ge-
macht. Man nimmt, so wie zu allen hiesigen
Getränken, gekaute Brocken, und hart gebacke-
nes Carsavy-Brod, das einige Zeitlang gelegen
hat, und über und über schimmlicht geworden
ist. Hierunter mengt man verbrannte, in lauem
Wasser geweichte Carsavy-Kuchen. Dieß giebt
eine Art von Morgengetränk, das berauschend
ist, aber einen etwas widrigen Geschmack hat.

Cassyry ist ein Getränk, das aus rothen
Jammes und Petaddes, gekauten Brocken und
Carsavy-Brod gemacht wird. Es wird auch
durch eine Presse gegossen, gährt alsdann zwey
oder drey Tage, und ist ein ganz guter und
schmackhafter Trank.

XIV. Kapitel.

Verschiedene Arten von Bäumen, die zu Rio de Ber-
bice gefunden werden.

Außer den mancherley Fruchtbäumen, von de-
nen wir vorher gesprochen haben, giebt es auch
verschieden andere Arten Bäume, die zwar keine
[Seite 154] Frucht tragen, aber doch anderweitigen Nutzen
haben.

Hieher gehören erstlich die Cederbäume.(*)
Diese wachsen in Ueberfluß, und werden zu Bret-
tern geschnitten, aus denen man Kisten verfertigt.
Einige dieser Bäume sind so dick, daß die Bret-
ter bis drey Fuß breit sind.

Eine andere gute Holzart ist das Eisen- oder
Sinkholz.(**) Es hat diesen Namen, weil es
im Wasser seiner Schwere wegen zu Grunde geht.
Es ist sehr gut, um Dinge daraus zu machen,
die viele Gewalt aushalten müssen.

Auch findet man Brasilienholz;(***) doch
wächst dieß meistens in Ysekepe, und kostet fast
eben so viel zu hacken, als es werth ist.

Cattunbäume(†) sind in Menge durch das
Land verstreut; meistens aber stehen sie bey den
Häusern der Indianer, die indeß wegen ihrer
angebohrnen Faulheit, gar nicht den Gebrauch
davon machen, der wohl davon gemacht werden
könnte.

[Seite 155]

Auch sieht man um die Häuser der Indianer
eine gewisse Art Bäume,(*) die so groß als ein
niedrigstämmiger Apfelbaum sind, und ein Blatt
haben wie eine Birn. Diese tragen das ganze
Jahr hindurch eine Frucht, Oriane genannt, die
sowohl hier als im Vaterlande für eine gute Far-
be bekannt ist. Die Schale ist röthlich und sta-
chelicht, gleich den Karden, die die Tuchscheerer
gebrauchen; doch sind die Stacheln schlaffer als
bey jenen Karden. Innerhalb sieht die Schale
weißlicht aus, und enthält acht bis zehen Kügel-
chen Farbe, die nicht so groß sind als eine weisse
Erbse. Diese sammeln die Indianer, und ver-
mischen sie mit geraspelten Jammes oder Petad-
des und etwas Krappöl, um sie vor dem Wurm,
der die Kraft der Farbe verzehrt, zu bewahren.

Die Krappbäume(**) wachsen überall in den
Wäldern. Die Schale oder Nuß hat die Größe
einer Kastanie. Außer der guten Farbe, die dar-
aus bereitet wird, liefert der Krapp auch, wenn
[Seite 156] er gestampft und in die Sonne gesetzt wird, eine
Art Oel, das für gichterische Personen sehr heil-
sam ist. Wenn die leidenden Theile vor einem
Feuer von Eichenholz mit diesem Oele bestrichen
werden, fühlen die Patienten in wenigen Augen-
blicken Erleichterung ihrer Schmerzen. Die
Krappnüsse werden zu dem Ende auch wohl ganz
gekocht, und alsdann getrocknet und gestampft
in die Sonne gesetzt, die zwar auch so das Oel
in großer Menge auszieht; allein es ist doch
nicht so kräftig und heilsam.

Es giebt auch etliche Arten Bäume, aus
denen man Gummi ziehen könnte. Ich habe
selbst sieben oder achterley gehabt, doch ohne zu
wissen, wozu sie zu gebrauchen wären.

Gittegamba(*) (Gummigut) würde es auch
überflüßig geben, wenn die Indianer nicht zu faul
wären, Oeffnungen in die Bäume zu machen,
und es zu sammeln. Man könnte mir einwerfen,
daß die Christen es thun müßten, allein diese
haben aus mehrern Ursachen dazu keine Gele-
genheit.

[Seite 157]

Ich zweifele nicht, daß sich auch Medicina-
lia(*) finden, allein man hat noch keine hin-
längliche Aufmerksamkeit auf dergleichen Dinge
gewendet.

Die hohlen Bäume, die sich hin und wieder
in den Wäldern finden, liefern auch eine Menge
Honig, welcher von den Indianern, vornehmlich
den Marouwen, in kleinen Partieen, so wie sie
ihn aus den Bäumen holen, zu Kaufe gebracht
wird. Das Wachs ist ganz ungewöhnlich schwarz.
Wir ließen unsere Kerzen daraus machen. Bis-
weilen wird es auch, wenn die Indianer den Ho-
nig selbst behalten, in Rollen oder Scheiben zu
Kaufe gebracht.

Um alles mit einem Worte zu sagen; das
Land würde sehr gut und fruchtbar seyn, wenn
es andere Menschen als die Indianer zu Einwoh-
nern hätte.

XV. Kapitel.

[Seite 158]

Verschiedene Arten von Thieren, Vögeln und Fischen,
nebst merkwürdigen Eigenschaften derselben.

An allen bisher erzählten Dingen, die zum Le-
ben des Menschen nothwendig sind, oder demsel-
ben einigen Nutzen und Vergnügen gewähren,
hat man zu Rio de Berbice auch keinen Mangel
an Vieh, Vögeln u.s.w. Da ich mir vorge-
nommen habe, hievon in diesem Kapitel zu han-
deln; so werde ich zuerst von denjenigen Thieren,
die den Menschen zur Speise dienen, sprechen,
und dabey auch einiger andern Arten gedenken;
und darauf zu den Vögeln und Fischen überge-
hen. Ich fange mit dem Wildpret, als dem,
meiner Meynung nach, vorzüglichsten Fleische
an, und gebe unter diesem die erste Stelle dem
Hirsche(*) und Rehe.(**)

Beyde giebt es in großem Ueberflusse, nur
sind sie wegen ihres scheuen Wesens nicht immer
[Seite 159] leicht zu schießen. Ich habe bisweilen etliche
zwanzig bey einander gesehen, wenn sie sich aber
unter dem Winde befinden, kann man niemals
zum Schusse kommen. Viele werden in dem
Wasser gefangen, auf das man sie zutreibt, um
sie mit geringerer Mühe zu bekommen. Sie
sind sehr stark im Schwimmen, und geben dem
Jäger, wenn er sie nehmlich nicht sogleich todt
haben will, durch ihren Widerstand eben so viel
Arbeit als Unterhaltung. Wir hatten auf dem
Fort gemeiniglich alle Wochen ein oder zwey
Stücke, bisweilen auch mehrere, je nach dem
Gelegenheit war, oder wir Mühe anwenden woll-
ten. Die Indianer müssen keinen so guten Ge-
schmack daran finden als die Christen; denn ich
habe einmal für ein Messer, das zwey Stüber
werth war, ein ganzes Reh gekauft. Das Fleisch
ist etwas trocken. Es verdient angemerkt zu
werden, daß man einem Hirsch oder Reh, so
bald es geschossen ist, die Nase abschneiden muß,
sonst sind sie in einer Zeit von zwey bis drey
Stunden stinkend. Die abgeschnittene Nase
giebt auch einen so abscheulichen Geruch von sich,
daß man sie augenblicklich wegwerfen muß.

[Seite 160]

Auch Hasen(*) giebt es in großer Menge;
sie sehen aber etwas anders aus als die unsrigen.
Der Rücken ist braun mit weissen Flecken; der
Bauch weiß, und die Läufe und Ohren kurz, so
daß sie mit andern Hasen gar keine Aehnlich-
keit haben. Der Geschmack ist sehr delicat, wie-
wohl gar nicht hasenmäßig; denn das Fleisch ist
durchaus mürbe und so weiß als Kalbfleisch.
Man brüht sie in heißem Wasser, schabt die Haa-
re ab, und kocht sie in der Haut; es sey denn,
daß man sie braten oder dämpfen will.

Kaninchen(**) sieht man in Ueberfluß; doch
sind sie nicht so gut als die holländischen. Das
Fleisch ist trockener, und daher nicht so schmack-
haft. Der Kopf allein gleicht etwas unsern Ka-
ninchen, wenn man nähmlich die Ohren abrech-
net, welche eben so wie die Läufe ganz kurz sind.
Das Haar ist durchgehends grau. Sie halten
sich in den Wäldern auf, und werden eben so
wie die Hasen, mit Hunden gejagt.

[Seite 161]

In nicht geringerer Menge findet man die
wilden Schweine(*); sie werden aber selten auf
dem trockenen oder hohen Lande gefangen, da sie
sich meistens an dem Flusse aufhalten. Im Mo-
nate April laufen sie, worauf die Warouwen ge-
naue Acht haben. Es machen sich alsdann eini-
ge Fahrzeuge von dem Fort und den Pflanzstäd-
ten bereit, und versehen sich wohl mit Salz.
Wenn sich diese dann nach dem Platze verfügt
haben, wo die Jagd geschehen soll, so postiren
sich die Indianer hier und da mit Pfeil und Bo-
gen in der Hand. Die Schweine laufen alle
hintereinander, und geben so Gelegenheit, sie
desto bequemer zu treffen; doch wird niemals das
erste von dem Trupp geschossen, wohl aber das
zweyte oder dritte. Wenn sie verwundet sind,
wohin sie auch immer der Pfeil getroffen haben
mag, lassen sie die Indianer geradezu fortlaufen,
bis sie durch den Verlust des Blutes todt zur
Erde niederfallen. Alsdann, wenn nähmlich
der ganze Trupp passirt, und das Geschossene
auf der Spur verfolgt, und den Christen hinge-
[Seite 162] bracht ist, so fangen diese ihre Arbeit an, sengen
die Borsten ab, schneiden alle Knochen aus, und
legen das Fleisch stückweise wohl gesalzen in Ton-
nen. Dieß giebt eine sehr gute Speise; niemals
aber habe ich etwas angenehmeres gegessen, als
ein junges frisches Ferken, und eben dieß gilt
auch von den Hasen, von denen ich kurz vorher
gesprochen habe. – Die Natur scheint übrigens
in Ansehung dieser Thiere auf eine verkehrte Art
gehandelt zu haben; denn anstatt alle andere
Thiere den Nabelunter dem Bauche haben,
haben diese ihn auf den Rücken(*), wie ich
mich deßfalls auf das Schwein berufe, das le-
bendig nach Vlissingen geschickt wurde. Sie sind
übrigens nicht so groß, als an andern Orten;
das größte wiegt ungefähr 60 Pfund.

Es wurden verschiedentlich zahme Schweine
aus Holland geschickt, um auch diese Art hieher
zu verpflanzen; allein sie wurden so übermäßig fett,
daß sie ihre Jungen nicht aufbringen konnten.(**)
[Seite 163] Und doch wurde ihnen niemals Futter vorge-
worfen; sie wußten es aber wohl aus den umlie-
genden Wäldern sich zu holen.

Kühe laufen in Menge wild herum. Sie
sind ehemals zahm gewesen, geriethen aber durch
die Vernachläßigung der Menschen in die Wäl-
der, wo sie eine wilde Art angenommen haben.
Man schießt sie geradezu nieder, weil man sie ih-
rer Wildheit wegen nicht schlachten kann. Nie-
mals habe ich Schmeer bey ihnen gefunden; auch
Nierenfett haben sie sehr wenig. Im Anfange,
als ich erst nach Rio de Berbice gekommen war,
wurde alle vierzehen Tage eine geschossen; aber
nachher kam dieß außer Gebrauch. Unter mei-
nem zweyten Oberhaupte ließen wir gemeiniglich
alle drey oder vier Wochen eine Partie in einen
Umkreis von Pfälen, die zu dem Ende eingeschla-
gen wurden, treiben, und nahmen ihnen ihre
Kälber ab, und setzten diese in einen Stall; al-
lein, es schien alles Zahme bey ihnen verschwun-
den zu seyn; denn sobald sie ins Freye kamen
liefen sie wieder in den Wald.

Hunde sieht man von verschiedenen Arten,
mit den Indianern laufen, eben so wie bey uns.
[Seite 164] Sie werden von jung aus zu verschiedenen Gat-
tungen von Jagd abgerichtet, und stehen bey ih-
nen in großer Achtung. Sie wissen ein Schwein
zu halten, und sich mit besonderer Behendigkeit
vor den Hauern desselben zu hüten. Wenn ein
Hund hinter einem Wilde ist, weis der Jäger
an dem Bellen des Hundes, von was für einer
Gattung dasselbe ist; denn nach der Verschie-
denheit der Jagd ist auch das Bellen des Hundes
verschieden. Eine große Plage für die Hunde
sind die Buschwürmer(*); diese wachsen zwi-
schen Fell und Fleisch, und sind im Anfange sehr
klein; wenn sie die Größe des Gliedes eines
Fingers erreicht haben, drückt man sie heraus.

Tieger(**) giebt es ziemlich viel; doch hört
man selten, daß sie Menschen anfallen. Die
Ursache ist, daß genug andere Thiere sind, an
denen sie ihre Raubgier auslassen können. Doch
ereignet es sich bisweilen, daß sie sich auch an
Menschen machen, wovon wir oben ein Beyspiel
angeführt haben. – Man sieht einige, die fünf
bis sechs Fuß lang sind. – Auch giebt es eine
[Seite 165] Art kleiner Tieger(*), die man Katzentieger
nennt, wahrscheinlich, weil sie nicht viel größer
als eine starke Katze.

Zahlreicher als irgend eine Art von Thieren
sind aber die Meerkatzen. Wenn man längs
dem Flusse hinfährt, sieht man eine solche Men-
ge, daß Neuangekommene sich nicht genug ver-
wundern können. Man hat sehr viele Arten
derselben, als Grolders, Ytoerybalys, Loots-
mannen, Bakkers, Kaboutermannetjes, Doodts-
hoofdjes u.s.w.

Die Grolders werden so genannt, well sie
des Nachts ein Geschrey machen, als wenn je-
mand grölt oder gurgelt.

Die Ytoerybalys sehen aus wie alte runze-
lichte Mütterchen, und haben keine Haare an dem
Hintern. Diese Art ist sehr garstig, und giebt
einen unangenehmen Anblick.

Die Lootsmannen haben lange hübsche Bär-
te unter dem Kinn, und geben sich ein gewisses
großes Ansehen.

Die Bakkers werden so genannt, weil sie die
vordersten Pfoten beständig so bewegen, als je-
mand, der Brod knetet.

[Seite 166]

Die Kaboutermannetjes haben wahrschein-
lich diesen Namen, weil sie so fertig durch die
Bäume springen können. Bald sieht man sie
hier, bald da, und das mit einer solchen Ge-
schwindigkeit, daß man kaum das Auge auf ih-
nen behalten kann.

Die Doodtshoofdjes sind sehr kleine nette
Thierchen. Sie sitzen gemeiniglich auf größeren
Meerkatzen, die sie, wenn sie hungrig werden, so
lange beißen, bis sie sie auf irgend einen Frucht-
baum bringen, wo sie etwas zu fressen finden.

Alle diese Gattungen von Meerkatzen dienen
den Indianern zur Speise. Ich für meine Per-
son konnte wenig Geschmack daran finden; wahr-
scheinlich, weil sie nicht gut zubereitet waren.
Die, von der ich aß, war geberbekotet, oder auf
indianische Art gebraten. Es geschieht dieß, wie
ich anderswo schon gesagt habe(*), auf einem
hölzernen Roste, der ungefähr zwey Fuß über der
Erde steht. Hierauf wird die Speise gelegt,
oben mit Blättern zugedeckt, und bey ganz we-
nigem Feuer gar gebraten. Aber alles, was auf
diese Art zubereitet wird, fällt ziemlich trocken
[Seite 167] aus. Und dieß war auch die Meerkatze, der man
vorher blos das Haar abgebrannt hatte, wodurch
dann die Haut ganz abscheulich aussah.

Schildkröten hat man auf dem Lande; im
Wasser habe ich nie welche gesehen. Sie wer-
den in den Wäldern gefunden, und durch die In-
dianer zu Kaufe gebracht. Die größesten sind
zwölf bis funfzehn Zoll lang, und verhältniß-
mäßig dick und breit. Wenn man sie essen will,
wird die unterste Schale abgehackt, und alsdann
alles herausgeschnitten. Als Suppe zugerichtet,
ist es ein recht gutes Essen. Die oberste und
unterste Schale, vor dem Feuer gebraten, ist ein
kleiner Schmaus. Die Leber sieht fast eben so
aus, wie bey einem Rochen, ist aber ungleich de-
licater.

Nicht minder schmackhaft sind die Ameisen-
fresser(*), ein langleibiges Thier mit einem lan-
gen haarigen Schwanze, kurzen Pfoten und brau-
nen Haaren. Sie haben diesen Namen, weil sie
mit ihrer scharfen und langen Zunge die Ameisen
aus ihren Löchern zu holen wissen.

[Seite 168]

Unter den Wasserthieren sieht man auch Cro-
codiles(*); jedoch sind ihrer nicht viele. Es
wurde uns ein einzigesmal einer lebendig zu Kau-
fe gebracht. Er war in einander gerollt, und
ungefähr drey und einen halben Fuß lang. Er
wurde umgebracht und auf zweyerley Art zuge-
richtet; schmeckte aber weder nach Fisch noch
Fleisch. Inzwischen kann ich sagen, daß er, man
mag ihn für Fleisch oder Fisch halten, so weiß
wie Kreide war, und einen leckern Geschmack
hatte. Auf allen meinen Reisen durch das Land
habe ich ein einzigesmal einen Crocodil gesehen.
Ich schoß darauf, kriegte ihn aber nicht, weil die
Kugel auf den Schuppen abglitschte.

Weiter oben in dem Flusse werden auch bis-
weilen Seekühe gefangen; von denen ich aber
wenig sagen kann, weil ich sie nie gesehen habe.
Gleichwohl habe ich von dem Fleische, so wie
es die Indianer zubereiten, gegessen; und glaube,
daß es auf eine bessere Art zugerichtet, nicht un-
schmackhaft seyn muß.

Auch muß ich den kleineren Thieren, die
nicht gut unter eine Klasse zu bringen sind, hier
[Seite 169] eine Stelle geben. Unter diesen sieht man eine
Menge Eidexen, welche durchgehends eine schöne
grüne Farbe haben, die in der Sonne einen leb-
haftern Glanz von sich giebt, als irgend die Fe-
dern eines Vogels. Sie sind sehr behende und
schnell.

Ferner giebt es sehr viele Liguanen.(*) Sie
sind an Farbe und Flecken den Eidexen nicht un-
ähnlich, jedoch viel größer; denn den Schwanz
abgerechnet, sind sie wohl anderthalb Fuß lang.
Sie legen gemeiniglich an die dreyßig Eyer, die
blos mit einer Haut umgeben sind. Ich habe
oft davon gegessen, und fand sie ganz schmack-
haft.

Heuschrecken habe ich nirgends von der Grö-
ße gesehen. Eine, die Herr von Graaf zu Yse-
kepe seiner Größe wegen aufbewahrte, war über
fünf Zoll lang.

Eine verhältnißmäßig nicht minder ansehn-
liche Gestalt haben auch die Ameisen(**), die
über einen halben Zoll lang sind. Sie thun,
so viel man mit Gewißheit weis, keinen Scha-
[Seite 170] den. Inzwischen ereignet es sich alle sieben oder
acht Jahre, daß die Wurzeln vom Carsavy, To-
bak und andern Früchten weggefressen werden,
und dieß schreibt man, ohne aber der Sache ge-
wiß zu seyn, den Ameisen zu. Ich habe ein
solches Jahr erlebt, und sah unter andern, daß
ein Soldat für eine Pfeife Tobak zwey Stunden
lang Schildwache stand. Denn die Wurzeln
des Tobaks waren alle abgefressen, wodurch dann
die Pflanze vertrocknete.

Kakkerlacken(*) findet man blos in den
Häusern der Christen; sie sind braun, und ha-
ben einen sehr platten Leib, daher sie leicht durch
die Ritzen in Kisten und Kästen schliefen können.
Doch thun sie, außer an Linnen und Wollen, kei-
nen Schaden. Sie kommen meistens des Abends
zum Vorschein, und haben, eben so wie einige
Arten unserer Käfer, Flügel. Die größten sind
ungefähr einen Zoll lang.

Spinnen giebt es kleine und große.(**) Ich
habe zwey gehabt, die, wenn man sie aufsetzte,
[Seite 171] mehr Platz einnahmen, als eine flache Hand.
Der Körper allein hatte die Größe eines halben
Reichsthalers. Sie sind schwarz und rauch,
und haben Zähne. Ob sie vergiftet sind, wie
einige behaupten, weis ich nicht. Wenigstens
habe ich nie gehört, daß sie Schaden gethan hät-
ten. Man findet sie gemeiniglich in den Dä-
chern der Negerhäuser.

Kröten sieht man viele, und von ungemeiner
Größe. Diese sind giftig, und werden mit aller
Sorgfalt vermieden.

Man hat auch Ratten; sie kommen aber aus
den Schiffen, entweder durch Schwimmen, oder
bey sonst einer Gelegenheit.

Schlangen giebt es von verschiedenen Arten
und Größe. Die vornehmsten sind die Klapper-
schlangen, von einer Klapper, die sie hinten am
Schwanze haben, so genannt. Diese Klapper
macht, so wie sie fortlaufen, ein beständiges Ge-
täusch. Sie besteht aus mehreren Schalen, von
denen man auf jedes Jahr eine rechnet. Ich
habe eine solche Schlange mit neun Gelenken ge-
habt, die, so bald sie sich nur rührte, ein greuli-
ches Gerassel machte. Sie sind sehr giftig, und
[Seite 172] ihre Stiche oder Bisse sind nicht anders zu hei-
len, als durch Ausbrennen, oder durch ein Brech-
mittel, das aus Menschenkoth(*) besteht. Die
andern Schlangenarten sind weniger giftig. Ich
habe eine Haut gesehen, die acht Zoll breit und
ungefähr eben so viele Fuß lang war; allein die
Schlange, der sie zugehörte, war, der Größe un-
geachtet, doch nicht giftig gewesen. Man hat
auch viele Wasserschlangen, vornehmlich in dem
Fluß Canje; sie thun aber keinen Schaden, und
werden von den Indianern und Negern gegessen,
die selbst in Ansehung der giftigen, in diesem
Stücke nicht die geringste Bedenklichkeit haben.
Von dem Geschmack derselben weis ich nichts zu
sagen, da ich nicht Neugierigkeit oder vielmehr
Dreistigkeit genug hatte, sie zu kosten. Auf al-
len meinen Reisen zu Wasser und zu Lande habe
ich nie dergleichen Unthiere angetroffen; unge-
achtet die Schlangen bey Nacht hie und da auf
den Wegen frische Luft suchen.

Auch Vögel finden sich an dem Rio de Ber-
bice im Ueberflusse, und von allerley Arten.

[Seite 173]

So habe ich an verschiedenen Orten im Lande
umher sehr viele Hühner gefunden, die aber nicht
so groß und auch nicht ganz so schmackhaft sind,
als die unserigen.

Im Gegentheil sind die Truthühner viel bes-
ser und schwerer als bey uns. Ich habe eine
gegessen, die mehr als 24 Pfund wiegen mochte,
und auf der Brust wohl zwey Finger dick Speck
hatte. Die Christen geben sich mit der Zucht
derselben ab, und füttern sie mit Milie oder tür-
kischem Waizen, der dort im Ueberfluß wächst.

Feldhühner sieht man gleichfalls in Menge.
Sie stehen aber in keiner großen Achtung, und
selten nimmt sich jemand die Mühe, eine Flinte
nach ihnen loszuschießen.

Eine Art Vögel hat man, die ungefähr so
groß als Hühner, oben auf dem Leibe schwarz,
und unter dem Bauche weiß sind, und einen ziem-
lich langen Schwanz haben. Diese werden Pa-
nyssen genannt, und weil sie sehr delicat schme-
cken, häufig geschossen. Wenn man nach ihnen
ausgeht, muß dieß vor Tag geschehen, weil sie
außerordentlich scheu sind. Auf ihr Gezwitscher,
wodurch sie sich verrathen, verfügt sich der Jäger
[Seite 174] unter den Baum, löscht seine Leuchte aus, und
erwartet den Anbruch des Tages. Alsdann
sucht er den Vogel zu treffen, der, wenn er auch
niederfällt, doch noch eine ganze Weile so schnell
fortlauft, daß ihm der Jäger kaum folgen kann.

Wilde Tauben giebt es mehr, als man Lust
hat längs dem Flusse hinzufahren, um sie zu
schießen. Auch giebt es zahme Tauben, die sich
mit ausnehmender Fruchtbarkeit vermehren.

Unten am Flusse findet man Wasservögel von
der Größe eines Huhns. Sie haben ein so schö-
nes Roth, als kein Maler zu malen im Stande
ist. Sie sind etwas scheu, doch aber, wie ich
glaube, nicht schmackhaft, weil sie Fische fressen.
Auch giebt es unter den Wasservögeln Enten
und Wasserschnepfen. Was die ersten anbelangt,
so sehen sie bald eben so aus, als die unsrigen;
sie gehen aber wenig zu Wasser, und haben einen
bessern Geschmack. Noch eine andere Art, die
große rothe Nasen auf den Schnäbeln haben,
wird zur Zucht gehalten. Ich habe eben solche
auf Houslaardyk laufen sehen. Sie bleiben die
meiste Zeit außer dem Wasser, und sind, gehörig
zubereitet, ein ganz gutes Gericht. Eben diese
[Seite 175] Art hält sich auch wild vorzüglich an der See-
küste auf, wo wir bey Gelegenheit öfters auf sie
ausgiengen.

Wasserschnepfen sind in solchem Ueberflusse,
daß ich gesehen habe, daß mit einem Schusse ge-
gen 60 getroffen wurden. Niemand aber wollte
sich nur die Mühe geben, sie zu rupfen. Unten
am Flusse werden sie am meisten gefunden.

An der Seeküste, in den Wiesen, sieht man
eine Art Vögel, die, was die Gestalt und Größe
anlangt, den Störchen nicht unähnlich sind; sie
haben aber buntere Federn.

Die Erscheinung eines andern Vögelchens,
das einen Glanz, wie ein Goldkäfer hat, wird
von den Indianern für keine gute Vorbedeutung
gehalten; die Christen aber geben den wenig
Glauben.

Papagayen(*) sind in großer Menge, und
für ein geringes Geld zu bekommen. Uebrigens
bringen die Indianer diese Vögel niemals jung
in Markte: woher dies kommt, weis ich nicht.
Alte bringen sie genug, und bisweilen mehr als
man begehrt. Man nennt sie hier Strickvögel,
[Seite 176] weil sie mit einem Stricke gefangen werden, wel-
ches also zugeht: Der Indianer, der die Bäu-
me kennt, worauf die Papagayen sich meistens
aufhalten, bedeckt sich den ganzen Leib mit grü-
nen Blättern, und eben auch so den Stock, an
dem der Strick hängt. Diesen weis er mit vie-
ler Behendigkeit dem Vogel über den Kopf zu
werfen, worauf er den Stock zu sich einzieht,
und allezeit seines Fanges gewiß ist. Dieser Art
Papagayen aber kann man nicht reden lernen.
Diejenigen, auf die man in unserm Vaterlande
einen Werth setzt, werden von den Indianern,
wenn sie zu Wasser nach Rio Aarnocque reisen,
bey der Insel Trinidad, die dem Könige von
Spanien gehört, geholt, und jung aus dem Neste
genommen.

Perkinten(*), von einer sehr schönen grünen
Farbe, sieht man auch in Ueberfluß; ich habe
sie aber niemals sprechen hören; auch ist mir nie
ein junger vorgekommen. Sie kreischen zwar
laut genug; doch ist dieß ihre recht natürliche
Sprache, die ihnen nicht abgewöhnt werden
kann.

[Seite 177]

Raben(*) giebt es von zweyerley Art, und
sehr häufig. Die eine Art hat eine blaue Brust
und gelbe oder pomeranzenfarbene Schwungfe-
dern; die andern gelbe und blaue Flügel. Man
lehrt sie auch sprechen, sie nehmen aber keine so
milde Aussprache an, als die Papagayen. Sie
können nicht gut eingesperrt werden, weil sie das
Holzwerk entzwey beißen.

Schwalben hat man das ganze Jahr durch
in Menge.

Fledermäuse (wenn man anders diese Thiere
unter die Vögel rechnen will) giebt es auch sehr
viele. Diese abscheulichen Geschöpfe(**) füttern
sich oft mit Menschenblut; und man hat am mei-
sten von ihnen zu fürchten, wenn man sich mit
bloßen Füßen in die Hangmatte schlafen legt.
Denn alsdann kommen sehr leicht die Zehen, aus
[Seite 178] denen sie das Blut auszusaugen wissen, zu Scha-
den. Es ist mir dieß selbst ein oder zweymal be-
gegnet, so daß ich aus Erfahrung davon sprechen
kann. Sie wissen es sehr behende anzufangen.
Erst thun sie einen Biß, und dann fliegen sie
weg, um zu sehen, ob der, den sie gebissen haben,
auch aufwacht; geschieht dieß nicht, so setzen sie
sich auf den Zeh, und saugen sich dick voll Blut.
Eben so wurde auch unsern jungen zahmen Tau-
ben oft von den Fledermäusen das Blut abgeso-
gen, so daß wir sie in Menge todt liegen fanden.
Als man aber erst wußte, wie man die Vermeh-
rung dieses Ungeziefers zu verhindern hat, nahm
man bald für die Zukunft die gehörigen Maaß-
regeln.(*)

Es giebt noch mehr andere Arten Vögel; die
vornehmsten aber habe ich angeführt, und will
daher nur noch einiges von den Fischen sagen.
So weitläuftig aber das Feld war, das ich bey
den vierfüßigen Thieren und Vögeln vor mir
hatte, so klein ist das gegenwärtige; und die Lieb-
haber dieser Speise brauchen wahrhaftig nicht
hieher zu kommen, um ihre Lust zu befriedigen.
[Seite 179] Indeß giebt es doch Etwas, und dieses Etwas
mag uns zum Stoff einiger Bemerkungen dienen.

Erstlich hat man eine Art Fische, die unsern
vaterländischen Brassen nicht unähnlich, jedoch
blanker sind, ungefähr wie ein Bley. Sie sind
sehr gut und schmackhaft, doch etwas grätig,
daher man sie mit vieler Vorsicht essen muß.
Die Indianer schießen sie häufig mit Pfeil und
Bogen, und das an Stellen, wo die Christen,
wenn sie auch noch so scharf zusehen, keinen Fisch
gewahr werden können. Ihr Name ist Karta-
bak.(*)

Eine andere Art ist gezeichnet wie ein Baarsch,
aber so grätig, daß sie wenig gegessen wird. Ein
Fischchen, ungefähr wie ein kleiner Bley, ist
nicht grätig, und wird von den Soldaten mit
Angeln gefangen.

Wenn wir eine Mahlzeit Fische haben woll-
ten, wurde den Indianern um das Fort befoh-
len, einen Bach zuzustopfen. Wenn dieß ge-
schehen war, giengen sie darauf bey niedrigem
Wasser hinein, und rührten mit einer gewissen
[Seite 180] Art Holz(*), das die Fische nicht vertragen(**)
können, auf dem Grunde umher. Davon er-
schien eine solche Menge auf der Oberfläche des
Wassers, daß wir nur die besten behielten, und
gemeiniglich die Hälfte an unsere Leute abgaben.

Es giebt zwar noch einige andere Arten von
Fischen; sie sind aber zu schlecht, als daß es der
Mühe lohnte, sich bey ihnen aufzuhalten.

Krabben, um diese mit zu den Fischen zu
rechnen, giebt es der Menge, und zwar große und
schmackhafte. Man fängt sie an der Seeküste
an den Stellen, wo die Wälder unter Wasser ge-
setzt werden. Hier ist der Boden laimicht, und
durchgehends voller Höhlen und Löcher, aus de-
nen man sie bisweilen zur Tiefe von anderthalb
Fuß bey seichtem Wasser mit der Hand heraus
[Seite 181] holt. Die Indianer essen sie wie es kommt; die
Christen aber sieden sie gemeiniglich nur halb;
ziehen alsdann den Fisch, der ganz leicht folgt,
heraus, und braten ihn nachher, welches ein le-
ckeres Essen ist.

XVI. Kapitel.

Verschiedene Arten von Krankheiten an Rio de Ber-
bice.

So wie gemeiniglich jedes Land seine eigenen
Arten von Krankheiten hat, so ist auch Rio de
Berbice hievon nicht ausgeschlossen; und die
Christen sind noch überdieß den Krankheiten ihres
Vaterlandes unterworfen, ausgenommen etwa
der Pest, von der ich niemals etwas gehört habe.
Was aber die übrigen Krankheiten anbelangt, so
habe ich so viele Exempel davon gesehen, daß ich
ganz und gar nicht daran zweifeln kann. Gleich-
wohl ist bisweilen einige Verschiedenheit bey ein
und eben derselben Krankheit; so z.B. bey den
Kinderpocken, einer Krankheit, der alle Kinder,
die christlichen sowohl als die indianischen, unter-
worfen sind; die aber, wenn eine Person, die
über funfzehn Jahre ist, davon angefallen wird,
[Seite 182] hier eben so behandelt werden muß, wie bey uns
die Franzosen, nämlich mit warmen Umschlä-
gen, Franzosentränken u.s.f.; dabey bekommt
der Patient manchmal zu viel zu essen, um wie-
der gesund zu werden, und doch beynahe zu we-
nig, um das Leben damit zu erhalten.

Persing ist eine Krankheit, die mit einem
beschwerlichen Durchfall(*), zu dem man sich
immer zwingen muß, verbunden ist. Sie wird
durch unreises Obstessen und durch den übermä-
ßigen Gebrauch des Graap, eines Trankes aus
Syrup, verursacht. Brantewein ist das beste
Mittel dagegen; und ich kann nicht begreifen,
warum man nicht zweymal alle Tage den Leuten
einen Trunk Kildivel (Rum) giebt, wodurch sie
wenigstens vor dieser Krankheit bewahret wür-
den, und das den Herren Patronen keinen merk-
lichen Schaden brächte.

Ein noch viel ärgeres Leiden ist die Me-
biky(**), die wir holländisch Zieke nennen. Es
[Seite 183] ist dieß eine Art Staub, oder etwas anders, dem
ich keinen Namen zu geben weis, das sich in den
Häusern der Indianer sehr häufig findet, und
so groß ist als eine Spendelspitze. Dieß setzt sich
irgendwo aus das Fleisch, und wächst bis zur
Größe einer gemeinen weissen Erbse. Ich ließ
einmal sieben zu gleicher Zeit aus meinen Füßen
herausholen(*). Sie haben eine blasse harte
Schale, und wenn diese zerbrochen ist, zeigt sich
inwendig ein dickes Ding, das, wenn es geknickt
wird, eben so platzt wie eine Laus. Die Löcher,
aus denen diese Mebikys herausgeholt sind, stopft
man mit Tobaksasche zu, und wenn sie dadurch
nicht heilen, so ist man in Gefahr, daß nach ei-
niger Zeit die Franzosen sich zeigen. Dieß er-
eignet sich hier öfters, ohne daß man sich braucht
die Mühe zu geben, sie von den Frauen zu holen.
Doch hält es auch hier gar nicht so schwer diese
Krankheit zu heilen, als in unserm Vaterlande.
Die Kräuter sind hier frisch, und daher kräftiger.
Noch giebt es eine Krankheit, die man die
Landeskrankheit(**) nennt. Diese kommt blos
[Seite 184] von Faulheit und Mangel der Bewegung her;
denn da es sehr heiß ist, und aus dieser Hitze
Verdrossenheit und Schläfrigkeit entsteht, so giebt
es Leute, die den ganzen Tag in der Hangmatte
liegen. Es ist dieß eine sehr beschwerliche Krank-
heit, die mit Kopfschmerzen, heftigen Schwin-
del, blasser Gestalt und mehrerem Ungemach ver-
bunden ist.

XVII. Kapitel.

Glücklicher Zustand der Pflanzer. – Beschaffenheit der
Pflanzstädte. – Pflanzung des Zuckerrohrs,
und Zubereitung des Zuckers. – Sonderbare Art
Bäume. – Strafe der Sclaven, die entlaufen
wollen.

Aus dem bisher Gesagten kann man so ziemlich
abnehmen, mit wie viel Bequemlichkeit oder Un-
bequemlichkeit man zu Rio de Berbice leben kann.
Noch haben wir aber nichts von den Pflanzstäd-
ten gesagt, auf denen man wirklich ein fürstliches
Leben führt, fast keinen Kummer, aber alle
Vergnügungen und Annehmlichkeiten hat, die
[Seite 185] man hier zu Land genießen kann. Wenn es nicht
an den Freuden des Umgangs und der Gesellig-
keit, einem unentbehrlichen Bedürfnisse der mensch-
lichen Natur, fehlte, so dürfte man keine andere
Gegend suchen, um seine Tage in Ruhe und Frie-
de sorgenlos zuzubringen.

Zu meiner Zeit waren fünf Pflanzstädte, die
Hauptplantage des Forts mit eingerechnet, welche
jährlich eine schöne Partie Zucker lieferten, der,
– nebst der Oriane, wovon man ungefähr hun-
dert Fässer ausführt – der vornehmste hiesige
Handlungsartickel ist. Alle diese Pflanzstädte
liegen an dem Ufer des Flusses; doch nicht alle
gleich angenehm, noch gleich bequem, um ab und
an zu kommen. Die Plantagen, der Berg
und Mierenberg, liegen etwas hoch, haben
rings herum schöne Wiesen, und von hinten eine
schöne Aussicht gegen den Wald. Die beyden
anderen liegen etwas niedriger; der Wald um sie
herum ist eine gute Strecke in die Länge und
Breite niedergehauen, und der Erdboden laimicht;
daher nach starkem Regen die Wege dahin ganz
unbrauchbar sind. An den Savaanen oder
Wiesen hingegen hat man sandichten Boden, und
[Seite 186] daher immer brauchbare Wege, auf denen man
von den beyden erstgenannten Pflanzstädten nach
verschiedenen Dörfern des Landes kommen kann.

Auch sind die Sclaven auf dem trocknen Bo-
den viel gesünder, als diejenigen, welche auf lai-
michten wohnen. Was aber die Lebensmittel
anbelangt, so kommen diese auf beyden gleich
gut fort. Nur in Ansehung der Kühe macht es
einen großen Unterschied; denn da sie auf den
Pflanzstädten, die an den Wiesen liegen, von
selbst aus- und einlaufen; so müssen sie auf den
andern durch den Wald hingetrieben, und auf
dieselbe Art wieder nach Hause geführt werden.
Uebrigens lebt man auf einem trefflichen Fuß;
denn man hat auf den Pflanzstädten Hühner,
Truthühner, Enten, allerhand Gemüße, kurz,
alles, was zur Nothdurft und dem Vergnügen
des Menschen erforderlich ist. Die Kühe liefern
täglich frische Milch, woraus auch Butter ge-
macht wird; die Indianer, die sich für eine Klei-
nigkeit zu dem Dienste der Herren Pflanzer ge-
brauchen lassen, jagen für sie allerhand schmack-
haftes Wildpret; die andern, welche sich auf den
[Seite 187] nahe liegenden Dörfern aufhalten, versehen sie
mit allem, was sie nur bekommen können.

Da wir übrigens hier auf die Pflanzstädte
gekommen sind, dürfen wir nicht vergessen, von
der Zubereitung des Zuckers, und den übrigen,
was hiezu gehört, zu sprechen: ein Gegenstand,
der, wie ich nicht zweifle, einigen Reiz der Neu-
heit für den aufmerksamen Leser haben wird. –
Das ganze Verfahren vom Anfang bis zu Ende
ist folgendes:

Zuerst werden die Felder, die zur Pflanzung
des Zuckerrohrs bestimmt sind, umgepflügt, vom
Unkraute gereinigt, und in gleiche Furchen abge-
theilt; und alsdann die Pflanzen so in diese Fur-
chen gesetzt, daß die obersten Spitzen zusammen-
stehen. Im Sommer muß man die Gruben mit
mehr Erde anfüllen, als im Winter, damit die
Sonnenhitze die Wurzeln nicht versengt. Je
mehr das Rohr Feuchtigkeit hat, desto schneller
wächset es. Innerhalb zehen, oder aufs längste
zwölf Monaten erlangt es seine vollkommene Rei-
fe. Der Januar und August, der letzte Win-
termonat, sind zum Pflanzen am bequemsten,
weil alsdann das durch den Regen erweichte Erd-
[Seite 188] reich die Wurzel am leichtesten hervorschießen
läßt. Wenn das reife Rohr zu seiner Zeit abge-
schnitten ist, bleibt es bisweilen bis zum folgen-
den Jahr auf dem Felde liegen. Inzwischen
wächset wieder neues Rohr, das oft zugleich mit
dem alten auf die Mühle kommt. Wenn es
aber länger als zwey Jahre steht, verzehret sich
die füße Feuchtigkeit, und das Rohr selbst stirbt
allmählig ab. Die jungen Pflanzen können hier
zu Lande nur drey Jahre hintereinander Frucht
bringen, und müssen im vierten von neuem ge-
pflanzet werden. Bisweilen geht das Rohr bey
sehr brennender Sonnenhitze und ausbleibendem
Regen durch die Dürre gänzlich aus; in welchem
Falle es des Winters abgebrannt wird, damit
unter der Asche wieder neues hervorwachse.
Bisweilen aber ersaufen auch die Pflanzen, wenn
das Wasser zu lange auf den Feldern steht. Fer-
ner werden sie manchmal durch allzu geiles wach-
sendes Unkraut erstickt, daher das Land viermal
des Jahrs, wenn das Rohr gegen das Unkraut
stark genug geworden ist, gejätet wird.

Das reife Rohr wird bey dem untersten Kno-
ten abgeschnitten, von den Blättern gereinigt,
[Seite 189] in Büschel gebunden, und nach der Mühle ge-
bracht. Diese besteht aus drey starken hölzernen
Achsen, die mit dicken eisernen Reisen beschlagen
sind, zwischen welchen das Rohr gequetscht wird.
Die Achsen, durch welche die süße Feuchtigkeit
fließt, so wie auch der Trog, in den sie nieder-
träufelt, müssen innerhalb 24 Stunden zweymal
gereinigt werden. Wenn das Rohr von hinten
zwischen der ersten Achse gesteckt ist, wird es nach
der zweyten hingetrieben, und da die noch übrige
Feuchtigkeit ausgedrückt; worauf es ins Feuer
geworfen und verbrannt wird. Die ausgepreßte
Feuchtigkeit läuft durch hölzerne Rinnen in große
kupferne Kessel, unter denen mit einer erstaunli-
chen Menge Holz beständiges Feuer unterhalten
wird. Wenn der Saft allzustark siedet, wird
Wasser darunter gegossen, damit er sich desto
weniger verzehrt. Mittlerweile wird beständig
der Schaum, der nachher dem Viehe gegeben
wird, abgeschöpft. Darauf wird der Saft in
den zweyten Kessel geschüttet, wo er aufs neue
gekocht, und das Unreine von den Sclaven mit
langen Schaumlöffeln abgeschäumet wird. Zu-
gleich wird auch, während dem Sieden, zu meh-
[Seite 190] rerer Reinigung, Lauge hineingegossen, und end-
lich alles durch ein Tuch geseiget. Die Hefen,
die an dem Tuche hängen bleibt, wird mit Was-
ser vermengt, und giebt ein nicht wenig berau-
schendes Getränk. Aus den großen Kesseln fließt
der Saft in kleinere hinein, wo er zum dritten-
male gekocht, und beständig umgerührt wird,
bis er die Dicke des Syrups, und endlich des
Zuckers erlangt. Es ist mit unter die Geheim-
nisse der Natur zu rechnen, daß, während der
Zucker in den kleinen Kesseln kocht, hineingetrö-
pfeltes Oel das Gerinnen befördert, welches, wenn
es in den großen Kesseln geschähe, gerade die ent-
gegengesetzte Wirkung haben würde. Eben so
würde im Gegentheil Lauge, wenn sie in die klei-
nen Kessel gegossen würde, so wie sie in die
großen geschüttet wird, den Zucker auf einmal
verderben; welches gleichfalls auch Citronensaft,
und jede andere Säuere thut. – Wenn nun
der Zucker seine gehörige Dicke erlangt hat, wird
er in hölzerne Tröge gegossen, die oben breit und
viereckicht sind, allmählig aber immer enger zu-
sammenlaufen, so daß sie unten nur die Größe
eines Stüvers haben. In diesem Boden befin-
[Seite 191] det sich ein Loch, das mit einem Pfropfe zuge-
stopft bleibt, bis der Zucker kalt und steif gewor-
den ist. Alsdann zieht man den Pfropf heraus,
und läßt den Zucker durch das Loch heruntertrö-
pfeln, der alsdann in Fässer geschlagen, und so
versendet wird.

Hiebey muß ich noch bemerken, daß die Reife
an diesen Fässern von dem Holze eines gewissen
Baumes gemacht werden, der im Indianischen
Meby heißt. Diese Bäume haben weder Blät-
ter noch Knospen, sondern blos einige herunter
hängende Aeste, von denen man die dicksten zu
den gedachten Reifen gebraucht.

Die dünnsten Aeste werden auf eine andere
gebraucht; man straft nämlich die Sclaven da-
mit, wenn sie etwas verbrochen haben, und vor-
züglich, wenn man merkt, daß sie davon laufen
wollen; in dem letzten Falle werden sie so heftig
damit gepeitscht, daß ihnen nicht nur das Blut
über ihre schwarze Haut herunterläuft, sondern
auch ganze Lappen Fell abgerissen werden.
Und wenn sie, dieser Strafe ungeachtet, mehr-
malen dergleichen Versuche machen, wie dieß
wohl bisweilen geschieht, so werden ihnen die
[Seite 192] Sehnen an den Fersen abgeschnitten(*), und
so das schnelle Laufen verwehrt.

XVIII. Kapitel.

Man erhält an Rio de Berbice Nachricht von dem
Kriege, den Frankreich und England den verei-
nigten Provinzen erklärt hatte. – Meuterey der
Soldaten gegen den Gouverneur, der ins Ge-
fängniß geworfen wird. – Der Verfasser wird
auf eine Brandwache ausgestellt, die von einer
Caribischen Flotte überfallen wird. – Er kömmt
in Gefahr, in die Eisen geschmissen zu werden,
entgeht aber derselben durch List.

Ich kehre nun von den vorzüglichsten Merk-
würdigkeiten des Landes, von denen ich bisher
gesprochen habe, zu der Erzählung meiner eige-
nen sonderbaren Schicksale, und einiger anderen
damit in Verbindung stehenden Dinge, zurück.

Im Monat Junius des Jahrs 1673 beka-
men wir über Ysekepe, durch ein daselbst aus
Holland angekommenes kleines Schiffchen, die
Nachricht, daß das Schiff, die Eintracht,
das, nach alter Gewohnheit, an uns abgeschickt
war, ein englisches aus Ostindien kommendes
[Seite 193] Schiff erobert hätte, und mit demselben nach
Bergen in Norwegen, und von da nach der Elbe
gesegelt wäre. Wir hatten in siebzehn Monaten
keine Nachricht gehabt, und stellten uns daher
vor, daß das Schiff, welches wir erwarteten,
verunglückt wäre; dachten aber nichts weniger,
als daß Frankreich und England sich verbunden,
und den vereinigten Provinzen den Krieg erklärt
hätten. Zu gleicher Zeit hörten wir auch, daß
so viele Städte und Vestungen übergegangen,
und durch die feindlichen Heere, gleich als durch
einen reissenden Strom weggeschwemmt wären;
daher wir gar nicht zweifelten, daß bereits das
ganze Land von den Ueberwindern unterjocht,
oder wenigstens in einem Zustand sey, der uns
nichts zu hoffen übrig ließe; denn unsre Briefe
waren gegen vier Monate alt. In dieser be-
kümmerten Lage wurde von dem Kommandanten
beschlossen, mit der äußersten Sparsamkeit zu
Werke zu gehen, und besonders mit dem Speck
und Fleisch genau Haus zu halten, da wir nicht
wissen konnten, wann wir wieder mit Proviant
würden versorgt werden. Diese Verminderung
der Mundprovisionen machte nun, daß die Sol-
[Seite 194] daten, ihren dummen Leidenschaften den Zügel
schießen ließen, und zu murren anfiengen. Diese
Unruhe gieng so weit, daß sie, aufgehetzt durch ei-
nen Constable, Dirk Roosekrans, von Vlissingen,
dessen Name hier zu ewiger Schande gemeldet sey,
im Monat November mit lauter Stimme ausrie-
sen: Mehr Kost, und einen andern Kom-
mandanten!
Ich hatte das Murren schon lange
gehört, und den Kommandanten gewarnt, daß es
nicht gehen würde, und daß die Leute so gegen
ihn aufgebracht wären, daß man große Ursache
hätte, einen schlechten Ausgang zu fürchten. Der
Kommandant stellte mir aber vor, daß er sein
Verfahren vor Gott und seinen Herren verant-
worten könne; daß er gerne den Leuten mehr ge-
ben wollte; daß man aber einen Feind erwarten
müsse, und das Fort, da achtzig Esser in demsel-
ben wären, schwerlich würde vertheidigen kön-
nen, wenn man den Proviant nicht etwas dehnte.
In der That bestand unser ganzer Vorrath nur
aus drey Tonnen Fleisch und vier Tonnen Speck,
die, wenn man volle Portionen geben wollte,
kaum auf vierzehn Tage hinlänglich waren. Zu-
fuhr hatte man nicht zu erwarten, und das
[Seite 195] Volk wußte auch wohl, daß nicht mehr in dem
Magazin war. Nichts destoweniger wußte der
genannte Dirk Roosekrans sie so aufzuhetzen, daß
sie geradezu einen andern Kommandanten verlang-
ten. Sie erhielten das Versprechen, daß ihr
Verlangen erfüllt, und ihnen von den Herren
Räthen Genugthuung gegeben werden sollte.
Diese verfügten sich daher an einem Sonntage des
Morgens vor neun Uhr nach dem Fort.

Wir waren sehr verlegen, wie wir es anfan-
gen sollten, um das Volk zu beruhigen. Es
wurde beschlossen, der älteste Rath sollte ihnen
gütliche Vorstellungen thun; allein vergebens;
die Wuth gieng so weit, daß einige von dem Hau-
fen in das Zimmer drangen, den Kommandanten
ergriffen, und ihn hinunter in das Gefängniß
warfen. Diese Beschimpfung kränkte uns sehr;
wir versuchten deswegen, ihn, bis ein Schiff an-
käme, nach einer Pflanzstädte, oder nach Ysekepe
zu bringen. Allein der wüthende Haufe war
nicht zu bewegen. Das Oberhaupt hätte sich in
vielen Dingen vergangen; wenn er auf freyen
Füßen wäre, würde er zu dem Feind überlaufen;
und hundert dergleichen Geschwätze. – Sogleich
[Seite 196] wurde einer von den Herren Räthen zum neuen
Kommandanten erwählt. Dieser fürchtete sich
vor dem Schicksale seines Vorgängers, von dem
er ohnedieß nicht der beste Freund war, und gab
voll auf; und so waren wir binnen wenigen Ta-
gen ohne Speck und Fleisch; dann hieß es: man
könne sich wohl eine Weile mit Brod und Salz
behelfen; man müsse nicht zu früh sich kümmern;
Gewohnheit wäre die zweyte Natur u.s.f. In-
zwischen gieng man bey dem gefangenen Kom-
mandanten ab und zu; und, – wie der rohe
Haufe immer nur nach Leidenschaft, nicht nach
Vernunft handelt – selbst diejenigen, die am
meisten gegen ihn aufgebracht gewesen waren,
fiengen an, wieder Ehrfurcht für ihn zu bekom-
men; so daß, wenn es länger gedauert hätte, er
ohne Zweifel wieder in seine Würde wäre einge-
setzt worden.

Unterdessen wurde im Rathe beschlossen, daß
man, wie in den letzten Tagen des gefangenen
Kommandanten, seitdem man nämlich Nachricht
von dem Kriege hatte, geschehen war, eine Brand-
wache an die Seeküste ausschicken wolle; jeder
der Herren Räthe solle, nach der Reihe, das Kom-
[Seite 197] mando bey derselben haben, und jedesmal nach
14 Tagen abgelöset werden. Ich führte über
den ganzen Verlauf ein Protocoll; und mich traf
das zweyte Loos. Man gab mir vier Christen,
drey Neger und fünf Indianer in ein kleines Ca-
not, in das unser gefangenes Oberhaupt eine Kiste
hatte machen lassen, um die Flinten darin zu ber-
gen, oder trocken zu halten. Wir legten in dem
Walde Marepaan an; ungefähr eine Stunde
innerhalb dem Flusse, und 13 bis 14 Meilen un-
ter dem Fort, so daß wir eine vollkommene Ueber-
sicht der See hatten. Vierzehn Tage verliefen,
und noch zwey darüber, ohne daß ich abgelöset
wurde; und doch durfte ich meinen Posten nicht
verlassen. Ich beschloß daher, einen Christen
und einen Indianer nach dem Fort zu schicken,
und mich nach der Ursache erkundigen zu lassen.
Doch da waren Freudenfeste; der neue Komman-
dant war fröhlich, und ich, wie es schien, ver-
gessen.

Inzwischen ereignete es sich in der folgenden
Nacht, gegen zwey Uhr, daß die Schildwache
mich weckte, und mir sagte, daß sie ein Canot
sähe. Ich verließ meine Hangmatte sogleich, und
[Seite 198] sah es auch; weil, der nebelichten Luft ungeachtet,
der Mond so viel Licht gab, daß man die Gegen-
stände in der Ferne ziemlich unterscheiden konnte.
Ich ließ zwey bis dreymal rufen, bekam aber kei-
ne Antwort; weßwegen ich Befehl gab, hart an
ihnen hinzuschießen. Dadurch wurden alle mei-
ne Leute wach, und versammelten sich. Unter-
dessen gieng das feindliche Canot – denn es wa-
ren Indianer von dem Flusse Corentyn, unsere
Feinde – stille nach seiner Flotte zurück, von der
wir noch nicht das geringste wußten. Ich befahl
meinen Leuten, nach ihren Gewehren zu greifen,
frisches Pulver auf die Pfanne zu schütten; und
gab jedem noch einige Kugeln. Darauf giengen
wir in das Canot, und setzten uns in Ordnung;
ich hatte einen Seeländer hinter mir und zwey
Flanderer vor mir, denen ich auftrug, auf alles
genaue Acht zu haben. Nach ungefähr einer
halben Stunde kriegten wir die Cariben (so wer-
den die Indianer von dem Corentyn von uns ge-
nannt) ins Gesicht, und fuhren dann noch etwas
näher, um zu zählen, wie stark sie wären. Die
einen zählten 27; die andern 28, und in jedem
Canot sind, eines in das andere gerechnet, wenig-
[Seite 199] stens 24 Indianer. Dieß sah gar nicht gut für
uns aus. Da mir aber die Feigheit der India-
ner nicht unbekannt, und ich versichert war, daß
drey Christen immer so gut wären, als dreyßig
der tapfersten von ihren Leuten, so liefen wir mit
unserm Canot wieder ans Land, und nahmen alle
unsere Bagage ein, darauf hielten wir vier Chri-
sten untereinander Rath, verbanden uns, zusam-
men zu leben und zu sterben, und uns bis auf
den letzten Tropfen Blut zu vertheidigen; und so-
mit machten wir uns zur Gegenwehr bereit. Un-
terdessen ließen unsere Indianer und Neger mer-
ken, daß sie keinen Sinn zu der Sache hätten;
und ohne Zweifel würden sie, wenn man handge-
mein geworden wäre, sogleich ins Wasser gesprun-
gen, nach dem Lande geschwommen, und in den
Wald gelaufen seyn; denn dieß ist in solchen Fäl-
len ihre einzige Zuflucht. Mittlerweile fürchte-
ten wir, daß die feindliche Flotte, unter Begün-
stigung des Waldes, uns den Weg versperren,
und uns anfallen möchte. Wir giengen daher
mit der Fluth mitten in den Fluß, so daß wir auf
beyden Seiten sehen konnten; doch es begegnete
uns kein Feind. Auf diese Art kamen wir bis
[Seite 200] an das lange Rack; eine Strecke Wegs, die so
genannt wird, well man mehr als eine Stunde
darauf zu fahren hat. Hier fand ich einige Chri-
sten nebst wenigen Indianern, die abgefertigt wa-
ren, um mich abzulösen. Ich möchte wissen,
warum man nicht zwanzig bis fünf und zwanzig
der letztern mitschickt, um sie hier und da zum
Entdecken eines Feindes brauchen zu können. Je-
der wäre für vierzehn Tage höchstens mit einem
Messer von zwey Stüber bezahlt. Aber alle su-
chen nur durch wenige Ausgaben, die sie in Rech-
nung bringen, sich bey den Herren Patronen be-
liebt zu machen.

Während wir hier eine neue Fluth abwarte-
ten, sprachen die andern etwas mit meinen Leu-
ten, so ich nicht verstehen konnte. Ich zog dar-
aus keine gute Vermuthung, und da wir uns
nachher von einander getrennt hatten, rief ich ei-
nen von den Christen, zu dem ich das meiste Ver-
trauen hatte, zu mir, und bat ihn, mir die Neuig-
keit, sie möchte gut oder schlimm seyn, mitzuthei-
len. Sie bestand darin, daß man mich, so bald
ich wieder an das Fort käme, eben so wie den ge-
fangenen Kommandanten behandeln würde. Es
[Seite 201] war mir lieb, daß ich wußte, worauf ich mich
gefaßt zu machen hatte; und um zu erfahren, wer
mir diesen Streich spielte, fragte ich denselben
Freund weiter, ob er mir auch hierüber einige
Auskunft geben könne. Er fieng an zu lächeln,
und sagte, wenn ich es errathen könne, wolle er mir
den Mann nennen. Ich hatte es auf das erste-
mal getroffen; denn ich wußte gar zu genau, wer
meine Freunde oder Feinde wären. Es war ein
gewisser Schurke, der auf einer Stelle, Maikony
genannt, lag, an den ich viele Ladungen abge-
sandt, sehr selten aber Bezahlung gesehen hatte.
Ueber alle diese an ihn abgeschickte Waaren hatte
ich eine Rechnung von ihm, die mit seiner eige-
nen Hand unterzeichnet war; ich hatte ihn oft
darüber erinnert, daß er seine Aufführung im
Vaterlande nicht würde verantworten können;
und daß ich durch meine Pflicht genöthigt wäre,
sie über kurz oder lang anzuzeigen.

Inzwischen fuhren wir mit der Fluth schnell
fort, und kamen des Abends gegen sieben Uhr
an das Fort. Ich begab mich sogleich nach dem
neuen Kommandanten, um ihm von dem Vor-
fall, den ich auf meiner Brandwache gehabt hatte,
[Seite 202] Bericht abzustatten. Allein, da dieser mit Ga-
stieren beschäftigt, und zu tief im Gespräche war,
als daß er auf solche Kleinigkeiten hätte hören
können, nahm ich die Gelegenheit wahr, gieng
in aller Stille nach meinem Zimmer, schloß mei-
nen Koffer auf, nahm meine Bücher heraus,
und gab sie an einen vertrauten Freund, den ich
an meinem Fenster aufpassen ließ, daß er diesel-
ben beyschließen sollte. Dieß geschah, ohne daß
jemand etwas davon gewahr wurde, außer eine
gewisse Jungfer, die, da sie nicht von meinen
Feinden war, sogleich zu mir kam, und sagte,
daß wenn die Leute dieß sähen, sie es mir sehr
übel nehmen würden. Ich erklärte ihr, daß ich
mit den Leuten nichts zu thun hätte, schloß mei-
nen Koffer zu, und begab mich nach der Gesell-
schaft. So bald diese auseinander war, sagte
mir das Oberhaupt, daß ich doch nicht nach mei-
nem Koffer gehen sollte, und daß er als Freund
mich warnte. Ich fragte ihn nach der Ursache;
er entschuldigte sich, daß er diese nicht wisse, daß
aber das Volk vorhätte, mich fest zu setzen. Ich
gab ihm aber die Antwort, die ich der Jungfer
gegeben hatte. Da ich aber wohl wußte, was
ich zu thun hatte, gieng ich sogleich nach dem,
der mir den ganzen Brey eingerührt hatte, und
[Seite 203] fragte ihn, was er für Ursache habe, das Volk
gegen mich aufzuhetzen. Er läugnete dieß steif
und fest, und schwur, daß er nicht dem geringsten
Gedanken daran gehabt habe. Ich sagte ihm,
er solle mit mir nach der Küche gehen, ich wolle
ihn mit seiner eigenen Hand überführen. Hier
zeigte ich ihm die Rechnung, und warf sie ins Feuer.
Sieh, sagte ich ihm lachend, das ist der Zankapfel.
Er war es auch in der That, und dadurch wurde
der ganze Sturm abgewandt.

XIX. Kapitel.

Ankunft zweyer Schiffe. – Befreyung des gefangenen
Kommandanten, und Anstellung eines neuen. –
Ueberkunft eines neuen Secretärs in die Stelle des
Verfassers. – Abreise desselben. – Erscheinung
eines Friedenfeuers. – Begegnung dreyer Schif-
fe. – Ankunft des Verfassers zu Vlissingen.

Während die Sachen so standen, bekamen wir
im Januar 1674 Nachricht von der Ankunft
zweyer Schiffe. Dieß verursachte uns ungemei-
ne Freude, die wir auch durch drey Kanonenschüsse
bezeugten. Um vollkommene Gewißheit zu ha-
ben, wurde sogleich das große Boot den Fluß
hinunter geschickt; die erwähnten Schiffe aber
kamen unterdessen schnell herauf, und warfen vor
[Seite 204] dem Fort Anker. Hierauf wurde ich von dem
Kommandanten an Bord geschickt, um die Kapi-
tains zu bewillkommen. Ich verfügte mich zu-
erst zu dem Kapitain, der die Flagge führte, der
mein erstes Oberhaupt gewesen, und nachher
zu dem andern Befehlshaber, der ehedem sein
Steuermann und Lieutenant gewesen war, und
nun herkam, um die Stelle des Kommandanten
auf ein Jahr zu übernehmen. Ich wurde auf
beyden Schiffen sehr freundschaftlich empfangen,
und mit der Schaluppe des Admirals wieder nach
dem Lande geführt, wo sich den andern Tag auch
die beyden Kapitains einfanden. Es wurden
sogleich die Herren Räthe zusammenberufen, und
in ihrer Versammlung beschlossen, den gefangenen
Kommandanten unverzüglich auf freyen Fuß zu
stellen, darauf dem neuen Kommandanten seine
Bestallung vorzulesen; und übrigens den Tag
in Fröhlichkeit hinzubringen.

Mit den zwey genannten Schiffen war auch
ein neuer Secretär angekommen. Denn da meine
Zeit um war, und ich nicht länger in Rio de Ber-
bice bleiben wollte, hatte ich schon lange die Her-
ren Patronen ersucht, sich nach einer tüchtigen
Person, die meine Stelle übernehmen könnte,
umzusehen. Ich fieng sogleich an, diesen in den
[Seite 205] Geschäften seines Amtes zu unterrichten; doch
durfte er sich bis jetzt noch mit nichts bemühen,
und ich besorgte bis an meine Abreise alle vor-
kommende Arbeiten.

Inzwischen fieng, nach drey bis 4 Wochen,
der Kapitain, der die Flagge geführt hatte, an,
sich zu seiner Abreise zu bereiten, nachdem er
vorher sein Schiff in dem Fluß ausbessern las-
sen, und einigen Zucker und Farbe eingenommen
hatte, um Ballast zu haben; denn er war zum
Kapern ausgerüstet, und führte 26 Kanonen und
124 Mann. Es wurde deßhalb eine Versamm-
lung gehalten, und ungeachtet des Befehls der
Herren Patronen, dem zufolge der gefangen ge-
wesene Kommandant als Kapitain mit dem zwey-
ten Schiffe zurückreisen sollte, für gut befunden,
daß derselbe als Passagier hinübergehen, und in
dem Zimmer des Steuermanns seine Wohnung
haben; die Stelle des Kapitains aber auf dem
zweyten Schiffe, auf welchem mir mein Platz an-
gewiesen war, der Lieutenant übernehmen sollte.
Nachdem dieß so eingerichtet war, gieng das erste
Schiff sieben oder acht Tage nachher in die See,
um auf der Küste von Barbados zu kreuzen.

Unterdessen wurden auch zu der Abreise un-
seres Schiffes Anstalten gemacht; und nachdem
[Seite 206] ich gegen Ende des Februars die Kaufmanns-
güter in die Hände des neuen Secretärs überlie-
fert hatte, wandte ich die übrige Zeit zu meinem
Vergnügen an, und besuchte die Herren Pflan-
zer, von denen ich mit Hühnern, Enten, Trut-
hühnern u. dgl. beschenkt wurde, um sie auf mei-
ner Reise zu verzehren. Den 15. März reisete
das Schiff nach der Mündung des Flusses ab;
ich aber, da ich noch einige Dinge zu verrichten
hatte, wurde erst den 18. in Gesellschaft des O-
berhaupts, und der Herren Beckmann und Heyn,
meiner vornehmsten Freunde, mit einem Canot
an Bord gebracht. Den 22. liesen wir mit An-
bruch des Tages in die See. Unser Schiff hieß
die Eintracht, und unser Kapitain, Adrian
van de Vyver. Da wir sechs bis acht Klafter
Wasser hatten, warfen wir Anker, und erwarte-
ten die große Barke, die uns die noch übrige La-
dung und einigen Reisevorrath überlieferte. Dar-
auf wurde der Abschiedsschmauß gehalten, von
jeder Seite drey Schüsse gethan, und so bald wir,
um uns bey unsern Freunden zu bedanken, die
letzte Kanone gelöset hatten, lichteten wir den
Anker, und giengen unter Segel, so daß wir am
[Seite 207] Abend schon das Land außer Gesicht hatten.
Wir hatten durchgehends gut Wetter, aber Ge-
genwind, und von Zeit zu Zeit auf ein oder zwey
Stunden Travaden. Dieß sind plötzliche hefti-
ge Windstöße, die die Schiffe schleudern, als
wenn sie auseinander gerissen werden sollten, ge-
meiniglich aber nicht sehr lange anhalten. Al-
lein aus der Höhe der Insel Barmudas wurden
wir von einem schweren Sturm überfallen, der
mit einer fürchterlichen Gewalt von Mittags 12
bis Nachts 11 Uhr dauerte. Ich hatte die mei-
ste Zeit, da man auf dem Schiffe weder gehen
noch stehen konnte, in meiner Schlafstelle gele-
gen; des Abends gegen 8 oder 9 Uhr wurde ich
aber von dem Kapitain herausgeholt, um etwas
zu sehen, was, wie er sagte, bisweilen Leute,
die zwanzig Jahre zur See gewesen sind, noch
nicht gesehen haben. Dieß war ein Licht, das,
wie eine brennende Kerze sich auf der Spitze der
Flügel des großen Mastes zeigte. Die Hollän-
der nennen es ein Friedensfeuer, und alte See-
leute halten es für ein Zeichen, daß der Sturm
seine größte Höhe erreicht hat. In der That
nahm auch der Wind zusehends ab, und den an-
[Seite 208] dern Morgen das Wetter ganz und gar ruhig,
geachtet die See noch gewaltig hohe Wellen
trieb. So segelten wir neun Wochen und zwey
Tage, ohne Land oder Schiffe zu sehen; und ich
konnte mit Ovid sagen:

Quocunque aspicio, nihil est nisi pontus &
aether
.

An jenem zweyten Tage aber sahen wir des Nach-
mittags ein Schiff, auf das wir sogleich zufuh-
ren. Eine halbe Stunde nachher entdeckten wir
noch zwey, daher wir alles zum Schlagen fertig
machten. Wir hatten 28 Kanonen und 84 Per-
sonen, worunter zwey Frauen waren. Allein,
wir waren 14 Fuß tief geladen, das uns, wenn
es zum Gefechte gekommen wäre, nicht wenig
hinderlich gewesen seyn würde. Abends gegen
neun Uhr kamen wir so nahe, daß wir einander
mit den Kanonen erreichen konnten. Wir zeig-
ten die Prinzenflagge, die drey andern das bur-
gundische Kreuz, oder die spanische Flagge. Hier-
auf wurden die Segel auf den Wind gebracht,
und die Schiffer von den spanischen Schiffen an
unsern Bord geschickt, um ihre Pässe zu zeigen.
Sie kamen von Bilboa, und giengen nach Grön-
[Seite 209] land. Unser Kapitain war aber damit noch
nicht zufrieden, und ließ die Schiffe visitiren, ob
etwa verbotene Güter darauf wären; allein man
fand nichts, als die Geräthschaft zum Wallfisch-
fang. Von diesen Schiffen hörten wir, daß
wir mit England Friede hätten, wie auch, daß
wir morgen Fero im Gesicht haben würden. In
der That bekamen wir auch, nachdem wir uns
des Nachts getrennt hatten, den andern Tag, an
einem Sonnabende, diese Insel zu sehen, und
Sonntags lagen wir, bey wenigem Wind, dicht
unter derselben; wir bedienten uns daher dieser
Gelegenheit, unser Schiff auf die Seite zu legen
und auszubessern, damit es desto besser segeln
möchte. Denselben Abend giengen wir wieder
fort, und mit Anbruch des Tages segelten wir
durch verschiedene Fischer, von denen wir ein
frisches Gericht Cabliau bekamen, wogegen wir
sie wieder mit einigen Kleinigkeiten beschenkten.
Dienstags bekamen wir über dem Winde einen
französischen Kaper ins Gesicht. Wir setzten
auf ihn zu; er steckte aber alle Segel auf, und
warf alles, was oben war, über Bord. Wir
konnten inzwischen mit Lavieren nicht schnell ge-
[Seite 210] nug fortkommen, da er zu hoch und unsere La-
dung zu schwer war; daher wir ihn, nachdem
wir etwa anderthalb Stunden nachgejagt hatten,
gehen ließen, und unsern Weg fortsetzten.

Endlich, nachdem wir noch einige Tage ge-
segelt und laviert hatten, befanden wir uns bey
dem Texel, wo wir Befehl hatten einzulaufen;
weil aber vier Kriegsschiffe im Begriffe waren
auszulaufen, lavierten wir nach der Insel Schou-
we. Hier warfen wir Anker, um bequeme Zeit
abzuwarten. Den andern Morgen giengen wir
wieder unter Segel, und kamen gegen Mittag
vor Vlissingen, wo wir zum letztenmale ankerten,
nachdem wir eilf Wochen weniger zwey Tage auf
unserer Reise zugebracht hatten.

xxx

2

II.
Reise
nach Surinam
.

[titlePage_recto] [titlePage_verso]

II.
Reise nach Surinam.

[[213]]
xxx

I. Kapitel.

Begierde des Verfassers, nochmals nach fremden
Gegenden zu reisen, wozu ihm ein gewisser
Vorfall Gelegenheit giebt. – Er wird als Aufse-
her einer Pflanzstdäte in Surinam angenom-
men. – Geht in die See – Kommt in dem
Flusse Surinam an u.s.f.

Die Lust nach fremden Gegenden zu reisen,
war, ungeachtet der Ungemächlichkeiten, die man
daselbst oftmals auszustehen hat, nicht so sehr
in mir erstorben, daß ich nicht gewünscht hätte,
nochmal eine Gelegenheiten einer neuen Reise zu
finden. Rio de Berbice war indessen, wie ich
bekennen muß, der Ort nicht, nach welchem mei-
ne Begierde mich hinzog. Er war mir zu ein-
sam; und da ich mein ganzes Leben gerne in Ge-
sellschaft und unter Menschen war, und die Merk-
[Seite 214] würdigkeiten der unbeseelten Natur bey meinem
ersten Aufenthalte genug gesehen hatte, so wollte
ich keine zweyte Reise dahin wagen, ob mir gleich
mehr als einmal sich Gelegenheit dazu anbot;
denn ich hatte den Herren Patronen so schlecht
nicht gedient, daß mir nicht zu jeder Zeit ihr
Haus offen gestanden wäre. Wie man inzwi-
schen mehrentheils nicht so kann, wie man wohl
gerne wollte, und es einem selten gelingt, seinen
Lieblingsneigungen zu folgen, so hatte auch ich
so lange mich mit meinen Erwartungen getragen,
daß ich endlich alle Hoffnung aufgab, und mich
ernstlich anschickte, zu einer andern Lebensart
zu begeben, als ganz unvermuthet sich eine Ge-
legenheit zeigte, meine Lust zu befriedigen.

Einem gewissen Herrn, der eine schöne Pflanz-
städte in Surinam hatte, und einigen seiner An-
verwandten, fiel eine beträchtliche Erbschaft zu,
die ihn nöthigte, persönlich nach Seeland her-
über zu kommen, um sich mit seinen Miterben
auseinanderzusetzen. Er unternahm die Reise,
war aber kaum ans Land getreten, als er merkte,
daß er so viel mit Habsucht und Geiz würde zu
kämpfen haben, daß ihm das Theilen und Aus-
[Seite 215] einandersetzen so leicht nicht werden würde. Da
keiner nachgeben wollte, oder wenigstens einige
streitsüchtige Menschen darunter waren, so kam
die Sache bald zum Prozeß, der Zuflucht unbil-
liger Leute, die durch dieses Mittel sich mehr er-
ringen wollen, als ihnen von Rechtswegen zu-
kommt. Der Winter, der bereits angefangen
hatte, als der erwähnte Herr herüber kam, ver-
lief, ohne daß man viel weiter gediehen war, und
da er nicht wußte, wann die Sache ihre Endschaft
erreichen würde, die Pflanzstädte in Surinam
aber nicht ohne Aufseher bleiben konnte, so fieng
er an, sich nach einer dazu tauglichen Person um-
zusehen. Die Herren Patronen, an die er sich
deßwegen gewendet hatte, schlugen mich vor, und
ich wurde gleich den andern Morgen bestellt, den-
selben Abend mit ihm über die Sache zu sprechen.
Die Bedingungen waren so vortheilhaft, daß
man mir nach wenig Worten zu der Stelle eines
Aufsehers der Pflanzstädte Glück wünschte; und
da damals ein Schiff, die Jungfer Sophia
genannt, das einige Bassen (kleine Kanonen)
führte, geladen wurde, um für verschiedene Pri-
vatpersonen dahin zu fahren, so bekam ich den
[Seite 216] Auftrag, mich nach meiner Bequemlichkeit zur
Abreise bereit zu machen. Der Contract gieng
auf vier Jahre, die mir eine so lange Zeit zu seyn
dünkten, daß ich Anstalten machte, als wenn ich
mein ganzes Leben auf jener Colonie hätte zu-
bringen sollen. Indessen bekam das Schiff sei-
ne volle Ladung, und nachdem die Befrachter
sich einigemal am Bord lustig gemacht hatten,
bekam der Schiffer, Cornelius Blom genannt,
Befehl, mit dem ersten guten Wind in die See
zu gehen. Dieß geschah den 17. April 1680.
Das Wetter war erwünscht; der Wind günstig;
die Gesellschaft gut (denn es waren außer mir
noch drey Passagiers auf dem Schiffe, brave
Männer, die in Surinam wohnhaft waren);
kurz, wenn die beständige Bewegung der Wellen
uns nicht erinnert hätte, daß wir uns auf den
Gefielden Neptuns befänden, so würden wir
unsere Reise mehr für eine stille Wanderung von
einer Gegend nach der andern, als für eine See-
fahrt gehalten haben. – So kamen wir auf die
Höhe der Canarischen Inseln, wo wir binnen
wenig Tagen die Passatwinde antrafen. End-
lich warfen wir, nachdem wir neun bis zehn Wo-
[Seite 217] chen, ohne daß uns etwas Merkwürdiges begeg-
nete, auf der See gewesen waren, den 23. Ju-
nius in der Mündung des Flusses Surinam
Anker.

II. Kapitel.

Beschaffenheit des Flusses Surinam. – Fische in
demselben. – Wunderbare Eigenschaft des Zit-
teraals. – Wasserfälle.

Der Fluß liegt unter sechs, oder fünf einen
halben Grad nördlicher Breite. Bey der Ein-
fahrt ist er mit Sandbänken besetzt, doch aber
bey hohem Wasser drey Klafter tief, und zur Zeit
der Springfluthen noch tiefer. Seine Breite
beträgt bey der Mündnng ungefähr eine Meile,
und diese Breite behält er durchgehends bey, bis
er sich in zwey stark gekrümmte Arme theilt, wo-
von der eine, der nach Osten geht, Combuine,
der andere, der nach Westen läuft, Suriname
genannt wird. Diese Arme, längs welchen eine
Menge Pflanzstädte liegen, so daß man bey gu-
tem Wetter über die Savaanen oder Wiesen im-
mer in einem halben Tage von einer zu der an-
dern kommen kann, sind jeder ungefähr eine halbe
[Seite 218] Meile breit, und so tief, daß sie gegen dreyßig
Meilen hinauf von den größesten Schiffen befah-
ren werden können; auf beyden Ufern sind sie
mit Gebüschen besetzt. Ungefähr zwey Meilen
von der Mündung des Flusses, gerade gegen den
Fluß Surinam zu, liegt ein von Steinen aufge-
führtes Fort, Parimaribo genannt, nebenbey
ein Dorf von 50 bis 60 Häusern, und etwas
höher hinauf ein festes Haus, das während des
Gouvernement des Herrn van Sommelsdyk auf-
geworfen wurde. Noch höher an demselben
Flusse liegt Zandpunt, ein Christendorf, das aus
25 bis 30 Häusern besteht, und eine Kirche hat.
Ueber diesem Dorfe sieht man einen Ort, das
Judenquartier genannt, weil daselbst viele
Juden wohnen. Hier sind die besten Pflanz-
städte der ganzen Colonie. Es war dieß ehe-
mals der äußerste Ort. Als aber die Schwester
des Herrn van Sommelsdyk im J. 1684 herüber
kam, haben die mit ihr angekommene Labadisten
noch weiter hinauf eine Pflanzstadt angelegt, die
den Namen ihrer Secte führt. Bey dem Zu-
sammenfluß der beyden Arme oder Flüsse Com-
buine und Suriname liegt das Krabbebosch, wel-
[Seite 219] ches untergegangenes Land ist, worauf kein Fort
stehen kann; sonst würden von hieraus beyde
Flüsse vertheidigt werden können. Aber bey der
Vereinigung des Combuine und Cottica, eines
Arms, der bey der Mündung so stark ist als der
ganze Fluß, sieht man ein ziemlich starkes Fort.
Längs diesen Arm sind auch viele Pflanzstädte
angelegt, die aber 15 bis 16 Meilen von einan-
der entfernt sind. Auch findet man welche längs
einem gewissen Kanal Peireka genannt, der aus
dem Cottica in den Combuine geht. Es giebt noch
mehrere Kanäle, an welchen gleichfalls Pflanz-
städte liegen, allein es wäre zu weitläuftig, sie
hier anzuführen, und man könnte sie dem Leser
doch nicht verständlich genug vor Augen stellen.

Uebrigens ist der Fluß sehr fischreich, und
hat eine unzählige Menge großer Fische, die zwar
nicht alle eßbar, aber doch selten und sehenswür-
dig sind; so z.E. den Schwertfisch oder Sä-
gefisch
(*), der diesen Namen von einem Kno-
chen hat, welcher aus seinem Maule heraus wäch-
set, einem Schwert oder mehr einer Säge gleicht,
und wie ich selbst gesehen habe, über eine Ele lang
[Seite 220] ist. Eine andere Art Seethiere wird Manary(*)
genannt. Diese nähren sich von den Gesträu-
chen, oder den Blättern derselben, die längs dem
Flusse hin wachsen. Ihre Jungen saugen an
den Müttern, wie an einer Kuh, und ihr Ge-
schmack ist mehr Fleisch- als Fischartig. Die
dritte Art Fische werde ich hier blos nennen; denn
sie ist so merkwürdig, daß sie wohl eine besondere
Beschreibung verdiente. Der Name derselben
ist Torpedo(**) (Zitteraal) oder im Engli-
schen Numeel, d.h. lähmender Aal(***) Wenn
diese lebendig sind, und ein ander Geschöpf be-
rühren, oder von demselben angerührt werden,
so geben sie allen Gliedern desselben eine solche
Taubheit und Lähmung, daß sie eine Zeitlang
ganz ohne Gefühl und Bewegung sind; und es
[Seite 221] ist glaublich, daß verschiedene Leute ertrunken
sind, weil sie das Unglück gehabt haben, im
Schwimmen einen dieser Fische zu berühren.
Sie äußern dieselbe Wirkung, wenn man sie nur
mit dem Ende eines langen Stockes berührt,
oder die Hand an jemand legt, der so gelähmt ist.
Hievon hatten wir selbst ein merkwürdiges Bey-
spiel. Es wurde einer dieser Fische gefangen,
und aufs Land geworfen, ein Hund schnüffelte
daran herum, nahm ihn in das Maul, und fiel
plötzlich zur Erde. Der Herr des Hundes, der
dieß sah, gieng hin, und wollte seinen Hund weg-
reißen, wurde aber auch plötzlich an allen Glie-
dern gelähmt, so daß er kein einziges bewegen
konnte. Ein anderer Mann, der bey ihm stand,
und ihn wegziehen wollte, hatte dasselbe Schick-
sal, und dieß dauerte so lang, bis daß der Aal
dem Hunde entschlüpfte; dann kamen sie alle
wieder zu sich selbst, und konnten sich rühren und
bewegen wie zuvor.

Die Pflanzstädte liegen gegen dreyßig Mei-
len an dem Flusse hinauf; und weiter kann die
Colonie ihre Gränzen schwerlich ausdehnen, weil
auf beiden Ufern verschiedene Wasserfälle von
[Seite 222] den Steinfelsen niederstürzen, durch die der
Fluß, welcher der beste Weg ist, um alle Be-
dürfnisse darauf fortzubringen, ganz unbefahr-
bar gemacht wird. Wenn nur wenige derglei-
chen Wasserfälle wären, so sollte wohl mit der
Zeit Rath geschafft werden; allein man trift alle
fünf bis sechs Meilen welche an, und das so weit
hinauf, als das Land nur einigermaßen bekannt
ist. Es ereignete sich einmal, daß man in der
Gegend dieser Wasserfälle auf einige Indianer
streifte, die heruntergekommen waren, und eine
englische Frau ermordet, und ihr Haus geplün-
dert hatten. Hiezu waren einige Leute ausge-
rüstet, die jedesmal ihre Fahrzeuge ans Land zo-
gen, und so bey sechs oder sieben dieser Wasser-
fälle vorbeygekommen waren; endlich aber muß-
ten sie, ohne etwas ausrichten zu können, wieder
umkehren. Bey dieser Gelegenheit hatten einige
die Dreistigkeit, mit ihren Fahrzeugen die Was-
serfälle herunterzufahren; allein verschiedene der-
selben wurden jämmerlich in Stücken zerschellet,
und andere kamen mit genauer Noth mit dem
Leben davon. Dergleichen Wasserfälle sind fast
in allen Flüssen auf dieser Küste, und stehen der
[Seite 223] vollkommenen Kenntniß und Entdeckung dieses
reichen Landes sehr im Wege.

III. Kapitel.

Von dem Clima des Landes, und einigen damit zu-
sammenhängenden Merkwürdigkeiten.

Vom November bis in den Julius ist die Hitze
mäßig. Der Himmel ist beständig mit Wolken
bedeckt; die Erde wird durch häufigen Regen er-
frischt; und der beständige Nordostwind kühlt
die Luft sehr merklich ab. Die anderen fünf
Monate aber, wenn kein Regen fällt, und man
die angenehme Beschattung der Wolken entbeh-
ren muß, ist es ziemlich heiß. Und dieß kommt
nicht mir von der Zurückprellung der Sonnen-
stralen von einem meistentheils sandigen Erdreich,
sondern auch von der Nähe der Sonne selbst her.
Wäre die Hitze nicht durch die vorhergehende
Kühle etwas gemäßigt, so würde sie noch viel
unerträglicher seyn. – Da dieß Land so nahe bey
der Linie ist, so sind Tag und Nacht meistens
gleich, oder wenigstens nicht über eine Stunde
unterschieden; denn die Sonne geht niemals frü-
[Seite 224] her oder später auf oder unter, als eine halbe
Stunde vor oder nach sechse.

Die unveränderliche Wärme macht, daß
dieß Land viel angenehmer für alte als für junge
Leute ist. Es scheint in der That den erstern
recht zuzulachen, und ihre Jahre zu verjüngen.
Wenn sie lahm, matt und schwach hieher kom-
men, werden sie wieder jung und voll Leben.
Die jungen Leute hingegen verlieren viel von ih-
ren Kräften, und nehmen früher ab als in den
nördlichen Ländern, wiewohl Surinam übrigens
für Leute von guter Constitution ein recht gesun-
der Aufenthalt ist.

Die Krankheiten, die hier am häufigsten
grassiren, sind hitzige und kalte Fieber, Jawes,
und die Wassersucht, die man die Landeskrank-
heit nennt. Das gemeine Volk litt in den er-
sten Jahren außerordentlich davon; aber ich
glaube, daß dieß mehr von der schlechten Woh-
nung und elenden Kost, als von der Ungesund-
heit des Landes herkam. Jawes sind beynahe
dieselbe Krankheit, die wir Franzosen nennen.
Man bekommt sie durch den Umgang mit indiä-
[Seite 225] nischen Frauen äußerst leicht; und es scheint als
wenn diese von Natur damit behaftet wären(*);
[Seite 226] so wie dieses Uebel, das uns zuerst von den Spa-
niern zugebracht wurde, gegenwärtig auch in kei-
nem Theile von Europa etwas seltenes ist. Es
entsteht auch leicht aus irgend einem Geschwüre
oder einer unreinen Wunde, wornach nicht ge-
hörig gesehen wird; denn allen dergleichen Din-
gen ist das Land so zuwider, daß es sie gleich
in diese traurige und beynahe unheilbare Krank-
heit verändert. Die Wassersucht oder die Lan-
deskrankheit ist, nach meinem Ermessen, durch
die ungesunde und schlechte Kost unter das ge-
meine Volk gekommen, das aus Mangel an gu-
ten Herren sich sehr kümmerlich behelfen muß.
Wenigstens habe ich bemerkt, daß selten jemand
dieser Krankheit; unterworfen ist, als die armen
Dienstboten, und übrigen Leute dieser Klasse.
Die ungesunden Speisen erzeugen schweres Blut,
und Niedergeschlagenheit, wodurch diese Leute
alle Lust zu sich selbst verlieren, sich ganz und gar
verwahrlosen, und endlich nicht mehr Stärke
genug haben, die üblen Säfte und Feuchtigkeiten
auszutreiben, die bey solchen melancholischen
Menschen je länger je mehr entstehen; und dar-
über vergehen und sterben dann die allermeisten,
[Seite 227] wenn nicht der Krankheit in Zeiten begegnet
wird.

Bey der Mündung des Flusses ist das Land
niedrig, waldig und voll Swampen (Moräste)
oder versunkener Stellen. Dreyßig Meilen hö-
her hinauf ist es hoch und bergicht, und zwischen
beyden Gegenden sind weite Gefilde oder Ebenen,
hin und wieder mit kleinen Wäldern besetzt, die
wie Inselchen in einer grünen See aussehen. –
Man geräth in ein angenehmes Erstaunen über
die schönen Werke der Natur, wenn man(*) die
kleinen Thierchen mit drolligen Geberden von
einem Aste dieser beständig grünenden Bäume
auf den andern springen sieht; denn nie findet
man einen Baum seiner Sommertracht beraubt.
So wie ein Blatt abfällt, tritt ein anderes in sei-
ne Stelle. Und viele Bäume sind immer zu glei-
cher Zeit mit Blüthen und Früchten von jedem
Grade der Reife geschmückt. Kein menschlicher
Sinn hat aber in diesen Wäldern mehr Genuß,
als der Geruch; denn die Bäume erfüllen dort
weit um sich her die Luft mit ihren aromatischen
[Seite 228] Gerüchen, so daß seekranke Leute zum Erstaunen
dadurch erquickt werden.

Mit Verwunderung sieht man auch die Men-
ge Gewürme, die dieses heiße und feuchte Land
erzeugt. Ich habe einen weissen Fleck gesehen,
der zuerst nicht größer war, als ein Stecknadel-
knopf, und aus dem sich bey einem neuen sanften
Auswuchs der Wurzel eines großen Baumes bin-
nen zwey bis drey Tagen ein Sommervogel mit
schönen schwarzen safrangelb gesprengten Flügeln
bildete. Ich habe andere gefunden, die noch nicht
ausgewachsen waren, aber so fest an der Rinde
des Baumes klebten, als ob sie daran gewachsen
wären. Eine Art wird wegen ihres langen Hal-
ses Cemelvliege genannt; wie sich diese fort-
pflanzt, weis ich nicht; wenn sie aber eine Zeit-
lang gelebt hat, so fällt sie auf die Erde, schießt
eine Wurzel, und verändert sich in eine Pflanze.(*)
[Seite 229] Ohne Zweifel wird dieß einigen sehr unglaublich
scheinen; ich kann aber versichern, daß es eben so
wahr ist, als die mannichfaltigen Veränderungen
des Seidenwurms.

IV. Kapitel.

Von den Lebensmitteln.

Diese bestehen in James, Plantons und Cas-
sader, welche die Stelle des Brodes vertreten.(*)
Das erste ist eine Wurzel, die gleich dem Hopfen
einen Büschel trägt. Sie wird in acht Mona-
ten reif, und wenn sie gekocht oder geröstet wird,
ist sie trocken und krümelicht. Was ihren Ge-
schmack anbelangt, so kann ich nicht viel davon
sagen; denn sie wollte mir nie sehr behagen.
Planton ist die Frucht eines Baumes, die gegen
ein Jahr braucht, ehe sie vollkommen ausgewach-
sen ist. Sie sieht der Schale einer Bohne ziem-
lich gleich, ist aber größer. Es hängen in einem
[Seite 230] Büschel 40 bis 50; der Baum trägt aber nie
mehr davon als eine. Man pflückt sie ehe sie
ganz reif sind, und kocht oder röstet sie. Meiner
Beurtheilung nach ist diese Art Brod nicht besser
als die vorhergehende.

Die letzte Art – die man eigentlich Brod
nennen kann – nämlich Cassader, ist gleichfalls
eine Wurzel, so dick als das Bein eines Mannes,
aber von verschiedener Gestalt. Aus ihr wäch-
set ein acht Fuß hoher Baum; wenn dieser ein
Jahr alt ist, wird die Wurzel ausgezogen, und
durch Stücke des alten Baumes, die man in die
Erde legt, ein neuer angepflanzt. Die ausgezo-
gene Wurzel wird geschabet, und der Saft, der
ein heftiges Gift ist, herausgepreßt. Alsdann
wird sie getrocknet und gestoßen, und aus dem
Mehle auf heißen Steinen runde einen halben
Zoll dicke Kuchen gebacken. Neugebacken schme-
cken diese ganz angenehm, wenn sie aber nur einen
Tag alt sind, so ist schon wenig Geschmack mehr
darin. Aus dieser Cassader machen die Indianer
verschiedene Arten starker Getränke, wovon eines,
Perrinoe genannt, in der That gut ist, und ziem-
lich unserm stärksten ein Jahr alten Märzenbier
[Seite 231] gleich kommt. Die Bereitung dieses Getränkes
habe ich in dem XIII. Kapitel meiner Reise nach
Rio de Berbice erzählet, und finde es daher über-
flüßig, sie hier nochmal zu wiederholen.

Fleisch und Fische müssen immer aus Neu-
england, Virginien und andern Gegenden zuge-
führt werden, ungeachtet die Wälder und Flüsse
hiesiger Gegend mit beydem reichlich versehen sind.
Die beständigen Regen und Ueberschwemmungen
erlauben nicht, daß man die Fische in der Menge
fängt, in der man sie nöthig hat; indeß hat doch
niemand, der sich etwas Mühe geben will, Ursache
über Mangel zu klagen. Die Fische sind von
ganz gutem Geschmack; was aber das Fleisch an-
belangt, so wird einer, der etwas lecker ist, bald
finden, daß dieß in unsern Niederlanden viel bes-
ser ist, als hier zu Lande. Denn eben die Thiere,
die bey uns gezogen werden, haben in diesen heis-
sen Ländern Fleisch, das ganz schlaff ist, und keinen
Geschmack hat; ausgenommen die Schweine, die
hier viel besser sind als in Holland.

Zu einer gewissen Jahreszeit werden auch
Schildkröten(*) an der Seeküste gefangen, die
[Seite 232] zwar nicht zu der Gattung gehören, deren Schil-
der so kostbar und theuer sind, die aber dafür ein
Gewicht von 2 bis 300 Pfund haben. Die
Weibchen hält man für die besten; gewöhnlich
haben sie Eyer in ihrem Leibe, von welchen jedes
so groß ist als ein Hühnerey, aber lange nicht so
gut. Wenn sie legen wollen, kriechen sie aus
dem Wasser heraus auf den Sand, verscharren ihre
Eyer in denselben, und lassen sie durch die Son-
nenhitze ausbrüten. Bey großem Mangel kann
man auch wohl das gesalzene Fleisch der Schild-
kröten essen; denn Hunger, sagt man, macht große
Bohnen süß; frisch aber werden sie von einigen
für ein treffliches Essen gehalten. Ich für meine
Person war nie ein großer Freund davon; denn
wiewohl der Geschmack nicht ganz unangenehm
ist, so lagen sie mir immer schwer im Magen, der
übrigens doch keineswegs der schwächste ist. Sie
müssen auch nothwendig eine grobe schleimichte
Nahrung geben, da sie so leicht faul werden, und
sogleich anfangen zu stinken, wenn man sie nur
zwey Stunden, nachdem sie geschlachtet sind, un-
gesalzen liegen läßt. – Schafe kann man hier
gar nicht ziehen; und es scheint, daß diesen Thie-
[Seite 233] ren ein kaltes und trockenes Land angemessener ist,
als ein heißes und feuchtes. Ochsen und Kühe
kommen zwar fort, vorzüglich an der Seeküste,
gegenwärtig aber sind sie noch nicht in so großer
Menge, daß die Metzger viel damit zu thun hät-
ten. – Schweine würde man in unendlicher Men-
ge haben, wenn die Fledermäuse, die ihnen die
Saugwarzen abbeißen, es nicht hinderten.

V. Kapitel.

Von den Vögeln und Thieren.

Ich glaube, daß es keine schönere und bessere
Vögel in der Welt geben kann, als in dieser Ge-
gend. Nur fehlt die Nachtigall mit ihrer liebli-
chen Kehle; und es scheint, daß dieses Land für
einen so holden Gast allzu rauh und wild ist.
Die hiesigen Vögel machen lauter Symphonien,
vor denen einem angst und bange wird; denn der
eine heult, der andere kreischt, der dritte krächzt
und schreyt; zusammen aber machen sie ein Ge-
töse, als ob es eine Musik aus der Hölle wäre.
Allein, was ihnen an Süßigkeit der Stimme ab-
geht, das ersetzen sie auf eine andere in Ansehung
des Nutzens und Vergnügens der Menschen sehr
[Seite 234] schätzbare Weise. Denn die Enten, Halbenten,
wilde Tauben, Schnepfen, Fasanen, Rebhühner
u. dgl. die hier viel größer und eben so gut sind,
als einige derselben bey uns zu Hause, finden sich
hier an allen Orten in Menge. Die Papagayen
sind hier häufiger, als in Holland die Krähen.
Und an der Seeküste findet man einen gewissen
Vogel, dessen Name mir entfallen ist(*), der so
groß ist, daß, wenn man in der Ferne einige bey-
einander sieht, man meynen sollte, es käme eine
Kompagnie Soldaten anmarschirt. Ihre Federn
sind von dem schönsten Scharlachroth, das keine
menschliche Kunst erreichen kann, und geben einen
solchen Glanz von sich, daß man sie nicht ansehen
kann, ohne geblendet zu werden. Auch giebt es
eine andere Art Vögel, die noch schöner sind als
die vorigen, in Ansehung der Größe aber stehen
sie weit unter ihnen; denn sie sind nicht größer,
als eine wilde Biene oder Hummel. Diese in
den Wäldern umherschwärmen zu sehen, ist ein
unbeschreiblich prächtiges Schauspiel einer Man-
nichfaltigkeit der schönsten und lebhaftesten Far-
ben. Man nennt sie, weil sie ihre Nahrung mei-
stens aus den Blumen haben, Honigvögel.

[Seite 235]

Außerdem hat man eine gewisse Art schwarze
Vögel, die ihre Nester an die äußersten Spitzen
der Aeste der Bäume hängen, um sie auf diese Art
vor den diebischen Meerkatzen zu sichern, die sie
sonst auf jeden Fall vernichten würden. – Son-
sten ist Surinam auch mit allerhand Arten von
Fledermäusen so reichlich versehen, daß, wenn es
zum Lobe des Landes gereichte, man wohl behau-
pten könnte, es seyen eher die Sterne am Himmel
zu zählen, als die verschiedenen Gattungen dieses
Gezüchts, von welchen weitläuftiger handeln wer-
de, wenn von den schädlichen Thieren rede.

Doch ohne die Geduld des Lesers weiter zu
misbrauchen, will ich eine kurze Beschreibung der
merkwürdigsten Thiere, deren ich mich erinnere,
beyfügen.

Surinam hat Hirsche, Hasen, Kaninchen,
Armadillo, Schweine, Büffel Ameisenbären,Tie-
ger u.s.w. Auf den Bäumen halten sich auf
Meerkatzen, Quotto, Marmezert, Cuscharee, Faul-
thiere, und viele andere, deren Namen ich verges-
sen habe.

Die Hirsche sind größtentheils wie die unsri-
gen. Die Hasen gleichen mehr einem Spanfer-
[Seite 236] ken, als irgend einem andern Thiere. Sie haben
braunes weiches Haar, mit weissen Flecken, und
sind größer als die unsrigen, mit denen sie über-
haupt außer dem Munde gar keine Aehnlichkeit
haben. Sie sind eine ausnehmende gute Speise,
und viel besser als irgend ein vierfüßiges Thier in
Holland.

Die Kaninchen sind roth von Haaren, kleiner
und weniger wohlschmeckend als die Hafen, übri-
gens aber von eben derselben Gestalt.

Armadillo giebt es zweyerley Arten, eine grö-
ßere und eine kleinere. Von den großen(*) habe
ich welche gesehen, die 80 Pfund wogen. Sie ha-
ben kurze Beine, drey Klauen an ihren Füßen,
einen Kopf wie die Schweine, keine Zähne, und
einen kleinen Mund. Sie sind, Kopf und Bauch
ausgenommen, über und über mit Schuppen be-
deckt, durch die kein Spieß oder Lanze durchdrin-
gen kann, sie müßte denn gerade zwischen die Fu-
gen dieser Schuppen treffen. Sie graben sich mit
ihrem Rüssel und Pfoten in die Erde ein, und wür-
den eine ganz gute Speise abgeben, wenn sie nicht
so stark nach Moschus röchen.(†)

[Seite 237]

Die Schweine sind von dreyerley Art. Die
eine Art lebt wie die Ottern, meistentheils im Was-
ser(*), und wird sehr geschätzt; ich habe aber nie
das Glück gehabt eines zu sehen. – Die zwey an-
dern Arten werden Pakkyra und Pinko genannt.
Die ersten(**) haben den Nabel auf dem Rücken,
sind grau von Farbe, und eine ziemlich gute
Speise. Die Pinko(***) sind nicht so groß als
unsere Schweine, aber gewiß eben so gut.

Die Büffel sollen so groß als unsere zweyjäh-
rigen Rinder, und eine gute Speise seyn. Umständ-
licher kann ich diese Thiere nicht beschreiben; denn
es ist mir keines zu Gesicht gekommen, und ich ha-
be auch gehört, daß sie selten so weit herunter
kommen, als ich damals wohnte.

Der Ameisenbär(†) ist von der Größe eines
gewöhnlichen Schweines, von dunkelgrauer Far-
be, und hat einen langen haarichten Schwanz, wie
ein Fuchs oder Eichhorn, womit er sich den ganzen
[Seite 238] Leib gegen den Regen bedeckt. Er hat einen klei-
nen Kopf, aber sein Rüssel ist von den Augen an
gerechnet, wohl einen Fuß lang; übrigens hat er
keine Zähne; seine Zunge ist lang und schmal, und
er kann sie einen Fuß lang herausstrecken. Er
steckt sie in die Nester der Ameisen, die nothwen-
dig daran kleben bleiben, und alsdann von ihm,
als seine einzige Speise, verschlungen werden. Es
ist dieß, vorzüglich an den vordern Theilen des Kör-
pers, ein sehr starkes Thier. Er hat scharfe Klauen,
die anderthalb Zoll breit sind, und womit er einen
tüchtig packen kann. Das beste aber ist, daß er
langsam geht, so daß man ihm leicht entkommen
kann. Sein Fleisch ist nicht das beste; wenn
man aber großen Hunger hat, muß alles durch
die Kehle.

Die Tieger sind von dreyerley Art, schwarze,
bunte und rothe. Die erste Art(*) wird für die
grausamste gehalten, in den bewohnten Gegenden
aber selten gesehen. Die bunten(**) werden, wie
ich glaube, unrichtig Tieger genannt; denn es
sind vielmehr Leoparden. Sie thun den meisten
[Seite 239] Schaden durch die Zerstörung, die sie unter dem
Vieh und Geflügel, als Hühnern, Gänsen u. dgl.
anrichten. Sie sind so stark, daß sie mit einem
Schweine im Rachen über einen fünf Fuß hohen
Zaun springen können. Unter andern kam einer
in die bewohnten Gegenden, brachte ein zweyjäh-
riges Kind um, und schleppte es über eine Vier-
telstunde weit in den Wald. Bey Tage fallen
sie so leicht niemand an, sie müßten denn sehr hun-
gerig oder verwundet seyn; und ich habe von nicht
mehr als zwey oder drey Menschen gehört, die sie,
seit die Colonie errichtet ist, zerrissen haben. Einer
von diesen war ein angesessener und behender
Mann, der immer wünschte, einmal einen Tieger
zu finden, und sich oft darüber beklagt hatte, daß
er noch nie auf der Jagd das Glück gehabt hätte,
eines von diesen Thieren anzutreffen. Endlich
ereignet es sich des Nachts, als er bey offnen Thü-
ren in seiner Hangmatte lag, daß ein Tieger kom̃t,
ihn anpackt, und zwey Stunden weit in den Wald
trägt. Er rief vergebens um Hülfe, ungeachtet
eine englische Frau, die neben ihm in einem ver-
schlossenen Hause war, ihn hörte, und das Herz
hatte, mit einer Muskete aus dem Fenster zu
[Seite 240] schießen. Wer aber diese Thiere kennt, weis
wohl, daß sie nicht so leicht auf einen kleinen
Lärm ihren Raub fahren lassen. Den andern
Tag fand man den Mann, und es waren ihm
bereits Kopf und Schultern abgefressen. Seit
der Zeit bemerkte man, daß nicht mehr so viel
Tieger in diesen Gegenden sich sehen ließen, weil
sie sich theils weiter hinauf in die Wälder bege-
ben haben, theils auch viele von den Hirten ge-
fangen wurden. Ein gewisser Jan Millar, den
man mir als einen sehr herzhaften Mann be-
schrieb, hat allein nicht weniger als zwölf oder
vierzehen mit der Flinte oder Lanze getödtet, wo-
bey er einigemal auf eine wunderbare Art sein
Leben rettete, und in andern Fällen schwere
Verwundungen bekam. Rothe Tieger(*) giebt
es nicht in so großer Menge; auch sind sie nicht
so grausam, als die beyden andern Arten.

In den Wäldern findet man eine Menge
Landschildkröten(**), die aber nur den vierten
[Seite 241] Theil so groß sind, als die an der Seeküste.
Ihre Schilde sind so hart und stark, daß ein ge-
ladener Wagen darüber fahren kann, ohne sie zu
zerbrechen oder zu quetschen. Es ist dieß auch
der einzige Schutz, den ihnen die Natur gegen
ihre Feinde gegeben hat: nur hilft er ihnen nichts
gegen Menschen und Tieger. Jene begehen an
ihrem Hause einen gewaltsamen Einbruch mit
dem Beile; und diese drehen sie um und ver-
schlingen dann ihr Fleisch. – Diese Schild-
kröten essen alles was ihnen vorkommt. Die
Einwohner pflegen eine Anzahl von ihnen in ei-
nen Stall einzuschließen, und sich ihrer dann
bey vorkommenden Umständen zu bedienen; denn
man hält sie in diesen Gegenden für kein schlech-
tes Gericht.

Ueber dieß giebt es Porcupinen (Stachel-
schweine), die viel mit den Igeln übereinkom-
men; nur sind sie etwas größer, und über und
über mit weißen und schwarzen Stacheln ge-
waffnet, die wie Federkiele aussehen, zwey Hand-
breit lang, und scharf wie Nadeln sind. Diese
Stacheln können sie mit bewundernswürdiger Ge-
[Seite 242] nauigkeit auf allen Seiten gegen den, der sie an-
greifen will, ausschießen.(*)

Die Meerkatzen sind in unserm Vaterlande
und allenthalben so gut bekannt, daß es über-
flüßig wäre, sie besonders zu beschreiben. Doch
etwas, glaube ich, findet sich bey den Meerkatzen
in diesen Gegenden, wodurch sie sich von allen
andern auszeichnen, und das ich daher hier er-
wähnen will. Zu bestimmten Stunden näm-
lich sowohl bey Tag als bey Nacht, machen sie
durch ihre hohle Kehlen ein so gräßliches Ge-
schrey, daß derjenige, der es noch nicht gewohnt
ist, nicht leicht etwas Sonderbareres und Schreck-
licheres hören kann; dieß Geschrey ist so stark,
daß man es über zwey Meilen weit hört.

Der Marmazet ist ein kleines artiges Thier-
chen von grüner und gelber Farbe. Ob er gleich
viel kleiner ist als eine Meerkatze, so hat er doch
[Seite 243] alle diese Seiltänzer unter seiner Botmäßigkeit.
Er reitet nämlich aus ihnen, springt mit ihnen
von einem Baume zum andern, giebt ihnen noch
obendrein die Sporen, indem er sie in die Ohren
beißt, und kann auf keine Weise von ihnen
abgeschüttelt, oder aus dem Sattel gehoben
werden.

Der Quotto(*) ist gewissermaßen schwarz,
etwas größer als eine Meerkatze, und hat einen
langen Schwanz, womit er sich von einem Bau-
me zum andern schwingt. Sie haben ein rothes
Gesäß; das Haar hängt ihnen über die Stirne
herein; und sie sehen aus wie ein altes Weib.
Ihr Geschrey ist schmetternd, und gewaltig laut.

Der Cuscary ist schwarz, kleiner als ein
Marmazet, und sieht aus wie ein Löwe.

Das Faulthier(**) ist ein Geschöpf, das
wegen seiner dummen und trägen Natur diesen
Namen hat. Es ist etwas größer als eine
Meerkatze, und hat ein buntfärbiges Fell. Ue-
[Seite 244] brigens ist es so faul, daß es weder durch
Schläge noch Stöße gezwungen werden kann,
rascher zu gehen, als es gewohn ist; und man
kann sich vorstellen, daß es keines der schnellsten
Thiere ist, wenn man hört, daß es ihm eine
Tagreise ist, auf einen Baum hinaufzuklettern,
von dem es selten heruntergeht, ehe es ihn von
allem, was es fressen kann, leer gemacht hat;
denn alsdann kommt es mit großer Bedachtsam-
keit und Majestät herunter, und begiebt sich eben
so wieder auf einen andern Baum. Seine mü-
ßigen Stunden – deren aber, wenn man die
Zeit, die es zum Fressen und Schlafen braucht,
abrechnet, nicht viele überbleiben – bringt es
damit hin, daß es ein Liedchen pfeift, welche
Musik aber für das Gehör eben nicht sehr an-
genehm ist.

Man hat noch andere Arten von Vögeln
und Thieren, deren ich mich aber nicht mehr
erinnere. Auch bin ich versichert, daß wenn der
aufmerksamste Beobachter sieben Jahre in die-
sen Gegenden bliebe, er doch noch immer ein
oder das andere Geschöpf finden würde, das er
[Seite 245] vorher nicht gesehen hat, und das doch seiner
Betrachtung wohl würdig wäre.

VI. Kapitel.

Von den Früchten.

Die Früchte des Landes sind Orangen, Limo-
nen, Limes, Pomcitrons, Wasser- und Musca-
tel-Melonen, nebst einigen Trauben. Dieses
sind durchaus nicht ursprüngliche Gewächse die-
ses Landes, sondern aus andern Gegenden hie-
her verpflanzt; gedeihen aber doch hier so gut
als irgendwo. Die inländischen Früchte sind:
Plantons oder Potatoes, Bonanoes, Semerri-
mars, Guavers, Pines, nebst einer Menge
wildwachsender Pflanzen, die wahrscheinlich
bey gehöriger Behandlung veredelt werden
könnten.

Von den Plantons habe ich bereits etwas
erzählt. Bonanoes sind beynahe eben dieselben
Früchte; nur sind sie beynahe noch besser als die
vorhergehenden, wiewohl ich an beyden keinen
sonderlichen Geschmack finde.

[Seite 246]

Die Semerrimars wachsen auf einem ziem-
lich bohen Baum; sie haben viele Aehnlichkeit
mit den Pfersichen, sind außen wollicht, und
können nicht eher gegessen werden, als bis sie an-
gegangen und faul geworden sind, und dann
haben sie den Geschmack der Marmelade oder
Quitte.

Die Guaver(*) ist ungefähr so groß als
eine Mispel, gelb, und voll Saamenkörner.
Es ist in der That eine von den leckersten Früch-
ten, die man finden kann; und schmeckt, wenn
sie reif ist, wie Johannisbeeren. Sie wächst in
den Savannas oder Wiesen.

Die Pine oder Ananas ist unstreitig die
Königinn aller Früchte. Sie ist sehr groß, hat
ungefähr acht Zoll in der Dicke, und einen Fuß
in der Länge. Auswendig ist sie grün, und ge-
sprengelt, inwendig gelb, saftig und voller Höh-
lungen, wie ein Honigwaben. Auf der Spitze
hat sie eine schöne Krone von Blättern, um da-
durch gleichsam ihren Vorzug vor allen andern
Gewächsen zu bezeichnen, den sie auch mit allem
[Seite 247] Rechte behauptet; denn sie ist die beste Frucht,
die ich je gesehen oder geschmeckt habe. Sie
wächst an einem kleinen, ungefähr vier Fuß ho-
hen Busche. Der Stiel kommt wie bey einer
Artischocke aus der Wurzel heraus. Wenn die
Krone abgeschnitten und in die Erde gepflanzt
wird, so trägt sie binnen zehen Monaten wieder
eine neue Frucht.

VII. Kapitel.

Von den Waaren und dem Handel dieses
Landes.

Die Waaren, womit in diesem Lande Handel
getrieben wird, sind Zucker, Specklewood oder
gestecktes Holz, Baumwolle, Tabak, verschiede-
ne Gummi und Färbehölzer.

Zucker wird in ansehnlicher Quantität ge-
macht, und durch die Bank zehen Procent besser
gehalten, als der von Barbados.

Specklewood ist auch in überflüßiger Men-
ge, und hatte vormals in England gleichen
Preis mit dem Zucker. Seit es aber so häufig
hinübergeführt wurde, ist der Preis ziemlich ge-
fallen.

[Seite 248]

Die Baumwolle kommt hier nicht so gut
fort, als in Barbados und andern Inseln, wahr-
scheinlich, weil hier zu viel Regen fällt, und die
See zu weit entfernt ist, aus der ein salzichter
Thau aufsteigt, der die Raupen und anderes
schädliche Gewürme von den Bäumen ver-
treibt.

Tabak geräth ganz gut, ist aber schlechter als
der Virginische, und ich glaube, daß bis jetzt
nicht mehr gepflanzt wird, als die Colonie für
sich selbst nöthig hat. Denn alle Leute, Män-
ner, Frauen und Kinder sind Liebhaber eines
Pfeifchens.

Indigo findet sich nicht sehr häufig.

Rum ist ein aus dem Safte des Zuckerrohrs
abgezogenes Wasser, gemeiniglich noch einmal
so stark als Brantewein, daher er in Neuengland
Kil-Divel oder Teufelstod genannt wird. Man
verkauft dort ein Maaß von vier Kannen gegen
zwölf Pfund Zucker.

Molasses(*) ist das, was von dem Zucker
abträufelt, wenn er in die Töpfe gegossen wird.
[Seite 249] Die bey unsern Materialisten am meisten be-
kannten Gummi sind Montagne und Gummi
Semnia. Sie sind beyde genug zu bekommen,
und es giebt ohne Zweifel noch bessere, die man
mit der Zeit entdecken wird.

Cassia Fistula ist auch im Ueberflusse vorhan-
den; und außer dem noch eine Art Balsam, die
von einem Baume abträufelt. Nichts hält man
bey frischen Wunden für besser, als eben diesen
Balsam.

Auch ist kein Mangel an allerhand Arten von
Farbehölzern, womit ein ziemlicher Handel ge-
trieben werden könnte.

VIII. Kapitel.

Von der Bevölkerung.

Die Zahl der ansäßigen Einwohner pflegte sich
vor einiger Zeit kaum auf vier bis fünfhundert
zu erstrecken; gegenwärtig aber zählt man weit
mehr, und unter denselben gegen dreyhundert
Plantagen: diese bringen ihren Herren keinen
kleinen Profit, und die Zinsen, die man, wenn
vorsichtig zu Werke gegangen wird, von einem
[Seite 250] Kapital binnen wenigen Jahren ziehen kann,
belaufen ich, im Fall kein Unglück eintritt, viel
höher, als bey einer größern Bevölkerung, und
einem Lande, an das weit mehr Mühe gewandt
wird.

Die Zeit, das Holz zu kappen, ist zwischen
dem April und August; von dem Ende desselben
bis in den Monat September liegt es, um trocken
zu werden, und dann wird es angezündt, und
die Asche dient statt des Dungs.

Indianisches Korn und Zuckerrohr werden
in den Thälern gepflanzt; Ymas(*) und andere
Speisen auf dem höhern Lande. Das Korn(**)
wächst auf einem rohrähnlichen Stengel, der
sechs bis sieben Fuß hoch ist; auf jedem Sten-
gel sitzen nur zwey Aehren, die Körner sind aber
so groß als eine Erbse, und werden in vier Mo-
naten reif. Man hat jedes Jahr zwey Aern-
ten, und bekommt wenigstens von einem Korn
fünfhundert.

[Seite 251]

Das Zuckerrohr kann gebrochen oder geschnit-
ten werden, wenn es ein Jahr alt ist, wo es
sechs Fuß hoch, und so dick, als ein Mannsarm
über der Hand ist. Die Spitze wird abgeschnit-
ten oder abgebrochen, und in der Mühle ge-
preßt. Der Saft wird in kupfernen Kesseln zur
gehörigen Dicke eingekocht, und übrigens eben
so behandelt, wie oben im XVII. Kapitel be-
schrieben ist.

IX. Kapitel.

Von den Negern und Sclaven.

Diese werden meistens aus Guinea in Africa
gebracht, wie Hunde verkauft, und eben so be-
handelt. Die ganze Woche werden sie mit der
größten Strenge von der Welt zu ihrer Arbeit
angehalten, und bey den kleinsten Fehlern aufs
schärfste gezüchtigt. Dieß dauert bis Sonn-
abends Nachmittag, wo man ihnen vergönnt,
ihre eigenen Gärten und Pflanzungen zu besor-
gen, von denen sie einzig und allein ihr Leben er-
halten müssen; außer daß etwa ihre Herren ein
oder zweymal des Jahrs sie mit einigen stinken-
[Seite 252] den Salzfischen erfreuen, oder ihnen von einer
Kuh oder Pferde, die verreckt sind, einen Bra-
ten zukommen lassen. Ihre Wohnung ist ein
hartes Brett; ihre Decke ihr eignes schwarzes
Fell.

Dieser elende Zustand veranlaßt sie durch-
gängig, aus Mismuth die verzweiflungsvoll-
sten Versuche zu machen, sich in Freyheit zu se-
tzen. Fürchten sie ertappt zu werden, so bringen
sie sich ums Leben. Werden sie aber durch
Hoffnung der Vergebung wieder zu ihren Herren
zurück gebracht, und dann zum Schrecken und
Exempel der andern gestraft, so ertragen sie, um
ihre Standhaftigkeit, oder vielmehr Hartnäckig-
keit zu zeigen, die größten Qualen, die ihnen
nur angethan werden können, mit unerschütterli-
chem Muthe.

Sie bestehen aus einem Gemische von aller-
hand Völkerschaften, und leben beständig mit
einander in Streit und Uneinigkeit. Daher ist
auch keine Verschwörung unter ihnen möglich,
oder sie wird wenigstens immer gleich von denen
entdeckt, die mit einem oder andern der Ver-
[Seite 253] schworenen in Feindschaft stehen. Uebrigens
sind sie auch schon von Natur verrätherisch und
blutdürftig, und haben, obgleich verschiedene un-
ter ihnen getauft sind, durchaus keine Re-
ligion.

Viele haben die alte Meynung des Pytha-
goras, in Ansehung der Wanderung der Seele
von einem Körper in den andern, und glauben,
daß sie nach ihrem Tode wieder gebohren, in ihr
Vaterland zurückkehren, und in einer beständi-
gen Veränderung in der Welt fortleben werden.
Diese Einbildung macht, daß sie sich oft innigst
nach ihrem Tode sehnen, weil sie keine Hoffnung
haben, auf eine andere Art von ihrer traurigen
Sclaverey erlöset zu werden.

X. Kapitel.

Von giftigen und schädlichen Thieren und
Gewürmen.

Wahrscheinlich ist die fruchtbare Hitze des
Landes, und die kleine Zahl der Einwohner die
Ursache, daß es von so einer ungeheueren Men-
ge Gewürme und schädlicher Thiere wimmelt,
[Seite 254] womit die Menschen oft gequält, und in Gefahr
gesetzt werden. Unter die bekanntesten werden
folgende gerechnet: Schlangen, Crocodile, Scor-
pione, Fledermäuse, Ameisen, Musquito, Krö-
ten und Frösche.

Was die Schlangen betrift, so ist es ganz
gewiß, daß welche getödtet worden sind, die
dreyßig Fuß lang, und verhältnißmäßig dick
waren. Das beste ist, daß man von diesen ab-
scheulichen Thieren gar keine Gefahr zu fürchten
hat; denn sie sind keineswegs giftig, auch, wenn
sie keinen Hunger haben, gar nicht bissig. Es
sind eigentlich Wasserschlangen, wiewohl sie bis-
weilen auch auf das Land kommen. Ihr Fut-
ter erhaschen sie durch List, nicht aber durch
schnelles Laufen oder Wälzen; und ich habe
niemals gehört, daß jemand so dumm gewesen
ist, daß er durch eine Gefahr, der man so leicht
entgehen kann, zu Schaden gekommen wäre.
Allein vor einer andern Art, die kleiner, und in
großer Menge vorhanden ist, hat man sich wohl
zu hüten; denn diese sind äußerst giftig. Wir
haben zwey oder dreymal die traurige Erfahrung
[Seite 255] gehabt, daß nicht nur Menschen, die von ihnen
beschädigt wurden, in kurzer Zeit starben; son-
dern daß auch 24 Stunden nach ihrem Tode,
ihnen das Fleisch stückweise von den Knochen
abfiel. Es giebt welche, die ganz schön, und
von lebhafter bunter Farbe sind; aber unter die-
sen schönen Farben liegt das tödtlichste Gift. –
Andere sind knotig und haben Hörner an ihrem
Schwanze, und Hauzähne im Maule, die zwey
Zoll breit und lang sind.

Es giebt auch Crocodile, aber sie sind weder
sehr groß noch auch häufig. Ich brauche sie
nicht zu beschreiben, da man sie ausgestopft in
jeder Apotheke sehen kann.

Die Scorpionen sind schwarz, und sehen ei-
nem Krebse nicht unähnlich. Sie halten sich
meist in trockenem Holze und Korn verborgen.
Ihr Stachel ist der Schwanz, und wen sie da-
mit stechen, der hat einige Stunden die heftig-
sten Schmerzen auszustehen; ans Leben aber
geht es nicht. Das gewöhnliche Heilmittel
wird von dem Geschöpfe selbst genommen; man
reibt es entzwey, und legt es auf die Wunde.

[Seite 256]

Die Fledermäuse sind für Menschen und
Thiere schädliche Geschöpfe; denn sie ziehen bey-
den das Blut ab, und das mit solcher Behen-
digkeit, daß man es nicht fühlt, als bis es zu
spät ist. Man sagt, daß verschiedene Leute ge-
nöthigt gewesen sind, ihre Wohnungen zu verlas-
sen, um das wenige Blut zu behalten, das sie
ihnen übrig gelassen hatten. Sie sehen im Fluge
so groß wie eine Taube aus; und sind, wie ich
schon gesagt habe(*), die einzige Ursache, daß die
Schweine in diesem Lande nicht in größerer Zahl
angezogen werden können.

Die Ameisen sind zwar kleine Geschöpfe,
aber doch so unzählig und so schädlich, daß Su-
rinam beynahe von nichts so viel zu leiden hat,
als von diesen Thierchen. Der sandige Boden
ist vorzüglich voll davon; und die armen Leute,
denen dergleichen Land zugefallen ist, und die
keine Hülfe der Dienstboten hatten, um sie aus-
zurotten, sind durch sie gezwungen worden, ihr
Land zu verlassen, und bessere Plätze zu suchen.

[Seite 257]

Die Muskyta(*) ist eine Art Mücken, vor
denen man des Nachts keine Ruhe haben kann,
so sehr wird man von ihnen gebissen, wovon so-
gleich große Pusteln auflaufen. Man wird
von diesem Insect am meisten in den niedrigen
Gegenden, und an der Seeküste gequält, wo
die See über das Land ab- und zulauft. Die
Fischer müssen daher, um des Nachts schlafen
zu können, den ganzen Leib, Augen und Mund
ausgenommen, mit Koth beschmieren.

Kröten und Frösche, der Schrecken der
Frauensleute, sind hier, wie in Aegypten, al-
lenthalben, sowohl in den Häusern als in dem
Felde. Des Abends, nachdem ein Schlag-
[Seite 258] regen gefallen ist, machen sie ein so lautes Ge-
schrey, daß man sein eigen Wort nicht hören
kann; und einige haben einen ganz gräulichen
Ton, der mit nichts, als dem Aechzen und Win-
seln eines Menschen, der auf den Tod liegt, ver-
glichen werden kann.

Dieses ist nun das Allerschlimmste, was
von Surinam gesagt werden kann; denn übri-
gens ist das Land so von Gott gesegnet, und hat
so viele Vorzüge, daß diese Beschwerlichkeiten
dagegen gar nicht in Betracht kommen. Auch
sind gegen einige derselben vollkommene und un-
fehlbare Hülfsmittel erfunden; und mit der
Zeit wird man auch gegen die übrigen Rath
schaffen.

XI. Kapitel.

Umständliche Beschreibung der vornehmsten Merk-
würdigkeiten, die Haushaltung, Lebensart etc.
der Indianer betreffend.

Man sagt, daß feige Menschen gewöhnlich
Verräther sind. – Es stehen verschiedene Na-
tinen mit dem Volke dieser Colonie in Ver-
[Seite 259] kehr und Handel; aber die eigentlichen Einwoh-
ner dieses Landes, die zugleich auch die größte
Anzahl ausmachen, sind die Charibes oder Ca-
nibalen. Eben dieser Völkerstamm hat sich
auch auf den meisten umherliegenden Inseln,
und auf dem festen Lande von dem Amazonen-
flusse bis an den Oronoque verbreitet. Sie
gehen, bis auf einen kleinen Lappen, den sie Ehr-
barkeits halben tragen, gänzlich nackt; und
selbst diese wenige Bedeckung werfen die Frauen,
die ein oder zwey Kinder gehabt haben, weg.
Ihre Haut ist Orangengelb, und ihr Haar
schwarz, und ohne Kräuse. – Sie könnten,
in Ansehung der irdischen Dinge, ein glückli-
ches Volk seyn, wenn sie nur ihr Glück kenn-
ten; denn die Natur hat sie so mit allen Noth-
wendigkeiten des Lebens versehen, daß sie nur
wenig Mühe anzuwenden brauchen, um sie sich
zu Nutze zu machen. Die Frauenspersonen
sind meistens geile Geschöpfe. Es giebt un-
ter ihnen so vollkommene Schönheiten von Ge-
stalt und Gliederbau, daß der verständigste
und geschickteste Bildhauer schwerlich was an
[Seite 260] ihnen auszusetzen finden würde. Die Ver-
schämtheit gegen Fremde, die vorzüglich den
Jungfrauen eigen ist, giebt ihren übrigen
Verkommenheiten, die so ganz nackt zur Schau
ausgesetzt sind, eine so anziehende Grazie und
Anmuth, daß man im Umgange mit ihnen
keine geringere Gabe Keuschheit besitzen muß,
als Joseph, wenn man keine Regung verbote-
ner Begierden bey sich fühlen soll. Bis jetzt
sind sie noch so einfältig gewesen, daß sie bey
allen andern Freundlichkeiten, womit sie das
männliche Geschecht anlocken, das süßeste und
reinste Vergnügen, den Kuß, nicht kennen.(*)
Da sie aber nun so viel mit den Europäern um-
gehen, und von Natur geistreich und gelehrig
sind, so ist es glaublich, daß sie es mit der
[Seite 261] Zeit wohl lernen werden. – Sie haben zwey-
erley Häuser; das eine für die Nacht, und das
sind Hütten, die mit dem Dache beynahe auf
den Boden stoßen; und das andere, um sich
des Tages über darinn aufzuhalten; diese sind
etwas höher und weiter, um sie gegen die heißen
Sonnenstralen zu schützen; auch sind sie auf
allen Seiten offen, damit die kühle Luft durch-
streichen kann.

Ihr Hausgeräthe besteht in schön gemalten
irdenen Töpfen und Schüsseln; und ihre Tafel-
tücher sind Baumblätter. Ihre Betten oder
Hangmatten sind aus Baumwolle gemacht,
viereckicht wie eine Bettdecke, mit einem Saum
an jedem Ende, woran die Hangmatte straff
ins Viereck ausgespannt wird. Ihr Brod
und Getränke liefern ihnen ihre Cassavesgärten;
und die Wälder und Flüsse versehen sie bestän-
dig mit Fleisch und Fischen. Wenn sie im
Staate erscheinen wollen, malen sie sich artig
mit einer rothen Farbe, Anotta(*) genannt,
[Seite 262] die auf kleinen Bäumchen in Schalen wächset;
und zu gleichem Zwecke bedienen sie sich des Saf-
tes verschiedener Bäume. Sie bohren sich Lö-
cher durch die Nase, Lippen und Ohren, und
hängen Glasperlen, Stücke Kupfer und ande-
re Kleinigkeiten hinein, die sie von den Hol-
ländern mit ihrer Arbeit verdienen. Den Hals,
die Arme und Beine beladen sie mit Corallen,
Muschelschalen oder andern läppischen Dingen,
die sie bekommen können. – Sie haben keine
andere Regierung und Gesetze, als ihre häusli-
chen Verfassungen; und außerdem leben gan-
ze Geschlechter beysammen, wie zu den Zeiten
der alten Patriarchen. Immer tritt der älte-
ste Sohn in die Stelle seines Vaters. Doch
haben sie einige ausgezeichnete Männer unter
sich, die ihre Kapitains und Hauptleute sind,
und sie in den Krieg führen. Die Herzhaftig-
keit dieser Leute prüft man, indem man sie
tapfer mit Ruthen haut; wenn sie dieß aus-
stehen können, ohne zu schreyen, oder eine
andere merkliche Bewegung zu machen, so
werden sie für brav gehalten, und von den
[Seite 263] andern, die weniger Muth haben, geehrt.
Die Häupter der Geschlechter haben gewöhn-
lich drey oder vier Frauen, da hingegen die
übrigen nur eine haben. Doch kann man sie
mit mehrerem Rechte Aufwärterinnen nennen,
als Hausfrauen; denn sie sind ihren Män-
nern so unterthänig, als bey uns die geringste
Magd ihrem Herrn oder ihrer Frau. Auch
haben sie eine solche Ehrfurcht für ihre Män-
ner, daß sie ihnen immer bey Tische auf-
warten, und nicht eher essen, als bis jene
mit ihrer Mahlzeit fertig sind. Selten wird
der Mann seine Schultern mit einer Last be-
schweren, sondern gewöhnlich sie seiner Frau
auflegen. Kommt sie mit ihrer Geburt zur
Niederkunft, so geht sie sogleich wieder an ihre
Arbeit, und verrichtet sie wie zuvor.

Ihre Sprache hat keinen sonderbaren Laut,
ist aber doch schwer zu erlernen, weil viele
Worte ganz verschiedene Dinge bezeichnen, und
blos durch die Aussprache sich unterscheiden.
[Seite 264] Wenn ein Feldzug beschlossen ist, so schickt
der General oder oberste Kapitain auf alle
Dörfer und an alle Familien, die versammelt
werden sollen, einen Stock, in welchen so
viele Kerben geschnitten sind, als man Tage
zum Termin der Versammlung bestimmt hat;
von diesen Kerben schneiden sie dann alle Ta-
ge eine aus, bis die Zeit um ist, und dadurch
allem können sie wissen, daß die Zeit verstrichen
ist; denn ihre Zahlen oder Ziffern erstrecken
sich nicht über zwanzig(*); für die übrigen
haben sie keinen Namen; und selbst diese
zwanzig bezeichnen sie blos mit ihren Fingern
und Zehen. Doch nehmen sie manchmal die-
se Zahl doppelt und dreyfach; geht es höher,
so ist ihre Rechenkunst zu Ende, und dann
brechen sie in ihr Ounsa Awara aus, d.h.
so viel als Haare auf unserm Kopfe.

Zur See gehen sie mit gemalten Canots
oder Booten, die aus einem Stücke gemacht
sind, aus einem Baume, der wie ein Trog
[Seite 265] ausgehöhlt wird, und der so groß ist, daß
manchmal zwey bis drey Lasten (8 bis 12000
Pfund) darinn geführt werden können.

Ihre Waffen sind Bogen mit vergifteten
Pfeilen, und kurze Stöcke von gesprenkeltem
Holze (Speckle-wood). Einige tragen zu ih-
rer Bedeckung runde Schilde, die hübsch ge-
macht, und mit eingeschnittenen Figuren ver-
ziert sind. Sie halten keine Ordnung im Fech-
ten, und thun keinen Angriff, als bey Nacht,
es müßte denn seyn, daß sie merklichen Vor-
theil sähen. Die Männer, die sie gefangen
bekommen, bringen sie mit der größten Grau-
samkeit, die nur feige Leute gegen Feinde, die
sie in ihrer Gewalt haben, erdenken können,
ums Leben. Die Kinder und Frauen ma-
chen sie zu Sclaven, und verkaufen sie für
eine Kleinigkeit. Sie überfielen einmal die
französische Colonie in Surinam, und ver-
suchten es auch bey den Engländern, als diese
erst hinkamen; aber sie wurden von den letz-
tern so nach Hause geschickt, daß sie ihre
Thorheit noch bereuen. Jetzt, da die Colonie
[Seite 266] mächtig geworden ist, dürfen sie nicht wieder
kommen; vielmehr betragen sie sich gegen-
wärtig freundschaftlich. Sie sind sehr rach-
gierig untereinander, und rächen eine zuge-
fügte Beleidigung zur einen oder andern Zeit;
dabey aber sind sie immer verrätherisch, und
trauen sich nicht ihrem Manne unter die Augen
zu sehen.

Ich habe niemals bemerken können, daß
sie irgend Religion oder Gottesdienst haben;
wiewohl sie manchmal von einem Kapitain der
Wolken sprechen; allein sie dienen weder
ihm, noch sonst einen andern. Vom Teufel
haben sie einige Kenntniß, und nennen ihn
Yarakin. Die Betrüger des Volks, die sie
Peies nennen, und die die Stelle der Prie-
ster oder Pfaffen vertreten, machen ihnen
weiß, daß sie in enger Gemeinschaft mit ihm
stünden. Ob dieß sich in der That so ver-
hält, oder nicht, kann ich nicht sagen; es
dient ihnen indeß dazu, sich ein Ansehen bey
dem übrigen Volke zu geben, das sich ein-
bildet, daß Tod, Krankheiten und allerhand
[Seite 267] Unglück unmittelbar vom Teufel komme. Sie
haben auch einen kleinen Funken Kenntniß
von einem andern Leben, wo die guten und
bösen Handlungen dieses Lebens Vergeltung
und Strafe erhalten sollen; aber sie sind zu
weise, als daß sie verlangen sollten zu wis-
sen, worinn diese Vergeltung und Strafe be-
stehen, und an welchem Orte sie geschehen
soll. Die Einbildung, die sie von der Ge-
meinschaft haben, in welcher die Peies mit
dem Teufel stehen, und von der Kenntniß,
die sich dieselben von Kräutern und Arzney-
mitteln erworben haben, macht, daß sie die-
selben als Aerzte gebrauchen.(*) Sie brau-
[Seite 268] chen sich aber auf ihre Kunst eben nicht viel
zu gute zu thun; denn wenn einer von ih-
nen zu einem kranken Menschen geholt wird,
und mit seinen Beschwörungen und Zaube-
reyen nichts ausrichten kann, und der Patient
stirbt, so lohnen die zurückgelassenen Freunde
den Arzt für seine Mühe mit dem Tode,
wenn er sich nicht eiligst davon macht.

Die todten Körper verbrennen sie, sind
mit denselben alles, was dem Verstorbenen
bey seinen Lebzeiten zugehörte; was nicht ver-
brannt werden kann, als Eisenwerk und der-
[Seite 269] gleichen, vernichten sie auf andere Art, da-
mit es dem Todten im andern Leben an kei-
ner einzigen Sache gebrechen möge. Wenn
er einige Sclaven oder Sclavinnen gehabt
hat, so tödten sie diese auch, damit sie ihrem
Herrn aufwarten können. Bey der Begräb-
niß feyern sie ein Fest mit Trinken, Klingen,
und possierlichen unordentlichen Tänzen, die
unter ihnen sehr gebräuchlich sind; unterdeß
sitzen die nächsten weiblichen Anverwandten
des Verstorbenen dabey, und machen ein jäm-
merliches Geheul über den Verlust ihrer Freun-
de und Verwandten.

Dieß ist nun das Merkwürdigste, was ich
von den Sitten der Eingebohrnen zu sagen habe.
Ich gehe nun zu andern Dingen über.


XII. Kapitel.

[Seite 270]

Tod des Herrn van Sommelsdyk, Gouverneurs von
Surinam. Vergeblicher Angriff der Franzosen
auf diese Colonie. Unglück, das den Herrn von
Chatillon bey dieser Gelegenheit betraf. Ab-
reise des Verfassers von Surinam, und Ankunft
zu Middelburg.

Auf diese Beschreibung der vornehmsten
Merkwürdigkeiten der Colonie von Surinam
lasse ich eine kurze Erzählung derjenigen Be-
gebenheiten folgen, die sich zu meiner Zeit
daselbst zugetragen haben. Denn da der Con-
tract, den ich mit meinem Patron gemacht
hatte, zu Ende gelaufen war, wurde er wie-
der erneuert, und mein Aufenthalt dadurch
verlängert. Ich kann daher mit hinlängli-
cher Zuverläßigkeit, sowohl von dem Tode
des Herrn von Sommelsdyk, Gouverneur
der Colonie, wobey ich als Augenzeuge ge-
genwärtig war, als auch von dem Angriff,
den die Franzosen während des Gouvernements
des Herrn Scherphuizen auf Surinam thaten,
sprechen; und werde mit diesen Nachrichten
meine Reisebeschreibung schließen.

[Seite 271]

Die Soldaten der Besatzung, denen in
der That eine allzuharte und sclavenmäßige
Arbeit aufgelegt wird, hatten schon lange
über den schlechten Proviant geklagt; und
endlich stieg ihre Unzufriedenheit so hoch, daß
sie durch einige Rädelsführer aufgehetzt, ins-
gesammt erklärten, sie würden keine Hand
mehr an die Arbeit legen, wenn sie nicht mit
bessern Lebensmitteln versehen würden. Als
der Adjutant, der sie commandirte, sah, daß
es Ernst war, versprach er, nach dem Gou-
verneur zu gehen, und für sie zu sprechen,
welches er auch wirklich that; dieser aber,
anstatt ihm auf eine sanfte Art Bescheid zu
geben, griff nach einem spanischen Rohre, und
trieb ihn mit vielen heftigen Worten zum
Zimmer hinaus. Der Adjutant gieng darauf
nach seinen Leuten zurück, und erzählte ihnen,
was ihm begegnet wäre; allein diese glaub-
ten ihm nicht, und stürmten alle insgesammt
auf das Haus des Gouverneurs zu. Unter-
dessen begegnete ihnen der Kommandeur Ver-
boom, ein Mann, der bey jedermann eben so
[Seite 272] beliebt, als Herr von Sommelsdyk wegen
seiner Unfreundlichkeit und Härte verhaßt
war. Dieser fragte sie sogleich auf eine lieb-
reiche Art nach der Ursache ihres Misvergnü-
gens; versprach ihnen, als er diese vernom-
men hatte, daß er ihnen reichlicheren Pro-
viant verschaffen wolle; und ersuchte sie, daß
sich für jetzt jeder nach seinem Hause begeben
sollte. Die Soldaten folgten ihm auch. Als
sie aber den andern Morgen zur Arbeit zu-
sammenkamen, und keinen Bescheid erhielten,
faßten sie den Entschluß, sich selbst Recht zu
schaffen, und das mit Gewalt zu nehmen,
was sie auf demüthiges Bitten nicht erhalten
konnten. Sogleich griff jeder nach seinem
Gewehr, und unter einem abscheulichen Flu-
chen stürzten sie insgesammt nach dem Hause
des Gouverneurs.

So bald der Kommandeur Verboom dieß
gewahr wurde, und die schrecklichen Drohun-
gen der Soldaten hörte, die nun auf keine
Vorstellungen mehr hören wollten, bat er den
Gouverneur mehr als jemals, das Gesuch
[Seite 273] der Truppen zu bewilligen. Doch anstatt
vor dem Sturme zu weichen, fliegt der Gou-
verneur mit dem Säbel in der Hand zu der
Thüre hinaus, und auf die Leute zu, und
wollte einem derselben den Kopf spalten. So
wie dieser sah, daß es ihm gelten sollte,
schoß er sein Gewehr los, und jagte dem
Gouverneur eine Kugel durch die Hüfte, wo-
von er sogleich zur Erde niederstürzte, und
da, ohne weiter ein Wort zu sprechen, mit
sieben und vierzig Wunden getödtet wurde.
Bey dieser allgemeinen Wuth bekam auch der
brave Kommandeur Verboom, ob ihm gleich
die Soldaten zuriefen, daß er sich auf die
Seite machen sollte, eine Kugel in den Leib,
woran er neun Tage nachher starb.

Dieß geschah den 19. Julius des Jahres
1688; ein Tag, welcher vielen lange Zeit im
Gedächtniß wird geblieben seyn; denn die
Aufrührer, hiemit nicht zufrieden, rückten
weiter fort, bemächtigten sich des Forts, ver-
stärkten sich zu 140 bis 150 Mann, wählten
Oberste anstatt der Officier des Forts; über-
[Seite 274] wältigten zwey Schiffe auf dem Flusse; rü-
steten diese aus dem Magazine mit allem Noth-
wendigen aus; preßten den Bürgern, nachdem
sie solche entwaffnet hatten, 3500 Gulden ab,
und machten alles zu ihrer Abfahrt bereit.
Die Räthe des Landes, die die Sache mit
Güte wieder in Ordnung zu bringen suchten,
ließen ihnen wissen, daß diejenigen, die blei-
ben wollten, von aller Strafe frey seyn sollten.
Vierzig bis funfzig nahmen dieß Anerbieten
an; die Uebrigen machten sich nach dem
Schiffe, ergaben sich aber, da die ganze Colo-
nie sich versammelte, und ihnen versprochen
wurde, daß nur allein die Schuldigen gestraft
werden sollten. In der That wurden auch nur
acht Rädelsführer aufgehängt, drey gerädert,
und die übrigen kamen frey durch.

Neun oder zehen Monate nachher, da wir
wieder in offenbarem Kriege mit Frankreich wa-
ren, bemächtigten sich einige französische Kriegs-
schiffe in Westindien der Insel St. Christoph,
die den Engländern gehörte, und glaubten es
mit Surinam kurz nach der Ankunft des neuen
[Seite 275] Gouverneurs Herrn van Scherphuizen eben so
zu machen. Der ganze Verlauf dieses Vor-
habens war folgender: Den 6. May 1689.
wurde die Garnison durch die Schildwache von
Motte-Crek, zwey Meilen weiter hinunter,
benachrichtigt, daß eine französische königliche
Flotte von zehen Segeln sich nach dem Flusse
zuwende. Der Gouverneur befahl daher allen
Kapitains, sich mit ihren Kompagnien an das
Fort zu verfügen. Die Feinde trieben unter-
dessen den Fluß herauf, ließen ein Bombar-
dierschiff, eines von den zehen, auf das Fort
schießen; und eroberten, das Wappen von
Amsterdam, eine Barke, die auf der Brand-
wache lag. Den 7. May holten die Belager-
ten ihre sechs Schiffe und zwey Brander an
das Ufer, und vertheilten sich, 78 Mann un-
ter dem Kapitain Swart, 84 Juden(*) unter
dem Kapitain Samuel Nassi, und 69 Sol-
daten unter dem Kapitain Lukas Codri, auf
die nöthigen Posten, alle wohl gewaffnet und
guten Muthes; letzteres um destomehr, weil
[Seite 276] die Vestungen durch die Sorgfalt des Herrn
van Vredenburg beynahe in erwünschtem
Stande waren. Den 8. May spielte das
französische Bombardierschiff des Nachts sehr
heftig, bey Tage aber gelinder auf das Fort
und die sechs Schiffe; die feindliche Flotte aber
blieb außer der Erreichung des holländischen
Geschützes. Des Nachts darauf schickten die
Franzosen Kundschafter aus, die aber, da sie
entdeckt wurden, sich schnell davon machten,
und der Dunkelheit wegen nicht verfolgt wer-
den konnten. Den 9ten May machten sich
die Feinde zum Stürmen des Forts fertig,
und warfen, um die Holländer, die sie em-
pfangen wollten, zu hindern, einige Bomben,
die aber keine Wirkung hatten. Des Abends
kam das Bombardierschiff dicht an das Fort,
und die anderen Schiffe folgten ihm. Die
Schildwache gab Nachricht, daß sie sich ei-
nen Pistolenschuß weit von dem Fort in einem
halben Monde stellten; das Wetter war dun-
kel. Zwey derselben fiengen das Feuer an;
wurden aber, ungeachtet ihres beständigen
[Seite 277] fruchtlosen Bombardierens und Granatenwer-
fens in zwey Stunden mit mehr als 3000 Ka-
nonenschüssen so begrüßt, daß sie ihre Anker
kappten, und mit der Ebbe sich zurückzogen.
Die Belagerten bekamen vier bis sechs Gemei-
ne, die verwundet waren, und des andern Ta-
ges zwey der feindlichen Anker, die sie treiben
sahen, nebst einigen Leichnamen ohne Kopf,
Füße und Hände, und mehrere andere Zeichen
des Verlustes der Feinde.

Den 10ten May kam das Bombardier-
schiff, das in allem 140 bis 150 Bomben nach
dem Fort und den Schiffen – keine einzige
aber hinein – geworfen hatte, wieder unter
das Fort; wurde aber durch das heftige Kano-
niren sehr bald zurückgetrieben. Die feindli-
chen Schiffe zogen sich gleichfalls zurück. Den
12ten May streiften die Franzosen noch im An-
gesichte des Forts umher, fuhren des Nachts
den Fluß hinunter, und giengen den anderen
Tag, da sie sahen, daß nichts auszurichten war,
wieder in die See.

[Seite 278]

Ein trauriges Unglück begegnete bey dieser
Gelegenheit dem Herrn von Chatillon, Sohn
des Herrn van Sommelsdyk. Er hatte das
Kommando über eine Batterie, die beständig
auf die Franzosen spielte. Da er zum zweyten-
male selbst eine Kanone abfeuern wollte, flog sie
vor der Zeit in Brand, nahm ihm zwey Finger
von der rechten, und drey von der linken Hand
weg, versengte ihm das Gesicht, und verwundete
ihn sehr heftig.

Drey oder vier Wochen nach diesem Vorfall
gieng mein Aufenthalt zu Surinam zu Ende.
Mein Patron hatte ungefähr einen Monat vor-
her sich selbst dahin begeben, und ich bekam da-
her Befehl, mich zu meiner Rückreise nach dem
Vaterlande anzuschicken. Da mir auf dieser
Reise nichts Merkwürdiges begegnet ist; so will
ich einzig nur melden, daß ich sechs bis sieben
Wochen unterwegs war, und den 6ten August
1689. zu Middelburg in Seeland ans
Land trat.

Ende des Ersten Theils.


[interleaf] [interleaf] [interleaf] [interleaf] [interleaf] [binding_verso]
Notes
(*).
[[XII]]

S. HARTSINCK Beschryving van Guiana,
Vol. I. pag.
280.

(*).
[Seite 10]

Delphinus phacoena.

(*).
[Seite 13]

Squalus carcharies etc.

(*).
[Seite 14]

Gasterosteus ductor.

(**).
[Seite 14]

Scomber pelamis.

(*).
[Seite 15]

Exocoetus volitans etc.

(*).
[Seite 16]

Vermuthlich Pelecanus aquilus etc.

(*).
[Seite 21]

Elaeis guineensis? die Oel-Palme.

(*).
[Seite 22]

Capiscum minimum?

(**).
[Seite 22]

S. unten Kap. XIII.

(*).
[Seite 25]

S. unten Kap. XIII.

(*).
[Seite 29]

Asthenia guianensis. S. unten Kap. XVI.

(*).
[Seite 30]

S. in der folgenden Reise (nach Surinam)
Kap. X.

(*).
[Seite 35]

Vermuthlich von einer Gattung Pisang.

(*).
[Seite 37]

Orlean, von der Frucht der Bixa orellana.
S. unten Kap. XIV.

(*).
[Seite 38]

Das gleiche wird von den Grönländern und
Eskimos gesagt. Und so sollen die Yameos am
Amazonenfluß und auch theils die Californier
gar nur bis drey zählen können. Dieß haben
einige unsrer Sophisten (selbst Rousseau im
Emil) so gedeutet, als ob diese Wilde gar nicht
mehr als drey Dinge zusammenrechnen könnten!
Man sieht aber leicht aus dieser und andern Stel-
len des gegenwärtigen Werks und aus zahlrei-
chen andern Reisebeschreibungen, daß dieses Zäh-
len der Wilden bis drey, bis fünf etc. nichts wei-
ter seyn will, als daß ihre Cardinalzahlen nur
so weit reichen (ohngefähr so wie ein Wilder von
den Europäern sagen könnte, sie zählten nur bis
zehen); daß sie aber durch die Zusammensetzung
derselben; folgends mit Hülfe von Körnern und
dergleichen Dingen, die ihnen dann statt Zahl-
pfennige dienen, theils sehr große Summen ge-
nau zu berechnen wissen. Beyspiele davon habe
ich in den Bemerkungen über die Fähigkei-
ten der Wilden
im Göttingischen Magazine II.
Jahrg. 6ten Stück S. 413 u.f. gegeden.

(*).
[Seite 41]

Diese, auch bey so manchen Völkern der alten
Welt (z.E. bey den Kalmücken, Malayen etc.)
übliche Sitte, sich den Bart ganz oder doch zum
Theil auszurupfen, hat bekanntlich zu dem selt-
samen Wahne Anlaß gegeben, als ob die Ame-
rikaner von Natur bartlos wären; und man
weis, was für schöne Hypothesen nicht blos von
Voltaire, sondern selbst von dem sonst so ein-
sichtsvollen und scharfsinnigen Verfasser der
Rech. sur les Americains (T. I. pag. 37. seq.)
auf diese irrige Voraussetzung gebauet worden.
Ich habe es daher der Mühe werth gehalten,
eben in dem angeführten Stück des Göttingi-
schen Magazins
aus einer Menge der zuver-
läßigsten Reisebeschreiber zu erweisen, daß es
[Seite 42] 1) von Labrador bis nunter zum Feuerlande noch
jetzt genug amerikanische Völker giebt, die sich
den Bart wachsen lassen –; und daß 2) hinge-
gen so viele andre sich denselben durch mancherley
theils genau beschriebene und abgebildete Werk-
zeuge und Handgriffe auswurzeln. Jetzt könnte
ich jene Zeugniße noch durch eine große Zahl an-
derer, die ich mir seitdem gelegentlich aufgezeich-
net, vermehren. Von den Nordamerikanischen
Wilden hat nur erst neuerlich der Wundarzt
Causland in einer eignen Abhandlung (in der
philos. Transact. Vol. LXXVI. for a 1786.
P. I. pag. 229. u.f.) erwiesen, daß sie allerdings
von Natur bärtig sind, und sich nur durch Kunst
bartlos machen.

Daß aber eine solche Künsteley, wenn sie
durch lange Generation fortgesetzt wird, wohl mit
der Zeit zum erblichen Schlage ausarten, mithin
auch vielleicht der natürliche Haarwuchs des
Bartes jetzt bey den Amerikanern schwächer seyn
könne, als bey andern Menschen-Raçen, davon
habe ich sowohl in der Schrift über den Bil-
dungstrieb,
als auch im VIIIten Band der
mancherley Beyspiele und Bemerkungen ange-
geben.

(*).
[Seite 44]

Siehe die Recherches philos. sur les Améri-
cains
T. II. pag
. 238. u.f.

(**).
[Seite 44]

So sind die im akademischen Musäum zu
Göttingen befindlichen Pfeile der Guianischen
Wilden. Theils mit dem Stachel des Giftro-
chen (Raja pastinaca) theils mit zugeschnittenen
Knocken der dasigen Hirsche (sieh unten Kap. XV.)
geschäfftet.

(*).
[Seite 47]

Ein Aufschluß, warum also manche Reisende,
die doch genug nackte Weiber in Amerika gesehen,
dennoch keine Spur des monatlichen Blutverlu-
stes an denselben gewahr worden, woher sich dann
die oft behauptete Sage schreibt, als ob das
weibliche Geschlecht in jenem Welttheile diesem
lästigen Gesetze gar nicht unterworfen sey, (sieh
z.B. Lafiteau u.a.)

Andere Ursachen, die noch außerdem zu die-
sem Wahne haben Anlaß geben können, habe ich
in den Institution. physiolog. pag. 422. ange-
geben.

(**).
[Seite 47]

Vergl. Carver’s trowels throngh the in-
terior parts of North-America p
. 235.

(*).
[Seite 48]

Cassave. S. unten Kap. XIII.

(*).
[Seite 50]

S. unten Kap. XIII.

(*).
[Seite 51]

Also ganz wie die Quixos der Peruaner. –
Vergl. unten Kap. VIII.

(**).
[Seite 51]

Sieh unten Kap. XVI.

(*).
[Seite 55]

S. unten Kap. XIII.

(*).
[Seite 62]

Ein ausgehöhlter Kürbis von der Crescentia
cujete
, Calabaßenbaum.

(*).
[Seite 63]

Eine Art Korb. – S. unten Kap. VIII.

(*).
[Seite 67]

Manikole, eine Art Palme. – S. Hartsink’s
Beschreibung von Guiana Vol. I. pag
. 68.

(**).
[Seite 67]

S. unten Kap. XV.

(*).
[Seite 79]

Holländ. Puitaal, ist Gadus lota.

(*).
[Seite 80]

S. unten Kap. XVI.

(*).
[Seite 83]

S. unten Kap. XVI.

(*).
[Seite 84]

Rhizophora mangle. Wurzelbaum, Auster-
baum.

(*).
[Seite 85]

Laulau, oder amerikanischer Cabeljau. –
S. Hartsink’s Beschreibung von Guiana Vol. I.
pag. 121.

(*).
[Seite 87]

Querman. – S. Hartsink’s Beschr. von Guiana
Vol. I. p
. 118.

(*).
[Seite 90]

Eine Knoten-Schnur.

(*).
[Seite 93]

Copaiva-Balsam, von der Copaifera offici-
nalis
.

(**).
[Seite 93]

Orinocco.

(*).
[Seite 112]

Vielmehr eine spatelförmige Keule.

(*).
[Seite 113]

Ueberhaupt ich die Blutgier bekannt, womit vor-
züglich die Weiber bey solchen menschenfressenden
Völkern sich an diesen Auftritten weiden. Der
fromme reformirte Prediger de Lery setzt in sei-
ner schaudervollen Beschreibung der großen Hun-
gersnoth, die er selbst in der Belagerung von
Saucerre mit überstanden, daß er während sei-
nes Aufenthalts in Brasilien gesehen, wie heiß-
hungrig vor allen die alten Weiber aufs Men-
schenfleisch gewesen; wie sie um den Rost herum
gesessen, auf welchen die Gefangenen gebraten
worden, und jeden Tropfen Fett aufgeleckt, der
davon herabgeträufelt etc.

(*).
[Seite 130]

Sieh unten Kap. XV.

(*).
[Seite 133]

S. unten Kap. XV.

(*).
[Seite 135]

Cyprinus rutilus.

(*).
[Seite 136]

Etwas dergleichen erzählt G. Marcgraf in
der hist. nat. Brasiliae p. 270. von den dasigen
Wilden: ‘„Tapujae viri membri sui genitalis
fistulam in se contrahunt
& involvunt, ligan-
tes teniola quadam, vocantque id quo ligant
do opus est ut micant. Majore autem pu
-
dore afficiuntur monstrando virgam explica-
tam quam nos. Eodem modo
& alii quidam
Brasilienses membra sua genitalia ligant
.“’

Aehnliche solche Sonderbarkeiten bey andern Völ-
kern sind im Göttingischen Taschenbuche
vom Jahre 1787. S. 138 u.f. angegeben.

(*).
[Seite 137]

Thun die Siamer auch.

(*).
[Seite 138]

Eine Menge Nachrichten von ähnlichen eckel-
haften Dingen, die von manchen Völkern gegessen
werden, hat Herr von Haller gesammelt Element.
physiol. Vol.
VI
.

(*).
[Seite 139]

Allerhand Zeugnisse von der leichten Nieder-
kunft der Weiber unter den Wilden sind in fol-
genden zwey medicinischen Dissertationen gesam-
melt: 1) Jo. G. Jul. Müller (praes. Beireis) de
caussis cur feminae in Germania partibus labo-

riosis prae aliis gentibus magis sint obnoxiae.
Helmst. 1769. 4. Und 2) Jo. Chr. Unzer Cur
feminis Europaeis
& illustribus prae aliis genti-
bus
& rusticis partus sint laboriosiores. Got-
ting
. 1771. 4.

(*).
[Seite 140]

Eine in allen übrigen vier Welttheilen außer
Europa fast allgemein herrschende Gewohnheit.
Die Tungusen, Cochinchineser, Hottentotten,
Grönländer, Canadenser, selbst die Utaheiten
und viele andre Völker genießen ihr Ungeziefer.
Doch meines Wissens kein Volk in reicherer Maße
als die Kamtschadalen. Kraschminikow sagt:
Les Kamtschadales sont remplis d’une si gran-
de quantité de vermine, qu’en soulevant
leurs tresses, ils ramassent la vermine avec
la main, ils la mettent en un tas
, & la
mangent
. (S. Chappe d’Auteroche Vol. III.
pag. 15.)

(*).
[Seite 142]

Jatropha manihot.

(**).
[Seite 142]

Vergleiche damit die Bereitungsart des Cassa-
vi-Brods bey den Wilden von Orinocco, wo-
von neuerlich der Abate Gilii genaue Beschrei-
bung und Abbildung gegeben. Saggio di
storia Americana T. II. pag
. 304. u.f. Tab. V.

(*).
[Seite 145]

Dioscorea alata, sativa etc.

(**).
[Seite 145]

Convolvulus batatas.

(*).
[Seite 148]

Psidium pyriferum.

(**).
[Seite 148]

Anacardium occidentale.

(***).
[Seite 148]

Jet-Appelboom, eine Art Palme. – S.
Hartsink’s Beschr. von Guiana Vol. I. p. 68.

(*).
[Seite 149]

Hier ist ein Irrthum. Denn Hartsink, der
übrigens denselben Baum und seine Frucht genau
beschreibt, sagt, daß seine Blätter auf fünf Fuß
lang sind.

(**).
[Seite 149]

Schyt-nootje. – S. Hartsink’s Beschreib.
von Guiana Vol. I. pag.
83. – Vermuthlich ist
die Frucht die Jatropha multifida, die Ayellana
purgatrix
des Monardes.

(*).
[Seite 150]

Westindischer Pisang. Musa sapientum.

(**).
[Seite 150]

Coumaramara – S. Hartsink’s Beschreib.
Vol. I. p. 55 seq.

(*).
[Seite 151]

Ich entsinne mich nicht bey irgend einem an-
dern Reisebeschreiber eine so umständliche genaue
Nachricht von den verschiedenen Arten dieser
mit Speichel gegohrnen amerikanischen Getränke
gelesen zu haben. – So bereiten die Taheiten
und andere Insulaner des stillen Oceans ihr
Kava aus der Wurzel des piper methysticum.
S. Wilh. Corn. Schouten Reise um die Welt in
Dalrumple’s Collection of voy. in the South-
pacific Ocean Vol. II. p. 54. seq. Herrn Geh.
Rath Forsters Comment. de plantis esculen-
tis insular. oceani australis pag
. 76 seq. und
Cook’s Voy. for discoveries in the northern
hemisphere Vol. I. p
. 316 seq.

(*).
[Seite 154]

Cedrela odorata.

(**).
[Seite 154]

Fagara pterota.

(***).
[Seite 154]

Caesalpina Sapan?

(†).
[Seite 154]

Gossypium hirsutum? oder ein Bombax?

(*).
[Seite 155]

Bixa orellana.

(**).
[Seite 155]

Crabboom. – Hartsinks’s Beschr. v. Guiana
Vol. I. p
. 76.

(*).
[Seite 156]

Cambogia gutta? S. der Merian Verande-
ring der Surinaamschen Insecten Tab. XX
.

(*).
[Seite 157]

Schon Hanns Staden sagte über hundert
Jahre vorher von seinem Tuppin-Inbas: ‘„Wenn
ihrer einer verwundt wird, haben sie jr eigen
Kreuter damit sie sich beylen.″’ – Doch das
versteht sich auch ungesagt von selbst.

(*).
[Seite 158]

Vermuthlich der Cariacu.Buffon Vol. XII.
Tab. XLIV.

(**).
[Seite 158]

Moschus americanus? – Seba thes. Vol. I.
Tab. XLIV. Fig.
2.

(*).
[Seite 160]

Cavia paca.

(**).
[Seite 160]

Cavia aperea.

(*).
[Seite 161]

Sus tajassu.

(*).
[Seite 162]

Es ist bekanntlich nicht der Nabel, sondern der
Bisambeutel, den diese Schweine am Ende des
Rückens haben.

(**).
[Seite 162]

Ein andres Hinderniß der Schweinezucht siehe
in der folgenden Reise Kap. IV. und X.

(*).
[Seite 164]

Vermuthlich eine acarus.

(**).
[Seite 164]

Felis onça.

(*).
[Seite 165]

Felis tigrina.

(*).
[Seite 166]

S. oben Kap. VII.

(*).
[Seite 167]

Myrmecophaga.

(*).
[Seite 168]

Lacerta alligator.

(*).
[Seite 169]

Lacerta iguana.

(**).
[Seite 169]

Formica cephalotes etc.

(*).
[Seite 170]

Blatta americana – S. der Merian Veran-
dering der Surinaamschen Insecten Tab. I
.

(**).
[Seite 170]

Aranea avicularia, spinimobilis etc.

(*).
[Seite 172]

Vergl. die Recherches philos. sur les Amé-
ricains Vol. II. pag
. 255.

(*).
[Seite 175]

Perroquets.

(*).
[Seite 176]

Perruches.

(*).
[Seite 177]

Psittacus macao, der sogenannte indianische
Rabe.

(**).
[Seite 177]

Vespertilio vampyrus (den Linné spectrum
nannte, und dagegen den Namen Blutsauger ei-
ner andern Fledermaus gab, die sich von Früch-
ten und Insecten nährt, und wohl schwerlich Blut
saugt).

(*).
[Seite 178]

Vergleiche die folgende Reise Kap. IV. und X.

(*).
[Seite 179]

Karatabakko, Kerftabak oder Schotelfisch. –
S. Hartsink’s Beschr. v. Guiana Vol. I. p. 123.

(*).
[Seite 180]

Bignonia scandens, venenata, spicata, pur-
purea
. S. Barrere hist. nat. de la France equi-
nokiale pag
. 24.

(**).
[Seite 180]

Also ohngefähr so, wie sich die Indianer und
auch unsre Fischer der Beeren von Menispermum
cocculus
, und die Taheiten der Frucht der Bar-
ringtonia
zu gleichem Zweck bedienen. S. G.
Forster’s
Voyage round the world Vol. I.
p
. 374.

(*).
[Seite 182]

Dysenterie. – S. L. Schöler Observ. super
morbis Surinamensium. Götting
. 1781. 4.
pag. 24 seq.

(**).
[Seite 182]

Pulex penetrans?

(*).
[Seite 183]

Sieh oben Kap. VI.

(**).
[Seite 183]

Asthenia guianensis. S. Jo. Fr. Carthenses
[Seite 184] de morbis endemiis
. Frf. an der Oder 1771. 8.
S. 73. u.f. und D. Schöler am angezeigten Ort
p. 35 seq.

(*).
[Seite 192]

Wie den Ziegen in Schweden. S. Linnés West-
gothische Reise S. 111.

(*).
[Seite 219]

Squalus pristis.

(*).
[Seite 220]

Trichecus manatus.

(**).
[Seite 220]

Gymnotus electricus.

(***).
[Seite 220]

Wo ich nicht irre, so ist dieß die allererste
gedruckte Nachricht, die von diesem nachher so
berühmt gewordenen Fische verbanden ist.

Denn Richer seine ist meines Wissens erst in Du-
hamel
hist. acad. Parisinae pag
. 168. und die von
Flamstrad in Birch’s hist. of the royal Society
Vol. IV. pag.
27 seq. bekannt gemacht.

(*).
[Seite 225]

Es ist sehr zu wünschen, daß die Geschichte
dieser merkwürdigen Krankheit, da sie zumal
auch über die Entstehung und Verbreitung der
Lustseuche viel Licht verspricht, bald mehr als
bisher geschehen, aufgeklärt werden möge, beson-
ders was ihre eigenthümlichen Kennzeichen betrift,
zum Unterschied von dem verwandten auf Gui-
nea einheimischen Uebel, das auch zuweilen
Yews genannt wird (sonst Pian oder Epian);
ferner von den Amboinischen Pocken; von der
Krimmischen Krankheit; vom Aussatz; und von
der Lustseuche selbst; als mit welchen allen sie
mehr oder weniger Aehnlichkeit zu haben scheint,
auch mit allen wohl eher vermengt worden ist.
Ich glaube nicht, daß mir von dem, was zumal
neuerlich über dieses Uebel geschrieben worden,
etwas vom Belange entgangen ist, kann aber
wohl sagen:

Fecistis probe!
Incertior sum multo, quam dudum.

Ausgemacht scheint mir wenigstens, nach der Ver-
gleichung der kundigsten Reisebeschreiber, daß die
wahren americanischen Yaws eine in der neuen
Welt vorlängst einheimische Krankheit sind, daß
sie aber vermuthlich durch Complication mit man-
chen der gedachten verwandten Uebel, selbst ver-
schiedentlich ausgeartet seyn mögen.

(*).
[Seite 227]

Auch im Original ist an dieser Stelle kein besse-
rer Zusammenhang.

(*).
[Seite 228]

Vermuthlich ist hier das in beyden Indien und
selbst in Europa bemerkte Phänomen gemeynt, da
aus todten oder lebendigen Mantis-Gattungen,
Cikaden und andere dergleichen Insecten, zumal
wenn sie ihre Verwandlung noch nicht ganz über-
standen haben, clavariae und andere kleine Ge-
wächse auswachsen. S.z.B. Fougeroux de
[Seite 229] Bondaroy in den Mém. de l’acad. des sc. de Paris
1769. p. 467 u.f. Ott. Fr. Müller in den Nov.
A.N.C.T. IV. pag. 215 u.f. und Herrn Prof.
Gmelin’s Betr. der pflanzenartigen Fliegen;
im Naturforscher IV. St. S. 67 u.f.

(*).
[Seite 229]

S. in der vorigen Reise Kap. XIII.

(*).
[Seite 231]

Testudo mydas.

(*).
[Seite 234]

Der Flamingo, Phoenicopterus ruber.

(*).
[Seite 236]

Tatu novemcinctus.

(†).
[Seite 236]

Den Biegsamgeruch be-
nimmt man diesen Fleisch, wenn man es die Nacht
vorher in Citronensaft und Salz legt.

(*).
[Seite 237]

Tapir capybara – S. Buffon Vol. XII. Tab.
XLIX.

(**).
[Seite 237]

Das Nabelschwein, Sus tajassu. S. in der vori-
gen Reise Kap. XV.

(***).
[Seite 237]

Fermin giebt Pingo als ein Synonym vom Na-
belschwein an.

(†).
[Seite 237]

Myrmecophaga jubata.

(*).
[Seite 238]

Felis nigra. S. Pennant’s Synopsis of qua-
drupeds Tab. XVIII. Fig
. 2.

(**).
[Seite 238]

Felis onça.

(*).
[Seite 240]

Felis concolor.

(**).
[Seite 240]

Testudo scorpicidus. Linn. (fimbriata
Schneid
.) u. dgl.

(*).
[Seite 242]

Das gleiche hat man auch ehedem vom africa-
nischen Stachelschweine vorgegeben, ist aber
auch schon längst von den zuverläßigsten und
genau beobachtenden Reisenden widerlegt wor-
den. S.z.B. Shaw, Sparrmann etc.

(*).
[Seite 243]

Cercopithecus paniscus.

(**).
[Seite 243]

Ignavus tridactylus.

(*).
[Seite 246]

Gujavis. S. die vorige Reise Kap. XIII.

(*).
(*).
[Seite 250]

Vermuthlich Yams. S. die vorige Reise
Kap. XIII.

(**).
[Seite 250]

Zea americana.

(*).
(*).
[Seite 257]

Die eigentlich sogenannten Moskiten sind in
der That nichts anders, als unsre gemeine
Mücke, culex, die uns in so vielen heißen
Gegenden (wo ohnedem alle Insectenstiche
heftigere Entzündung verursachen) durch ihre
unsägliche Menge zur wahren Landplage
wird. – Die gemeinen Seefahrer belegen aber
auch viele andre Gattungen von dergleichen
kleinen stechenden Insecten mit dem gemein-
schaftlichen Namen von Moskiten.

(*).
[Seite 260]

Hier den Wilden in Guiana würden schon
ihre Nasengehänge beym Küssen hinderlich seyn.
(S. die vorige Reise Kap. IV.)

Ueberhaupt aber ist, wie es scheint, den mehre-
sten wilden Völkern (namentlich auch den
nordamericanischen Wilden) dieses zoetste
ende puurste vermaak
, wie unser Verfasser
das Küssen nennt, unbekannt.

(*).
[Seite 261]

Wird sonst als Synonym der Orleanfarbe an-
gegeben.

(*).
[Seite 264]

Vergl. die vorige Reise Kap. IV.

(*).
[Seite 267]

Seit den ältesten Zeiten und bey den meh-
resten Völkern hat sich der Aberglaube und
die Zauberkunst (im weitläufigsten Sinne)
in die Arzeneykunst gemischt. Nichts hat
auch von je drey großen Haufen leichtern Ein-
gang gefunden, als eben diese Art von Heil-
mitteln; denn sie sind meist bequem zu ge-
brauchen, scheinen wenigstens auf jeden Fall
unschädlich, und können auch beym festen
[Seite 268] Vertrauen der Kranken auf ihre Wirksamkeit
manchesmal geholfen haben.

Magiam – fraudulentissimam artium – natam
primum e medicina nemo dubitat, ac
specie salutari irrepsisse velut altiorem san-
ctioremque, quam medicinam: ita blan-
dissimis desideratissimisque promissis addi-
disse vires religionis etc. etc
. Plin. nat. hist.
L. XXX. procem.

Drum sind auch von je her und meist in allen
Welttheilen die Priester zugleich Aerzte ge-
wesen etc.

(*).
[Seite 275]

Also thun die Juden da Kriegsdienste.



Blumenbach, Johann Friedrich and Berkel, Adriaan van. Date:
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