Das Publikum erhält in diesem wichtigen Werke die
letzte reife Frucht des bewundernswerthen gelehrten
Fleißes unsers verdienstvollen sel. Hofrath Gmelins.
Ich bin Zeuge, und selbst die Citate beweisen es, daß
er sich mit der Vollendung desselben noch in seiner
letzten Krankheit beschäftigt hat. Es fand sich bei
seinem Tode druckfertig, nur noch ohne Vorrede, die
ich nun noch vorzusetzen ersucht worden bin. Meist
wohl nur deshalb, weil es einmal Herkommens ist,
daß zumal wissenschaftliche Bücher, nicht ohne solch
einen Prolog ans Licht treten. Denn außerdem wäre
er gerade hier bei diesem Werke gar wohl entbehrlich
gewesen, da die große gemeinnützige Wichtigkeit des
vielumfassenden Gegenstandes, den dasselbe behandelt,
so wohl als der Name des würdigen Verfassers und
der verdiente Ruhm, den er sich, so wie durch seine
übrigen gelehrten und höchst nutzbaren Schriften, so
namentlich auch durch seine frühern Arbeiten über die
Toxicologie erworben, alle weitere Empfehlung, zu
der sich sonst wohl fremde Vorredner verpflichtet hal-
ten, hier überflüssig machen.
Jene frühern Arbeiten sind vor nun beinahe drei-
ßig Jahren in folgenden dreien Werken erschienen, die
für jene Zeit classisch waren, und immer als die Haupt-
quellen zu der für die ganze Arzneikunde, und nament-
[Seite IV] lich für die materia medica, Pharmacie, medicina
forensis, medicinische Polizei und Naturgeschichte so
höchstwichtigen Kenntniß der Gifte benutzt worden sind.
Seit dieser langen Zeit hat der unermüdet arbeit-
same Verfasser, wie ich aus meiner vieljährigen kolle-
gialischen und freundschaftlichen Bekanntschaft mit ihm
genau weiß, immer mit ganz vorzüglichem Fleiße alles
nachgetragen, was zur Verbesserung und möglichsten
Vervollkommnung dieser Werke dienen konnte, und
dieser unablässige, dem unvergeßlichen Manne ganz
zum Bedürfniß gewordene Fleiß, und seine zum Wun-
der ausgebreitete Belesenheit, setzten ihn in den Stand
anderthalb Jahre vor seinem Tode den einen Haupt-
theil jener Toxiologie:
die allgemeine Geschichte der Pflanzen-
gifte. Nürnb. 1803.
so bereichert und vermehrt herauszugeben, daß, da die
erste Ausgabe 525 Seiten in klein Octav betragen
hatte, die neue 852 Seiten in groß Octav füllte.
Völlig in gleicher Maße bereichert und großen-
theils ganz von neuem bearbeitet erscheinen nun im
gegenwärtigen Werke auch die andern beiden Haupt-
theile, die allgemeine Geschichte der thierischen und
[Seite V] mineralischen Gifte, so daß nun Deutschland sich
eines Hauptwerkes über diesen so äußerst wichtigen
Gegenstand rühmen kann, dem, was ausnehmende
Vollständigkeit überhaupt, und Reichthum der dabei
durchgehends und sorgfältig beigefügten Literatur ins-
besondere betrifft, kein zweites irgend einer andern
Nation vor der Hand an die Seite gesetzt werden kann.
Die Durchsicht der Aushängebogen hat mir zu
einigen kleinen Zusätzen und Bemerkungen Anlaß gege-
ben, die wohl gleich hier ihre passendste Stelle finden.
S. 12 sind, so wie freilich auch schon von Lin-
nee und vielen andern Naturhistorikern, die sich darin
durch seine Autorität haben irre führen lassen, zwei
durch ihre Eigenschaften sehr von einander verschiedene
Thiere mit einander verwechselt. Der sogenannte
fliegende Hund (Vespertilio caninus) und der
wahre Vampyr (Vespertilio spectrum). Jener,
die größte bekannte Gattung im Fledermausgeschlechte,
die mit ausgespannten Flatterhäuten wohl gegen sechs
Fuß messen soll, und sich schaarenweise auf den Süd-
seeinseln, in zahlloser Menge aber auf Neu-Holland
findet, und von welcher das Vleermuysen-Eyland
an der südöstlichen Küste von Neu-Guinea seinen Na-
men hat, nährt sich einzig und ausschließlich von Früch-
ten, und saugt nimmermehr andern Thieren das Blut
aus; sondern dies thut der wahre eigentlich sogenannte
Vampyr, der weit kleiner, am Leibe nur von der
Größe eines Eichhörnchens und bloß im wärmern Süd-
America, zumal in Brasilien zu Hause ist. Von die-
sem, den ich nach einem schönen Exemplar aus dem
hiesigen academischen Museum im IVten Heft meiner
Abbildungen naturhistorischer Gegenstände Tab. 31
[Seite VI] habe stechen lassen, ist also hier, a.a.O. dieses
Werks, die Rede.
Die Existenz der S. 88 noch aufgeführten höl-
lischen Furie muß ich nach allem, was ich davon
gelesen, – und ich glaube nicht, daß mir leicht etwas
von dem, was darüber bekannt worden, entgangen
ist, – wenigstens für sehr problematisch oder viel-
mehr für höchst verdächtig und unwahrscheinlich halten.
Ich fragte einmal wegen dieses, meines Wissens noch
von keinem einzigen Naturforscher zuverlässig gesehenen,
und doch von so vielen gar ausführlich beschriebnen
Dings, den classischen Helminthologen O.F. Müller
und seine Antwort war: ‘„Die Furia infernalis halte
ich so wie Ew. für ein qui pro quo.”’
Unter den S. 252 u.f. abgehandelten gefähr-
lichen Grubenwettern oder Schwaden in den Bergwer-
ken, verdient außer den dort angeführten matten und
schlagenden Wettern, wovon jene einen so beträchtli-
chen Antheil von Wasserstoffgas, diese aber eine große
Menge von kohlengesäuerten, in ihrer Mischung hal-
ten, auch eine dritte Art besonderer Erwägung, die
durch ihr Uebermaas von Stickstoffgas irrespirabel
und dadurch den Bergleuten, die sich ihr aussetzen,
tödtlich wird. Ein Unglücksfall der Art, der sich im
Februar vorigen Jahres in dem Wemstöcker Gruben-
gebäuden bei St. Andreasberg am Oberharz ereignet,
wodurch fünf Bergleute ihren Tod gefunden, ist vom
Hrn. Cammersekretär Hausmann zu Braunschweig
in einem trefflichen Aufsatze beschrieben, den er der hie-
sigen königl. Societät der Wissenschaften vorgelegt hat.
Nach seiner genauen Untersuchung hielten diese Wetter
[Seite VII] im hundert = 81,42 Stickstoffgas, nur 13,75
Sauerstoffgas, und 4,83 kohlengesäuertes Gas. Ue-
brigens kommt diese Art von Wettern, wenigstens in
den Gruben der Harzgebirge, sehr selten vor, da man
hingegen mit den matten daselbst am häufigsten zu
kämpfen hat.
Zu den S. 177 u.f. verzeichneten mechanisch-
scharfen mineralischen Giften müßte nach einer sehr
merkwürdigen Nachricht in des Herrn Etats-Raths
Pallas neuen nordischen Beiträgen (VI Th. S. 38
u.f.) auch der Alaunschiefer gerechnet werden.
Der Oberhüttenverwalter Schangin fand auf dem Altai
eine Anhöhe von diesem Schiefer, den das Hornvieh
begierig leckt; aber fast durchgängig davon krepirt.
Er ließ so ein Stück aufhauen, und fand den Magen
an seiner innern Oberfläche, besonders am untern Theil,
entzündet und braunroth gefleckt; an der innern Seite
sah man eine Menge feiner Schieferspitzen, wie Nadeln
in der Schleimhaut festsitzen.
Den vielerlei S. 224 u.f. angeführten Unglücks-
fällen wie so sehr oft aus Versehn und unbegreiflicher Un-
vorsichtigkeit durch Verwahrlosung mit Arsenik verur-
sacht werden, verdient auch der merkwürdige von Hrn.
D. Evers im Hannöverischen Magazine v.J. 1770
St. 36 beschriebene Fall beigezählt zu werden, wo
einige erwachsene Frauenzimmer sich binnen 14 Tagen
zu wiederholtenmalen des Rattenpulvers statt Haarpu-
ders bedient, und eine derselben, da gleich nach den
erstenmalen bei ihr, so wie bei den andern, ein bren-
nender Ausschlag an der Stirne vor den Haaren herum
entstanden war, denselben noch durch Aufstreuen und
[Seite VIII] Einreiben dieses immer von ihnen für Puder angesehe-
nen schrecklichen Pulvers hatte bedecken wollen. Die
Folgen waren, außer dem Ausfallen der Haare an der
Stirne, zumal bei der, die sich das Pulver eingerieben
hatte, so starke Geschwulst des Gesichts, daß die Au-
gen dadurch fest geschlossen waren, ängstliche Brustbe-
klemmung, Fieber, stark einfressender eiternder Schorf
an der Stirne bis hinter die Ohren, welche Zufälle
doch aber binnen einigen Wochen, besonders nach dem
anhaltenden Gebrauch von Schwefelblumen wieder
glücklich gehoben wurden.
Zum Schluß darf ich auch noch beiläufig einer
antiquarischen, Vergiftung betreffenden, Merk-
würdigkelt gedenken, die ich im Brittischen Museum zu
London gesehen, und welche vielleicht einem und dem an-
dern Leser interessant seyn kann. Eine große römische
Urne aus weißem Marmor mit folgender Inscription:
POMEIVS. LOCVSTO. VIX. AN. LXV.
ATTILIA. CLODIA. CONIV. VIX. AN. LX
POMPEIVS. EORVM. FILIVS. VIX. AN. XXI
OMNES. VNO. DIE. EADEM. VENENI. VI
INFELICEM. DIEM. OBIERV̄T. SVPREMV̄
Ueber der Ueberschrift sind ein paar paterae, und
über diesen eine Schlange, zu beiden Seiten zwei
Reiher gehauen.
Joh. Fr. Blumenbach.