Voyage littéraire de Provence par M.P.D.
L. 1780. Bey Barrois dem ältern. 456 S. in
Duodez. Die Anfangsbuchstaben bedeuten M. Pa-
pon, de l'Oratoire etc. der schon vor vier Jahren
[Seite 794] die grosse Histoire générale de Provence (s. Zug.
1780. S. 97 u. ff.) herausgegeben hat, aus wel-
cher nun das gegenwärtige Werk, wie wir sehen,
grossentheils wörtlich zusammengetragen ist, doch
daß das vorige hin und wieder einige Verbesse-
rungen erhält. Es ist keine wirkliche Reise, son-
dern eine umständliche Topographie zum Gebrauch
der Reisenden, die hier alle Merkwürdigkeiten des
überaus interessanten Landes angezeigt finden.
Anmuthige Gegenden, oder die in der Geschichte
berühmt worden sind, die zahlreichen Denkmäler
des Römischen Alterthums, Triumphbögen, Am-
phitheater, Wasserleitungen, Tempel, viel Inschrif-
ten, natürliche Merkwürdigkeiten aller Art, beson-
ders viele Nachrichten zur Geschichte der alten Pro-
venzaldichter oder Trubadurs, Anecdoten von be-
rühmten Landskindern, wie vom ehrlichen Nostra-
damus, von Peiresc und seinem Freund Gassendi,
von Cassini, Massillon, vom grossen Bildhauer
Püget u.s.w. Die Schreibart ist ganz angenehm,
(nur zuweilen der Ausdruck etwas affectirt, z.B.
Organisation der Provence statt Beschaffenheit
ihres Bodens etc.) auch der gewöhnliche Schmuck
der Französischen malenden Reisebeschreiber, nem-
lich Stellen aus Chapelle und Bachaumont fleissig
angebracht. Bey Avignon wird Petrarchs Woh-
nung berichtigt, die berufene Quelle von Vauclüse,
das Grab der Laura, ihr Stammhaus Noves etc.
Um sich von einer unzeitigen Liebe zu heilen, habe
sich König René das Gerippe der angebeteten Per-
son malen lassen. Von seiner Stiftung des possir-
lichen Frohnleichnams zu Aix, das in eigenen
Werken beschrieben ist. Ein seltsames Gelübde
aus den Ritterzeiten, zwey benachbarte grosse
Berge durch eine ungeheure eiserne Kette mit ein-
ander zu verbinden. Menge der Mandeln um
[Seite 795] Riez und Sisteron, wo kleine Flecken deren jähr-
lich wol für 40,000 Thlr. sammlen. Ein sonder-
bares Patois, das um Mons und Escragnolle ge-
sprochen wird. Der erstaunliche Ansatz von neuem
Lande beym Ausfluß der Rhone; ein Thurm, der
doch erst 1737. am damaligen Seeufer erbaut wor-
den, liege nun schon anderthalb Stunden weit
in davon entfernt. Die erstaunliche Kieselebene (die
Crau, Camargue etc.) die den Verf. zu einer sehr
unwahrscheinlichen Hypothese der Cosmogonie ver-
leitet. Auch eine andere über Entstehung der Co-
rallen ist nicht scharfsinniger. Um Marseille seyen
3000 Landhäuser. Das dasige sonderbare Fischer-
gericht (le Tribunal des Prud'hommes) und seine
alten Gerechtsame. Noch im vorigen Jahrhundert
soll bey Ceireste ein alter hohler Oelbaum gestan-
den haben, worin ein Mann mit seiner Familie
den Sommer über gewohnt und auch Stallung
für sein Pferd darin gehabt habe. Einige Anec-
doten von dem noch immer räthselhaften Staats-
gefangenen mit der eisernen Larve, der lange auf
der Margreteninsel eingekerkert gewesen, und den
man bald für den Herz. von Monmouth, bald für
den von Beaufort, bald für den Graf von Ver-
mandois etc. etc. gehalten hat. Die romantischen
Gegenden von Hyeres, wo im 15. Jahrhundert
Zuckerrohr gebaut worden. Eine sehr unzuver-
lässige Erzählung von einem Paar wilder, ganz
behaarter, Menschen, die 1646. auf den Gebirgen
von Dauphiné von Holzhauern gesehen worden
seyn sollen. – Eben so verdächtig ist ein Apollo
aus Corall, der sich unter den Altertümern zu
Riez finden soll. Auch antike hölzerne Statuen etc.
und die seltsame Behauptung, Petrosilex sey die
Mutter des Porphyrs und des Jaspis; die Lava
und vulkanische Basalte zögen das Eisen an u.s.w.
[Seite 796] Was von der Staatsverwaltung der Provence und
ihrer Naturgeschichte, insbesondere S. 293 bis 376,
gesagt wird, ist fast ganz aus dem obengenannten
grossen Werk des Verf. abgedruckt. Die eigenen
Winde, der Mistral etc. und ihre Wirkungen. Ein
Südsüdwest, der Menschen und Thiere niederge-
schlagen macht. Unter den dasigen Vögeln auch
die Pendulinmeise. In der Rhone giebts Biber,
und auf den Gebirgen noch zuweilen Bären und
Luchse. Die alte Sage von den Jumarn wird
auch hier wiederholt; aber blos wie vom Hören-
sagen, ohne allen Beweis! Den Beschluß macht
ein Briefwechsel zur Vertheidigung der Trubadurs
gegen den Herausgeber des neuen Recueil des
Fabliaux, der sie herabsetzen und dagegen seine
Truveres (nemlich die eigentlichen altfranzösischen
Dichter) erheben wollen, da doch, unserm Verf.
nach, jene (die Provenzaldichter) wenigstens 80
Jahre älter, und die Wiederhersteller der Dicht-
kunst in lebenden Sprachen gewesen wären u.
(versteht sich nur im Occident, denn unsere Deut-
schen Meistersänger dichteten lange vorher.)