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Göttingische
Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band.
auf das Jahr 1781.


Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Amsterdam und Paris.

[Seite 857]

Essai sur la génération de l’hommé, par M.
Calmé, D en Med. à Sézanne en Brie
.
47 S. in groß Octav. Wieder eine von den
nicht wenigen abentheuerlichen Hypothesen, womit
uns so viele Französische Physiologen von Zeit zu
Zeit beschenken, und die einen nicht von aller
Naturkenntnis gänzlich entblößten Leser oft in
Verlegenheit setzen, ob er sie für Ernst oder für
einen unzeitigen Scherz aufnehmen soll. In der
gegenwärtigen behauptet der Hr. Dr., der Stoff
zur neuen Leibesfrucht liege lediglich im männli-
chen Saamen, aber nicht in den berufenen Saa-
menthiergen; auch nicht in den Buffonschen Mo-
dellgen; sondern jede Dosis Saame enthalte einen
unsichtbaren Keim, auch wol zuweilen, wenn Zwil-
[Seite 858] linge oder Drillinge empfangen werden sollten,
ihrer 2, 3 etc. Aber diese Keime könnten beym
Beyschlaf unmöglich an den Ort ihrer Bestimmung
gelangen, wenn nicht die weibliche Gebärmutter
mittelst einer eigenen ihr beywohnenden anziehen-
den Kraft den männlichen Saamen einsaugte und
in sich schluckte. Sie sey auf ihrer innern Fläche
mit zahllosen weissen Gefäßgen ausgekleidet (der-
gleichen Ferrein in allen Eingeweiden annahm,
und die nur allein in einer einzigen Menschen-
niere zusammengenommen eine Länge von weit
mehr als 10,000 Klaftern ausmachen sollten);
und diese schickten dem ankommenden männli-
chen Saamen eine besondere Lymphe entgegen, die
sich mit ihm wie in einen Strudel mischen und
nach der Hand seinem Keime zur Nahrung dienen
sollte. Was man ehedem weibliche Geilen und
zeither Eyerstöcke genannt habe, das seyen nichts
mehr und nichts weniger, als blosse glandes uté-
rines auxiliaires
, die während der Schwanger-
schaft einen besondern Saft durch die bisher so-
genannten Fallopischen Röhren (die Hr. C. aber
canaux déférens seiner neuen Mutterdrüsen nennt)
in die Höhle der Gebärmutter ergiessen, um die
Häute der Nachgeburt einzusalben, geschmeidig zu
machen und ihren sonstigen Reiz auf die Gebär-
mutter zu vermindern. Gegen das Ende der
Schwangerschaft aber erschlappe die Gebärmutter
und senke sich bekanntlich tiefer in die Beckenhöhle
hinab, dadurch werde die Mündung dieser zufüh-
renden Gefässe verstopft, die Häute der Nachge-
burt werden folglich trocken, reizen die Gebärmut-
ter etc. und dieß sey schon eine Ursache der nachherigen
Niederkunft; die andere aber liege im Mutterkuchen.
Das Blut nemlich, das er vom Kind durch die
Nabelschnur empfängt, diene zwar einestheils zu
[Seite 859] seiner Ernährung, theils auch dazu, daß Schaaf-
wasser aus ihm abgeschieden werde; daß mehreste
sey doch aber blosser Unrath, der sich nach und
nach in ihm anhäufe, ihn zur Fäulniß geneigt
mache, und dadurch endlich in Verbindung mit
der angezeigten Ursache die Niederkunft folgends
bewirke.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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