Im zweyten Bande von voyage historique et
litteraire, (s. Zug. 1.) der mit Genf anfängt, erzählt
Hr. Sinner die abentheuerliche Geschichte des daselbst
begrabenen Tancreds von Rohan, dessen anfangs
verheimlichte Geburt, alsdann vorgegebenen Tod,
und die über seinen nachherigen öffentlichen Auf-
tritt in Frankreich zwischen seiner Mutter und der
ihn verläugnenden und verfolgenden Schwester
entstandene, den ganzen Hof und das Parlement
verwickelnde Rechtssache. Die Zuflucht des ehr-
[Seite 155] lichen Daubigné nach Genf, den der dasige Ma-
gistrat lebenslang gegen alle Verhetzungen von
Französischer Seite mit der rühmlichsten Festigkeit
schüzte. Ehe Marots Psalmen in Musik gesezt
waren, sang jeder seinen Leibpsalm nach der selbst-
gewählten Weise irgend eines weltlichen Liedgens;
König Heinrich II. z.B. den seinigen ‘”wie der
Hirsch schreyet etc.”’ nach einem Jagdstückgen u.s.w.
Ferney hielt doch bey Voltaire’s Tode 80 Häuser
und 1200 Einwohner, meist Uhrmacher oder ver-
wandte Handwerker. Die treffliche Einrichtung
der Genfer Getreidepolicey, deren Vortheile bey
der Theurung vor zwölf Jahren bewährt worden.
Die Schreibtafeln Philipps des Schönen sollen
nicht von dessen eigener Hand seyn, weil Hr. S.
nicht begreifen kann, wie ein König sich zum Auf-
schreiben seiner Ausgaben, folgends gar in latei-
nischer Sprache, herablassen könne. (Wenn dies
nicht etwa Satyre seyn soll, so hat der Hr. Bi-
bliothekär sich nicht erinnert, wie wenig in jenen
Zeiten den grossen Herren Oekonomie und Latinität
fremd war.) Mehrere Beyspiele, daß Leute ehe-
dem die Pest mit Fleis durch inficirte Lumpen etc. zu
verbreiten gesucht, um sich aus den ausgestorbenen
Häusern zu bereichern. Zu Calvins Zeiten waren
öffentliche Bordelle in Genf, deren Aufseherin Re-
gina bordelli s. meretricum hieß, und vom Magi-
strat in Eid und Pflicht genommen ward. In den
Badstuben hingegen durften keine verdächtige Per-
sonen gehegt werden, denn es heißt ausdrücklich in
einem dasigen Mandatverzeichnis von 1544 quod
defendatur hospitibus stubarum huius civitatis,
ne abinde audeant putanas hospitari. Auf der
Bibliothek in Genf liegen noch 2023 Predigten von
Calvin. Beschreibung des geweihten silbernen Schil-
des des Kaisers Valentinianus, der 1724 ausge-
[Seite 156] graben worden; ein ungemein schönes Stück, der-
gleichen nur drey bis jezt in der Welt bekannt
sind. Die beiden grossen Miniaturmaler Petitot
und Arlaud. Jener starb 1691 im 84. Jahr sei-
nes Alters über seiner Frauen Bildnis, das er ma-
len wollte; umständlich von der berufenen Leda
des leztern, die er nachher aus Gewissensscrupel
zerstückelte. Die Seiches, eine Art Ebbe und Flut
des Genfer Sees. Ripaille, die jetzige Carthaus
und vormalige Einsiedeley des Herzogs von Sa-
voyen Amadei VIII., der daselbst seine lezten
Jahre in Andacht und Wohlleben theilte. Unter
den Heiligthümern im Dohm zu Lausanne verehrte
man vorzüglich eine Ratte, die eine geweihte Ho-
stie gefressen. Mehrere Beyspiele, daß weiland die
Geistlichkeit Maykäferwürmer, Raupen u.s.w.
fürs Consistorium citirt, in Bann gethan etc. Ver-
suche, aus der Lausanner Akademie eine Univer-
sität zu machen. Hr. v. Haller habe sein kleines
Ithaca allen Anträgen, wieder nach Göttingen zu
kommen, vorgezogen. Dessen Aufenthalt mit Vol-
taire zu Lausanne, wo dieser seine Schauspiele auf-
führen ließ, und unser Lehrer bey der Entwicke-
lung der Zaïre anmerkte – que jamais on n’voit
encore vu donner un rendez vous pour se faire
baptiser. S. 172 entfällt dem Hrn. Bibliothekär
ein kleiner Irrthum: Haller habe nichts Franzö-
sisch herausgegeben. Die Patienten giengen ge-
wöhnlich von Tissot zu Haller, von Haller zu
Michel Schuppach. Des Buchhändler Bousquet
grosser Verlust an Johann Bernoulli’s mathema-
tischen und Bochats grossen historischen Werken:
Jene konnten, – und diese mochten wenige Men-
schen lesen. Die Geschichte der Salzwerke von
Roche, die doch jezt kaum den achten Theil des
nur allein im Berner Gebiet benöthigten Salzes
[Seite 157] liefern. General Ludlow, einer der berühmtesten
von Carls des Ersten Richtern, ein ächter Freund
der Freyheit und des Vaterlandes, folglich Crom-
wells Feind so gut, als der Stuarte (nicht wie
Milton, der so viel Freyheitssinn affectirte, pro
populo schrieb, und immer dabey des despotischen
Protectors Latin Secretary blieb –) Man zeigt
noch jezt Ludlows Haus in Vevay, wo er seine
lezten 30 Jahre in Ruhe zubrachte, die Französi-
schen, Holländischen u.a. Anträge ausschlug, und
seine berühmten Memoiren schrieb. Kein Volk in
Europa suche doch sein Glück so sehr ausser seinem
Vaterlande, als die Schweizer. Eine artige Ge-
schichte zweyer tapferer und angesehener alten
Schweizer, Steiger und Negelin, die schon lange
in erbitterter Fehde mit einander gelebt hatten,
als lezterer, da er eines Tags allein auf seinem
Schlosse war, erstern mit einem Schlachtschwerde
bewaffnet ankommen sah und sich folglich zum
vermutheten Kampf rüstete; aber statt dessen von
Steigern um Friede und um seine Tochter gebeten,
und sogleich dessen Freund und bald sein Schwieger-
vater ward. Beschreibung einer schönen antiken
mosaischen Arbeit, die den spielenden Orpheus
vorstellt, und vor vier Jahren zwischen Payerne
und Yverdon ausgegraben worden. In der Ber-
ner Policeyordnung von 1661, die nach den zehn
Geboten abgetheilt ist, steht das Tobacksverbot
unter der Rubrik: Du sollt nicht ehebrechen.
Noch lange nachher war das Rauchen bey schwe-
rer Strafe verboten, und das deshalb besonders
niedergesezte Tobacksgericht (Chambre du Tabac)
hat sich bis in die Mitte des jetzigen Jahrhunderts
erhalten. Die Alterthümer von Wifflisburg
(Aventicum.) In Murten wird noch jährlich
das Andenken der entscheidenden Schlacht vom
[Seite 158] 22. Jul. 1476 gefeyert. Johann Halwylls Rede
an seine Landsleute vor der Schlacht: der Him-
mel war regnicht und trübe gewesen: mit ein-
mal brach die Sonne durch: Halwyll nuzte den
Blick, zog sein Schwerd, erinnerte nur noch die
Verheuratheten an ihre Weiber und Kinder, die
Ledigen an ihre Mädchen, und half dann mit
ihnen des kühnen Carls unermeßliches Heer zu
Boden schlagen.