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Göttingische
Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1784.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Göttingen.

[Seite 1553]

In der Societätsversammlung vom 28. Aug.
verlas Hr. Prof. Blumenbach einen zu die-
ser Absicht von Hrn. Prof. Camper aus
Friesland ihm zugeschickten Aufsatz über die Ver-
wandlung der jungen surinamischen Kröten, die auf
dem Rücken ihrer Mutter ausgeheckt werden (Rana
pipa
).

Bekanntlich kommen die jungen Frösche und Krö-
ten, da sie im Wasser aus dem Laiche kriechen,
nicht gleich als vierfüßige Geschöpfe, sondern als ge-
schwänzte, zum schwimmen geschickte Kaulquap-
pen zur Welt. Nur von den jungen Pipas glaubte
man das Gegentheil, theils weil man bisher keine
geschwänzte Junge an ihnen bemerkt hatte, theils
weil die Absicht des Schwanzes bey der so eignen
[Seite 1554] Art wie dieses Thier ausgeheckt wird, wegzufallen
schien. Allein Hr. Prof. Bl. hatte schon vor 5 Jah-
ren in der ersten Ausg. seines Handb. der Naturg.
diesen Irthum widerlegt und durch eine überaus
vollständige Folge von Pipas im akademischen Mu-
seum erwiesen, daß allerdings auch diese Kröten,
gleich andern, als geschwänzte gyrini aus den Eyern
kriechen. – Hr. Prof. C. der selbst ehedem in den
Verhandel. v. Haarlem Th. VI. B. I. eine Abhandl.
über die Fortpflanzung der Pipa geliefert hatte, ward
durch diese Entdeckung aufmerksam gemacht, suchte
aber in den reichsten holländischen Naturalien-Ca-
binetten so lange ganz vergebens nach einer Bestä-
tigung derselben durch irgend ein andres Exemplar
von geschwänzten jungen Pipas, daß er fast geneigt
war das Göttingische für eine blos zufällige wider-
natürliche Ausnahme von der Regel zu halten. Erst
im verwichnen Jun. entdeckte er nebst Hrn. van Ma-
rum in der Sammlung der Harlemer Gesellschaft
ebenfalls eine Pipa mit vollkommnen geschwänzten
Jungen auf dem Rücken, und da er nach seiner
Heimkehr die in seinem eignen Cabinet befindlichen
genauer untersuchte, fand er bey der einen die jun-
gen Fröschgen zwar schon mit vier ausgebildeten
Füßen, aber doch noch mit dem deutlichen Rest des
schon größtentheils verschwundenen Schwanzes. Er
hat seinen Aufsatz darüber durch einige meisterhafte
Zeichnungen von diesen, so wie von den wahren
Kaulquappen im Harlemer Exemplare erläutert;
und gezeigt, daß die jungen Pipas sich der gleichen
Verwandlung unterziehen müssen, die Swammer-
dam bey unsern hieländischen Fröschen so sorgfältig
verfolgt hat; daß aber folglich die Schwänze der
Kaulquappen noch eine andre, bis jetzt noch unbe-
kannte Bestimmung als blos zum schwimmen haben
müßten.

[Seite 1555]

(Hr. Prof. Bl. hat vorigen Sommer auf der
Bibl. zu Genf ebenfalls eine Pipa mit geschwänzten
Jungen gefunden, und vielleicht finden sich in meh-
rern Cabinetten dergleichen, die man nur des all-
gemeinen Vorurtheils wegen, nicht für geschwänzt
gehalten. – Er äusserte auch die Vermuthung,
ob doch nicht vielleicht die jungen Pipas schon vor
ihrer vollkommnen Ausbildung zu Zeiten umher-
schwimmen, und nachher wieder in ihre Zellen auf
der Mutter Rücken zurückkehren können; die ihnen
dann, – so wie den Jungen der Beutelratte der
Zitzensack ihrer Mutter –, zur Retirade dienten).



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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