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Göttingische
Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1784.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Berlin.

[Seite 1605]

Joh. Jak. Hartsink’s Beschreibung von Gui-
ana. Aus dem Holländ. übers. Mit einer Vorrede
und Zusätzen von M.J.E. Fabri. I. Theil. 472 S.
in gr. Octav. Allerdings verdiente dieses noch we-
nig benutzte vollständige und wichtige Werk durch
eine deutsche Uebersetzung bekannter zu werden. Denn
obgleich der V. unsres Wissens nicht selbst in Guiana
gewesen, so hat ihm doch sein Vater, der über 25
Jahr in einer angesehenen Bedienung daselbst ge-
standen, zahlreiche Papiere darüber hinterlassen,
worüber er selbst nach der Hand noch weitere Be-
richtigungen und Zusätze aus sichern Quellen einzu-
ziehen Gelegenheit gehabt. Indeß sieht man leicht,
daß nicht alle Abschnitte des viel umfassenden Wer-
kes mit gleicher Einsicht und Urtheilskraft abgefaßt
worden. So ist der zoologische und botanische Theil
am allerunbedeutendsten und meist ohne alle Natur-
kenntniß aus ältern Reisen zusammengetragen, so
daß sogar die längst veralterten fabelhaften Sagen,
wie vom Stachelschwein, daß es seine Stacheln von
sich schieße, oder von der Verwandlung der Frösche
in Fische u. dergl. hier treulich wieder nacherzählt
werden. Weit zuverlässiger und mehr aus eignen
Nachrichten gezogen, scheinen die Abschnitte von
den Sitten der dasigen Wilden, wo man unter an-
dern auch die Bestätigung von interessanten Um-
ständen findet, die man neulich zu bezweifeln oder
zu ignoriren gesucht hat: wie z.B. von allerdings
bärtigen Nationen in Amerika: oder, daß manche
dasige Völker ihren neugebornen Kindern die Köpfe
in eine bestimmte Form pressen: daß sie, ohngeach-
tet ihre Cardinalzahlen nur bis 5 gehn, doch sehr
leicht und richtig, besonders mit ihren Knotenstricken
[Seite 1606] und Kerbhölzern weiter rechnen können: daß die
Guaranos und Warouwen der Ueberschwemmungen
wegen allerdings auf Bäumen wohnen, u. dergl. m.
Von allen aber ist der historische Theil bey weitem
der wichtigste, und doch selbst wieder von ungleichen
Werthe. Was die Entdeckungen der Spanier, Por-
tugiesen, Franzosen und Engländer in Guiana be-
trifft, ist kurz, und meist aus den bekannten Quellen
geschöpft. Um so umständlicher und reichhaltiger
an eignen Stoff sind hingegen die Abschnitte von den
Entdeckungen und Besitzungen der Niederländer seit
dem Ende des sechszehnten Jahrhunderts, und die
Beschreibungen der Colonien Poumeron, Essequebo,
Demerary und besonders Berbice. Die Stiftung
der westindischen Compagnie A. 1621. Die Erobe-
rungen der braven Admirale Pet. Hein und Lonk,
und des großen Moritz von Nassau. Des sonder-
baren Abentheurers und Chemikers Becchers Unter-
handlungen für den Grafen von Hanau, u.s.w.
Eine, wie versichert wird, aus ächten Berichten ge-
nommene Erzählung von einem Waldsee am Esse-
quebo, der jährlich ein paarmal einen furchtbar don-
nernden Schall von sich geben soll. Von einem
großen pyramidenförmigen steinernen Denkmal unbe-
kannten Ursprungs, das in den Gebürgen am Mas-
serouny Landeinwärts befindlich seyn soll. Von den
unbezwinglichen wilden Völkern am Parima-See, dar-
unter auch weiße und bekleidete seyn sollen. Unter
den theils ermüdenden Erzählungen von Negerrebel-
lionen und anderen Mordgeschichten kommen doch
auch merkwürdige Züge zur Geschichte der Mensch-
heit vor. Ein Rädelsführer, der bey kleinem Feuer
verbrannt ward, forderte, da sein Rücken schon
halb gebraten war, eine Pfeife Toback, die er ruhig
dabey ausrauchte. Einen Arzt schunden die Ne-
[Seite 1607] gern von Glied zu Glied, weil ihm kranke Neger
im Spital gestorben waren. Sie zerschnitten das
Kind eines Holländers vor seinen Augen in Stücken,
ermordeten dann auch seine Frau, und zuletzt erst
peitschten und schlugen sie ihn selbst todt. Aber ein
Prediger ward verschont, weil Er der Mann sey der
mit Gott rede. Eine Negresse, die das Blut der
Christenmädchen soff die sie umgebracht hatte. –
Aber auch viele ganz unmenschliche Executionen an
Negern. Hingegen ward erst 1763 zum erstenmal
in diesem ganzen Jahrhundert ein Weißer zum Tode
verurtheilt. – Das große Erdbeben von 1766. –
Die Herrnhutische Mission unter den Caraiben. –
Zuletzt sehr weitläuftig von dem großen Negerauf-
stand v. 1763, der über Jahr und Tag mit voller
Wuth dauerte. – Aus der Vorrede des Hrn. M.
Fabri sieht man, daß er die Uebersetzung nur durch-
gesehn, und daß manche Stellen des Originals, die
man für überflüssig gehalten, ausgelassen worden.
Hr. F. hat darinn auch ein Verzeichniß anderer
Reisen nach Guiana geliefert, denen aber freylich
noch viel an einiger Vollständigkeit und Genauig-
keit abgeht. Von des ehrlichen Hanns Staden
Reise haben wir die Urkunde vor uns: sie ist zu
Marpurg 1557. in Quart, mit vielen und genauern
Holzschnitten als in den folgenden Ausgaben, von
dem bekannten Zergliederer Joh. Dryander heraus-
gegeben worden. Ralegh hat nicht den zweyten
Theil seiner Reifen, die alle drey in Hakluyts Samm-
lang stehen, sondern seiner weitschweifigen History
of the world
ins Feuer geworfen. – Die auf dem
Titel versprochnen Zusätze sollen dem zweyten Bande
beygefügt werden.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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