Sam. Th. Sömmerring über die körperliche
Verschiedenheit des Mohren vom Europäer. 1784.
32 Seiten, gr. Octav. Der Hr. Hofgerichtsr. hat
bey seinem vorigen Aufenthalt in Cassel die gün-
stige Gelegenheit benutzt, mehrere Mohrenkörper
zu zergliedern, und giebt in diesem, bey Restaura-
tion der mainzer Universität geschriebnen Pro-
gramm die für die Menschengeschichte überhaupt
[Seite 109] interessanten Resultate jener Untersuchungen, wovon
wir nur die vorzüglichsten ausheben können. Erst von
der schrägen Gesichtslinie dieser Menschenvarietät
und ihren hervorstehenden Kinnladen, die Hr. S.
auch schon bey neugebornen Negerkindern bemerkt
hat. (– Dieses Hervorstehen der Kinnladen bey
den Negern, dünkt uns der auffallendste Character
von allen: der sie vorzüglich auch von den alten
Aegyptiern unterscheidet, die, wie wir an Mu-
mienschädeln sehen, zwar auch ausnehmend große,
aber doch nicht so protuberirende Kinnladen hat-
ten –). Unser Hr. Prof. Lichtenberg hat ange-
merkt, daß beym Mohren der Nacken weit flacher
und weniger tief ausgehölt sey, als beym Euro-
päer. Dann ein Hauptunterschied – die kleinere
Hirnschaale in Vergleich gegen die großen ossa fa-
ciei. Auch habe es dem Verf. geschienen, daß das
for. magn. occipit. beym Mohren etwas mehr nach
hinten liege als bey uns; und ‘„vermuthlich sey dieß
mit die Ursache, daß, wenn man einen Mohren-
schädel ohne Unterkiefer auf eine ebene Fläche legt,
er so sehr hinten aufliegt, daß vorne die Zähne um
mehr als eine Linie über die Fläche in die Höhe ge-
hoben werden„’ Der Schädel sey überhaupt schma-
ler als beym Europäer doch nicht so sehr schmal
als bey manchen der schönsten Mumienköpfe –).
Die Nasenhöle sey weit (Noch geräumiger ist sie
doch beym Schädel eines nordamerikanischen Wil-
den, den der Rec. durch die Güte des Hrn. Leibmed.
Michaelis besitzt –). Auch eine weite incisura Zy-
gomatica, starke Jochbeine und Beismuskeln. Das
Mohrengehirn hingegen fand Hr. S. gegen die neuer-
liche Behauptung völlig so weiß als beym Europäer.
Die aus dem Gehirn entspringenden Nerven, we-
nigstens einige davon, schienen Hrn. S. stärker
als bey uns; und schien ihm auch hierdurch der
[Seite 110] von ihm zuerst entdeckte sehr wichtige Hauptsatz be-
stätigt zu werden: ‘„daß der Mensch beym größten
Gehirn die kleinsten Nerven habe. Oder, daß man
nur in Rücksicht der Vergleichung des Gehirns mit
seinen Nerven sagen könne, der Mensch hat das
größte Gehirn.„’ Der Thorax der Neger ist groß
und gewölbter als bey den Europäern. Ihre Ober-
haut selbst scheint Hrn. S. doch um etwas bräun-
licher und dunkler als die unsrige: und die malpi-
ghische Schleimhaut hatte wirklich einigermaßen das
Ansehn eines sehr ungleichförmigen Netzes. Am
Hodensack gelang es ihm, sie sowohl von der Ober-
haut als vom Corium abgesondert darzustellen (wo-
von er dem Rec. ein trefliches Präparat mitzuthei-
len die Güte gehabt hat). – Er folgert am Ende
aus allem diesen ‘„daß die afrikanischen Mohren
doch in etwas näher ans Affengeschlecht als die Eu-
ropäer gränzen.„’ (Doch ohngefähr nur so, wie man
etwa sagen kann, daß die angorischen Katzen in et-
was näher an die Bologneserhündgen gränzen, als
andre Spielarten von Katzen –). Er selbst setzt aber
auch gleich hinzu: ‘„sie bleiben aber darum dennoch
Menschen, und über jene Classe wahrer vierfüssiger
Thiere gar sehr erhaben, gar sehr auffallend von ih-
nen unterschieden und abgesondert.„’ (– Denn eben
durch den aufrechten Gang, den Hr. Prof. Blu-
menbach schon vor Jahren in mehrern Schriften dem
Menschen als das erste wichtigste Hauptunterschei-
dungszeichen seines Körperbaues von dem aller an-
dern Thiere vindicirt hat, wird die große Kluft
zwischen dem Menschen und dem allermenschenähn-
lichsten Affen, dem Chimpanse, oder dem minder
menschenähnlichen Orangutang etc. befestigt. – Daß
aber der Neger nun nicht blos ein Mensch, sondern
von der gleichen Species mit uns sey, wird ein-
leuchtend, sobald man sich erinnert, daß er eben
[Seite 111] so gut durch unmerkliche Nüancen der Bildung,
Farbe etc. zum Abessinier, Hottentotten etc. übergeht;
als alle andere Menschenvarietäten, durch eben so
unmerkliche Uebergänge in einander fließen: und daß
er freylich am Senegal den gleichen Einfluß auf sei-
nen Körper hat erfahren müssen, den auch die Hunde
im gleichen Clima erfahren, die bekanntlich, wenn
sie aus andern Gegenden dahin gebracht werden,
binnen kurzer Zeit zu Negern in ihrer Art degeneri-
ren. Aller andern Ursachen der Abartung zu ge-
schweigen –).