Des Hrn. Prof. Blumenbach Institutiones
physiologicae sind im Dieterichschen Ver-
lag auf 511 S. in gr. Octav mit 4 Kpfrn
herausgekommen. Der Verf. hat gesucht, ein bün-
diges, faßliches und die neuesten nutzbaren Ent-
deckungen enthaltendes Compendium der Physiolo-
gie zu liefern, das sowohl zum Leitfaden im Vor-
trag, als vorzüglich auch zu einem brauchbaren
Handbuche für practische Aerzte dienen könnte. Er
hat sich folglich, so viel möglich, für dem unfrucht-
baren Hypothesenprunk, anderseits aber auch für
einem entgegengesetzten Fehler zu hüten gesucht, da
man leicht voreilige Schlüsse aus Phänomenen
zieht, die sich wohl häufig nach dem Tode bey der
Leichenöffnung zeigen, aber darum nicht auch dem
[Seite 250] belebten Körper angedichtet werden dürfen. Da-
gegen hat er durchgehends erstens das solidum
vivum überhaupt vor Augen gehabt, und dann die
verschiedenen Arten von Lebenskräften genau unter-
schieden, deren Verwechselung und Vermengung zu
den gefahrvollsten Irrthümern in der Praxis ver-
leitet. Er rechnet zu diesen Kräften ausser der Reiz-
barkeit der Muskelfaser und der Empfindlichkeit
des Nervenmarks, vorzüglich die Contractilität des
Zellgewebes (auf welche sich Stahl’s tonus gründe-
te), und die vita propria einzelner Theile, als
ohne welche sich von der Function mancher Organe,
wie z.B. des Mutterkuchens, und der Gebärmut-
ter bey der Niederkunft, und der Bewegung des
Augensterns, und der Reise der Geilen beym neu-
gebohrnen Knäbchen, (und, wie es scheint, auch der
Verrichtung der mehresten abscheidenden Eingewei-
de,) schwerlich ein gesunder Begriff bilden läßt. –
Ueber die mancherley Arten von Consensus der
Theile. – Dann die besondern Functionen nach den
gewöhnlichen 4 Classen. – Die vermeynte Würde
des Eisens im Blute wird hier ziemlich herabge-
stimmt. Von dem seltenen Fall, wenn man bey
Vivisectionen das rechte Herz früher absterben
sieht, als das linke. (Durchgehends aber hütet sich
der Verf. für der Vermengung solcher seltenen Er-
scheinungen mit dem gewöhnlichen Gange, und für
den irgend zweifelhaften Schlüssen aus thierischen
Vivisectionen auf die Oekonomie des menschlichen
Körpers, wie bey der eigenthümlichen Bewegung
der Schlagadern; bey der zweifelhaften Empfind-
lichkeit so vieler Theile u.s.w.) – Der große Ein-
fluß der Nerven auf die Bewegung des Herzens:
doch daß die Irritabilität übrigens von selbigen
ganz unabhängig scheine. – Bestimmung des An-
theils, den die Blutgefäße selbst, zumal die soge-
[Seite 251] nannte Oscillation der feinsten Endungen, zum Um-
triebe des Bluts beytragen. – Wie in den Lungen
jeder kleine District von Bronchialzellchen auch sein
abgesondertes kleines System von Blutgefäßen habe.
(Eine Einrichtung, die in vielen Lungenkrankhei-
ten so wohlthätig wird.) Der Verf. löst sich nun
selbst einige Zweifel, die er vordem noch gegen die
Crawfordische Lehre von der thierischen Wärme
hegte, zumal in Beziehung auf das bebrütete
Hühnchen. Die Verwandtschaft zwischen der äus-
sern Haut und den Lungen, und wie auch jene zur
Unterhaltung der thierischen Wärme beyträgt. –
Das Sinken des Hirns im tiefen Einathmen, und
noch mehr im Schlaf, hat der Verf. an einem
Kranken, der ein großes Stück Hirnschaale ver-
lohren hatte, sehr genau beobachten können. Wie
schwankend die gewöhnliche Eintheilung der körper-
lichen Geschäfte in willkührliche und unwillkührliche
sey, wie schwer die Gränzen zwischen beyden zu bestim-
men. Vielleicht seyen die Geburtswehen die einzige
absolut unwillkührliche Handlung in der thierischen
Oekonomie: denn von allen andern, von der Be-
wegung des Augensterns etc. seyen Ausnahmen be-
kannt, die sich wohl aus der Reaction des Sen-
sorii erklären lassen, welches in diesen Fällen eben
sowohl durch die bloße Vorstellung eines Stimu-
lus, als durch dessen wirklichen Eindruck auf den
Körper excitirt werden könne. – Wie die Milz
aus einer frischen Leiche, in Scheibchen geschnitten,
unter einer Glocke von dephlogistisirter Luft: so
schleunig ihre Schwärze ins Hochrothe ändert und
zugleich die Luft phlogistisirt etc. – Die sogenann-
ten Peyerschen und Brunnerschen Darmdrüschen
scheinen großentheils zum widernatürlichen Zustand
zu gehören und aphthae zu seyn. – Der Haupt-
nutze der lymphatischen Drüsen und überhaupt
[Seite 252] des Umwegs durchs einsaugende System sey wohl,
um die einzusaugenden Säfte erst möglichst der
thierischen Natur zu assimiliren, ehe Sie ins Blut
gelangen dürfen, da der Verf. bey den Versuchen
zur chirurgia infusoria erfahren, was auch die
geringste Quantität von den mildesten Säften,
unmittelbar zum Blute gebracht, für heftiges
Herzklopfen, Schlafsucht und Zuckungen verursacht
hat. – Ueber die Erneuerung der festen Theile,
sowohl durch die Ernährung, als nach zufälligem
Verlust durch die Reproduction. Es scheint nicht,
daß sie irgend bey einer pars similaris unsers Kör-
pers statt hat, die ausser der Contractilität auch
noch eine andere Art von Lebenskraft besitzt. –
Der große Antheil, den das absorbirende System
am Secretionsgeschäfte hat, da es immer aus den
secernirenden Eingeweiden specifikes Fließwasser
(d.h. gallichtes aus der Leber u.s.w.) zur Blut-
masse zurückführt, und dadurch gleichsam einen
Kreislauf zur Beförderung der fernern Abscheidung
unterhält. – Die räthselhafte Nabelschnurblase
im Eychen der neuempfangenen Leibesfrucht aus
den ersten Monaten, ist doch, wie der Hr. Prof.
noch in einer besondern Nachschrift erinnert, so
constant, daß sie sicher für einen, zu bestimmten
Zwecken abzielenden, Bau zu halten ist. – Ge-
gen die vorgebliche Ernährung der Leibesfrucht
durchs Schaafwasser. – Wenn man eine Art von
bestimmten menschlichen Lebensziel annehmen darf,
so scheint es, wenigstens in verschiedenen Gegenden
von Europa, das 84. Lebensjahr zu seyn. – Durchs
ganze Buch sind die besten Quellen angegeben,
theils auch solche, die bisher nicht genug für die
Physiologie benutzt worden, zumal von den neuern
Physikern und Reisebeschreibungen. Auch ist im-
mer auf die vorzüglichsten Abbildungen der Theile
[Seite 253] verwiesen; besonders auf die Eustachischen Ta-
feln. Von einigen Theilen, die in diesen Tafeln
entweder gar nicht, oder nicht deutlich genug vor-
gestellt worden, hat der Verf. eigne Abbildungen
beygefügt, die mit einer ausnehmenden Schönheit
von Hrn. Mark in Wien gestochen sind. So z.B.
die wahre Beschaffenheit der membrana pupilla-
ris; die verschiedenen Häute des weiblichen Eyes etc.;
ein paar deutliche Vorstellungen über die Reise
der Geilen beym männlichen Fötus, und wie da-
durch angebohrne Brüche veranlaßt werden kön-
nen u.s.w.
Im gleichen Verlage sind nun auch des Hrn.
Prof. nuperae observationes de nisu formativo et
generationis negotio in Quart mit 2 Kupfertafeln
abgedruckt.