Bey den Gebrüdern Herold ist erschienen:
Phil. Gabr. Hensler (Dänischer Archiater und
Prof. in Kiel) vom abendländischen Aussatze im
Mittelalter, nebst einem Beytrage zur Kenntniß
und Geschichte des Aussatzes (überhaupt). – 1½ Al-
phabet in Octav. – Ein würdiges Gegenstück zu
des Hrn. Archiater Geschichte der Lustseuche; von
eben so großer und ausgedehnter Wichtigkeit,
bey weitem nicht blos für den Arzt, sondern auch
für den philosophirenden Geschichtforscher, Litte-
rator, Exegeten, und im Grunde für jeden Leser,
den es interessiren kann, diese von physischer und
moralischer Seite gleich schaudervolle langsam
tödtende Pest kennen zu lernen, die überhaupt eine
der ältesten und schwersten aller Krankheiten ist,
und welche insbesondere auch unter unsern Vor-
fahren in Europa im sogenannten mittlern Zeit-
alter allgemein gewüthet hat. Das Werk ist in
drey Abschnitte eingetheilt, von welchen die bey-
den ersten die Geschichte eben dieses, zumal durch
die heillosen Kreuzzüge recht verbreiteten, abend-
ländischen Aussatzes umfassen, die dritte aber
historische und pathologische Bemerkungen über
den Aussatz überhaupt, den morgenländischen,
westindischen etc. enthält. Denn der Aussatz ist
bey seiner mannigfaltigen Gestaltung nach Ver-
schiedenheit der Grade, Stadien und Arten ein
Proteus, den man nie als Eine an einander
hängende Krankheit betrachten muß, die Einen
und denselben Verlauf, Anfang, Mittel und Ende
hat. Aussatz ist (wie sich der Verf. ausdrückt)
ein Stoff zu Krankheiten, wie es die Lustseuche,
der Schardock und mehrere chronische Uebel sind;
und dieser Stoff äussert sich auf eine verschiedene
[Seite 1823] Art, in unterschiedenen Uebeln bis zur vollständi-
gen Krankheit, freylich in einem diesem Stoffe
eigenen, sich ähnlichen, Gange, aber doch in man-
cherley Arten und Graden, die eine große Verschie-
denheit der Uebel ausmachen. – Ursprünglich
endemisch ist er wohl blos im Morgenlande, und
am meisten in Vorderasien und Aegypten. Die
Griechen kriegten ihn wohl schon von den Phö-
niciern. Die Römer durch Pompeji Feldzug, und
wohl noch eher. Auch im übrigen abendländi-
schen Europa war er zwar schon vor der Zeit der
Kreuzzüge; aber freylich ward er durch dieselben
im eilften und zwölften Jahrhundert erst so furcht-
bar allgemein verbreitet, daß man zu Anfang des
dreyzehnten schon allein in Frankreich 2000 Lepro-
senspitäler, und in der ganzen Christenheit zu-
sammen auf 19000 derselben rechnete. – Vom
Anfang des sechszehnten Jahrhunderts an ver-
lohr er sich wieder aus Europa, so daß er seitdem
nur einzeln darin gesehen ward; einige Gegen-
den, zumal in der Provence und an den nörd-
lichen Küsten, ausgenommen, wo ein aussatzarti-
ges Uebel noch wie einheimisch ist. – Der erste
Abschnitt giebt eine kritische Uebersicht der Quel-
len der Nachrichten vom abendländischen Aussatz:
ein überaus wichtiger Beytrag zu einem bisher
sehr vernachlässigten Theile der medicinischen Lit-
terärgeschichte, nemlich der insgemein ganz ver-
kannten sogenannten Arabisten und latinobarba-
rorum. – Der zweyte Abschnitt enthält die Be-
schreibung dieses abendländischen Aussatzes, nach
allen seinen verschiedenen Gestaltungen. Zuerst
also die sogenannten Vormäler u.a. Veränderun-
gen der Oberhaut, die Mäler und Grinde man-
cher Art, Finnarten, rothe Haut etc. Alles dies
sind auch für sich selbstständige Uebel, einige wirk-
[Seite 1824] lich auch Krankheiten; können für sich gehoben
werden; müssen auch nicht nothwendig in den
vollständigen Aussatz übergehen: aber sie können
es, sie pflegen es leicht, und sind dann nur Vor-
zeichen des Aussatzes. – So lange blos diese
Hautübel sich zeigten, ward der Behaftete noch
nicht gänzlich aus der menschlichen Gesellschaft
verbannt, wie hingegen schon geschah, so bald
nun der vollständige Hautaussatz (Baras und
Lepra) ausbrach, dessen verschiedene Arten, zumal
der räudige und der weisse, von S. 90 bis 118
beschrieben werden: vollends aber, wenn endlich
gar der höchste Aussatz (die Lepra der Araber)
folgte, zumal der knollige oder die wahre Ele-
phantiasis. – Am Ende dieses Abschnitts auch
noch vom Localaussatz, wo nemlich das Uebel
nur einen besondern Theil behaftet, als Glatz-
kopf, Grindkinn, Knollbeine, Knollnägel u. dergl. –
Was den Verf. hiebey vorzüglich zu statten kam,
über die großentheils so dunkeln und verworrenen
Nachrichten der ältern Aerzte von diesen scheus-
lichen Uebeln ein großes Licht zu verbreiten, war,
daß ihn ein sonderbar glücklicher Zufall in den
Stand setzte, die jetzt Gott lob hier zu Lande sonst
so seltenen Hauptarten des Aussatzes in der Natur
zu beobachten; denn er sah zuerst den räudigen
Aussatz an einem 15jährigen Mädchen; nachmals
die wahre Elephantiasis an einem 40jährigen
Manne, der sie in den westindischen Inseln geholt
hatte; und zuletzt in seiner Höhe den weissen
Aussatz an einer unverheyratheten Weibsperson. –
Es kann keinen schaudervollern Spiegel des mensch-
lichen Elends geben, als die Schilderungen dieser
ärgsten aller Krankheiten, die, wie der Verf. sagt,
nicht etwa blos das Antlitz verunstaltet, sondern
an Leib und Geist, von aussen und von innen,
[Seite 1825] den Menschen recht eigentlich entmenscht und nach
den Qualen langer Jahre ihn erst theilweise ab-
sterben läßt, ehe sie ihn vollends tödtet! – Der
dritte Abschnitt, der, wie gesagt, vom Aussatz
überhaupt handelt, begreift erstens historische
Nachrichten von der ursprünglichen Heimath des-
selben, und den Veränderungen, die er in der
Folge der Zeit und bey seiner Verbreitung in an-
dere Welttheile, erlitten: und dann pathologische,
zumal semiotische, Bemerkungen über denselben.
Unter jenen, den historischen, auch eine Fülle äus-
serst interessanter Nachrichten von den sittlichen
Folgen dieser schrecklichen Krankheit, zumal in
den mittlern Zeiten, im Abendlande. Ein vom
Richter und Arzt erklärter Aussätziger ward völlig
wie ein Gestorbener behandelt, man bestattete ihn
bey Leibesleben mit allem Leichengepränge, las
Seelenmessen über ihn, und ließ ihn so ausser
die Stadt ins Leprosenspital oder in seine ganz
abgesonderte einsiedlerische Wohnung geleiten. Er
ward als bürgerlich todt betrachtet; konnte we-
der etwas veräussern, noch verschenken etc. – Ge-
nau und umständlich von der Abnahme des Aus-
satzes im Abendlande, zumal gegen Ende des funf-
zehnten Jahrhunderts, da ihm die Syphilis, eine
eigne Gestalt der Lustseuche, den ersten großen
Stoß gab, bis er nachher vor den andern unrei-
nen Krankheiten völlig dahinschwand. – Gele-
gentlich, doch mehr als Problem für weitere Un-
tersuchung, von allerhand dem Aussatz gewisser-
maßen ähnlichen Krankheiten; wie z.B. von der
Kackerlacken ihrer, von der krimmischen Krank-
heit, von der Pelagra etc. – Auch semiotische An-
fragen an künftige Wahrnehmer, z.B. giebts
beym Aussatz auch Localübel der bedeckten Theile?
u. dergl. m. – Ein Anhang von 94 S. enthält
[Seite 1826] (wie in dem Werke über die Lustseuche) Excerpta
aus den Classikern über den abendländischen Aus-
satz, also größtentheils aus den jetzt so selten auf-
zutreibenden und in den alten Ausgaben so beschwer-
lich zu lesenden Latinobarbaris. – Zuletzt auch
noch einige sehr schätzbare, bisher ungedruckte, Auf-
sätze von neuern Beobachtern: nemlich Hr. Dr.
Dejean von dem Aussatze auf den ostindischen In-
seln: und Hr. Dr. Büchner, Hr. Regimentschirur-
gus Hempel und Hr. Dr. Möller von den verschie-
denen Arten des norwegischen Aussatzes.