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Göttingische Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band,
auf das Jahr 1798.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Göttingen.

[Seite 209]

Hr. Prof. Wiedemann zu Braunschweig hat der
Königl. Societät der Wissenschaften einen Aufsatz
über das feinere Gefühl an einigen Theilen der
Thiere zugesandt, aus welchem wir folgende Be-
merkungen mit seinen eigenen Worten mittheilen:

‘”Ein äusserst feines Gefühl ist manchen Thie-
ren in die Spitze der Schnauze gelegt, und vor-
züglich sind die Thiere mit langen Rüsseln damit
versehen. – Dieses feine Gefühl wird vorzüglich
durch das Ende des Nervus infraorbitalis in Ver-
bindung mit einigen Fäden des Gesichtsnerven,
und zwar des mittlern, quer über den Masseter
laufenden, Zweiges desselben, bewirkt. – Der
Unteraugenhöhlen-Nerve ist bey denen am stärk-
sten, welche einen langen Rüssel, oder bey denen,
welche lange Knurrhaare haben. Der Rüssel der
Thiere wird vorzüglich durch drey eigene schlanke
[Seite 210] Muskeln bewegt, überdem liegen an der Seite
der Schnauze noch verschiedene Lagen des Haut-
muskels; zu diesen Muskeln gehen vorzüglich die
Zweige des Gesichtsnerven. Doch fand ich bey
einem Igel deutlich einen Faden des Gesichtsner-
ven zur Wurzel (bulbus) eines in der Haut stek-
kenden Haares gehen. Meistens aber werden
diese Wurzeln der längern Knurrhaare von den
zahlreichen und verhältnißmäßig starken Zweigen
des Unteraugenhöhlen-Nerven versorgt, welcher
als ein büschelförmiges Bündel zu ihnen kommt,
und meist an jede Haarwurzel zwey Fäden schickt,
welche sie von beiden Seiten umfassen. Ausser-
ordentlich schön fand ich dieß an einem ganz fri-
schen Hasenkopfe. – An den Thieren, welchen
diese Haare fehlen, geht der Nerve bloß zu den
Hautwärzchen des Rüssels, welches man bey den
Schweinen sehr auffallend bemerkt. – Die Knurr-
haare dienen wohl als Vehikel eines feinern Ge-
fühls, um die Thiere, unter gewissen Umständen,
vor naher Gefahr zu warnen; denn die leiseste
Berührung der Spitzen dieser Haare verursacht
ihnen schon eine starke Empfindung. – Katzen
und andere nächtliche Raubthiere strecken vermöge
gewisser Muskeln der Haut die Knurrhaare aus,
welche ihnen von den Körpern, ja selbst von der
Härte oder Weichheit der Körper, welchen sie sich
nähern, Nachricht geben. –”’



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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