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Göttingische Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band,
auf das Jahr 1801.

Göttingen,
gedruckt bey Heinrich Dieterich.

Leipzig.

[Seite 358]

Ueber die verschiedene Form des Intermaxillar-
knochens in verschiedenen Thieren, on Gotthelf

[Seite 359] Fischer, Bibliothekar an der Universität zu Mainz.
1800. 151 S. in Octav, mit 3 Kupfertafeln. –
Eine treffliche Arbeit, die ausser dem Lichte, was
sie über einen an sich selbst sehr bedeutenden Gegen-
stand der vergleichenden Anatomie verbreitet, auch
noch dadurch ein desto größeres Interesse erhält,
daß derselbe schon vor drittehalb hundert Jahren zu
einer berühmten gelehrten Fehde Anlaß gegeben,
deren Entscheidung beides für die Anatomie und für
die Naturgeschichte des Menschengeschlechts von Be-
lange ist. Da nähmlich Galenus in seinem kleinen
osteologischen Compendium das Intermaxillar-Bein
unter den übrigen Schedelknochen aufgeführt hat,
so zeigte Vesalius, daß dasselbe dem Menschen
mangele, und brauchte dieß zu einem Hauptbeweis,
daß folglich Galenus jenes Werkchen nicht nach
Menschengerippen abgefaßt haben könne; gegen
welchen Vorwurf dann Jac. Sylvius u.a. Galeni-
sten denselben zu rechtfertigen suchten. – Auch
Hr. F. hat die Sache von neuem sorgfältig in der
Natur selbst geprüft, und sein Resultat ist: ‘”Im
Menschen findet sich keine Spur des Intermaxillar-
Knochens, und die rimula semilunaris ist nur ein
schwacher Beweis von der entferntesten Ähnlich-
keit.”’ – Eine andere eben so interessante Frage,
ob sich hingegen dieser Knochen bey allen übrigen
Säugethieren finde, und folglich zu den sicherten
Unterscheidungszeichen gehöre, wodurch sich der
Mensch von diesen Allen auszeichne? glaubt er be-
jahend beantworten zu müssen. Zwar sagt er selbst
von der Fledermaus mit der Hufeisennase, er finde
in mehreren Beyspielen von verschiedenem Alter,
welche er verglichen, keine Spur davon. Auch
nicht am Sorex arabicus, und eben so scheine die-
ser Knochen auch dem Aï (Bradypus tridactylus)
zu fehlen. Doch könne er etwa bey diesen Thieren
[Seite 360] sehr klein, lose ansitzend, und daher beym Skeleti-
ren leicht abgestoßen seyn; worüber denn erst noch
wiederhohlte Beobachtungen abzuwarten sind. –
Der Verf. bestimmt zuvörderst die Bildung und Lage
dieses Knochens überhaupt, die allgemeinen Verschie-
denheiten desselben, worin einzelne Classen oder
Ordnungen von Thieren mit einander übereinkom-
men; das Verhältniß, worin die Vorderzähne zu
demselben stehen; den Antheil, den er an der Total-
Bildung des thierischen Profils hat etc.; und be-
schreibt dann die specifischen Verschiedenheiten des-
selben, zuvörderst aus einer Fülle von Säugethie-
ren, wozu ihm – was zumahl die exotischen Gat-
tungen betrifft – sein Aufenthalt in Paris und die
Benutzung des dasigen National-Musei, reiche Ge-
legenheit gegeben. – Beyläufig von einem bisher
übersehenen Unterscheidungszeichen zwischen dem
Menschen und den Affen: bey letzteren nähmlich ist
der Vordertheil des Oberkiefers mit einer beträcht-
lichen Erhabenheit gewölbt; daher die gespannte
Oberlippe und ihr Zähnefletschen. – Unerwartet
wird es Manchen seyn, daß Hr. F. auch bey ein-
zelnen Gattungen in den drey übrigen Classen von
rothblütigen Thieren einen Intermaxillar-Knochen
annimmt. Bey Schildkröten und Crocodilen war
zwar Etwas der Art bekannt. Aber der Verf. be-
schreibt auch einen analogen Knochen bey manchen
Vögeln und vielen Fischen. – Von den beygefüg-
ten Kupfertafeln enthalten die beiden ersten, Abbil-
dungen des Intermaxillar-Knochen von verschiede-
nen exotischen Säugethieren; und die dritte densel-
ben, so wie er sich beym Leguan, bey der Natter,
und bey neunerley Fischen zeigt. Besonders merk-
würdig ist seine Bildung beym Chaetodon rostra-
tus
und Trigla volitans.




Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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