Mémoire aptérologique, par J. Fr. Hermann,
Dr. en Méd. – publié par Fr. L. Hammer,
Prof. d’hist. natur. 144 S. in groß Folio, mit
neun ausgemahlten Kupfertafeln.
Ein mit aller typographischer Schönheit ausge-
stattetes, aber auch die Naturgeschichte durch eine
Fülle neuer Entdeckungen und Bemerkungen wesent-
lich bereicherndes, Werk, wovon dreyfache Ausga-
ben, nach der verschiedenen Größe und Güte des
Papiers, veranstaltet sind. – Der Verfasser war
der einzige Sohn des berühmten Straßburger Leh-
rers, von dessen Nachlaß naturhistorischer Bemer-
kungen wir im 131. Stück dieser Blätter gesprochen
haben; starb aber schon vor 10 Jahren in der
Blüthe seines Alters, als Märtyrer seines Berufs,
durch ein Nervenfieber hingerafft, an welchem er
eine Menge Kranke im Militärhospital zu besorgen
hatte. Ursprünglich ist das Werk eine von der Lin-
neischen Societät zu Paris gekrönte Preisschrift, die
aber nach der Hand noch ansehnliche Vermehrungen
sowohl vom Verf., als von dessen würdigem Vater,
[Seite 1338] erhalten, der den Gram hatte, seinen Sohn sieben
Jahre überleben zu müssen; calamitatibus aliis
publicis privatisque fractus, wie er von sich selbst
in einer rührenden, hier vorgedruckten, Vorrede
sagt, die der Rec., der beide, den Vater und Sohn,
gekannt, mit wehmüthiger Theilnahme gelesen hat.
Einige der trefflichen Kupfertafeln hatte der Vater
stechen lassen, das Uebrige ist nun von dem ver-
dienten Herausgeber, dem Schwager des Verf., be-
sorgt, der auch selbst noch Zusätze beygefügt hat.
Das Ganze macht eigentlich nur einen Theil von dem,
was der jüngere Hermann über die Naturgeschichte
der beständig ungeflügelten Insecten, den bisher am
meisten vernachlässigten Theil der Entomologie, hin-
terlassen hat, als worunter sich z.B. Zeichnungen
von mehr als hundert Gattungen des Spinnenge-
schlechts finden, deren Bekanntmachung gar sehr zu
wünschen ist. Aber auch schon durch das ansehnliche
Werk, das wir vor uns haben, wird eine der be-
trächtlichsten und allerschwierigsten Lücken in diesem
Fache gefüllt, und man muß den beharrlichen Eifer
bewundern, womit der Verf. die großen und viel-
artigen Schwierigkeiten, die mit dem Aufsuchen und
der Erhaltung und microscopischen Beobachtung und
meisterhaften Zeichnung und Beschreibung der hier
abgehandelten Milben und verwandten Insecten, die
bey weitem großten Theils zu den kleinsten Thieren
dieser ganzen Classe gehören, zu überwinden gewußt
hat. – Voran geht eine sehr genaue Critik der
bisher von den Entomologen aufgestellten generischen
Charaktere des Acarus Geschlechts. Dann des
Verf. neue systematische Eintheilung der ganzen Ord-
nung von Apteris in folgende vier Familien: A) pe-
dicus 6; thorace a capite aut abdomine discreto.
Darunter die Geschlechter lepiscua, podura, pedi-
culus, pulex &c. – B) pedibus 8; capite, tho-
[Seite 1339] race abdomineque (maximo) unitis. Hierunter
die in verschiedene Geschlechter vertheilten Milben,
und einige Gattungen von Phalangien. – Cpe-
dibus 8 ad 14; capite thoraceque unitis; abdo-
mine caudave discretis. Darunter Spinnen, Scor-
pionen, Krebse, Kiefenfüße, onisci. – Dypedi-
bus pluribus; capite a thorace discreto. Die bei-
den Geschlechter iulus und scolopendra. – Diese
vier Familien begreifen 25 Geschlechter (statt der 13
Linneischen), von welchen in dem Werke, das wir
anzeigen, folgende abgehandelt werden, von welchen
die sieben ersten fast bloß zum Linnéischen Milbenge-
schlechte gehören. Aber statt daß Linne nur 35 Gat-
tungen derselben kannte, so hat unser Verf. ihrer 80
zusammengebracht. Zu seinem ersten Geschlechte,
Trombidium Fabr., gehören z.B. Acarus tela-
rius, tinctorius, holoriceus, aquaticus –
Zum II. Hydrarachne, die Müllerschen Hydrach-
nen. – Zum III. Scirus, der Ac. longicornis
etc. – Zum IV. Cynorhaestes, Ac. ricinus, re-
duvius, aegyptius etc. – Zum V. Rhyncho-
prion, Ac. americanus. – Zum VI. Acarus,
der colloptratorum, crassipes etc. – und zum
VII. Notaspis, der Ac. coleoptratus. Auf diese
milbenartigen Thiere folgt dann VIII Phalangium,
das aber nicht alles begreift, was Linné darunter
rechnete; denn sein Ph. cancroides z.B. steht hier
im IX. Geschlecht, Chelifer Goffr. – X. Phthi-
dium, zwey Gattungen, auf Fledermäusen (– die
eine derselben, Phthirid. biarticulatum, ist aus-
führlich beschrieben von Hrn. Nitzsch in Hrn. Hofr.
Voigt’s neuem Magazin VI. B. 5. St.; nur ist sie
da für ein Hippobosca versehen; so wie hingegen
Linné eine wirklich auf Hirschen und Rehen befind-
liche Hippobosca unter die Läuse gesetzt hat. –) XI.
Dichelestion, ein gar sonderbar gebautes. Insect,
[Seite 1340] aus den Kiemen des Störs. – Endlich XII. Be-
merkungen über einige kleine Gattungen aus dem
Geschlecht der Kiefenfüße, Monoculus piscinus,
lenticularis etc. – Alle diese Familien und Ge-
schlechter, und dieser ihre Gattungen, sind mit aus-
nehmendem Scharfblick und Genauigkeit charakteri-
sirt, die Naturbeschreibung der letztern durch ein
paar hundert treffliche Abbildungen erläutert, aber
auch vieler ihre Naturgeschichte durch Beobachtung
ihrer bisher so wenig bekannten Lebensweise etc. auf-
gehellt.
Zum Schluß unserer Anzeige heben wir noch ein
paar einzelne besonders auffallende Bemerkungen
aus. – Bey der Section einer Leiche im Militär-
hospitale zu Straßburg im August 1794, fand sich,
so wie nur der Kopf geöffnet und die Hirn-Hemisphä-
rien von einander entfernt wurden, eine hier abge-
bildete Milbe (Acarus marginatus), die auf dem
corpus callosum einher lief. Und schon 1787 fand
Hr. Prof. Lauth eine andere Art, die dem Acarus
cellaris ähnelte, auf der glandula pituitaria eines
im Spital verstorbenen Wahnsinnigen. (– Das Be-
denklichste dünkt dem Rec., daß man in beiden Fäl-
len gerade nur ein einzelnes Individuum gefunden. –)
Der Vater des Verf. äussert sogar dabey die Ver-
muthung, daß auch die so genannten Mitesser in
der Haut doch am Ende noch vielleicht für wirkliche
selbstständige Thiere anerkannt werden dürften. –
Viele neue interessante Bemerkungen über die Lebens-
weise der so genannten Weberknechte (Phalangium
opilio Linn). Die ungeheure Größe ihrer beider-
ley Sexualorgane. Das zweyte Paar ihrer langen
dünnen Beine scheint ihnen statt Fühlhörner zu die-
nen. Wie sie Wassertropfen schlurfen und Spinnen
aussaugen. – Der kleine Bücherscorpion (Phalan-
gium cancroides Linn. Chelifer cancroides
[Seite 1341] Herm.) ist den Pflanzensammlungen nicht nur un-
schädlich, sondern nutzbar, da er die Papierläuse
tödtet. – Der Linneische Monoculus telemus ist
gar kein Insect, sondern gehört zu den Conchylien.