Bey J.A. Göbhardt: Beiträge zur verglei-
chenden Zoologie. Anatomie und Physiologie.
Herausgegeben von Dr. Oken (nunmehrigem Pro-
fessor zu Jena) und Dr. Kieser (Stadt-Physi-
cus zu Nordheim). Erstes Heft. 1806. Quart
18 Bogen und 3 Kupfer.
Dieser erste Heft des schon jetzt viele neue und
merkwürdige Beobachtungen und Ansichten enthal-
tenden, und nach den beyläufig darin gegebenen
Bemerkungen noch viel versprechenden Werks, be-
greift drey Abhandlungen des Hrn. Prof. O. I.
Anatomie von eilf beynahe reifen Schweins-Fötus
zur Bestimmung der Bedeutung und Function der
Appendices allantoidis. II. Anatomie von fünf
noch nicht vier Wochen alten Schweins-Embryonen
zur Lösung des Problems über die Vesicula umbi-
licalis, und III. Entwickelung der wissenschaftlichen
Systematik der Thiere. Das Hauptsächlichste aus
jenen beiden ersten ist schon früher in diesen Blät-
tern angezeigt (1805 179. Stück). Der Verf. fol-
gert aus seinen Beobachtungen, ‘“daß 1) die Därme
der Embryonen ursprünglich nicht in der Bauchhöhle
liegen, sondern aus einem Bläschen entspringen,
welches ausser dem Amnion gelegen ist, und bey
den Thieren tunica erythroides, beym Menschen
vesicula umbilicalis heißt; daß 2) die Därme nicht
in dem Bläschen liegen, wie in einem Sacke; son-
dern daß sie dessen Fortsetzung selbst – wie das
duodenum des Magens – sind, welche sich in
[Seite 1358] einen vordern und hintern Darm spaltet, wovon
beide längs durch die Nabelschnur in die Bauch-
höhle, einer zum After, der andre zum Magen lau-
fen; daß 3) der Bläschenhals zwischen der Spal-
tung der Därme und dem Bläschen nach einigen
Wochen obliterirt, sich wie eine Nabel-Arterie schließt
und lostrennt, nun als Blinddarm, später auch als
Wurmfortsatz erscheint, und daher an dieser Stelle
die Därme keine Continuität, sondern eine winklichte
Einfügung mit einer Klappe bilden; daß 4) jetzt
erst die Därme sich gegen den Nabel zurückziehen,
und endlich in die Bauchhöhle treten, weßwegen alle
Embryonen nothwendig den so genannten Nabelbruch
haben. Es wird sich endlich zeigen, daß 5) dieser
Bau nicht nur bey Thieren, sondern auch beym Men-
schen wesentlich ist”’. So sey durch die That nachge-
wiesen, was er, der Verf., schon in seinem Buche von
der Zeugung 1805 behauptet habe: ‘“In so fern der
Embryo Polyp ist, wird er durch die vesicula um-
bilicalis ernährt; abgesehen von der philosophischen
Construction erhärten diesen Satz die vasa omphalo-
mesenterica, die sich in dieses Bläschen verlieren,
und dadurch die Gleichheit der Entwickelung des Em-
bryo der Säugthiere mit den Vögeln darthun. Ich
nehme keinen Anstand, zu behaupten, daß die Er-
nährung aus diesem Bläschen nicht durch die genann-
ten Gefäße, sondern durch einen wahren ductum in-
testinalem wie aus dem Dotter geschehe”’. (In-
zwischen ist doch gerade dieser so genannte ductus
beym noch unreifen Küchlein nicht nur häufig, son-
dern, wie sonst zuverlässige Beobachter versichern,
gewöhnlich dicht, ohne Canal; auch findet sich, un-
sers Wissens, nur erst bey dem zum Auskriechen
meist zeitigen bebrüteten Vogel Dotter in seinen Ge-
därmen; sondern dieser scheint, nach genauern Un-
[Seite 1359] tersuchungen, durch die vasa lutea auf der innern
Seite des Dottersacks absorbirt und dem Blute un-
mittelbar beygemischt, um so zur Pfortader des
Küchleins geführt zu werden.) Auch aus der drit-
ten Abhandlung, der Einwickelung der wissenschaft-
lichen Systematik der Thiere, können wir nur die
Fundamentalsätze und das Schema des darauf ge-
baueten zoologischen Systems ausheben. ‘“Jede
Thierclasse und jede Thiergattung ist charakterisirt
durch den ausschließlichen Besitz eigenthümlicher Or-
gane. Aller Unterschied der Thiere von einander be-
ruht auf der übermäßigen Ausbildung eines Systems
bey Vernachlässigung der andern. Wenn aller Thier-
unterschied in dem Ungleichgewichte der Organe liegt,
so muß nothwendig alle Classification auf dieses
nähmliche Princip gegründet seyn. Vor allem ist
klar, daß so viele einseitige Ausbildungen von Orga-
nen wirklich vorhanden sind, als überhaupt Organe
in die Idee der Thierheit gehören. Da aber das
überwichtige Organ die Thierclasse bestimmt, so muß
auch die Natur so viele Classen producirt haben, als
sie Thierorgane in sich trägt. Wir haben hiermit
den Schlüssel zur Systematik schon gefunden, wenn
wir nur einmahl zur Hauptthüre hineingegangen
sind, die uns den Anblick der Zahl und Natur der
Organe der Thierheit überhaupt frey gibt; denn
das Thierreich ist nur das zerschnittene, individuale
Thier, dessen losgetrennte Organe dasselbe specifi-
sche Leben fortleben, welches sie im Individuum leb-
ten, nur jetzt ungebunden von andern Organen”’.
Dem zufolge theilt der Verf. sein zoologisches System
in drey Reiche: I. Regnum animalium infimum.
Begreifend 1. animalia epidermoidea, Oberhaut-
thiere; vermes, Thiere mit herrschender Linie.
2. animalia dermoidea, Hautthiere; insecta,
[Seite 1360] Thiere mit herrschendem Kreise. 3. animalia pneu-
monica, Lungenthiere; conchylia, Thiere mit herr-
schender Dicke. II. Regnum animalium medium.
1. animalia osteoidea, Knochenthiere; aves. 2.
animalia epatoidea. Leberthiere; pisces. 3. ani-
malia gastroidea, Magenthiere; amphibia. Diese
beiden Reiche begreifen die animalia monorganica.
Hingegen das IIIte, höchste, Reich, animalia pan-
organica, mammalia.