Denkschriften der Königl. Academie der Wis-
senschaften zu München für die Jahre 1811
und 1812. S. diese Anzeigen 1814. S. 1073.
Aus dem Gebiete der Naturgeschichte und ver-
wandten Disciplinen enthält dieser Band folgende
Abhandlungen: F. von Paula Schrank über die
Priestleysche grüne Materie. Diese (– schon im
vorletzten Jahrhunderte von Woodward u.a. unter-
suchte, aber erst –) neuerlich seit Priestley’s und
Ingen-Housz’s daran entdeckten Merkwürdigkeiten
allgemein berühmt wordne vegetabilische Substanz,
verliert hier vieles von dem Wunderbaren was man
an ihr beobachtet haben wollte; nahmentlich ihre
vergebliche Entstehung aus anfänglichen Infusions-
thierchen, in welche sie sich auch in ihrem reifern
Alter wieder auflösen sollte, woraus man den voll-
kommnen Uebergang der beiden organisirten Reiche
in einander zu erweisen glaubte u. dergl. m. Der
Verf. zeigt, daß Priestley und Ingen-Housz zweyer-
ley ganz verschiedene Substanzen, jeder eine andere
[Seite 570] untersucht und beschrieben haben. Erstrer nähmlich
die fadige Conferva bullosa; letztrer hingegen die
mehr körnige Lepraria infusionum. Nie verwandle
sich etwa diese in jene; vielmehr seyen beide wieder
aus mehrern verschiedenartigen Substanzen zusam-
mengesetzt. Denn die gedachte Conferve hält er
gar für keine besondere Gattung ihres Geschlechts,
sondern für ein Aggregat verschiedner Dinge, bey
welchen selbst der fadige Theil nicht immer und in
allen Aufgüssen derselbe sey; die vermeinte Leprarie
aber sey gar kein eigenartiges kryptogamisches Ge-
wachs, sondern ihre körnige Grundlage ganz unor-
ganisch, bloßer kalkichter oder andrer Niederschlag,
der allgemach mit kleinen daran haftenden Pulve-
rarien überzogen werde. Alle vorgeblichen Phäno-
mene von eigenthümlicher Bewegung aber, woraus
man die Animalität jener Wasserfaden in gewissen
Perioden ihres Lebens habe erweisen wollen, seyen
entweder bloß scheinbar, gar von keinem innern
Princip, sondern von äußern mechanischen Ursachen
abhängig; oder aber zufällig von Vibrionen u.a.
dergleichen darin hospitirenden wahren Infusions-
thierchen. – J.G. Schneider’s critische Uebersicht
der einzelnen Arten aus der Gattung von Eidechsen,
welche er Wandkletterer nennt, Linné aber, u.a.
Geckonen. Gestattet so wenig als die folgende Ab-
handlung hier eine ausführliche Anzeige. – Abbil-
dungen und Beschreibungen einiger Fische aus Japan
und einiger Mollusken aus Brasilien, welche bey
Gelegenheit der ersten Russ. Kaiserl. Erdumseglung
lebendig beobachtet wurden von Dr. Tilesius, Na-
turalisten der Expedition. Die Fische sind: Ostra-
cion nasutus (hexagonus Thunb.) und Ericius
cataphractus (Sciaena cataphracta Thunb.);
die Mollusken aber: Prionostoma das Sägemaul
aus Brasilien, ein neues Geschlecht scheidenartiger
[Seite 571] Mollusken, und Aplysia tigrina mit ihrer Brut
aus dem Brasilischen Archipel von S. Catharina. –
Sam. Thom. Sommerring über einen Ornitho-
cephalus oder über das unbekannte Thier der
Vorwelt, dessen fossiles Gerippe Collini 1784 in
den Act. Acad. Teod. Palatinae beschrieb, und
welches sich gegenwärtig in der Naturaliensammlung
der Acad. der Wissenschaften zu München befindet.
Der Verf. hat dieses abenteuerliche und vor der
Hand einzige Gerippe mit seiner gewohnten Ge-
nauigkeit untersucht, und hält es einer Art von Fle-
dermäusen ungehörig, die dem Pteropusgeschlechte
noch am nächsten zu kommen scheine. Auch scheine
dieses fossile Gerippe ‘“in der Stufenfolge der Thiere
zwischen den fliegenden Säugethieren und den eigent-
lichen Vögeln eine beträchtliche Lücke dadurch aus-
zufüllen, daß außer den Fußen die Totalform seines
Schädels schon auf den ersten Anblick der Form des
Schädels der Vögel weit mehr ähnelt, als selbst die
Schädel der in unsern Tagen allererst, bey unsern
Gegenfüßlern, aufgefundenen Schnabelthiere.”’ Der
Character dieses Ornithocephalus antiquus sey:
‘“Caput ob maxillarum longitudinem trunco
longius, Collum longitudine trunci, Digiti
extremitatum inferiorum et superiorum quatuor,
Digitorum manus unus capitis et colli junctam
longitudinam superans.”’ – Tanypus, eine neue
Vogelgattung, von Mich. Oppel. Die einzige bisher
bekannte Art die er vom Drosselgeschlechte absondert,
und Tanypus australis nennt, ist auf Neu-Holland
zu Hause. – J.A.H. Reimari de cerebro et
nervis commentariolus. Der würdige Veteran
den wir seitdem verloren haben, widerlegt zuerst
allerhand paradoxe Ansichten des Hrn. Dr. Gall vom
Hirn und den Nerven; z.B. von der demselben fast
nur sulzigscheinenden Rindensubstanz des erstern;
[Seite 572] von dem Verhältniß worin dasselbe zum Rücken-
marke, gleichsam als Fortsetzung zum Stamme stehen
solle; von dem naturwidrigen Begriff den Dr. G.
mit Nervenknoten verbindet, da er ihn auf durchaus
davon verschiedne Organisme ausdehnt u.s.w.
Hingegen pflichtet der Verf. Johnstone’s Meinung
von der Bestimmung der Ganglien bey, um die
daraus sich vertheilenden Nerven vom Einfluß des
Hirns und Willens unabhängig zu machen. Das
Malpighische Netz werde unpassend eine Schleimhaut
genannt, da vielmehr nach Analogie das propium
tactus organon darin seinen Sitz habe. (– Dieß
eine Behauptung die vor der Hand gar wenig wahr-
scheinliches hat. –) Bey den zur Lateralbewegung
der Augäpfel bestimmten beyderley geraden Augen-
muskeln findet er es sonderbar, daß da gewöhnlich
zwey verschiedenartige, der abducens des einen
und der adducens des andern zusammenwirken. –
Dieser Aufsatz gab dem Hrn. Geh. R. und Ritter
von Sömmerring Anlaß zu einem lehrreichen Nach-
trage über die gleichen oder verwandte Gegenstände.
Nahmentlich über die Nerven am Auge des Puters,
verglichen mit denen am Menschen-Auge. Der
menschliche Sehenerve übertrifft an relativer Stärke
die von den vierfüßigen Säugethieren auffallend.
Erweis des durchaus zu beachtenden Unterschiedes
zwischen Nerven und hingegen markichten Fasern
im Hirn und Rückenmark, den die Herren Gall und
Spurzheim aufheben wollten. Weitre Ausführung
des wie gedacht auch vom sel. R. gerügten Miß-
brauchs, Theile im Hirn Ganglien zu nennen, die
durchaus nichts damit gemein haben. Bestätigung
der vom Verf. schon früher gemachten Bemerkung,
daß unter allen so genannten willkührlichen Muskeln
die den Sinnwerkzeugen eignen mit den ansehnlichsten
Nerven versehen werden.