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Göttingische
gelehrte Anzeigen.
Unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band.
auf das Jahr 1827.

Göttingen,
gedruckt bey Friedrich Ernst Huth.

Göttingen.

[Seite 1929]

Die Jahresfeyer der Königlichen Societät der
Wissenschaften fiel dießmal gerade auf den 10ten
November, an welchem, als dem Geburtstage
ihres erhabenen Stifters, Königs Georg II.,
sie vor 76 Jahren ihre erste öffentliche, Sitzung
gehalten hatte.

Die Vorlesung hielt Herr Hofrath Tychsen,
eine commentatio in chartam donationis li-
brorum a Brunone sacerdote ecclesiae Hilde-
siensi factae Sec. XII
., von deren Inhalt in
einem unserer folgenden Blätter Anzeige gesche-
hen wird.

Hierauf gab Herr Obermedicinalrath Blu-
menbach
von den wichtigsten Vorfällen seit dem
vorjährigen Anniversarium den gewöhnlichen Be-
richt.

Das zu Michaelis wechselnde jährige Direc-
torium
war nun vom Herrn Hofrath Himly
[Seite 1930] in der physischen Classe auf Herrn Hofrath
Mayer in der mathematischen übergegangen.

Durch den Tod hat die Societät im Laufe
dieses Jahres verloren:

Von ihren hiesigen Mitgliedern: den
auch um sie vielseitig hochverdienten geheimen
Justizrath Johann Gottfried Eichhorn,
dessen Andenken bald darauf in einer öffentlichen
Sitzung vom Herrn Hofrath Tychsen durch eine
demnächst auch im Druck erscheinende Gedächt-
nißrede gefeyert worden. (s. diese gel. Anz.
117. St.).

Von auswärtigen Mitgliedern: aus
der physischen Classe: den Professor Alex. Vol-
ta zu Como; und aus der mathematischen:
Joh. Elert Bode, Professor und Astronom
zu Berlin; und den Marquis Pet. Simon
de la Place
, Pair von Frankreich etc. zu Paris.

Von Correspondenten aber: E. Fr. Flo-
rent. Chladni
, Dr. jur. et philos. zu Rem-
berg; Fr. Lothar Aug. Sorg, Professor der
Physik zu Würzburg; Jos. Correa de Serra,
K. Portug. Gesandten in Washington; und frü-
her schon den Malthes. Ritter Jos. Giorni K.
Neapolitan. Kammerherrn.

* * *

Zunächst nun von den zur dießjährigen Feyer
ihres Stiftungstages von der Königlichen So-
cietät aufgegebenen Preisfragen.

Für den Hauptpreis hatte die physische
Classe verlangt:

[Seite 1931]

Ad quaenam momenta maxime attendere
oporteat in experimentis quibus nuper ope
pneumometrorum a Kentishio aliisque in-
ventorum, capacitatem pulmonum respiran-
tium in statu sano et morboso definire stu-
duerunt; et quali usui exploratio ope eius-
modi instrumentorum instituta in investi-
gandis morbis organorum respirationis esse
possit.

Welche Nebenverhältnisse müssen berück-
sichtigt werden bey ben Versuchen, durch
den Lungenmesser von Kentish oder ähn-
lichen die Capacität der Lungen für Luft
im gesunden und kranken Zustande zu be-
stimmen? Und welche Vortheile kann die
Untersuchung aus solchen Lungenmessern
zu Erforschung der Krankheiten der Re-
spirationswerkzeuge gewähren?

Die einzige zur Beantwortung dieser vielsei-
tig wichtigen Preisfrage eingegangene Schrift
hatte Ciceros Worte zum Motto: Aggredior,
non tam perficiendi spe, quam experiundi
voluptate
.

Ihr Verf. liefert erst eine sehr ausführliche
kritische Uebersicht und Würdigung der seit Bo-
relli
und Jurine von so manchem Physiolo-
gen ausgesonnenen Vorrichtungen, um sowohl
die Capacität der Lungen, als die Quantität
eines normalen Athemzugs auszufinden. Unter
allenist das Pneumometer von Kentish, vol-
lends nach den zweckmäßigen Verbesserungen durch
unsern Herrn Hofrath Himly, das zuverlässigste
und zugleich bequemste Werkzeug zu diesem Be-
hufe.

Die zahlreichen Versuche und Beobachtungen
die der Verf. an sich selbst, sowie an etlichen
[Seite 1932] und dreyßig andern gesunden Subjecten, von
verschiedenem Alter, Geschlechte, auch im schwan-
geren Zustande, so wie nach individueller Con-
stitution des Temperaments, und nach Verschie-
denheit der Ruhe oder mancherley Erregung durch
Leibesbewegung, Gemüthsstimmung, auch enge
Kleidung etc. – ferner bey einigen Brustkranken,
auch bey Leichenöffnungen – endlich auch an
mehreren vierfüßigen Hausthieren angestellt, ge-
statten hier keine nähere Anzeige. – Nur so viel,
was vorzüglich für die Physiologie des Athem-
holens belehrend ist, daß bey gesunden erwachse-
nen Personen mit geräumiger Brust das Medium
eines Athemzuges 20 bis 25 Cubikzoll beträgt,
und so die Capacität ihrer Lunge 180 bis 190
Cub. Z. (bey einem aber auch 244). – Zugleich
aber liefert die gehaltreiche Schrift bey zu er-
wartender Bekanntmachung eine gute Vorarbeit
für diejenigen, welche den Werth der Pneumo-
metrie demnächst auch für Pathologie weiter zu
untersuchen Gelegenheit haben, wie freylich wohl
nur an großen Orten und großen Spitälern.

Als Verf. jener Schrift, welcher von der K.
Societät einstimmig der Preis zuerkannt wor-
den, nannte sich:

E.F. Gust. Herbst

(D.M. und Privatdocent hieselbst; derselbe,
welcher auch vor fünf Jahren den Preis bey der
Facultätsaufgabe: de sanguinis quantitate,
qualis homini adulto et sano convenit,
erhalten hat).

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Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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