Bey Kummer: Reise von Sarepta in verschie-
dene Kalmücken-Horden des Astrachanischen Gou-
vernements im J. 1823 in Angelegenheiten der
Russischen Bibel-Gesellschaft unternommen von
H.A. Zwick und J.G. Schill und von er-
sterem beschrieben. Mit einer Charte. 176 S.
in gr. 8.
Ein kleines Buch, das aber vielseitige Beleh-
rung gewährt. Nicht bloß, wenn gleich haupt-
sächlich als Beytrag zur Geschichte der Bibelge-
sellschaften und deren nicht durchgehends gleich
fruchtbarem Erfolg; so wie zur neuen Bestäti-
gung der thätigen Theilnahme der Brüderge-
meine an der Verbreitung des Evangeliums;
sondern auch als anschauliche Schilderung der
innern Wirthschaft der gedachten Kalmückenhor-
den in ihren meist so öden Steppen; und we-
[Seite 804] gen mancher interessanten naturhistorischen Be-
merkungen.
Voran zum leichtern Verständniß von Man-
chem in der Reisebeschreibung selbst, eine kurze
Einleitung, von den Mongolen und deren ersten
Bekanntschaft mit dem Christenthume; und dann
von der unter der Monarchin Katharina II. 1765
veranlaßten Ansiedelung von deutschen Mitglie-
dern der Brüdergemeine am Einfluß der Sarpa
in die Wolga, von derselben bedeutungsvoll (nach
1 B. der Kön. Kap. 17) Sarepta genannt.
Als 1814 die Russische Bibelgesellschaft ge-
gründet war, welcher 1817 Kaiser Alexander selbst
als Mitglied beytrat, der einen Ukas erließ,
worin dem geistlichen Stande die Verbreitung
der Bibel unter allen Nationen des Reichs als
dringende Pflicht empfohlen ward, griffen auch
die Bestrebungen der Sareptischen Gemeine mit
Freudigkeit dazu ein. Doch hatten ihre Versuche
unter den Kalmücken keinen dauernden Erfolg.
Indeß erhielt sie 1822 von der Petersburger
Bibelgesellschaft eine bedeutende Zahl den Exem-
plaren des Evangel. Matthäi in kalmückischer
Sprache und andere kleine christliche Schriften,
mit dem Auftrage, dieselben durch einige zu
diesem Geschäft auszusendende Brüder vertheilen
zu lassen. Von den beiden dazu gewählten
oben genannten Reisenden, hatte der letztere schon
früher drey Jahre unter den Kalmücken als Mis-
sionär verbracht, und lebt jetzt dem gleichen Be-
rufe unter den Negersclaven aus Antigua; erste-
rer aber (jetzt Vorsteher der Gemeine zu Sarepta)
ist Verfasser des Tagebuchs. Sie erhielten von
dem Minister, Graf Nesselrode versiegelte Schutz-
und Empfehlungsschreiben an die Hordenhaufen,
doch mit der beygefügten Bemerkung des Für-
[Seite 805] sten Golizym sich nur auf die Austheilung der
heiligen Schrift in kalmückischer Sprache zu be-
schränken, sind sich dabey alles Lehrens zu ent-
halten: letzteres wohl deßhalb, weil die herr-
schende Nationalkirche nach der von der heiligen
Synode schon 1728 gegebenen Erklärung, es sich
ausdrücklich vorbehalten hat, sich der Kalmücken
in dieser Hinsicht anzunehmen.
Die mühselige und im ganzen gar wenig
fruchtende Steppen-Reise zu den Fürsten von
fünf Horden dauerte fast ein viertel Jahr und
betrug ungefähr 186 deutsche Meilen. – Vier
Tage vor ihrer Rückkunft mußten sie hören, daß
ihr Sarepta vor 8 Tagen großentheils abgebrannt
sey, und fanden zwey Drittel davon, und darun-
ter auch das Brüderhaus in öde Brandstellen mit
noch rauchenden Schutthaufen verwandelt.
Die bey ihrer Sendung beabsichtigte Verthei-
lung der Schriften fand meistens mißtrauische
Bedenklichkeiten, oder doch Verzögerung u. dergl.
In einer Horde z.B. mußten sie über einen
Monat unthätig verweilen, ohne mehr als zwey
Bücher an den Mann bringen zu können. Doch
gelang es ihnen in ein Paar andern erwünsch-
ter. – Die Einwendungen waren mancherley
Art. Z.B. warum doch die Brüder erst jetzt
damit kämen und ihre Vorfahren das nicht längst
gethan hätten? (gerade was die Grönländer dem
würdigen Hans Egede zum Vorwurf machten).
Ihr, der Kalmücken, Lehrbegriff (ihr Nomm)
und Gebet genüge ihnen vollkommen u.s.w. –
Am schmerzlichsten war es den Brüdern, wenn
auch Christen (Armenier in der Torgudischen Hor-
de) sagten: wir brauchen keine solche Bücher,
das Geld ist unsere Bibel! – Da der Name
Nemesch (ein Deutscher) in der Idee der Kal-
[Seite 806] mücken gleichbedeutend mit dem eines Arztes ist,
so schienen viele zu glauben, jeder Deutsche müsse
ein Arzt seyn, und so kam ihrer eine Unzahl um
Arzneyen zu kaufen, was aber die Brüder bloß
auf die von ihnen schon erprobten Fälle beschränk-
ten. Einer der Fürsten verlangte ein Mittel
wider das Ausfallen der Haare, und die Fürstin
eins wider die Sommersprossen. – Einer fürst-
lichen Familie empfahl sich der Verf. besonders
durch Reparatur eines zerbrochenen Kaleidoskops.
– In manchen Steppenstrichen litten die Rei-
senden mächtig von Flöhen und Wanzen; in an-
dern ausschließlich von Läusen. Allen aber wird
von den Kalmücken (so wie von manchen Kasten
der Hindu) das Leben geschenkt. – Schwärme
der furchtbar verheerenden Zugheuschrecken, deren
Heere kaum zwey Ellen über der Erde herzogen,
und bey einer Breite von mehr als einer Werste
über eine Stunde lang dauerten. Eben so man-
ches merkwürdige über die giftige, den Menschen,
zumal aber den Kameelen gefährliche große Erd-
spinne, u. dergl. mehr.