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Göttingische
gelehrte Anzeigen.
Unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band
auf das Jahr 1833.

Göttingen,
gedruckt bey Friedrich Ernst Huth.

Göttingen.

[Seite 1761]

Die vom Herrn Ober-Med. R. Blumen-
bach
in der Sitzung der Königl. Societät am
3. August gehaltene Vorlesung enthielt ein Spi-
cilegium observatorium de generis hu-
mani varietate nativa,
ein Gegenstand,
welchen der Verf. seit seiner vor fast sechzig
Jahren unter diesem Titel erschienenen Inaugu-
ralschrift, immer mit Vorliebe zu bearbeiten ge-
sucht hat.

Hier nur einiges zur National-Characteristik
der drey Hauptraßen unter den fünfen,
worein er das Menschengeschlecht am naturge-
mäßesten einzutheilen glaubt. Also I. von der
Caucasischen Stamm- oder Mittel-Raße,
und deren beiden Extremen, nämlich II. der
äthiopischen, und III. der mongolischen.

Zur I. Raße, hier nur Ein Schedel, dieser
aber gerade vom größten Interesse: ein alter
Hippocratischer Macrocephalus vom schwarzen
Meere, ganz so wie ihn der Vater der Heil-
kunde in seinem güldenen Büchlein von Luft,
[Seite 1762] Gewässer und Clima schildert. Herr Bl. ver-
dankt dieses Kleinod für seine reiche Sammlung
von Nationalschedeln der Güte des trefflichen,
weitgereisten Augsburger Arztes Hn. Dr. Ste-
phan
, welcher eben zur Zeit als die russische
Regierung die uralten Grabhügel der bospori-
schen Könige auf den Wasserscheiden der Step-
penberge in der Nähe von Kertsch (dem Panti-
capaeum
der Alten) aufgraben ließ, sich da-
selbst befand und den gedachten Schedel erhielt.
Und dieser war den übrigen daselbst gefundenen
vollkommen gleichförmig; wegen des hohen
Alters der Grabstätte sehr mürbe und brüchig
(so wie die früher der Königl. Soc. vorgelegten
und in ihren Commentationen beschriebenen Sche-
del von alten Hellenen, Germanen, Cimbern,
Tschuden u.a.m.).

Das auffallend Characteristische des Taurischen
von welchem hier die Rede ist,
zeigt sich in einer hohen, doch wenig gewölbten
Stirne, dagegen aber ganz auffallend hohen –
recht macrocephalischen – Scheitelbeinen. Die
Pfeilnaht (so wie die andern beiden echten Su-
turen des Hinterkopfes) ganz verwachsen.

II. Zur äthiopischen Raße, die freylich auf den
ersten Blick mit den übrigen so auffallend con-
trastiert, daß man den Ausspruch des Naturfor-
schers Plinius begreiflich findet: quisAe-
thiopas, antequam cerneret, credidit
?

Fast zu gleicher Zeit mit jenem alten Lang-
kopf erhielt Herr Bl. von seinem vormahligen
theuern Zuhörer, dem Herrn Hofmed. Kauf-
mann
zu Hannover, ebenfalls einen ihm gar
wichtigen Beytrag zu seiner Sammlung, obgleich
ganz anderer Art: den frischen, netten Kopf ei-
nes plötzlich verstorbenen fünfzehnjährigen Neger-
knabens aus Congo, der als wohlgebildetes Ideal
[Seite 1764] dieser Menschenraße gelten kann, und dem Ver-
fasser der Vorlesung Anlaß zu einer critischen
Revision so mancher großentheils grundlosen Be-
hauptungen von körperlichen Eigenheiten der Ne-
ger gab, die er durch Vorzeigung von Präpara-
ten widerlegte. Unter diesen auch Embryonen,
und dieß gab ihm Gelegenheit auch einiges

von der III. Haupt-Raße, der mongolischen,
zu sagen.

Nicht von dem Character ihrer Schedel, deren
Herr Bl. besonders durch die Güte des uns un-
vergeßlichen Baron von Asch eine lehrreiche Fol-
ge besitzt, sondern jetzt nur zum Contrast mit je-
nen ungebornen Negern einen dreymonatlichen
weiblichen Calmücken-Fötus mit der so sprechen-
den National-Physiognomie, namentlich in der
so auffallend schrägen Richtung der Augenlieder-
spalte nach der Nasenwurzel zu.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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