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Abbildungen
naturhistorischer Gegenstände

9tes Heft.
Nro 81–90.

Göttingen
bey Heinrich Dieterich
1809
.

[[2]]

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81.
HYSTRIX CRISTATA.
Das gemeine Stachelschwein.

[[4]]
Textabbildungxxx
Figure 1. 81. Hystrix cristata.
[[5]]

So bekannt dieses Thier ist, so neu und merk-
würdig waren mir ein Paar ungebohrne Leibes-
früchte desselben, womit unter einer Menge
andrer Südafricanischer Naturseltenheiten der
würdige Herr Pastor Hesse, in der Cap-
stadt*), meine Sammlung bereichert hat.

Sie sind ohngefähr noch halb so lang und
dick als hier in der Abbildung, die das wun-
dersame an dem kleinen Geschöpf so deutlich
zeigt, dass es wenig Erläuterung bedarf. Auf
dem Rücken und den Lenden bildet die Haut
grosse, breite und so regelmässig geordnete
schuppenförmige Falten, dass sie last den Gür-
teln eines jungen Armadills ähneln. Der übrige
Körper ist mit zahllosen kleinen Schuppen be-
[[6]] deckt unter deren bogenförmigen Rändern die
zarten Keime der künftigen Borsten und Sta-
cheln hervorsprossen; so wie aus dem obern
Rande jener grossen, die zu den dicken Rücken-
stacheln nach der Länge in Reihen geordnet
herausragen. Auch der Nacken ist mit starken
solchen borstigen Keimen besetzt.

Hinter der Schulter sitzen auf jeder Seite
ein Paar eigne Papillen die wohl ohne Zwei-
fel die Zitzen sind, deren Stelle ich in keiner
Beschreibung dieses Thiergeschlechts angegeben
finde, und wovon sich am übrigen Körper
keine andere Spur zeigt.

Die Nebenfigur stellt in natürlicher Grösse
eine der räthselhaften hohlen und offnen Kiele
vor, deren ohngefähr ein Dutzend über dem
Schwanze sitzen. Hier diesen, der, wie
sich von selbst versteht von einem völlig er-
wachsnen Stachelschweine ist, verdanke ich so
wie viele andre Africanische Merkwürdigkeiten
der Freundschaft des verdienten Herrn Dr.
Lichtenstein.


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82.
MYRMECOPHAGA IVBATA.
Der grosse Ameisenbär oder Tamandua
mit dem Büschelschweif.

[[8]]
Textabbildungxxx
Figure 2. 82. Myrmecophaga jubata.
[[9]]

Das trefflich erhaltne Fell des sonderbaren
Thiers wornach diese Zeichnung grösstentheils
gemacht worden, ist wie so vieles andre lehr-
reiche in meiner Sammlung, Geschenk meines
Freundes des Hrn. Dr. Albers in Bremen.
Es misst bis zum Ende des Schweifs 7 Fuss
4 Zoll, ähnelt am Leibe dem von einem zotti-
gen Bären, nur fühlen sich die Haare auffal-
lend trocken an, fast wie dürre Binsen; und
sind durchgehends platt: vor allen die mehr
als Spannenlangen im Schweif. Ihre Farbe
braunschwarz, an den hellern Stellen mehr
lichtbraun und die einzelnen Haare fast wie
an den Stachelschweinsstacheln mit weiss ab-
[[10]] wechselnd. Am Leibe ist das vollwüchsige
Thier so gross als ein Fleischerhund und hält
dann wohl einen Centner am Gewicht; lebt
doch in der Wildnis einzig von den Ameisen,
mit deren zahllosen Haufen aber freylich in
Südamerica oft ganze Strecken bedeckt sind.
Jung eingefangen werden die Tamanduas bald
zahm. Der vormalige Gouverneur des damals
Holländischen Theils von Brasilien, Moriz von
Nassau, hielt welche in seinem Garten, die
Ameisen zu vertreiben. Einer den man 1776
von Buenos Ayres nach Madrid brachte, ward
hauptsächlich mit klein geschnittnem Fleisch
gefüttert. Er ist äusserst träge und tritt mit
den einwärts gekehrten Vorderfüssen nicht auf
die Klauen sondern auf die äussern Ballen.


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83.
TATV NOVEMCINCTVS.
Das Armadill mit 9 Rückengürteln.

[[12]]
Textabbildungxxx
Figure 3. 83. Tatu novemcinctus.
[[13]]

Nach Watson’s trefflicher Abbildung (in den
Philos. Transact. vol. LIV.), aber durchgehends
berichtigt nach einem ausgestopften Exemplar
im academischen Museum, und verglichen mit
einem den ich in London lebendig gesehn.
Dieser war von der Mosquitoküste, am Leibe
wohl wie ein erwachsnes Caninchen; ein gar
harmloses Geschöpf, das mit rohem magern
Rindfleisch und Milch gefüttert ward; im wil-
den Zustand hingegen säuft es so wie manche
andre warmblütige Thiere gar nicht, und
nährt sich von Würmern und Insecten. Das
ganze Geschlecht der Armadille ist in Südame-
rica bis zur Magellanischen Strasse verbreitet
und wegen des schmackhaften Fleisches gesucht.

[[14]]

In fugam vacui darf ich wohl einer
sublimen Idee des ehrlichen Visionärs Athan.
Kircher’s von der Abstammung dieser Thiere
gedenken. Um für all die Thiere in Noah’s
Arche, die ihn sehr beschäftigt hat, Raum
zu gewinnen, meinte er, dass gar viele Gat-
tungen oder gar Geschlechter derselben, erst
nach der Sündfluth durch Bastardzeugung
entstanden seyn möchten. So z.B. das Mur-
melthier aus Vermischung des Eichhörnchens
mit dem Dachse; und die Armadille aus Paa-
rung des Igels mit – den Schildkröten.


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84.
PHYSETER MACROCEPHALVS.
Der Caschelot, Pottfisch.

[[16]]
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Figure 4. 84. Physeter macrocephalus.
[[17]]

Eins der ungeheuersten Cetaceen, das dem ge-
meinen sogenannten Grönländischen Wallfisch
an Grösse wenig nachgiebt. Dabey furchtbar
wild, so dass selbst der Tiger des Oceans, der
Carcharias vor ihm flieht; aber wichtig wegen
des Wallraths, daher ein grosser wohl seine
6000 Thaler werth seyn kann. Hier diese Ab-
bildung ist von dem meisterhaften grossen aber
seltnen Blatte genommen, worauf der vortreff-
liche Künstler J. Saenredam den 60 Fuss lan-
gen Pottfisch der im Dec. 1601 am Ufer von
Beverwyk gestrandet war, nach dem Leben
vorgestellt hat.

[[18]]

Den ganz wundersam anomalisch gestal-
teten 14 Fuss langen Schädel eines andern der
56 Fuss gemessen, habe ich in der Kirche zu
Schevelingen beym Haag gesehen; so wie das
ganze prodigose Skelet eines gegen 70 Fuss
langen in dem mit einer Last der heterogen-
sten aber zum Theil ausnehmend merkwürdigen
Dinge gefüllten Rackstrow’s Museum in Lon-
don. – Unter andern ist mir an diesen colos-
salen Stücken die winzig kleine Hirnschalenhöle
aufgefallen, worin diesem Thiere in Vergleich
zur Grösse des ganzen Körpers wohl kein andres
warmblütiges gleich kommt.

Dass die Nebenfigur den bey diesem Ge-
schlechte von Cetaceen allein bezahnten schma-
len Unterkiefer von oben vorstellt, bedarf
kaum einer Erwähnung.


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85.
VVLTVR BARBATVS.
Der Lämmergeyer, Bartgeyer.

[[20]]
Textabbildungxxx
Figure 5. 85. Vultur barbatus.
[[21]]

Dieser grösste Raubvogel der alten Welt (wo
er zumal in alpinischen Gegenden aller drey
Welttheile hausst) wird von manchen Systema-
tikern unter die Geyer, von andern wesen sei-
nes befiederten Kopfs unter die Adler gesetzt.
Der neuste und beste Naturbeschreiber dessel-
ben, Hr. Pfarrer Steinmüller (im 18ten Bde.
der Alpina) macht ein eignes Geschlecht daraus
und nennt ihn Gypaetus barbatus.

Einen Hauptcharacter macht ausser dem
Barte, der gewölbte Rücken an dem Haken-
förmigen gefurchten Vorderende des Oberschna-
bels. Dieser Geyer wird 4 F. 4 Z. lang, klaf-
tert dann 9 F., wiegt 12 Pfund, und soll im
Stande seyn Thiere von 1/4 Centner fortzutragen.

[[22]]

Sein Nest baut er auf Felsen, aus Knüt-
teln und Reissholz, futtert es mit Heu und
Moos, und macht die innerste Grundlage für
seine 2–3 weiss und braun gefleckte Eyer
(die etwas grösser sind als die einer Gans) von
Flaumen. Seinen bekanntsten deutschen Na-
men hat er von dem Schaden den er zumal an
den auf den Alpen geworfnen Ziegenlämmern
anrichtet. Dass er wohl ehr auch Kinder weg-
getragen, ist eine gemeine Sage; doch habe
ich bey aller Nachfrage während meines
Aufenthalts in der Schweiz kein sichres Factum
dafür erfahren.

Die trefflichen Abbildungen verdanke ich
der Gefälligkeit eines vorzüglichen Ornitholo-
gen und meisterhaften Zeichners, Hrn. Em.
Wyss
in Bern.


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86.
TANTALVS IBIS.

[[24]]
Textabbildungxxx
Figure 6. 86. Tantalus ibis.
[[25]]

Die erste näher bestimmte naturhistorische
Kenntniss dieses berühmten Thiers verdanken
wir dem um Länder- und Völkerkunde sehr
verdienten, wenn gleich in seiner weitschich-
tigen Reise nach den Quellen des Nils nicht
durchgehends zuverlässigen Jac. Bruce.

Herr Prof. Cuvier hat es in seinen neuen
trefflichen Untersuchungen darüber vom Tan-
talus Geschlecht getrennt und nennt es Nume-
nius ibis.

Herr Savigny in seiner gelehrten Histoire
naturelle et mythologique de l’Ibis
(Par. 1805. 8.)
widerlegt die sonstige Meinung als ob dieser
Vogel Schlangen verzehre und deshalb von den
alten Aegyptiern so heilig verehrt worden,
[[26]] und deutet diesen Cultus bloss auf ein Symbol
der Ueberschwemmung des Nils, deren Eintritt,
Steigen und Abnahme gerade mit der Ankunft,
Vermehrung und Rückzug dieses Vogels gleich-
zeitig ist.

Die Abbildung desselben ist nach der Na-
tur von einem den ich durch die Güte des
Hm. Pastor Hesse vom Vorgebirge der guten
Hoffnung erhalten habe.

Die Nebenfiguren stellen eine ausnehmend
gut erhaltne altägyptische Ibismumie in meiner
Sammlung mit der rothen irdnen Deckelvase
vor, aus welcher ich sie genommen habe.
Ein gütiges Geschenk des verdienstvollen Herrn
Geoffroy Chevalier de Saint-Hilaire.


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87.
LACERTA SCINCVS.
Vulgo der kleine Landcrocodill.

[[28]]
Textabbildungxxx
Figure 7. 87. Lacerta scincus.
[[29]]

Diese hier in natürlicher Grösse abgebildete
Eidechse ist in der Levante seit langer Zeit im
Ruf eines kräftigen Stärkungsmittels besondrer
Art, und weiland auch im Abendlande dafür
berühmt gewesen. Selbst noch vor wenigen
Jahren brachte mir ein angesehner Handelsjude
eine dergleichen die ihm von einem Glaubens-
genossen aus Marseille unter dem Namen von
Fischchen von Jerusalem mit dem Anerbieten
eines Vorraths auf Speculation zugeschickt
worden war. Auch bey den Arabern wurden
die Skinke Fischchen genannt. (– s.z.B. den
Sherif-al-Edrisi S. 117. in der Maroniten ihrer
Uebers. –)

[[30]]

Die Weise wie zum vermeynten medici-
nischen Zweck, zumal die Männchen zur
Paarungszeit gefangen, ausgeweidet, gesalzen
und getrocknet werden, beschreibt so wie die
Art des Gebrauchs, der reichhaltige Abdollatiph
ausführlich (– S. 77. der Oxforder Ausg. denn
die deutsche Uebers. ist an dieser Stelle gar
seltsam verfehlt –).

Die Nebenfigur stellt das Schwanzende
eines Skinks in meiner Sammlung vor, das
gerade in Reproduction gestanden hat. Eine
freylich nicht unerwartete Bestätigung der schon
von Bruce gemachten Bemerkung (– Reise
V. Bd. S. 198 u.f. –)


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88.
MANTIS PRECARIA.
Eine Art von wandelndem Blatt oder
Gottesanbetherinn.

[[32]]
Textabbildungxxx
Figure 8. 88. Mantis precaria.
[[33]]

Dass die Flügel bey den mehrsten Gattungen
dieses Geschlechts an Form und Farbe man-
chen Baumblättern auf den ersten Blick theils
zum täuschen ähneln, hat den Einen dieser
Nahmen veranlasst, so wie die andern daher
stammen, dass man bey diesen Thieren wenn
sie in der Ruhe den Kopf und die sonderbar
langgestreckte Brust aufrichten und die noch
sonderbarer gebauten Vorderbeine zusammen-
legen, gleichsam eine bethende Stellung zu
finden gemeint hat. Auch der langsame gleich-
sam feyerliche Gang des Geschöpfs kann solche
abentheurliche Sagen bestärkt haben. Kurz
das Volk beyder Welten in deren wärmern
[[34]] Zonen dieses Thiergeschlecht einheimisch ist,
treibt seinen Aberglauben damit. Der Türki-
sche Pöbel wähnt gar das Thier sitze dann
immer mit den gefaltnen Händen gen Mecca
gekehrt. Mein Exemplar der hier abgebildeten
Gattung habe ich von Cap erhalten; wo sie
auch von den Hottentotten heilig geehrt wird.

Dass Stubenfliegen denen man während
der Paarung den Kopf abgeschnitten, jenes Ge-
schäfte doch ohne sich irren zu lassen beendigt
haben, ist schon von Boyle bemerkt. Stär-
ker noch ist Poiret’s Beobachtung an einem
Paar zusammengesperrter Manten. Das hungrige
Weibchen fiel seinen Gatten an und fras ihm
den Kopf ab: und dem ohngeachtet begann
dieser nun erst seine Liebkosungen, Umar-
mungen etc. die hierauf die volle Paarung zur
Folge hatten.


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89.
TEREDO NAVALIS.
Der Pfahlwurm, Schiffwurm.

[[36]]
Textabbildungxxx
Figure 9. 89. Teredo navalis.
[[37]]

Dieses den Schiffen und hölzernen Seedäm-
men so gefahrvolle Thier ist ursprünglich in
beiden Indien zu Hause, und von da durch
die Seefahrten nach Europa verpflanzt worden,
wo es bekanntlich in den ersten 30ger Jahren
des vorigen Seculi, durch seine unsägliche Ver-
mehrung in den Holländischen Dämmen schreck-
liche Verwüstungen anrichtete, die ganzen Pro-
vinzen den Untergang drohten. Ich habe ein
Stück Eichenholz aus jener Zeit in meiner
Sammlung, wo diese Thiere nach allen Rich-
tungen aber so Gang an Gang gebohrt, dass
die Scheidewände dazwischen theils kaum die
[[38]] Dicke eines Kartenblatts haben. Die furcht-
bare Unzahl derselben ward zuerst im Sept.
1730 nach einem Sturm am Westkappeler Damm
an der Zeelandischen Insel Walcheren bemerkt;
selbst nachher an neuen frischen Pfählen die
noch keine 8 Wochen eingerammt gewesen.

Das Thier erreicht wohl Fusslänge. Sein
dickres Ende, der sogenannte Fuss ist mit
zwey bogenförmigen Muschelschalen umfasst,
mittelst deren es raspelt, am dünnen das unter
Wasser meist aus dem Holze herausragt liegen
zwey weit kleinere Schaufelförmige Schalen
neben den beiden ungleichen Canälen, der
Luft- und Darmröhre.

Die Schalen selbst sind in den Nebenfigu-
ren vergrössert vorgestellt.


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90.
PENNATVLA PHOSPHOREA.
Die rothe Seefeder.

[[40]]
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Figure 10. 90. Pennatula phosphorea.
[[41]]

In natürlicher Grösse; blasscarmoisinroth;
die Substanz gleichsam knorpelartig oder wie
die der Seesterne. Die gefiederten Seitenarme
stehen alternirend gegen einander, und sind
am obern Rande wie mit kleinen Kelchen be-
setzt, deren jeder im lebendigen Zustand von
einem kleinen Polypen bewohnt wird. Also
fast wie bey den Corallen nur dass bey den
Seefedern der Stamm selbst locomotiv ist, im
Ocean langsam umherschwimmt. Am untern
Ende des Kiels befindet sich eine Oeffnung
wodurch dieses animal compositum Wasser ein-
zieht und ausspritzt.

[[42]]

Das lebhafte Licht womit die lebendigen
Seefedern in ihrem Elemente phosphoresciren,
scheint, allein oder doch hauptsächlich von
den hunderten von Polypen die ihnen ange-
hören, herzurühren.

Meine Exemplare sind aus dem Nördlichen
Atlantischen Ocean. Aber die gleiche Gattung
findet sich auch im mitländischen und den
südlichen Weltmeeren.


Notes
*).
[[5]]

S. Voigt’s neues Magazin IV. B. S. 671.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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