Göttingen den 30. May 1798.
Ich theile hier die fernern Nachrichten von Park’s Ent-
deckungs-Reise ins innere Afrika, als Fortsetzung zum Junius-
Hefte S. 700 f. mit.
Von Deena kam Park nach Sampaka, einer andern an-
sehnlichen Stadt, die sonst dem Könige von Bambara gehört
hatte, jetzt aber nebst mehr andern bis zur Gränzstadt Goom-
ba den Mauren abgetreten war. In Sampaka wohnte er bey
einem Neger, der Schiesspulver verfertigte. Den Schwefel
dazu kaufte er von den Mauren, den Salpeter aber holte er
aus benachbarten Sümpfen, die in der Regenzeit voll Wasser
stehen und dem Vieh zur Zuflucht in der schwülen Tages-
hitze dienen. So wie das Wasser nachher verdunstet, so zeigt
sich der Salpeter als ein krystallinischer Beschlag auf dem Bo-
den, der dann sorgfältig abgeschabt wird.
Park war von da, unter mancherley Ungemach von
Hitze, Wassermangel, und den schmähligen Misshandlungen
der Mauren in den Flecken und Dörfern, durch welche er
kam, endlich in Sami angelangt, das nur noch zwey Tage-
[Seite 67] Reisen von der Gränze von Bambara entlegen ist, und wei-
dete sich schon an der frohen Aussicht, nun dort bald die bis-
herigen Gefahren überstanden zu haben. Eben ruhte er wäh-
rend der brennenden Hitze in der Hütte eines gastfreundlichen
Negers, als er plötzlich durch die Ankunft zweyer Mauren
aufgeschreckt ward, die ihm andeuteten, dass sie auf Ali’s Be-
fehl kämen, ihn nach dessen Lager bey Benowm zu bringen. –
Hier half kein Sträuben, denn die beyden Boten hatten be-
waffnete Begleiter bey sich, und P. hingegen niemanden als
seinen treuen Neger Knaben, den er von Pisania mitgenom-
men hatte. Der Neger, den ihm sein Wirth zu Jarra mitge-
geben hatte, war bey Ankunft der Mauren entflohen, und
der Sclave, den ihm Ali dahin entgegen geschickt, hatte sich auch
schon unterwegs entfernt.
Nach einer äusserst mühseeligen fünftägigen Reise kamen
sie den 12. März im Lager zu Benowm an, das aus einer Men-
ge unordentlich zerstreuter Zelte bestand, zwischen welchen
die Heerden von Kameelen, Rindvieh und Ziegen weideten.
Kaum war’s da ruchtbar geworden, dass ein Blanker gebracht
würde, so kamen auch von allen Enden her Männer, Wei-
ber und Kinder zu Ross und zu Fuss herbey geronnen. Alles
drängte sich an ihn und er ward endlich vor den König ge-
führt, der von Weibern umgeben in seinem Zelte sass und
sich vor dem Spiegel Haare aus der Oberlippe rupfte. Er
schien ein alter Mann Arabischer Abkunft zu seyn, mit einem
langen weissen Bart und saurem verachtenden Blick. Er sah
P. scharf an, fragte die Mauren, ob er Arabisch spräche, schien
sehr überrascht, da diese mit nein antworteten und schwieg.
Um desto neugieriger und fragseliger waren hingegen die um
ihn befindlichen Personen, zumahl die Frauenzimmer. Sie
untersuchten jedes Stück seines Anzugs, durchsuchten seine
Taschen, liessen ihn seine Weste aufknöpfen, um seine weisse
Haut zu besehen, und zählten sogar seine Finger und Fuss-
zähen. Endlich ward er von da vor das Zelt von Ali’s Leib-
Sclaven geführt, wo er die erste Nacht hausen und auf einer
Matte im Sande zubringen musste, bis eine Hütte für ihn
[Seite 68] errichtet war, worein er gebracht und scharf bewacht wurde.
Hier hörte er eines Morgens Trommeln und Freudengeschrey,
das, wie er erfuhr, durch eine Hochzeit veranlasst ward,
die in einem benachbarten Zelte gefeyert wurde. Kurz dar-
auf kam ein altes Weib in seine Hütte mit einer Schaale in
der Hand, die, wie sie sagte, ein Geschenk von der Braut an
ihn enthielt, das sie ihm auch sogleich ins Gesicht goss. Es
war allerdings von der Braut selbst, eine Art von hochzeitli-
cher Benetzung, derjenigen ähnlich, die auch unter den Hot-
tentotten (nur mit einiger – zumahl subjectiver – Verschie-
denheit) Sitte ist, und die hier von den jungen unverheira-
theten Mauren als eine auszeichnende Gunstbezeugung aufge-
nommen wird. Ueberhaupt schienen die Maurischen Frauen-
zimmer seine Lage zu bemitleiden, die auch in der That über
alle Beschreibung elend und drückend war. Seine ganze Nah-
rung bestand aus Kuschkusch, einem Gerichte von gekoch-
tem Korn, wovon ihm täglich einmahl eine Portion gereicht
ward. Nicht ein frisches Hemd ward ihm aus seinem Man-
telsacke erlaubt. Zugleich lag er am Fieber krank, und musste
sich bey allem dem aufs geduldigste alle grobe Misshandlun-
gen einer barbarischen Menschenrace gefallen lassen, die er
als die rohesten Wilden auf dem weiten Erdboden beschreibt.
So traurig inzwischen auch diese seine damahlige Lage
war, so blieb sie doch für den Zweck seiner Sendung von
der Association nicht fruchtlos. Er mochte einen Monat lang
in Benowm gefangen gelegen haben, als ein Scherif mit Salz
und andern Waaren von Walet, der Hauptstadt des König-
reichs Beeroo anlangte, der sich in Ermangelung eines eig-
nen Zeltes in Park’s Hütte einquartirte. Das schien ein sehr
unterrichteter Mann, der sowol Arabisch, als Bambarisch
(eine Art von verdorbener Mandingo-Sprache) verstand,
in Houssa gewesen war, und einige Jahre in Tombuctoo ge-
lebt hatte. Jenes sey die grösste Stadt, die er je gesehen. Auch
Walet sey grösser, als Tombuctoo, aber wenig besucht, da
es fern vom Niger abliege und bloss mit Salz Handel treibe.
Von Benowm nach Walet seyn zehn Tagreisen, und von da
[Seite 69] nach Tombuctoo noch eilf. In Tombuctoo seyen viele Juden,
die alle Arabisch sprächen, auch sich der nämlichen Gebete
bedienten, wie die Mauren. – Zu Park’s Aeusserung, dass
er selbst dahin zu reisen wünsche, schüttelte er sehr den
Kopf mit dem Bedeuten, dass Christen dort durchaus für Teu-
felskinder und Erbfeinde des Propheten angesehen wür-
den etc.
Bald hernach erschien ein andrer Scherif mit fünf La-
dungen Salz, und dieser kam von Santa-Cruz in Marocko!
Er hatte sich vor Zeiten in Gibraltar aufgehalten, und so viel
Englisch aufgefasst, dass er sich damit verständlich machen
konnte. Der theilte ihm die Marschroute von Marocko bis
Benowm mit, die zusammen funfzig Tagereisen beträgt.
Beyläufig erfuhr auch P. von den Negern, die in Ali’s
Lager waren, nähere Umstände von des Majors Houghton
Tode. Er starb zu Tarra, keine zwey Tagereisen von Jarra
nördlich, nachdem er einige Tage ohne alle Nahrung unter
den verrätherischen Mauren geschmachtet hatte, die ihn ent-
weder vollends haben verhungern lassen oder erschlagen ha-
ben. – Man denke sich den Eindruck, den es auf P. machen
musste, da ihm die Gegend im Holze von ferne gewiesen
ward, wo die Gebeine dieses seines unglücklichen Vorgän-
gers liegen. Hierzu kam der unaussprechliche Jammer, den
er erleben musste, dass ihm sein treuer Negerknabe, der ihm
von Pisania gefolgt war, von dem hartherzigen Ali (– der
nun bey Gelegenheit des schon im Jun. Stück S. 702 erwähn-
ten Kriegs zwischen den benachbarten Neger-Königen von
Kaarta und Bambara, mit seinem Lager nach Jaara aufbrach –)
entrissen ward, um als Sclave verkauft zu werden; und end-
lich, dass ihm von Ali’s Sohne, einem Kinde von 10 Jahren,
das aber doch so etwas von Zuneigung zu ihm gefasst hatte,
gesteckt ward, dass es im Werke sey, ihn selblt entweder um-
zubringen, oder ihm die Augen auszustechen. Diess alles be-
stimmte ihn zur Flucht. Den Tod in der Wüste zu finden,
seys durch Hunger oder von reissenden Thieren, schien ihm
[Seite 70] ohne Vergleich minder schrecklich, als solch ein Leben unter
solchen Unmenschen.
Die ausführliche Erzählung der Umstände, wie er dieses
grosse Wagstück würklich ausführte, bleibt für seine eigne
Reisebeschreibung verspart. Genug er entkam Freytags
den 1. Jul. 96 in aller Frühe, und zwar mit seinem Gaule und
Sattel und Zeug, einigen Kleidungsstücken und seinem Ta-
schen-Compass, den er weislich immer im Sande verscharrt
gehalten hatte. Er nahm seinen Weg nach Ost-Süd-Ost. –
Aber kaum war der erste Freudentaumel vorüber, so fühlte
er sich auch bald in der Lage eines Schiffbrüchigen, der an
einer öden Klippe gestrandet ist. Ein Europäer, mutterseelen
allein im Herzen der Afrikanischen Wildnisse, sich selbst
überlassen!
Schon am ersten Tage seiner Flucht fürchtete er zu ver-
schmachten. Wo er einen Baum ansichtig ward, bestieg er
ihn in der Hoffnung, von der Ferne Wasser zu entdecken.
Aber umsonst. Er kauete Baumblätter, aber sie schmeckten
bitter und löschten den brennenden Durst nicht. – Endlich
fiel zu seinem Glück um Mitternacht ein starker erquickender
Regen. Er breitete seine Kleider auf den Boden, um sie,
wenn sie recht durchnässt wären, auszusaugen. Ein kleiner
Pfuhl, den er bald nachher traf, diente seinem Pferde zur
Tränke. Aber nun fand er auch den folgenden Tag weder ei-
nen Tropfen zu trinken, noch irgend etwas zu essen, und er
hätte unvermeidlich umkommen müssen, wenn er nicht noch
gegen Abend auf ein Paar zerstreute Hütten einiger Foulah-
Schäfer gestossen wäre. Er reichte einer bejahrten Negerinn
sein Schnupftuch mit der Bitte, ihm dagegen etwas zu essen
zu geben. Gleich führte sie ihn in ihre Hütte und brachte
ihm eine grosse hölzerne Schüssel voll Kuschkusch, das schon
zubereitet war, und auch Wasser und Korn für sein Pferd.
Zum Unglück aber gehörte das Dorf den Mauren, so dass P.
nicht wagen durfte, lange da zu weilen. Doch ward er im
Ganzen immer mehr geborgen, je mehr er sich den Neger-
Gebieten näherte.
Endlich am 16ten Morgen nach seiner Flucht aus Jarra,
da sich eben einige Mandingo-Neger zu ihm gesellt hatten,
erblickten seine Augen das grosse sehnlich gewünschte Ziel
seines ganzen Unternehmens – den Niger! Im vollen Glanz
der Morgen-Sonne, so breit als die Themse bey London,
floss er sanft aber majestätisch von Westen nach Osten mitten
durch Sego, die Hauptstadt des grossen Königreichs Bamba-
ra. – Die Neger nennen diesen berühmten Fluss, dessen
Lauf Park einige hundert Englische Meilen weit verfolgt
hat –, Joliba d.h. das grosse Wasser, die Mauren aber
Nil il Abeed, den Sclaven-Fluss.
Sego ist in vier Quartiere eingetheilt, deren jedes mit ei-
ner Leim-Mauer umgeben ist. Die Häuser sind von Thon
gebaut, mit flachem Dach. Einige haben zwey Stockwerke,
und viele sind übertüncht. In jedem Quartier sind auch Mau-
rische Moscheen. Diess alles gibt, nebst der grossen Volks-
menge, die sich auf dreyssig tausend Einwohner erstreckt,
den vielen Booten auf dem Flusse, und dem Anbau der um-
liegenden Gegend, im Ganzen ein Ansehn von Cultur und
Grösse, das unsern Reisenden in diesem fernen Theile des in-
nern Afrika auffallend überraschen musste. Die Boote auf
dem Niger bestehen aus zwey ausgehölten Baumstämmen,
die nicht neben einander, sondern der Länge nach an einander
gefügt, folglich sehr lang, aber schmahl sind. Sie haben we-
der Verdeck noch Masten, doch sind sie geräumig genug; denn
P. sah in einem derselben vier Pferde und eine Menge Men-
schen.
Sobald dem Könige, der im grössten Quartier der Stadt
seine Residenz hatte, gemeldet worden war, dass ein Blanker
angekommen sey, sandte dieser gleich einen Boten zu ihm mit
der Anfrage, was ihn nach Sego führe und was er suche?
Park erklärte demselben den Zweck seiner Reise so gut als
möglich, sagte ihm, dass er nun auf dem Wege nach Jenné’
aber aller seiner Habseligkeiten beraubt sey, daher er sich der
Güte und dem Schutze des Königs empfehle. Der Bote wies
ihn darauf nach einem abgelegenen Dorfe, wo er weitre Be-
[Seite 72] fehle von seinem Herrn zu erwarten habe. Allein kein Ein-
wohner dieses Dorfs getraute sich, ihn aufzunehmen. Und
da indess ein Gewitter mit Sturm und Regen einbrach, so
sattelte er sein Pferd ab und flüchtete unter einen Baum. End-
lich da die Nacht herankam, erbarmte sich eine alte Negerinn
seiner, die eben des Wegs vom Felde kam, nahm seinen
Sattel und Zaum und lud ihn in ihre Hütte ein.
Die gastfreundliche Art, wie er da bewirthet ward, ist
zu characteristisch, als dass sie nicht auch hier eine Stelle ver-
diente. – Die gute Mutter bereitete dem Fremdling ein
treffliches Gericht Fische, und reichte auch seinem Pferde
Futter die Fülle. Dann deckte sie eine Matte auf den Boden
zum Nachtlager für ihn, und rief nachher ihre weiblichen
Hausgenossen zusammen, nun noch tief in die Nacht hinein
Baumwolle zu spinnen. Sie sangen dazu, und eins ihrer Lie-
der war ein Inpromptu auf den fremden Gast, in einer aus-
nehmend sanften klagenden Melodie, der folgender wörtlich
übersetzte Text untergelegt war:
‘„Es heulten die Winde, es strömte der Regen; da kam
der arme Blanke gar müde und matt und setzte sich unter
unsern Baum.”’
‘„Er hat keine Mutter, die ihm Milch brächte, kein
Weib, das ihm sein Korn stampfte.”’
Chorus: – ‘„Drum lasst uns des Blanken erbarmen. –
Keine Mutter hat er u.s.w.’