Beschluss der fernern Nachrichten von Park’s Reisen
nach dem Innern von Afrika.
Göttingen den 5. Jul. 1798.
Zwey Tage musste Park in dem Dorfe bey Sego auf Bescheid
vom Könige von Bambara warten, weil, wie er indess erfuhr,
die dasigen Mauren über seine Ankunft sehr argwöhnisch wa-
ren, und desshalb häufige Berathschlagungen mit dem Kö-
nige hielten. Am dritten Tage endlich kam der Bothe wieder,
mit dem Bedeuten, dass er sich aus der Gegend von Sego
entfernen müsse. Zugleich aber gab er ihm, im Namen des
Königs, ein Geschenk von 5000 Otterköpfchen*) oder Kau-
ris, um damit seine Bedürfnisse auf der Reise bestreiten zu
können. Auch erbot er sich, auf Befehl des Königs, ihn,
wenn er anders darauf bestehe, nach Jenné zu gehen, bis
Sansanding als Wegweiser zu begleiten.
Sie brachen also zusammen auf, und kamen znnächst
nach Kabba, einer ansehnlichen Stadt in einer so reizenden
und höchstcultivirten Gegend, dass P., wie er sich ausdrückt,
[Seite 159] eher mitten nach England als ins Herz von Afrika versetzt zu
seyn glaubte. Er kam hier gerade zur Butter-Erndte, da ei-
ne unsägliche Menge Früchte vom Butterbaume eingesammelt
wurden. Der Baum selbst ähnelt einer Amerikanischen Eiche;
und die Frucht, aus deren Kern die Butter gesotten wird,
einer Olive. Die Butter selbst ist, ausserdem dass sie sich un-
gesalzen über Jahr und Tag hält, weisser, fester und schmack-
hafter, als die beste Kuhbutter, die P. je genossen hat. Sie
macht einen der wichtigsten Handelsartikel fürs Binnenland
jener Gegenden aus.
Am Abend des folgenden Tages erreichte P. Sansanding,
einen grossen Handelsort am Niger, den vorzüglich die Mau-
ren besuchen, um Steinsalz gegen Baumbutter und Goldstaub
umzusetzen. Sobald diese unsern Reisenden gewahr wurden,
verfolgten sie ihn mit Geschrey ins Haus des Stadt-Schult-
heissen (Dooty) eines freundlichen Negers, der ihn in
Schutz nahm, doch den argwöhnischen erbitterten Mauren
versprach, dass er morgenden Tags wieder fort solle, und,
um nur die Zudringlichkeit der neugierigen Menge zu be-
friedigen, seinen Gast auf einen erhabenen Sitz am Eingang
einer Moschee sitzen liess, wo er eine geraume Zeit den
Schmähungen der aufgebrachten Mauren ausgesetzt war, nach-
her aber von dem schwarzen Schultheissen, der ihm zu Liebe
ein Schaf geschlachtet hatte, aufs gastfreundlichste bewirthet
ward.
Auf der nächsten Tagereise musste P. seinen Gaul, der ge-
stürzt, und ohnehin nur noch wie Haut und Knochen war,
unterwegs liegen lassen. Endlich kam er nach Silla, einer
grossen Stadt am südlichen Ufer des Niger, fand aber da eine
so ungünstige Aufnahme, dass er nur mit Mühe ein Nachtla-
ger erhalten konnte, und sah überhaupt nun vollkommen be-
stätigt, was ihm schon seit seinem Aufbruche von Sego von
den biedern Negern war vorhergesagt worden, dass es für
ihn so gut wie unmöglich seyn würde, lebendig nach Tom-
buctoo, das ganz in der Herrschaft der Mauren sey, zu ge-
langen. – Die Ueberlegung, dass dann mit seinem Leben
[Seite 160] auch alle Früchte seiner ganzen Sendung verloren gehen wür-
den, mussten ihn also zum Rückzuge bestimmen. Doch nahm
er sich sogleich vor, dabey einen andern Weg einzuschlagen,
um dadurch desto mehr zur Aufklärung der Erdkunde jener
unbekannten Wehgegenden beyzutragen: er hat auch erst noch
folgende Nachrichten vom fernern östlichen Laufe des Niger’s
eingesammelt.
Vier Tagereisen von Silla ergiesst sich dieser Strom in ei-
nen beträchtlichen Land-See, der doch so gross ist, dass die
Boote, die ihn von Westen nach Osten befahren, unterwegs
einen Tag lang die Ufer aus den Augen verlieren. Aus die-
sem See lauft er östlich in zwey Armen heraus, die sich bey
Kabra, eine Tagereise von Tombuctoo, wieder vereinigen,
und da den Hafen für diese mächtig grosse Stadt bilden. Am
nördlichen jener beyden Arme liegt Downie, ein Ort, wo
treffliche irdene Waare verfertigt wird; unglasurt, übrigens
aber von ausnehmender Güte. Von Kabra läuft der Niger
eilf Tagereisen weit gen Houssa zu, das aber selbst noch zwey
Tagereisen weit von diesem Strome entfernt liegt. Sein übri-
ger Lauf ist noch nicht zuverlässig bekannt.
Von den drey Hauptstädten, Jenné, Tombuctoo und Hous-
sa, die an jenen Ufern oder doch in der Nähe derselben lie-
gen, soll letzte die grösste seyn. Sowol nach Houssa als nach
Tombuctoo kommen oft Karavanen von den Ländern am Mit-
telländischen Meere, die mit Europäischen und andern Waa-
ren über Fezzan durch die Wüste dahin gelangen. Durch
eine derselben erfuhr man in diesem fernen Afrikanischen
Binnenlande die Nachricht, dass die Franzosen im Oct. 95
den Englischen Convoy auf dem Mittelländischen Meere ge-
nommen hatten.
Am 3. Aug. 96 machte sich also P. von Silla auf den
Rückweg, und hatte das seltene Glück, seinen Gaul wieder
zu finden, der sich in der Zwischenzeit merklich erholt hatte.
Bis Sego hielt er sich an denselben Weg, den er hinwärts
genommen hatte, dann aber verliess er ihn und verfolgte da-
gegen den Niger stromaufwärts durchs Königreich Bambara
[Seite 161] bis zur Gränzstadt Bammakoo. Die Reise ward ihm, zumahl
durch die heftigen tropischen Regengüsse sehr erschwert. Sei-
nen täglichen Unterhalt bekam er meist von dem Schultheiss
jedes Orts, durch welchen ihn sein Weg führte; denn es
scheint in jenen Gegenden die Amtspflicht dieser Magistrats-
person zu seyn, bedürftigen Reisenden zu essen zu schaffen;
und es wird bey diesen gastfreundlichen Negervölkern für
schändlich gehalten, des Königs Fremdling – wie es heisst –
ungegessen von dannen zu lassen. Viele nahmen gar nichts
für ihre Bewirthung. Andern bezahlte P. seine Zeche mit
den vom König von Bambara erhaltenen Otterköpfchen. Man-
chen aber vergalt er ihre Gastfreundschaft auf eine andere sehr
sonderbare Weise. Bekanntlich halten doch die Neger gar viel
auf ihre sogenannten Saphies, nämlich vermeinte Amulete,
die ihnen von den Mauren verkauft werden, und hauptsäch-
lich aus einem Zettel mit einer Stelle des Korans bestehen.
Der gutherzige Stadt-Schultheiss zu Sansanding äusserte
‘“dass, wenn ein Saphie von einem Mauren schon kräftig sey,
eins von einem Blanken gewiss noch weit kräftiger seyn
müsse”’; und P. gab ihm daher auf sein Ersuchen das bedeu-
tungsvollste, das er zu geben wusste, – das Vaterunser. Er
schriebs mittelst eines Schilfrohrs mit Kohlenstaub, den er mit
Gummiwasser anmachte, auf ein dünnes Bretchen; und fand
bald auf seiner weitern Reise, dass das für die gutmüthigen
Neger die allerwillkommenste Vergeltung war, die er ihnen
nur hätte bieten können.
Der Niger, der bey Bammakoo aufhört schiffbar zu seyn,
entspringt sechs Tagereisen davon bey dem Dorfe Sankari in
den Hochländern von Jallonkondoo ungefähr unter der gleichen
Breite (von 11°) mit den Quellen des Senegal’s und des Gam-
bia: und zwar der Niger unter 7° westl. Lange von Green-
wich; der Senegal unter 8°, und der Gambia unter 10°. Der
letzte ist unter dem 12° dieser Länge nur vier Tagereisen weit
vom Rio Grande entfernt.
Aus dem Königreich Bambara kam P. nun in die Republik
Manding. – Schon im Dorfe Wonda ward er unpass und
[Seite 162] musste einige Tage bey einem freundlichen Neger liegen blei-
ben, dem er zum Dank für seine Wartung seinen Gaul schenk-
te, der freylich ohnehin kaum mehr von der Stelle konnte.
Weiter hin in Kamalia, (das doch noch über hundert
Deutsche Meilen weit von Pisania, dem Wohnort des Dr.
Laidley, von wannen P. abgereist war, entlegen ist) befiel
ihn ein gefährliches Fieber, woran er einen Monat lang dar-
nieder lag. Zum Glück befand er sich wieder im Hause eines
wackern Negers, der seiner mit der theilnehmendsten Sorg-
falt pflegte; und da man in einigen Monaten eine Karavane
daselbst erwartete, die unter eben dieses braven Schwarzen
Anführung nach Pisania gehen sollte, so entschloss er sich,
diese abzuwarten: musste aber darüber ein volles halbes
Jahr in Kamalia verweilen. Er hatte seinem treuen Neger-
wirth versprochen, ihm, wenn er ihn mit der Karavane bis
Pisania brächte, daselbst den Werth eines Sclaven zur Beloh-
nung zu zahlen; und bedauert nur, dass er nachher diesem
würdigen Mann, dem er sein Leben und den erwünschten
Ausgang seiner Sendung zu verdanken hat, bey seiner glück-
lichen Ankunft daselbst, nicht mehr als nur noch einmahl so
viel, als er ihm verheissen hatte, zur Erkenntlichkeit zu geben
im Stande war.
Die Karavane, die aus 70 Personen bestand, wovon un-
gefähr die Halfte Sclaven waren, brach zu Ende April 97 un-
ter des trefflichen Negers Anführung von Kamalia auf, und
den 10. Jul. kam endlich P. mit Gefühlen, die freylich allen
Ausdruck übersteigen, in der Wohnung seines Freundes Laid-
ley zu Pisania an. Schon den 15 ging er von da mit einem
Sclavenschiff nach West-Indien, und kam von Antigua den
25. Dec. glücklich nach London zurück!
Nun noch einige von den Bemerkungen, die Park auf sei-
nen unterhörten Wanderungen in der Afrikanischen Terra in-
cognita, besonders während seines halbjährigen Aufenthalts in
Kamalia zu manchen Gelegenheit gehabt.
Die Hitze war in dem nördlichem Landstrich, den er auf
der Hinreise nach Silla durchzogen hat, da wo er an die Sand-
[Seite 163] wüsten anstösst, zumahl beym Ost- und Nordost-Wind fast
unerträglich. Im Lager zu Benowm konnten selbst die Neger-
Sclaven wegen des brennenden Bodens nicht barfuss und ohne
ihre Sandalien nur von einem Zelte zum andern gehen. Die
Mauren lagen am Tage in ihren Zelten ausgestreckt, und
wenn P. in seiner Hütte die Hand vor die Ritzen der Wände
hielt, so wars, als ob sie von der brennendheissen Zugluft ver-
sengt würde! – In den südlichern Strichen, die mit Wald
und Wasser versehen sind, wird das Clima schön. Besonders
sind die Morgen und Abende heiter, mild und angenehm.
Die Regenzeit dauert unter beständigem Südwest-Wind
vier Sommer-Monate hindurch vom Ende des Junius bis in
den October. Während der Zeit ist das Land überschwemmt
und vor und nach den Regengüssen stürmen heftige Winde.
Ausser dem Butterbaum ist eins der wichtigsten Gewächse
für jene Negerländer der bey den Alten als die Nahrung der
Lotophagen so hochberühmte Lotus, ein dorniger Busch aus
dem Kreuzdorn-Geschlechte (Rhamnus), der eine gelbe meh-
lige Beere von der Grösse einer Olive trägt, woraus die Ein-
wohner durchgehends eine ausnehmende Art von Pfefferku-
chen backen, und theils auch ein sehr schmackhaftes Getränk
bereiten.
Aus einer Art ihres Wälschen Korns, das ordentlich ge-
mälzt wird, verfertigen die Neger ein ganz vortreffliches
Bier, das P. dem besten Englischen Doppelbier (strong beer)
an Güte vollkommen gleich fand.
Ihre schöne und dauerhafte Indigfarbe bereiten sie auf eine
sehr einfache Weise, indem sie nur die Blätter der Indig-
pflanzen zerstampfen und mit Aschenlauge mischen, der sie
zuweilen auch Harn zusetzen.
Die Schaf- und Ziegen-Felle gerben sie, und färben die-
selben sehr dauerhaft gelb und roth.
Im Binnenlande schmelzen sie einen reichhaltigen Eisen-
stein, der sich sehr häufig daselbst findet, in einem sehr ein-
fachen und doch zweckmässigen Ofen, und schmieden ihre
[Seite 164] Lanzenschäfte, Messer, Säbel, Hacken, Beile etc. daraus. –
Nur Schiessgewehr verstehen sie noch nicht zu verfertigen.
Am auffallendsten aber ist ihre ausnehmende Kunstfertig-
keit in feiner Goldschmied-Arbeit. Sie verfertigen ihre Arm-
bänder, Ohrgehänge, Halsschmuck etc. mit einem solchen
Geschmack und Mannigfaltigkeit eleganter Formen, dass sie
die Bewunderung der besten Künstler in Europa erregen müss-
ten.
Das ganze innere Afrika ist, wie es scheint, in kleine
Reiche und Staaten zertheilt, die häufig mit einander in
Krieg verwickelt sind. Diese Kriege werden zwar oft, aber
doch nicht ausschliesslich, durch das Interesse für den Scla-
venhandel der Europäer veranlasst. Und manchem schwarzen
Kriegsgefangnen rettet doch auch dieser an sich so scheussliche
und so schandliche Menschenhandel in so fern das Leben,
dass er ausserdem von der siegenden Partey wäre niederge-
hauen worden. So erzählt z.B. P. dass in einem Kriege des
Königs von Kaarta mit dem von Kasson dieser letzte die Ge-
fangenen, die er machte, mit der Karavane nach Fort Louis
schickte, um sie an die Franzosen zu verkaufen, da jener hin-
gegen, der das für knickerhaft und niedrig hielt, alle Kasso-
ner, die ihm in die Hände fielen, sogleich umbringen liess.
Zu den Mitteln, wodurch die Mauren ihre Religion im-
mer mehr unter die heidnischen Neger zu verbreiten suchen,
gehören namentlich auch ihre Schulen, die sie häufig unter
denselben anlegen, und worin sie den Kindern der Schwar-
zen mit dem Lesen zugleich auch die Satzungen des Korans
beybringen.
Die Beschneidung ist übrigens, wie bekannt, auch unter
vielen heidnischen Negervölkern üblich. Bey manchen,
wie z.B. den Joloffs ist sie nur aufs männliche Geschlecht
eingeschränkt; bey andern aber, wie bey den Mandingos
werden auch die Mädchen, wenn sie in die Jahre der Reife
treten, beschnitten*). So viel P. erfahren konnte, sehen sie
[Seite 165] diese Handlung nicht als einen religiösen Gebrauch, sondern
als ein physisches Hülfsmittel zur Fruchtbarkeit im Ehestande
an.
Otterköpfchen oder Schlangenköpfchen, die allgemein bekannten
kleinen gelblichweissen Schneckenhäuser der Cypraea moneta, die
in manchen Gegenden von Indien so wie im Innern von Afrika als
Scheidemünze cursiren, auch von den Brahmanen als Rechenpfen-
nige gebraucht werden.
Ausführliche Nachricht über die Fischerey und den Preis derselben
etc. gibt Hofr. Beckmann in seiner Vorbereitung zur Waarenkunde
1. B. 3. St. S. 350 u.f. Park konnte mit 100 Stück derselben täg-
lich die Kosten des Unterhalts für sich und sein Pferd bestreiten.
Die deutlichste Vorstellung davon gibt die merkwürdige Abbildung
der beschnittenen Geschlechtstheile eines achtzehnjährigen Mädchens,
[Seite 165] die der Maler Baurenfeind, Niebuhr’s Reisegefährte, bey Kahirae
nach der Natur, aber, wie letzter hinzusetzt, mit zitternder Hand,
zu verfertigen, die in ihrer Art einzige Gelegenheit gehabt hat,
und die ich mit Nibuhr’s Erlaubniss in den beyden ersten Ausga-
ben der Schrift de generis humani varietate nativa Tab. II. Fig. 4.
bekannt gemacht habe.