(Auszug eines Schreibens an d.H.)
Joh. Friedr. Blumenbach ist in Gotha geboren, wo
sein Vater Prorector und Professor am Gymnasium war.
Das eifrige Lieblingsstudium dieses verdienten Schul-
mannes war Geographie, wozu er sich 50 Jahre hin-
durch einen bedeutenden Apparat von Landcharten,
und in seiner ausgesuchten Büchersammlung eine Men-
ge vorzüglicher topographischer Werke und Reisebe-
schreibungen angeschafft hatte. Die frühe Bekannt-
schaft mit diesen, hat auch bei dem Sohne vorzüglich
seine Liebe zur Naturgeschichte erweckt, und seinem
Studium derselben die Richtung gegeben, dass er sie
[Seite 215] immer gern, mit Rücksicht auf physische Erd- und
Länderkunde betrieben.
Das war nun zwar eben nicht der Gesichtspunkt,
woraus sein erster academischer Lehrer in jener Wis-
senschaft, der seel. Walch in Jena dieselbe behandelte.
Doch verdankt er den Vorlesungen desselben manche
anschauliche Kenntnisse in Zoologie und Mineralogie,
und dem nähern Zutritte, den er in dessen Haus hatte
und fleissig benutzte, vielartige und lehrreiche Unter-
haltung, die ihm allein schon das Andenken an seinen
dreijährigen Jenaischen Aufenthalt lieb und werth ma-
chen musste.
Als er seinen medicinischen Cursus daselbst, zu-
mal unter dem trefflichen Anatomen Neubauer, meist
beendigt hatte, schickte ihn sein Vater auch nach Göt-
tingen, um da noch manche Lücken zu füllen; und
da musste sichs treffen, dass gerade in den ersten Ta-
gen seines Dortseyns einige dasige Professorensöhne ein
Privatissimum über die Naturgeschichte bei dem wun-
dersamen vielwissenden Sonderling, dem nachher in
Jena verstorbenen Büttner, der damals schon seit langer
Zeit nicht mehr gelesen hatte, wieder einmal zu Stan-
de zu bringen suchten, wozu denn auch er sich unter-
schrieb.
Etwas Confuseres, unabsehbar Endloseres, als
dieses sogenannte Collegium über die Naturgeschich-
te, kann zwar schwerlich gedacht werden; aber durch
Ausfragen konnte man von dem merkwürdigen Manne,
dessen Sammlungen so vielartig waren als seine Kennt-
nisse, ungemein viel lernen, auch verstanden auf die-
se Weise manche seiner berühmten Collegen, Michaë-
lis, Schlözer, Gatterer u.a.m. ihn trefflich zu be-
nutzen. Und da Büttner i.J. 73. seine Naturaliensamm-
lung der Universität gegen Leibrente überliess, ersuch-
te er jenen seiner Zuhörer, ihm bei der Verzeichnung
und Ablieferung derselben behülflich zu seyn, wodurch
dieser desto näher mit ihm in Bekanntschaft kam, und
besonders durch ihn eine Menge wichtiger Reisebe-
schreibungen, zumal von den ältern kennen lernte,
[Seite 216] deren Studium dem jungen Mediciner um so fruchtba-
rer ward, da er zu seiner Doctordissertation einen Ge-
genstand gewählt hatte, der ihm für seine beiden Lieb-
lingswissenschaften, Physiologie und Naturgeschichte,
gleich interessant dünkte, und damals noch wenig be-
arbeitet war,
de generis humani varietate nativa.
Die Wahl und weitere Bearbeitung dieses Thema’s
veranlasste ihn in der Folge auf die Anlage einer anthro-
pologischen Sammlung zu denken, die nun seit dreissig
Jahren durch einen bedeutenden Aufwand von Mühe
und Kosten, vorzüglich aber durch vortheilhafte Connexio-
nen und eifrige Theilnahme und Unterstützung auswär-
tiger Freunde zu einer Vollständigkeit erwachsen ist,
dass sie durchaus für einzig in ihrer Art gelten kann.
Sie enthält gegenwärtig 141 Schädel (und theils ganze
Skelete, theils Mumien) von den verschiedenen Rassen
des Menschengeschlechts und ausgezeichneter Völker-
schaften desselben; dann auch Foetus von den Haupt-
rassen, so wie Proben ihrer Haut (der Nationalfarben
wegen); ferner die auffallenden Verschiedenheiten des
Haars derselben; und besonders auch eine mit kriti-
scher Sorgfalt zusammengebrachte Sammlung porträt-
mässiger Abbildungen fremder Völkerschaften, theils
in meisterhaften Oelgemälden (von Juel, John Russel
u.a.) und Handzeichnungen (von Feodor Iwanowitsch,
Abilogaard, Chodowiecki etc.).
Da aber bei der Art, wie der Besitzer dieser Samm-
lung sein anthropologisches Studium und überhaupt die
Naturgeschichte behandelt, ihm die Reisebeschreibun-
gen eine der wichtigsten Quellen blieben, so hat er
auch schon vor fast 30 Jahren, nachdem er ihrer be-
reits eine Menge gelesen, angefangen, die ganze sehr
beträchtliche Sammlung von Reisen auf der Göttingi-
schen Universitäts-Bibliothek von vorn bis zu Ende
durchzugehn, so dass er mehrere Jahre hindurch im-
mer ein halbes Dutzend Bände derselben nach dem an-
dern, so wie sie der Ordnung nach im Fache folgten,
[Seite 217] zu Hause hatte, zu seinem Zweck excerpirte, und nun
seitdem bloss die immer neu hinzukommenden nachzu-
holen sucht.
Seine bei dieser Gelegenheit zur Literatur der Rei-
sebeschreibungen gesammelten Collectaneen sind geo-
graphisch geordnet, aber noch mit zwei Repertorien
in chronologischer und alphabetischer Ordnung verse-
hen, und enthalten wichtige Beiträge zu einer künfti-
gen Geschichte der Naturgeschichte.
So wie er in seinen Vorlesungen überhaupt durch
die ernste Empfehlung des Lesens der Reisebeschrei-
bungen bei jungen Gemüthern Nutzen gestiftet zu ha-
ben hofft, so hält er sich gegenseitig schon dadurch
dafür belohnt, dass er unter seinen zahlreichen Zu-
hörern, denen er diese Lecture empfohlen, hinwiede-
rum so manche zählt, die sich seitdem selbst durch
ihre grossen und entdeckungsreichen Reisen um die
Völkerkunde und übrige Naturgeschichte hochverdient
gemacht haben, wie Hornemann, von Humboldt, Langs-
dorff, Seetzen, Sibthorp u.a.m.