(Von J.F. Blumenbach.*))
Das neue brittische Etablissement im fünften
Welttheile, nämlich die Colonie auf Neu-
Süd-Wales, der vom unsterblichen Cook ent-
deckten Ostküste von Neu-Holland, verspricht
für die ganze Naturgeschichte eine unermeßlich
reiche Erndte. Man weis aus des Gouverneur
Philip’s Reise und des Wundarzt White’s
Tagebuch, was nur gleich die ersten Retourschiffe
für große und zahlreiche Entdeckungen in Zoolo-
gie und Botanik nach England zurückgebracht
[Seite 423] haben, und unter dem wenigen, was nur in Eil
und aufs gerathewohl auch von Mineralien aus
dieser neuen Schöpfung beygelegt worden, findet
sich gleich anfangs nichts geringeres als eine neue
einfache Grunderde.
Der erste Transport von achthalbhundert
Delinquenten war bekanntlich nach Botany-Bay
bestimmt, welche Gegend der Herr Baronet
Banks zur neuen Niederlassung vorzüglich em-
pfohlen hatte. Die Flotte kam den 18ten Jan.
1788 nach einer kurzen und glücklichen Fahrt da
an. Weil man aber beym weitern recognosciren
des Landes fand, daß der Boden und die übrigen
Bequemlichkeiten um Port Jackson, dicht bey
Botany-Bay, nordlich, noch vorzüglicher, und
besonders der Hafen selbst der beste von allen be-
kannten Häfen in der Welt sey, so ward die Co-
lonie bald nach ihrer Ankunft dahin verlegt.
Die Gegend, wo sie sich nun zuerst ange-
baut, heißt Sydney-cove, die Stadt, die da-
selbst angelegt werden soll, wird den Namen Al-
bion erhalten; und die ganze Provinz ist Cum-
berland-County genannt worden.
Dort fand sich nun beym Brunnengraben
ein Sandähnliches gemengtes Foßil, das zur
[Seite 424] nähern Untersuchung nach England geschickt ward,
wo es der berühmte Herr Wedgwood analysirt,
und wie gesagt, eine neue Grunderde darin ent-
deckt hat. Da ich dasselbe in die neue Ausgabe
des Handbuchs der Naturgeschichte aufnehmen
mußte, so habe ich ihm daselbst in Ermangelung
eines andern, den Namen Australsand (Arena
Australis) gegeben, weil nicht nur die Südwelt
überhaupt bey den neuern Erdbeschreibern Austra-
lien heißt, sondern auch Neuholland insbesondere
gleich von den ersten Entdeckern im vorigen Jahr-
dert het Zuit-land genannt worden.
Der Hr. Baronet Banks hat die Güte ge-
habt, mir etwas von diesem merkwürdigen exoti-
schen Mineral zu zuschicken, wovon ich, weil mir
damals Hrn. Wedgwoods ausführliche Ana-
lyse noch nicht zu handen gekommen war, einen
Theil zu einer kleinen Untersuchung angewandt
habe: von welcher ich hier nur kurz die Resultate
mittheilen und einen Auszug aus Hrn. Wedg-
woods Aufsatz im neuesten so eben herausge-
kommenen Band der philosophical Transactions
beyfügen will.
Im äußern ähnelt dieses Foßil einem ver-
witterten mürben Gneiß, der theile in Sand zer-
[Seite 425] fallen, theils noch in Brocken zusammengebacken
ist, die sich leicht mit den Fingern zerreiben las-
sen, und an welchen man noch sehr deutlich die
blättrige gneißähnliche Textur des Gemenges un-
terscheiden kann. Die Brocken, die ich vor mir
habe, sind mit Fasern von Pflanzen-Wurzeln
durchwachsen, daher ich schließe, daß sie nahe von
der Oberfläche des Bodens seyn müssen.
Man unterscheidet einen vierfachen Stoff in
diesem sandartigen Gemengsel. 1) Nämlich sehr
wenig mattsilberglänzende, durchscheinende, glim-
merähnliche zarte Schuppen. 2) In größerer
Menge durchscheinende, milchweiße, sehr harte
quarzähnliche Körnchen, die in Glas kritzeln;
3) noch mehr undurchsichtige, gelblichweiße, wei-
che, leicht zerreibliche Bröckchen, die einem ver-
witterten in Porcellanerde übergehenden Feldspath
ähneln; und 4) endlich eine ebenfalls beträchtliche
Quantität kleiner bleyfarbener, zum Theil gebogner
und zusammengedruckter abfärbender Blättchen,
die mir den äußern Kennzeichen nach, Wasser-
bley (Molybdaena) zu seyn schienen; die aber
Hr. Wedgwood, wie ich nun sehe, für Reiß-
bley (Plumbago) hält. Doch davon noch ein
Wort insbesondere.
Das einzige, was vorläufig von Herrn
Wedgwoods Untersuchung bekannt worden,
war, daß die neue Erde, die er in diesem Sande
gefunden, blos von der Salzsäure aufgelößt, und
aus dieser Auflösung durch zugegoßnes Wasser ge-
fällt werde. Dies zu versuchen, ließ ich die Blätt-
chen, die mir Wasserbley zu seyn schienen, unter
meinen Augen sorgfältig auslesen; pulverte das
übrige und kochte es in Salzsäure, da dann destil-
lirtes Regenwasser, das ich dem Abgeklärten
zugoß, ein Weniges einer kreidenweißen Erde
niederschlug.
Um mich zu versichern, daß dies nicht etwa
ein metallischer Kalk sey, probirte ich ihn mit zu-
gemischter flüchtigen Schwefelleber, die aber die
weiße Farbe jener Erde ganz unverändert ließ.
Blutlauge zu einem andern Theil dieser Auf-
lösung gegossen, den ich vorher durch beygemischte
Salpetersäure zu Königswasser gemacht hatte,
fällte auch nichts fremdes aus derselben.
Und so auch nicht das vegetabilische Laugen-
salz, das ich zu einer noch andern Portion der-
gleichen Mischung tropfte.
Um endlich auch zu erfahren, in welchem
von den verschiedenen Stoffen des Gemenges im
Australsand die neue Erde befindlich sey, kochte
ich eine ungepulverte Portion in Salzsäure, da
dann blos der gedachte, einem verwitternden Feld-
spath ähnliche Theil davon angegriffen und zum
Theil aufgelößt ward.
So wenig indeß diese paar kleinen Versuche
mit einer so geringen Quantität sagen wollen, so
dienen sie doch zur Bestätigung der weit umständ-
lichern und ausführlichern Untersuchung, die Hr.
Wedgwood damit vorgenommen und in einem
Schreiben an den Hrn. Baronet Banks im
zweyten Theile des 80sten Bandes der Transactio-
nen v.J. 1790. S. 306–320 Nachricht da-
von gegeben, aus welcher ich das wesentlichste
hier mittheile.
Kein Bestandtheil des Gemenges ward we-
der von verdünnter noch von concentrirter Salpe-
tersäure angegriffen. Auch nicht von Vitriolöl,
das mit gleichem Theil Wasser verdünnt war.
Diese Säuren zogen weder kalt noch kochend ir-
gend etwas aus dem Mineral, das sich unverän-
dert darin erhielt.
Die Salzsäure schien während der Digestion
eben so wenig, als jene beyde darauf zu wirken:
da aber etwas Wasser zugegossen ward, zeigte sich
eine merkwürdige Veränderung, indem das Flui-
dum sogleich eine milchweiße Farbe annahm, mit
feinen weißen, gleichsam geronnenen darin schwim-
menden Flocken. Dies ward vom Residuum ab-
gegossen, und dann die Digestion mit frischer Säu-
re so oft wiederholt, bis dieselbe nicht weiter mil-
chicht getrübt wurde. Von 24 Gran des Mine-
rals blieben dann 19 übrig; so daß ohngefehr ein
Fünftel des Ganzen aufgelößt worden war.
Die Salzsäure mußte kochen, wenn sie die
Erde auflösen sollte; wenigstens erfolgte bey einem
geringern Grad, als der, wobey Wachs schmilzt,
(= 140 Gr. Fahr.) keine Auflösung.
Um die Menge Wasser zu bestimmen, die zu
Fällung der Erde aus ihrer Auflösung nöthig sey,
that Hr. W. ein bestimmtes Maaß voll dieser
Solution in ein größeres Glas, und goß dann zu
wiederholten malen die gleiche Quantität Wasser
hinzu. Erst bey der dritten solchen Beymischung
zeigte sich die milchichte Trübung die nach und
nach bis zur sechsten immer zunahm. Dann ward
das Fluidum durchgesaigt, und durch Zugießen
eines 7ten solchen Maaßes Wasser von neuem ge-
trübt, ein achtes Maaß machte es noch mehr mil-
chicht; das neunte und zehnte aber brachte keine
weitere Wirkung darauf hervor.
Die salzsaure Auflösung womit diese Versuche
gemacht waren, hält ohngefähr o Gran der auf-
gelößten Erde in drey Unzen Salzsäure. Um
also eine gesättigte Solution zu erhalten, ward
die vorher durch das zugegoßne Wasser gefällte
Erde wieder in einer kleinen Portion jener Auflö-
sung digerirt, bis dieselbe nichts weiter davon
aufnehmen konnte.
Wenn man einer solchen gesättigten Auflö-
sung auch nur einen einzigen Tropfen Wasser zu-
tröpfelt, so verursacht dieser sogleich bey der er-
sten Berührung einen milchweißen Kreis um sich
herum.
Der erdigte Stoff, der auf diese Weise durch
Salzsäure aus dem Australsande extrahirt und
nachher durch Wasser wieder gefällt worden, ist
im Wasser unauflöslich.
Eben so wenig wirkt Salpeter- oder Vitriol-
säure darauf, seys concentrirt oder verdünnt, kalt
oder heiß, auch keine alkalische Auflösung, mild
oder kaustisch, flüchtig oder fest.
In starker Salzsäure hingegen läßt er sich
auflösen, doch nur in fast eben so starker Hitze als
gedachtermaaßen zu seiner Extraction aus dem
gemengten Sande nöthig ist.
Salpetergeist zu jener gesättigten Auflösung
gegossen, macht keinen Niederschlag, und wenn
eine überwiegende Menge Salpetersäure in die
Mischung kommt, so erfolgt dann überhaupt auch
keine Fällung durch zugegossenes Wasser. –
Das angemessenste Menstruum für diese Substanz,
um sie aufgelößt zu erhalten, scheint also Königs-
wasser zu seyn, und das behörige Verhältnis der
beyden darin gemischten Säuren läßt sich mittelst
derselben genauer, als mit irgend einer Substanz
bestimmen; da, wenn auch nur ein geringes Plus
von Salzsäure in der Mischung ist, sich dasselbe
sogleich verräth, wenn man ein wenig von dersel-
ben in Wasser tropft, da blos das, was von die-
sem Plus aufgelößt worden, und nichts weiter,
durchs Wasser gefällt wird. Die Salpetersäure
selbst dient aber in diesem Falle nicht wie beym Gold,
zur Auflösung, sondern hindert blos die sonst er-
[Seite 430] folgende Fällung der ausgelößten Erde aus der
Salzsäure durch Wasser.
Die gesättigte salzsaure Auflösung läßt sich
nicht krystallisiren. Durch anhaltendes Abdun-
sten in gelinder Wärme wird sie dick, butterähn-
lich, und zerfließt dann wieder, wenn sie der freyen
Lust ausgesetzt wird. Diese butterähnliche Masse
ist nicht ätzend, wie die ähnlichen metallischen
Präparate; auch nicht schärfer an Geschmack, son-
dern vielmehr milder, als die Verbindung der
nämlichen Säure mit der Kalkerde. In einer
Hitze, die bis fast zum glühen verstärkt worden,
wird die Säure entbunden, und steigt in weißen
Dämpfen auf, die sich in einem kalten Kolben in
förmlichen Tropfen sammlen.
Die neue Erde wird nicht durch berliner
Blutlauge gefällt, als welche, wenn sie der Auf-
lösung in Königswasser zugemischt ward, doch
(außer der gewöhnlichen blauen Farbe die vom
Eisen in den Säuren herrührt) keinen Nieder-
schlag daraus verursachte; dagegen reines Alkali,
wenn es nachher zugesetzt ward, die weiße Erde
unverändert fällte.
Alkalien aller Art z.B. reines Weinsteinsalz,
und caustisches: reines und caustisches Alkali aus
dem Meersalz; flüchtiges Alkali und auch die
Dämpfe von caustischen, verursachten häufige Fäl-
lung. Alle die dadurch erhaltenen Niederschläge
ließen sich wieder in Salzsäure auflösen, und aus
dieser Auflösung wieder durch zugegossenes Wasser,
unverändert fällen.
In starkem Feuer von 142 bis 156 Gr.*)
zeigt diese Substanz eine ungleich größere Schmelz-
barkeit oder Leichtflüssigkeit, als irgend eine andere
der bekannten einfachen Erden.
Durch die Leichtflüssigkeit im Feuer, so wie
dadurch, daß diese Substanz blos in der Salzsäure
auflösbar ist, und diese Säure noch vor dem
Glühen fahren läßt; und daß sie durch Wasser
und hingegen nicht durch Blutlauge daraus ge-
fällt wird, unterscheidet sie sich gar sehr von allen
bisher bekannten Erdarten, oder metallischen Kal-
ken. Und da sie durch keine Alkalien zersetzt wird,
so kann man sie auch für keine Verbindung irgend
einer dieser Erden oder Kalke mit irgend einer be-
kannten Säure ansehen.
Hr. Wedgwood will zwar noch nicht schlech-
terdings entscheiden, ob sie zu den Erden oder zu
den metallischen Körpern gehört, findet es aber
doch wahrscheinlicher sie zu den erstern zu zählen,
da sie auch zum vollkommnen Fluß geschmolzen,
in Verbindung mit brennbaren Stoffen, in ver-
schlossenen Gefäßen, kein metallisches Ansehen
erhält.
Am Schlusse seiner Abhandlung fügt er noch
eine Untersuchung des gedachten bleyfarbnen blät-
[Seite 432] trigen Stoffes hinzu, der, wie gesagt, dem Austral-
sande beygemengt ist. Ein Gran davon in einem
loose bedeckten Gefäße einem Feuer ausgesetzt, das
nach und nach bis 90 Gr. des gedachten Pyrome-
ters getrieben ward, war fast ganz verflogen, und
der wenige Rest vollkommen weiß. Aus diesen
und einigen andern Versuchen folgert Hr. W.
daß dieser Stoff eine Art plumbago sey. Allein
dieses hinterläßt doch, wenn es verflüchtigt, ein
dunkel-rothbraunes Residuum; hingegen die mo-
lybdaena so wie die Blättchen im Australsande
ein weißes. Außerdem ist es mir auch unbegreif-
lich. wie Hr. W. zum Erweis, daß dieselben
Reißbley und nicht Wasserbley seyen, auch das
mit anführt, ‘„daß sie weder Biegsamkeit noch
Elasticität zu haben scheinen.”’ Denn Biegsam-
keit haben sie, wie ich an allen den Blättchen fand,
die ich deshalb untersuchte, in hohem Grade, wie
Molybdäne sie haben muß, und wie ich sie hinge-
gen nie an den Schuppen der plumbago bemerkt
habe. Und Elasticität hingegen wird man für-
wahr nicht unter die äußern Kennzeichen des
Wasserbleyes sehen. – ‘„Hingegen”’ sagt er,
‘„lassen sich diese Blättchen wegen einer Eigen-
schaft andrer Art, nämlich einer schmierigen Zä-
higkeit (unctuosity) nicht leicht pülvern”’ und ge-
rade dies ist eine bekannte Eigenschaft des Wasser-
bleys.
Kurz nach allen äußern Kennzeichen wenig-
stens, würde ich diese Blättchen weit eher für
[Seite 433] Molybdäne als für plumbago halten. Aber frey-
lich war mein Vorrath zu gering, um eine chemi-
sche Prüfung damit zu versuchen.
Aus Lichtenbergs Magazin für das Neueste aus der
Physik und Naturgeschichte. 7n Bandes, 3tes Stück.
Versteht sich nach Herrn Wedgwoods bekannten
Pyrometer, das in den philosophical Transactions
Vol. 72. p. II. und Vol. 74. p. II. und auch im Göttin-
gischen Magazin im 2ten St. des IIIten Jahrgangs.
so wie in diesem phys. Mag. II. 1. S. 223 und. II.
4. S. 202. beschrieben ist.