Der gegenwärtige Aufsatz ist durch einen sehr voll-
ständigen gut erhaltenen Mumienkopf veranlaßt worden,
der vor einigen Tagen in meine Sammlung gekommen
ist; und an welchem ich einen wunderbaren Umstand be-
stätiget finde, den ich schon ehedem an einem Bruchstü-
cke bemerkt, aber damals nur für eine Monstrosität ge-
halten und nicht weiter drauf geachtet hatte. Daß nem-
lich die Vorderzähne dieser Mumien im Ober- und Un-
terkiefer, nicht meiselartig in einen schneidenden dünnen
Rand zulaufen, sondern wie kurze abgestumpfe Kegel ge-
bildet sind, und oben wie die Bachzähne eine flache Kro-
ne haben. Die Eckzähne aber nicht, wie gewöhnlich,
zugespitzt, sondern oben so breit und flach sind, daß man
sie blos durch ihre Lage von den benachbarten Backzäh-
nen unterscheiden kan.
So auffallend diese osteologische Abweichung scheint,
so ist sie doch von den bisherigen Mumienbeschreibern
übersehen worden: nur den gelehrten und scharfsinnigen
Middleton ausgenommen, der sie an der Cambridger
Mumie als etwas ganz prodigieuses angemerkt, aber auch
nicht vermuthet hat, daß das eine Eigenschaft der Mu-
mien seyn, wenigstens mehrere es mit einander gemein
haben könnten.*)
Ich kann zwar die wahre Ursache dieser sonderbaren
Bildung mit keiner Gewißheit bestimmen; doch dünkt
mir am wahrscheinlichsten, daß der Hauptgrund in den
Nahrungsmitteln der alten Aegyptier und der Weise sie
zu kauen, zu suchen sey. Denn daß beides vielen An-
theil an der Formation der Zähne habe, sieht man schon
am Beyspiel der Tattarn, bey denen sie durch den Ge-
nuß des meist rohen zähen Fleisches von Pferden und
andern Thieren von einander abgesondert, und nicht wie
bey andern Menschen dicht beysammen stehen. Eine Be-
merkung älterer Reisenden, die mir von kundigen Augen-
zeugen bestätigt worden ist. Wenn nun etwa die alten
Aegyptier beym Kauen um ihre Speisen, (die nach dem
Zeugnis der Alten auch theils in rohen Wurzeln und
[Seite 111] Strunken bestand,) recht zu zermalmen, die Kinladen
mehr hin und her geschoben, als auf und nieder bewegt
haben, so ließ sichs wohl begreifen, wie sie dabey ihre
Zähne so kurz abgeschliffen und warum diese, da sie durch
den beständigen Druck verhindert worden in die Höhe zu
wachsen, dagegen desto dicker und stämmiger worden sind.
Auch ist bekannt, daß die mehresten afrikanischen
Völker noch heutiges Tages durch die Zähne sprechen,
das heißt, nur die Lippen im reden öffnen, hingegen
die Kinnladen auf einander geschlossen halten, eine
Gewohnheit, die, wie ich selbst gesehen habe, sogar
Europäer, die sich lange in Aegypten aufgehalten, ange-
nommen hatten. Vielleicht könnte auch dieses etwas zur
Bildung der Zähne beytragen, wenigstens gebe ichs als
Winke für Reisende und andere Gelehrte, die Gelegen-
heit haben, Beobachtungen hierüber anzustellen.
Von der so ausnehmend charakteristischen National-
physiognomie der alten Aegyptier, die man in allen ih-
ren Kunstwerken erkennt, die ich auch schon anderswo
beschrieben habe, (und die sich besonders durch ein läng-
liches, aber nicht mageres, Gesicht mit niedrer kleiner
Stirn, die vorn rund gewölbt, aber auf dem Seiten
ganz flach gedruckt ist, und von den Backenknochen und
[Seite 112] den Schläfen nach dem Scheitel sehr conisch zulauft,
mit einer grossen, unten breiten, aber gar nicht Mohren-
mäßig flachen Nase, mit einem kleinen Mund, aber wul-
stig aufgeworfnen vorstehenden Lippen, und mit grossen
hochstehenden Ohren, auszeichnet),*) sind auch in dem
Mumienkopfe, von dem ich rede, vollkommen kenntliche
Spuren. Nur der Scheitel von sechs Mumienköpfen,
die ich gesehen habe, war bey vieren flacher, bey zweyen
aber zugespitzter. Wenn ich mir eine sehr gewagte Muth-
maßung erlauben darf, so sind jenes vielleicht männliche
und dieß hingegen weibliche Köpfe gewesen: denn Hero-
dotus sagt, daß die Männer und Weiber bey den alten
Egyptiern auf ganz verschiedene Weise Lasten getragen.
Jene auf dem Kopfe, diese aber auf den Schultern
und durch diese Gewohnheit könnte denn der Schedel
bey den Männern breit gedruckt worden seyn.
Shaw und andere beschreiben die Aegyptischen
Schedel als ungewöhnlich dick, vielleicht aus Vorurtheil
für Herodoti bekannte Vergleichung der Aegyptischen
und Persischen Köpfe, von denen jene ausserordentlich
[Seite 113] hart, und diese hingegen sehr zerbrechlich gewesen wären.
Die Mumienköpfe, die ich untersucht habe, waren nicht
von gleicher Dicke, sondern wie bey uns, manche stär-
ker andere schwächer, aber doch bey allen die Suturen
hin und wieder verwachsen.
Ueberhaupt verdienten wol die Mumien, diese
merkwürdigen Leichen, die die alten Aegyptier auf eine
so sonderbare Art für ihre sonst so baldige Zerstörung
zu verwahren, und ihnen dagegen eine gleiche Dauer
mit ihren Pyramiden, den ewigsten Denkmälern mensch-
licher Kunst, zu geben wußten, eine mehr critische nicht
so einseitige Untersuchung, als man bisher auf sie verwen-
det hat. Und da ich selbst verschiedenes neues auf dieser
Bahn gefunden habe, und nicht glaube, daß mir von
dem schon darüber geschriebenen etwas wichtiges entgan-
gen ist, so will ich hier den Kern von diesen und das
vorzügliche von meinen eignen Bemerkungen zusammen
fassen, was wenigstens zur Grundlage und Beytrag zu
einer weitern Ausführung dienen kann.
Mumia, der Arabische, Persische und Türkische Na-
me für diese balsamirte Leichen, kommt wol, wie mich
Herr Prof. Büttner belehrt hat, so wie Muminahi das
kostbare Persianische flüssige Erdharz, von Mum, was in
[Seite 114] allen diesen Sprachen Wachs heißt. Den altägyptischen
Namen hat uns der heil. Augustinus aufbehalten, da er
sagt: die Aegyptier trockneten ihre Leichen so hart, als
wenn sie aus Metall wären, und nennten sie Gabbaras!
welches Wort der ältere Hr. Forster*) durch heilig ver-
wahrt übersetzt. Bey den Kopten aber, heissen die Mu-
mien jetzt Miolon. Die ältern Griechischen und Römi-
schen Schriftsteller haben keines dieser Wörter gebraucht:
der erste Grieche, bey dem ich das Wort Mumia finde,
ist Nicolaus Myrepsus, aus dem 13ten Jahrhundert
und unter den Latinobarbaris Constantinus Afer und der
durch die, von Bocaz verewigten Galanterien seiner Frau
mehr als durch seine Schriften bekannte Matthäus Syl-
vaticus oder Pandectarius; jener im 12ten, dieser im
14ten Sec.
Ueber das Alter der Mumien, oder vielmehr über
die Zeit, da man diese alte Leichenbereitung aufgegeben,
ist viel gestritten worden. Der Polygraph Kircher in
seinen visionary Labours, wie sie Warburton nennt, und
viele andere haben behauptet, man habe schon, nachdem
Cambyses Herr von Aegypten worden, keine Mumien
[Seite 115] mehr verfertigt. Hr. Graf Caylus*) zweifelt wenigstens,
daß man unter der Römischen Herrschaft in Aegypten
noch welche bereitet habe. Aber dies ist beides unge-
gründet.
Die Perser selbst haben zwar, wie man aus Hero-
dotus sieht, ihre Leichen nur so wie die Assyrer und
Spartaner mit Wachs und Honig überzogen; hingegen
weiß man aus Dio Cassius u.a. wie hartnäckig die Aegy-
ptier noch unter Griechischer und Römischer Bothmässig-
keit an ihren alten Gebräuchen gehaftet, und Lucianus,
der so lange in Aegypten gelebt hat, sagt ausdrücklich,
daß er selbst gesehen, wie man da die Leichen eingesal-
zen, getrocknet habe, u.s.w. Nur mag freylich in spä-
tern Zeiten die Salbungsart immer wohlfeiler und kür-
zer worden seyn, bis man sich endlich mit der Procedur
begnügt, die noch heutiges Tages in Aegypten gebräuch-
lich ist, daß nemlich die Leichen, zumal von wohlhaben-
den Personen, mit Rosenwasser, Aloe u.s.w. eingesalbt,
in Catunn oder Seide eingewickelt und so beygesetzt
werden.
Ein Umstand, den man fast ganz übersehen, und
darüber theils seltsame Fehlschlüsse gemacht hat, ist der,
[Seite 116] daß auch die ersten Christen in Aegypten ihre Leichen
ganz nach der alten Weise zu Mumien bereitet haben.
Viele Stellen aus den Kirchenvätern, zumal aus Tertul-
lianus und Athanasius erweisen das, und wenn man die
beiden Mumien genau untersucht, die der romantische
Abentheurer Peter della Valle nach Europa gebracht
hat, und die jetzt in Dressen befindlich, und in den
Marbres de Dresde abgebildet sind,*) so kan man un-
möglich ihren christlichen Ursprung verkennen. Schon
die ganze Attitude, die Lage der Hände, zumal aber bey
der männlichen Mumie das EYTYXI auf der Brustbinde,
der Kelch mit rothem Wein in der einen, und die Fisch-
ähnliche Figur in der andern Hand, auch der Bart und
die Kopfhaare lassen keinen Zweifel übrig. Man sieht an
den altägyptischen Kunstwerken, und weiß aus Herodo-
tus, daß die Aegyptier nur wenn sie Trauer hatten, die
Kopfhaare wachsen liessen, ausserdem aber weder diese
noch einen Bart dulteten; daher man auch den Ge-
schlechtsunterschied sehr schwer an den Mumien erkennen
[Seite 117] kan, und ich nicht einsehe, worauf Maillet und Herr
Graf Caylus ihre Behauptung gründen mögen, daß es
so wenig männliche, meist nur weibliche Mumien gebe.
Auch au denen Mumienschedeln, die ich vor mir habe,
ist keine Spur von Haar zu sehen, sondern die Kattun-
binden und das Harz bedecken unmittelbar die kahle
Haut auf dem Schedel, und ich vermuthe eben deshalb
daß auch wol die behaarten Mumien, die de Breves
u.a. gesehen haben von christlichen Leichen gewesen
seyn mögen.
Man sieht also, wie wenig man von einer Mumie
auf alle schliessen darf, und wie mannichfaltig diese nur
allein in Rücksicht der Zeit, wenn sie verfertiget worden,
geschweige der vielfachen Verschiedenheit der Vermögens-
umstände, des Standes, folglich auch der Salbungsin-
gredienzen und der übrigen Proceduren, sind.
Die allermehresten Mumien werden jetzo in der Nach-
barschaft des Flecken Sakara, in einer sandigen Ebene,
wo viele Pyramiden stehen, und auch die kostbaren Ge-
wölbe für die balsamirten Ibisvögel sind, gefunden.
Sie liegen nemlich in den unterirdischen Catacomben,
die sich auf viele Meilen weit erstrecken, und aus un-
[Seite 118] zähligen auf einander stossenden Gängen und Gewölben
bestehen sollen, in die man durch senkrechte, theils 20 und
mehr Fuß tiefe Oefnungen, oder sogenannte Brunnen
(wie Schachte in Bergwerken) gelangt: die aber von
aussen, wie mit einem Meere von Flugsand auf Manns
hoch bedeckt, und folglich nur sehr mühsam auszufinden
und aufzuräumen sind.
Allein ich bin vollkommen überzeugt, daß man bey
weitem nicht blos hier, sondern in ganz Aegypten auf
die gleiche Weise die Leichen mumisirt hat. Einer der
berühmtesten Kirchhöfe dieser Art war ehedem in der
Nachbarschaft von Alexandrien, bey Nekropolis, das
wol gar seinen Nahmen daher hat, und wovon Strabo
ausdrücklich sagt, daß die Vorstädte voller Begräbnisse
und Gebäude, um Leichen zu balsamiren (Mumienfa-
briken) gewesen wären. Wansleb*) fand in der Ge-
[Seite 119] gend von Fium und Benesuef Catacomben und Stücken
von Mumien und von Sarcophagen völlig wie die zu
Sakara, das wenigstens noch 3 Tagereisen davon liegt.
Eben dieser sah auch ganz oben in Oberägypten zu Ha-
bu, also nicht weit von Theben unb Isne ganze Mu-
mien: Maillet versichert ebenfalls, daß man auch in
Oberägypten welche finde, nur anders eingewickelt als
die, die gewöhnlich nach Europa kämen: und Herodo-
tus sagt gar, daß auch die Aethiopier ihre Leichen zum
Theil nach der Weise der Aegyptier behandelt hätten.
[Seite 120] Ganz Aegypten ist mit Catacomben wie unterminirt, die
aber, weil sie bequemer, als die zu Sakara sind, viel-
leicht zur Römer oder Saracenen Zeit ausgeräumt, und
zu Kellern, Magazinen etc. gebraucht seyn mögen.
Die Seltenheit der Kindermumien scheint mir auch
keinen Einwurf gegen die Allgemeinheit der Mumienbe-
reitung abzugeben. Ich schreibe sie blos auf die gerin-
ge Mortalität der Kinder in jenen Zeiten, da die na-
menlose Schaar von Kinderkrankheiten, Pocken, Masern,
Rhachitis u.s.w. noch unbekannt waren, und dann auch
noch auf die ausnehmende Gesundheit der alten Aegy-
ptier, die von den Schriftstellern so allgemein gepriesen
wird, und sich aus den durchgehends gut erhaltnen Zäh-
nen der Mumien abnehmen läßt.
Gemeiniglich liegen die Mumien in einem Sarco-
phag von Sycomorusholz*), die entweder aus Bretern
zusammen geschlagen, oder bey wohlhabenden in zwey
Stücken, die mit etlichen Zapfen in einander passen,
deren eines den Deckel ausmacht, aus dem ganzen gemei-
selt ist. Der Sarg hat im ganzen ohngefähr die Form
einer Herme, unten eine Art Piedestal, daß er anfangs
[Seite 121] zu Hause und auch wol nachher unten in der Gruft in
einer Nische hat aufgestellt werden können: und auf dem
Deckel oben ein ausgeschnitztes Gesicht, das, wie schon
Herodotus sagt, das Portrait des darin liegenden Tod-
ten seyn soll. Die grosse Aehnlichkeit dieser Gesichter
unter einander, derentwegen Herr Graf Caylus*) bezwei-
felt, daß es Portraits seyn könnten, ließ sich, wie
mich deucht, durch das, was ich oben von der Natio-
nalphysiognomie der Aegyptier gesagt habe, erklären.
Und daß manche nicht gar Portraitmäßig aussehen, das
muß die Einfalt der altägyptischen Sculptur entschuldi-
gen. Wie auf so vielen von unsern alten Leichensteinen,
die oft Familienstücke mit vielen Portraits vorstellen sollen,
und wo doch alle Gesichter, die Engelsköpfgen mit einge-
schlossen, wie aus einer Form gegossen scheinen. Bey vie-
len dieser Gesichter auf den Sarcophagen (aber nicht bey
allen) ist unter dem Kinn ein Spannen langer Zapfen
angebracht, der auch an den Osirisfiguren und sonst häu-
fig vorkommt, und über dessen Bedeutung viel gestrit-
ten worden ist. Die mehresten glauben mit Kircher und
Bonanni, es solle ein Blatt der Persea vorstellen, weil
[Seite 122] Plutarch sagt, die Persea sey der Isis heilig, ihre
Frucht sey herzförmig und ihre Blätter wie Zungen ge-
staltet. Wenn diese Meynung keinen festern Grund hat, so
scheint sie mir äusserst unwahrscheinlich. Wir wissen nicht
recht, was diese Persea der Alten für ein Baum oder Pflan-
ze seyn soll. Theophrastus beschreibt sie am weitläuf-
tigsten, sagt aber, sie hätte Birnblätter, die wol zur
Noth mit einer Zunge, aber doch gewiß nicht mit die-
sen Zapfen Aehnlichkeit haben. Und was mich noch mehr
von jener Meynung abbringt, ist die grosse Verschieden-
heit in der Bildung dieses Zapfen, der bald kurz, bald
lang, breit, schmal, rund oder viereckt, gerade oder
ausgeschweift oder zuweilen gar wie ein Zopf gefloch-
ten ist.
Maillet sagt, daß man auch solche Särge gefunden
habe, mit Gläsern in den Augen des ausgeschnitzten Ge-
sichtes, so daß man die drunter liegende Mumie habe
erkennen können.
Zuweilen ist der Sarcophag aussen, sowohl auf dem De-
ckel als auch manchmal am Rücken mit Figuren und Chara-
ktere bemalt; theils Sinnbilder oder Hieroglyphen; theils
aber auch die merkwürdige Aegyptische Buchstabenschrift,
worüber Warburton, Hr. Graf Caylus und Hr. Prof.
[Seite 123] Büttner so viel wichtiges gesagt haben. Auch hat man
wol eher zwey hölzerne Sarcophagen in einander gepaßt
gefunden.
Sehr selten, und wol nur bey einigen der vor-
nehmsten Personen ist die Leiche zugleich mit dem hölzer-
nen Sarcophag noch in einen andern aus dem ganzen ge-
hauenen steinernen offenen Kasten von Granit oder Ba-
salt gesenkt worden. Gewöhnlich sind auch hieran Hie-
roglyphen eingehauen, dergleichen Herr Niebuhr von
mehrern dieser seltnen Stücke, (davon aber bis jetzt über-
haupt kaum ein halb Dutzend entdeckt sind) unter andern
auch vom sogenannten Brunnen der Verliebten zu Cairo,
der jetzt zu einer Viehtränke dient, abgezeichnet hat.
Sehr viele Mumien liegen aber auch ohne Sarco-
phag blos in Schilf oder Palmzweige eingewickelt, oder
auch, wie Maillet welche beschreibt, die an der Abend-
feite der Mumiengegend bey Sakara gefunden worden,
blosse Körper nur oben hin in Stücken Kattun eingewi-
ckelt, auf eine Schicht Kolen gelegt, und 7 bis 8 Fuß
hoch mit Sand bedeckt. Ueberhaupt haben auch die
Kindermumien sehr selten einen Sarcophag.
Unter dem Deckel dieser Särge liegt gemeiniglich
über die ganze Mumie vom Kopf zum Fuß eine läng-
[Seite 124] lichte Maske von dick auf einander gepappten und auch
wol mit einer Art von Gyps-Paste überstrichenen Cat-
tun, die am Kopf wieder ein gemaltes Gesicht und am
Leib herunter mancherley Vergoldung und buntgemalte Fi-
guren hat, die bey den mehresten solchen Masken gros-
sentheils überein und meist Vorstellung der Balsamation
und der Aegyptischen Gottheiten sind. Fürer von Hei-
mensdorf, Kettner u.a. sagen, daß diese Masken auch
theils von Papyrus wären; aber das scheint wol eine
blosse Muthmassung, wenigstens habe ich weder an die-
sen Masken, noch an den Mumienbinden jemals die
mindeste Spur von diesem Schilfe, auch bey keinem sehr
exacten Schriftsteller eine Bestätigung jener Vermuthung
gefunden.
Eben so ungewöhnlich wenigstens sind auch die
Netze von Glas-Korallen, womit die von Perry beschrie-
bene Mumie unter der Cattun-Maske behängt war.
Sie schienen mir verdächtig, weil sie den abgeschmackten
modernen Zierrathen zu sehr ähneln, womit man wol in
Europa die Mumien aufgestutzt hat, um ihnen ein so
merkwürdiges Ansehen zu geben.*)
[Seite 125] Unter dieser gepappten Kattundecke liegt nun die Leiche
selbst in ihre Binden eingewickelt. Diese sind zuverlässig
nicht wie Greaves*) u.a. wollen von Leinwand, sondern
wie schon der alte, aber zuverlässige Hans Jacob Breu-
ning in seinen fünf Meerfahrten, und nach ihm Giflet
in seinem Werke vom Schweistuch unsers Heilandes ge-
sagt haben, durchgehends allemal von Baumwolle.**)
Sie sind von sehr verschiedener Feine. Meist freylich
grob: aber ich besitze auch ausserordentlich feine Proben,
wie vom besten Indianischen Cattun. Eben so ungleich
ist die Menge der Bänder bey den Mumien, ihre Brei-
ten, die Art wie sie gewickelt sind u.s.w. Zu manchen
muß eine ungeheure Menge Binden, gewiß auf tausend
Ellen, verbraucht seyn. Im akademischen Museum sind
die blossen Binden von den Schenkeln einer Mumie,
die an manchen Stellen drey quer Finger dick über ein-
ander liegen. Die äussern Binden laufen über den gan-
zen Körper, so daß man an manchen von aussen weder
[Seite 126] Kopf noch Gliedmassen unterscheiden kan:*) unter ih-
nen liegen denn die innern Binden, womit die einzel-
nen Glieder und der Leib umwickelt sind, die auch zu-
weilen mit grossen Stücken Cattun, wie halbe Hemden,
die zwischen ihnen liegen, abwechseln. Greaves, An-
dreas Gryphius und Pocock haben die Anlagen dieser
Bandagen an dreyen Mumien, die sie zerlegt, genau
beschrieben. Bey vielen ist das Gesicht entblößt und der
Hinterkopf nur wie mit einer Haube oder wie mit einem
Perückennetz bedeckt, und bey diesen sind, wie Troilo
und Thevenot bemerkt haben, die fleischichten Theile des
Gesichts gemeiniglich mürbe oder schon abgefallen. Hin-
gegen sind die Köpfe einiger Mumien wie zum Ex. der
Grosherzoglichen zu Florenz, die Nordius beschrieben,
oder der Kopf in der Sammlung des Bononischen In-
stituts aufs mühsamste und sonderbarste übers Kreuz um-
wickelt, so daß hin und wieder viereckte Oefnungen zwi-
scheun den Binden blieben, und dergleichen Köpfe alten
geschlossenen Helmen mit durchbrochenem Visir äneln.
Ueberhaupt sind manche Mumienbandagen so unbegreiflich
künstlich angelegt, daß selbst geschickte Wundärzte bezwei-
felt haben, daß man sie heutiges Tages nachmachen kön-
[Seite 127] ne. Doch hat sich Thomas Alghisi, ein berühmter Flo-
rentiner Arzt und Litheton, der unvergoltenen Arbeit un-
terzogen, alle die mühsamen Bandagen der Florentiner
Mumie an einem Fantom aufs genaueste nachzuahmen.*)
Zuweilen sind auch die Binden zunächst um den Leib und
am Arm vergoldet.
Gewöhnlich liegen die Arme der Mumien kreuzweis
auf der Brust über einander, bey einigen aber, wie
bey der gedachten Florentiner, bey der auf der Leipziger
Rathsbibliothek etc. hängen sie an den Seiten des Kör-
pers herunter. An manchen hat man die ganzen Hän-
de, an andern doch die Nägel vergoldet oder roth ge-
färbt gefunden.
Ueber die Materialien, womit die Aegyptier ihre
Leichen eingesalbt, hat man sich noch so wenig verglei-
chen können, daß selbst Chimisten von Profession darüber
in ihren Meynungen getheilt sind. Die einen halten sie
nemlich für Erdharze, Asphalt, Bergöl u.s.w. andere
hingegen für Pflanzenharze von Cedernbäumen etc., und
noch andere für ein Gemische von beiden. Der einzige Al-
te, der Asphalt angibt, ist Strabo, doch sagt ers nur
ganz im Vorbeygehen. Unter den neuern haben hinge-
[Seite 128] gen Belloni, Prosper Alpinus, Nardius, Pocock, Midd-
leton, Herr Rouelle*) u.a. mehr behauptet, daß dieses
sogenannte Indenpech das Hauptingredienz zu den Mu-
mieu sey. Für die andere Meynung hingegen, daß sie
mit Cedernharz u.a. Resinen bereitet wären, erklärt sich
schon unter den alten Herodotus, Dioscorides, Plinius,
Galenus, unter den neuern der sehr gültige Richter
Melch. Guilandinus und zuletzt noch Herr Hardley.**)
Ich will den Behauptungen der erstern um so we-
niger widersprechen, da ich selbst erinnert habe, wie
sehr mannichfaltig die Mumien und die Materialien sind,
womit sie bereitet worden. Aber das kan ich versichern,
daß ich Stücke von wenigstens zehn Mumienkörpern,
aus verschiedenen Cabineten und Officinen untersucht,
und mit mehrerley orientalischen Asphaltarten verglichen,
aber niemals eine Spur von letztern in jenen gefunden
habe. Asphalt riecht, zumal am frischen Bruche oder
angebrannt, widrig schwefelhaft und arsenicalisch, so daß
ich nicht begreife, wie Herr Rouelle den Geruch von
Asphalt und Bernstein für gleich halten kann. Das Mu-
mienharz hingegen riecht zwar bald mehr bald weniger
[Seite 129] angenehm, aber doch gar nie asphaltartig. Asphalt löst
sich in Bergöl aber nicht in Alkohol auf. Mumie um-
gekehrt nie in Bergöl aber gröstentheils in Alkohol.
Das was sich nicht hierin solvirt, löst sich auch in Berg-
öl nicht auf. Im Wasser solvirte sich etwas weniges von
diesem Residuo. Das übrige blieb aber in allen Infusio-
nen, die ich damit versucht habe, unverändert. Die
Binden sind meist mit Gummi auf einander gepappt,
wenigstens löst sich sehr viel davon in Wasser, sehr we-
nig in Alkohol, und wiederum gar nichts in Bergöl auf.
Ich habe alle diese verschiedene Mischungen und Produ-
cte im akademischen Museum aufgehoben. Auch bin ich
auf den Versuch verfallen, und habe die Electricität des
Asphalts und der Mumien mit einander verglichen. Je-
ne hat, wie alle Erdharze, sehr viel, alle meine Stücke
von dieser hingegen eine fast unmerkliche Kraft. End-
lich habe ich aus allerhand Mischungen Mumien nachzu-
machen versucht. Von diesen ist zwar keine einzige der
alten Mumie völlig gleich ausgefallen, doch hatte die
mit Asphalt, Maltha etc. sehr wenig, und hingegen die
von Colophonium, Myrrhen und Ladanum ziemlich viel
Aehnlichkeit. Ich vermuthe also, daß die Basis bey den
feinern Compositionen wol Cedernharz gewesen seyn mag,
[Seite 130] dem aber einige andere Dinge, und bey sehr vorneh-
men Leichen auch wohl Meccabalsam, der wenigstens in
spätern Zeiten zuverlässig gebraucht worden,*) zuge-
mischt ist.
Aloe ist wol nicht darzu gekommen. Wenigstens wur-
den die angenehmsten Mischungen, so bald ich Aloe suc-
cot. dazu that, unerträglich stinkend. Daß die Aegyptier
aber überhaupt Specereyen aus Palästina gekriegt ha-
ben, sieht man schon an den Ismaelitischen Kaufleuten,
die damit von Gilead nach Aegypten zogen, und denen
Joseph von seinen Brüdern verkauft ward.
Die allerfeinste und wolriechendste Mumie die ich ha-
be, ist in ein Stück vom Thorax einer jugendlichen Lei-
che, an dem noch einige Rippen der rechten Seite sitzen.
Sie ist von aussen hart, glänzend, theils ganz schwarz,
theils bräunlich: am Bruche mattglänzend: in der Mit-
te aber braungrau und noch weich wie Wachs, daß sie
sich wie Pillenmasse behandeln läßt, und eben so war
auch das Herz in der Brust der überaus merkwürdigen
prächtigen Mumie, die der ehemalige Hofapotheker Her-
zog in Gotha so genau untersucht und beschrieben hat.
Bey der wohlfeilsten Leichenbestattung ist, wie schon
Herodotus angiebt, und wie man noch an manchen Mu-
mien offenbar sieht, gar kein Harz gebraucht, sondern
der Körper blos in Laugensalz gelegt, und denn in
Binden gewickelt worden. Diese Art von Behandlung
kan nicht hoch gekommen seyn, wohl schwerlich höher
als bey uns die Begräbniskosten eines armen Mannes –
die jura stolae mit eingerechnet. Daher ich allerdings
glaube, daß die Mumienbereitung wenigstens bey den
ältesten Aegyptiern ganz allgemein gewesen, und sich
auch aufs gemeine Volk erstreckt habe. Die Alten sa-
gen durchgehends, daß ein Aegyptier mehr für seine der-
maleinstige Leichenbestattung als für die Bedürfnisse sei-
nes Lebens besorgt sey: und bey der angehenden Vor-
stellung von Seelenwanderung, und künftiger Wiederkehr
der Dinge, wäre es das traurigste für einen armen Ae-
gyptier gewesen, wenn er sich die Hofnung benommen
gesehen hätte, daß seine Seele dereinst ihre vorige Woh-
nung wohlbehalten wieder vorfinden und von neuem be-
ziehen könnte. Auch die zahllose Menge der Mumien
nur allein in den sehr wenigen Gräbern, die bis jetzt
durchkrochen sind, begünstigt diese Vermuthung, und wi-
derlegt zugleich das Vorgeben, daß die Juden in Ale-
[Seite 132] xandrien noch jetzt Mumien nachmachten, und die meh-
resten nach Europa geschickten von ihrer Fabrik wären.
Bey dem sehr mäßigen Preise, in dem die Mumien in
Aegypten stehen, wären die Juden, nur allein die uner-
meßlich viele Binden gerechnet, sehr zu kurz gekommen;
hätten wenigstens ungleich wolfeiler, ächte Mumien auf-
kauffen können. Von Bruchstücken für Materialisten ko-
stete zu Wanslebs Zeiten der Centner nur 2 Löwentha-
ler. Eine ganze Mumie ums Jahr 1610 da Georg
Sandys Aegypten durchreiste, 4 Thaler; und noch vor
40 Jahren, wie Carl Perry dort war, die schönste
Mumie 8 bis 10 Zechinen. Zudem ist nie so viel Nach-
frage nach Mumien gewesen, daß es sich des Betrugsver-
lohnt hätte. Als Arzney sind sie Gottlob nie in Quanti-
tät gegessen worden: und die Seltenheit der ganzen Mu-
mien in Europa rührt, wie auch Hr. Niebuhr ange-
merkt hat, nicht so sehr von der Schwierigkeit, sie aus
Aegypten an Bord zu bringen, als von dem Aberglau-
ben der Europäischen Matrosen, die sie nicht auf dem
Schiffe dulten wollen, her.
Beym Einsalben selbst müssen die Leichenbeschicker
sehr gewaltsam mit der Leiche umgegangen seyn,*) weil
[Seite 133] man fast immer zerbrochene Rippenstücken, abgebroche-
ne einzelne Rückgradswirbel u.s.w. in der Herzmasse, in
der Brusthöhle oder im Unterleibe antrift. Gryphius
fand in der Rückmarkhöhle einer Mumie einen Stock,
der hinein gestossen war. Ich hab sie einst mit Harz
ausgeflossen gefunden. Ehe die Leiche die 30 Tage über
ins Laugensalz gelegt worden, hat man wol die fleischich-
ten Theile hin und wieder eingeschnitten, damit das
Salz desto besser eindringen, und das Fett auflösen und
anziehen konnte. Bey dem Stück von der Brust, dessen
ich gedacht habe, erkennt man die schrägen Fleischfasern
der Intercostalmuskeln sehr deutlich. Die Gesichter sind
bey sehr vielen Mumien so gut erhalten, daß man, wie
Diodorus Siculus sagt, aber Middleton läugnen
wollte, noch die ganze Bildung erkennen kann,*) und
ein Mumienbein, das ich zu untersuchen Gelegenheit ge-
habt habe, hatte vom Knie bis zu den Fuszehen und
[Seite 134] zur Sohle alle seine fleischichten Theile und seine Haut
behalten, war aber ganz verschrumpft, und die Haut,
so weit sie die Binden bedeckten, schmutzig gelb, an den
nackten Zehen aber schwarzbraun und überall harsch wie
Pergament, doch daß man noch die kleinsten Spirallinien
der Haut unterscheiden konnte.
Die Nachrichten, die Herodotus und Diodorus
von der ganzen Procedur bey Verfertigung der Mumien
geben, differiren zwar in Nebenumständen; aber freylich
lebte auch der letztere schon um 500 Jahr später, und
war bekanntlich auch nicht der exacteste Untersucher. In
der Hauptsache aber stimmen sie unter einander und bei-
de wieder mit Mosis*) Erzählung von des Erzvater
Jacobs Begräbnis völlig überein. 30 Tage lang lag
nemlich die Leiche im Laugensalze; 40 Tage dauerte nach-
her die Balsamation: und diese 70 Tage zusammen ge-
nommen, war auch die Trauerzeit der Verwandten.
Ich habe mehrmals an den Mumien selbst die Be-
stätigung von besondern Umständen in jener Griechen
ihren Erzählungen gefunden, und kan sie auch über eini-
ge andere rechtfertigen, die man ihnen nicht hat zuge-
[Seite 135] ben wollen. Gryphius, Middleton u.a. habens z.E.
unwahrscheinlich gefunden, daß nach Herodoti Erzählung
das Gehirn, mittelst eines krummen Eisens, durch die Na-
senlöcher sey ausgeleert worden, haben geglaubt, es sey
vielmehr durch die grosse Oeffnung im Hinterhauptsbeine
geschehen. Aber ich habe allerdings an einem Mumien-
schedel und auch an noch zwey andern, die ich darüber
nachsehen konnte, die knöcherne Scheidewand der Nase
mit samt dem Hanenkamme ausgebrochen, und die durch-
löcherte Scheibe des Siebbeins durchgestossen, hingegen
die benachbarten Theile und selbst die untern Muscheln,
(ossa turbinata infer.) völlig erhalten, und mit Harz
überzogen gefunden. Auch die Harzmasse inwendig im
Hirnschedel und die Weise, wie sie geflossen, stimmen
damit überein; und hingegen habe ich Mumienschedel
gesehen, bey welchen die ersten Halswirbel noch fest am
Hinterhauptsbeine ansassen. Aber eben so wenig will
ich läugnen; daß nicht andere Männer vielleicht bey spä-
tern Mumien das Siebbein unversehrt, und das Harz
durchs for. magn. occipit. eingefüllt gefunden haben. Auch
die Menge des Harzes, die in den Schedel gegossen wor-
den, scheint sehr willkürlich gewesen zu seyn. In ei-
nem Mumienkopfe sind wol etliche Pfunde, andere habe
[Seite 136] ich zuweilen nur wie ausgepicht oder incrustirt ge-
funden.
Diodorus sagt, daß man Herz und Nieren in der
Leiche zurück gelassen habe. Dem widerspricht der Graf
Caylus, zumal in puncto des Herzens – es sey ein ana-
tomischer Widerspruch, daß sich das erhalten könne. Ich
finde zwar nirgend bestätigt, daß man das Herz in
Mumien würklich vorgefunden hätte, aber auf Ana-
tomie hätte der Herr Graf wenigstens nicht provoci-
ren sollen. Nächst der Leber ist kein Eingeweide, was so
leichte trocknet, als das Herz. Wenigstens so gut als
die Zunge, die Greaves noch in einem Mumienkopfe ge-
funden hat.
Daß das Harz selbst in die Markzellen der Knochen
gedrungen, ist richtig, doch nur da es unmittelbar auf
den Knochen gegossen worden. An dem Beine, wovon
ich oben sprach, war nicht einmal etwas Harz in die
Gelenkkapsel des Kniees gekommen, sondern die Mond-
förmigen Knorpel lagen blos verhornt da, wie an einem
trocknen Scelete.
Endlich noch ein paar Worte über die mannichfalti-
gen fremden Dinge, die man zuweilen an oder in den
Mumien findet. Manche haben in den Händen oder un-
[Seite 137] ter einer von beiden Fußsohlen zwischen den Binden ei-
nen Zwickel; Gryphius fand bey einer ein Palm-
blatt unter den Lenden, und etwas fast wie Muscatblü-
ten im Unterleibe, Prosper Alpin in einer andern einen
Rosmarinzweig, der noch wie frisch abgebrochen aussah,
Christian Herzog in der seinigen, ausser vielen andern
sonderbaren Sachen, eine Menge kleiner Acacienschoten:
Maillet in einer andern eine Flasche voll Salbungsharz,
und bey noch einer andern unter der einen Hand auf der
Brust etwas das er für Saiten eines musikalischen In-
struments hält. Man hat viel von einem Goldstücke ge-
sagt, das die Mumien unter der Zunge haben sollten,
und was man ihnen zum Fährgeld mitgegeben hätte.
Ich weiß zwar nicht, wo es Burrettini und Hr. Graf
Büffon her haben, daß so ein Goldstück 2 Louisd’or hal-
te, oder wie Winkelmann gar aus diesem vorgegebenen
eingebildeten Naulus behaupten will, ergo müßten die
alten Aegyptier geprägte Münzen gehabt haben; und
weiß hingegen wol, daß schon Peyresc und viele andere
umsonst darnach gesucht. Aber Herr Graf Caylus hätte
auch deshalb nicht sagen sollen, man habe gar nichts
dergleichen noch gesehen: denn allerdings fand Gryphius
im Schlund einer Mumie ein dünnes Goldblech 10 Gran
[Seite 138] schwer, eingekerbt und zusammen gelegt; dessen Bestim-
mung sich aber freylich nicht leicht errathen läßt.
Gewöhnlich finden sich unter den Binden der Mu-
mien, oder in ihrer Brust ein oder mehrere Figuren von
Steingut oder Kupfer, und wie Maillet versichert, auch
wol von Gold. Meist sinds kleine Osirisbilder mit ge-
kreuzten aufgehabnen Armen, und den Geisseln in bei-
den Händen. Die irdenen, die die gemeinsten sind,
nennt Herr Graf Caylus porcellanen. Nun könnte es
zwar seyn, daß manche ausnehmend fein wären, aber
alle, die ich gesehen, und theils vor mir habe, ähneln
höchstens unserm Steingut, haben eine blaugrünliche
Glasur, und sehen auf dem frischen Bruche rauh und
sandig aus. Nicht selten findet man auch in den Mu-
mien Scarabäen*), theils von Carniol, Jaspis etc. theils
auch aus der gedachten Töpfermasse. In der Gothai-
schen Mumie, die Herzog untersucht hat, entdeckte er
72 symbolische Figuren, von aller Art, Scarabäen,
Niloscope u.s.w. aus Jaspis, Achat, Lasurstein etc. die
[Seite 139] er auch alle hat in Kupfer stechen lassen; ausserdem aber
noch ein überaus sonderbares länglichtes keilartiges In-
strument, aus einem ganz schwarzen gar harten Steine,
wie er ihn beschreibt, das er nicht unwahrscheinlich für
den Aethiopischen Stein hält, womit nach Herodoti Be-
richt der Unterleib der Leichen geöffnet worden. Ich
vermuthe, daß es von wahrem Basalt der Alten ge-
wesen, aus dem auch die Basis der dritten oder schönen
Pyramide bey Alt Cairo, die räzelhafte jetzt verlohrne
Statue des Memnon zu Theben, die obgedachte Be-
gräbniskasten und andere dergleichen alte Kunstwerke, zu-
mal in Oberägypten verfertigt sind, der aber mehren-
theils verkannt und bald mit Graniten bald mit Para-
gour Probierstein (Basanites) am meisten aber mit dem
Vulkanischen erst von Joh. Kentmann sogenannten, Ba-
salt vermengt worden ist.
In meinen Augen doch auch nicht ein Zug von Sinesi-
scher Gestaltung, die Winkelmann in der Gesch. d.K.
d. Alterth. für die eigenthümliche Bildung der Aegyptier
angiebt –
Winkelmann über die Nachahm. der Griechischen
Kunstw. S. 90. u.f. hat beide ausführlich beschrieben,
ohne auf meine Vermuthung zu verfallen. Die seini-
gen, obs vielleicht nationalisirte Ionier oder Carier wä-
ren u.s.w. sind wenigstens alle weiter hergeholt.
Joh. Mich. Wansleben ward im Jul. 1663. von Herzog
Ernst dem Frommen in Gotha in der Absicht nach Ae-
gypten geschickt, daß er von da incognito nach Abessy-
nien gehn, und mit den dortigen Christen tractiren soll-
te. Weil ihm aber der Patriarch von Alexandrien das
letzte Project widerrieth, oder auch, weil er das Oeko-
nomisiren nicht so gut verstand als der Herzog, so ging
er zu Anfang des folgenden Jahres gerade aus Aegy-
pten wieder nach Livorno; und weil der Herzog mit
[Seite 119] seiner Expedition unzufrieden war, von da nicht nach
Gotha, sondern nach Rom, wo er die Religion chan-
girte, und Dominicaner ward. Ich habe seines an-
fänglich guten Freundes, aber nachher bittern Wider-
sachers Hiob Ludolfs Abschriften, von seinen Nachrich-
ten von Aegypten, die er 1665. an den Herzog ge-
schickt; auch 1671. zu Paris italienisch, aber in vielen
Stücken verändert, drucken lassen, vor mir; es ist aber
freylich ein mageres nicht sehr reichhaltiges Werkgen.
Inzwischen ward Wansleb doch 1671. vom Franz. Mi-
nister Colbert zum zweytenmal nach Aegypten geschickt,
da er erst 1676. mit vielen Schätzen für die Königl.
Bibliothek wieder zurück kam, und im folgenden Jahre
sein französ. Reise-Journal zu Paris in 12. drucken ließ.
Dieses letztere ist ein kleines aber interessantes und zu-
gleich zuverlässiges Buch, wo ich viele Nachrichten zu-
erst angezeigt finde, die nachher die folgenden Reisen-
den vom besten Credit bestätiget haben.
Pyramidographia in his miscell. works Vol. I. p. 68. Der
gelehrte Mann hatte eine eigne description of the mum-
mies ausgearbeitet: verlohr aber seine dazu gesammleren
Papiere durch Cromwells Soldaten, da er seiner Pro-
fessorstelle zu Oxford entsetzt wurde.
Von gewissen ganz unnatürlichen Gewaltthätigkeiten, die
[Seite 133] man am wenigsten bey einem so ernsten Volke, wie
die alten Aegyptier, vermuthet hätte, und derentwegen
in der Folge die Leichen schöner Frauenzimmer nicht
eher als wenn sie schon zu faulen anfingen, den Hän-
den der verdächtigen Leichenbeschicker anvertrauet werden
durften, s. Herodotus.
Bey einer von den Mumien, die Gryphius zerlegt hat,
waren wirklich die Augbraunen und Wimpern erhalten.
Und zwar auch in Mumien, die nach allen Zeichen zu
zu schliessen, von einer sehr alten Fabrik seyn müssen.
Daher unmöglich alle Scarabäen so neu seyn können
als sie Winkelmann in der Gesch. der. K.d. Alterth.
macht.