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Magazin
für das Neueste
aus der
Physik
und
Naturgeschichte
,
zuerst herausgegeben
von dem Legationsrath Lichtenberg,
fortgesetzt
von Johann Heinrich Voigt,
Prof. der Mathematik zu Jena, und Corresp. der Königl.
Gesellsch. der Wissens. zu Göttingen.

Sechsten Bandes viertes Stück, mit Kupf.

Gotha
1790
.
bey Carl Wilhelm Ettinger.
[[I]] [[II]] [[III]] [[IV]] [[V]] [[VI]]

[Seite 17]

II.
Dr. Hutton’s Theorie der Erde; oder
Untersuchung der Gesetze, die bey Entste-
hung, Auflösung und Wiederherstellung des
Landes auf unserm Planeten bemerklich sind.
Ein Auszug aus der ausführlichen Abhand-
lung im 1sten Bande der Transactions of
the royal Society of Edinburgh.
1788. gr.
Quart. S. 209 bis 304.

* * *

Vorerinnerung des Einsenders.

Der Verf. wird vielen unserer Leser schon durch
seine Theorie des Regens und den darüber mit Hrn.
[Seite 18] de Lüc geführten gelehrten Streit bekannt seyn.
Da die Edinburgher Transactionen wohl nur in we-
nigen deutschen Bibliotheken befindlich sind, und die
Uebersetzung des Hrn. Prof. Buhle in Göttingen
blos die darin enthaltenen historischen und, philoso-
phischen Aufsätze begreifen, so wird der gegenwärti-
ge Aufsatz hoffentlich willkommen seyn: um so mehr,
da Dr. Hutton’s Theorie in vielen Stücken so
glücklich mit den cosmogenischen Ideen zusammen-
trift, die Hr. Prof. Voigt schen vor vier Jahren
in diesem Magazin geäussert hat (– s. des IIIten B.
4tes St. S. 15 u.f. –). Göttingen im März
1790.

J. V. B.

* * *

1

Iter Abschnitt. S. 209–24. Uebersicht des
abzuhandelnden Gegenstandes.

Das zur Vegetation auf unserm Planeten nö-
thige Erdreich besteht (großentheils) aus den allmä-
lich decomponirten Theilen des festen Bodens, wird
aber auch eben so allmälich vom Wasser wieder weg-
gewaschen, und nach und nach durch die Ströme
erst an die Küsten und endlich durch den Wechsel von
Ebbe und Flut und durch die Strömungen im Meere
in den tiefsten Abgrund desselben geführt. – So
liesse sich ein (wenn auch noch so weit entfernter)
[Seite 19] Zeitpunkt absehen, wo der zur Vegetation taugliche
Boden endlich ganz destruirt seyn würde, wenn
nicht unsere Erde gewissermasen eine Art von Re-
productionskraft äusserte*), wodurch das, was auf
die gedachte Weise auf einem Welttheile derselben
verlohren geht, wieder benutzt, und jener scheinba-
re Verlust auf einer andern Seite wieder ersetzt wer-
den kann.

Offenbar ist unser jetziges festes Land ehedem Mee-
resboden gewesen. Das lehren ausser andern Be-
weisen vorzüglichst unsere Kalkflöze, die von Resten,
versteinter Seethiere gleichsam wimmeln. Es fragt
sich also: durch was für eine Veränderung ist nun
jener vormalige Meeresboden zum jetzigen festen Lan-
de geworden? Und dieß veranlaßt nun eine doppelte
Untersuchung: erstens nemlich, durch was für ver-
härtende
Kraft ist jener weiche Schlich (das Lager
der gedachten Seegeschöpfe etc.) zur marmorartigen
Festigkeit gelangt? und zweytens wie ist er dann
aufs trockne versetzt worden? ward entweder der ver-
härtete Meeresboden über die Fläche des damaligen
Meeres emporgetrieben, oder verlor sich im gegen-
[Seite 20] seitigen Fall das Meer auf eine andere Weise aus
seinem vormaligen Bette?


2

IIter Abschnitt. S. 225–61. Untersuchung
der natürlichen Operationen, die zur Ver-
härtung der Erdschichten auf unserm Plane-
ten angewendet worden.

Der Verf. glaubt hier aus chemischen Princi-
pien sowohl als aus mechanischen (die aber für uns
hier keines Auszugs fähig sind) erweisen zu können,
daß die Schichten von lockern Stoffen, die auf die
gedachte Weise auf dem Meeresboden gesammelt und
zusammengehäuft worden, nicht anders als durch
Hitze und durch die dadurch bewirkte Schmelzung
zu ihrer nachwärtigen Festigkeit haben gelangen kön-
nen*). Und zwar behauptet er dieß nicht allein von
den Flözschichten, sondern sogar auch vom Granit.
Er beruft sich zu diesem Zweck auf eine besondere
[Seite 21] Art von Granit*), die sich in Aberdeenshire in
Schottland, 4–5 (englische) Meilen von Portsoy,
[Seite 22] westlich am Wege nach Huntly, findet, wo sie sich
in den gemeinen Granit jener Gegend verliert.

Der Anblick dieses Fossils zeigt, wie der Verf.
sagt, ganz augenscheinlich, daß der Feldspat und
Quarz an die beiden Hauptbestandtheile desselben in
einem flüssigen Zustande müssen unter einander ge-
mengt worden seyn, und daß durch die rhomboidale
Crystallisation des Feldspats, die so ganz sonderbare
eigne Gestaltung des dazwischen eingeschloßnen Quar-
zes bewürkt worden.


3

IIIter Abschnitt. S. 261–285. Untersu-
chung der natürlichen Operationen, die zur
Hervorbringung des Landes über die Mee-
resfläche, angewandt worden.

Der Verf. hält sich überzeugt, daß zu diesem Be-
huf die gleichen Kräfte von der Natur angewandt
worden, wodurch sie auch hierin gedachter Meynung
nach den vormaligen weichen Schlich des gedachten Mee-
[Seite 23] resbodens zu festen Erdschichten verhärtet; nemlich
Feuer, und mittelst desselben unwiderstehlich aus-
dehnende Kraft.

Die Vulcane sind im Grunde blos Luftlöcher für
die ungeheuern unterirdischen Oefen, die auf eine sehr
wohlthätige Weise den allzugewaltsamen Würkungen
des eingeschloßnen Feuers, den Erdbeben, der unzei-
tigen Erhebung des Erdbodens u. dergl. vorbeugen.

Umständlich für den vulcanischen Ursprung des
Basalts, den er aber als eine unterirdische Lave
in Rücksicht seiner ganzen Entstehungsart, Ansehen,
der Lagen, die er zwischen den Flözschichten macht,
u.s.w. genau von den frischen eigentlich sogenann-
ten Laven der wirklich feuerspeyenden Berge, un-
terscheidet. Diese letztere sind in ihrem flüssigen Zu-
stand an die freye Luft geströmt; jene hingegen sind
erst der Atmosphäre ausgesetzt worden, nachdem sie
seit undenklicher Zeit verhärtet waren, und wer weiß
wie mancherley Decompositionen etc. noch seit der Zeit
erlitten hatten.

Daher sollte man auch den Basaltbergen nicht
gleich, den Namen von ausgebrannten Vulcanen bey-
legen, weil dieß verleiten könnte, eine größere Aehn-
lichkeit zwischen ihnen und den jetzigen feuerspeyenden
Bergen oder zwischen Basalt und frischer Lava zu su-
chen, als doch nach der großen Verschiedenheit der
[Seite 24] Umstände, die bey beider ihrer Entstehung durchs
Feuer vorwalten, nur erwartet werden darf.


4

IVter Abschnitt. S. 285–304. System über
wechselseitigen Verlust und Wiedererzeugung
des Landes auf unserm Erdboden.

In dem natürlichen Laufe der Veränderungen
auf unserm Erbboden geht unaufhörlich Land verloh-
ren. Eben so unaufhörlich sucht die Natur auf die
obgedachte Weise wiederum neues Land zu recrutiren.

Nun aber ist es nicht nothwendig, daß jener Ver-
lust und dieser Ersatz schlechterdings immer in völ-
lig gleichem Verhältnis gegen einander stehen müß-
ten: sondern der Zweck, den die Natur zu erreichen
sucht, ist blos, zu allen Zeiten im ganzen ein solches
Verhältniß von Wasser und Land auf unserm Pla-
neten zu erhalten, als es die organisirte Schöpfung
zu ihrem Aufenthalt etc. erfodert.

Eben so wenig ist es nothwendig, daß jener Ver-
lust schlechterdings blos auf die obgedachte Weise
durch allmähliches Zerfallen und Wegströmen ins
Meer erfolgen müßte: sondern in einzelnen Fällen
kann auch jener Verlust durch plötzliches Versin-
ken von Landstrichen bewirkt werden u.s.w.

[Seite 25]

Im Grunde muß man sich aber das Land auf
unserm Erdboden immer in einem dreyfachen ver-
schiednen Zustande gedenken. Den einen Theil nem-
lich, der das gegenwärtige bewohnbare Land aus-
macht. Einen zweyten ältern, nemlich das vor-
her da gewesene und nun aufgelößte, zerstörte und
in den Boden des jetzigen Meeres geschlemmte Land.
Und endlich eine dritten jüngsten Theil, der nem-
lich auf diesem Meeresboden als in dem großen La-
boratorium der Natur aus jener destruirten Erde
von neuem regenerirt wird, um einst unser jetziges
festes
Land, wenn dasselbe allgemach (so wie vorher
der ältere Boden) aufgelößt seyn wird, gleichsam zu
ersetzen.

Zur Zeit, da jenes ältere Land der Vorwelt aus-
gedient und sein Ziel erreicht hatte und nun aufge-
lößt und ins Meer geschlemmt ward, erhob sich in-
deß unser jetziges festes Land über die Oberfläche des
damaligen Oceans, auf dessen Boden es allgemach
gebildet worden war.

Bey einem solchen dreyfachen Zustande des Lan-
des auf unserm Planeten begreift sich auch, wie ohn-
geachtet dieses beständig fortdauernden Wechsels den-
noch das Menschengeschlecht, so wie die Geschlechter der
Thiere und Pflanzen haben erhalten werden, und vom
Lande, das jetzt allgemach zu schwinden beginnt, nach
[Seite 26] dem neuen, was dafür entsteht, wandern und fortge-
pflanzt werden können*).

Das Land also, das gegenwärtig auf dem Mee-
resboden entsteht, wird nicht aus dem Stoffe des-
jenigen
gebildet, das wir jetzt bewohnen, sondern
aus einem vorhergegangenen ältern, das aber vor-
längst aufgelößt worden. Denn der Meeresboden
muß mit zusammengeschwemmten Schlich gefüllt wor-
den seyn, ehe neues Land über die Fläche desselben
empor gehoben werden konnte.

Gesetzt, z.B. das künftige feste Land, das
einst unserm jetzigen succediren soll, fienge jetzt an
mitten auf der Südsee sich über das Meer zu erhe-
ben, so müßte doch schlechterdings der Stoff zu die-
sem großen neuentstehenden Welttheil, von einem an-
dern längst destruirten und in jenem Ocean zusam-
mengeschlemmten Erdboden der Urwelt gesammelt
worden seyn.

Unser jetziges festes Land besteht daher nicht
aus dem Stoffe seines nächstvorhergehenden Anteces-
sors, sondern aus des weit ältern Präantecessors
seinem.

Jenes nächst vorhergegangenen Antecessors Stoff
liegt gegenwärtig im Meeresboden, und wird zum
[Seite 27] künftigen Erdboden des Successors unseres jetzigen
Continens zubereitet.

So geht der beständige Wechsel von Bewohn-
barkeit, Destruction und Neogeneration des Erdbo-
dens auf unserm Planeten seinen ewigen stillen
Gang fort.

Ein neuer bewohnbarer Theil der Erde succedirt
einem andern, der dagegen bald destruirt werden
und zu einem künftigen Nachfolger jenes neuen be-
wohnbaren zubereitet werden wird.

Und so ist denn bey diesem großen Cirkel in der
ewigen Folge dieser bewohnbaren Erdtheile, das Re-
sultat des gegenwärtigen Untersuchung, daß wir eben
so wenig eine Spur eines Anfangs – als eine Aus-
sicht zu einem Ende finden*).


Notes
*).
[Seite 19]

Hr. Dr. Hutton sagt von unserer Erde: –
‘„may it not be also considered as an organised body? –“’

Und Hr. Prof. Voigt a.a.O. – „Wie nun,
wenn man den Erdball als ein großes
in seiner Art, wiewohl sehr grob, or-
ganisirtes Geschöpf ansähe
?“ –

*).
[Seite 20]

Seine Worte sind: – ‘„that the power of heat
and operation of fusion must have been em-
ployed in consolidating strata of loose mate-
rials, which had been collected together and
amassed at the bottom of the ocean
.
“’

– ‘„that all the solid strata of the globe ha-
ve been condensed by means of heat, and har-
dened from a state of fusion
.
“’ –

*).
[Seite 21]

Ich habe durch die Güte des Hrn. Dr. Crich-
ton
in London ein Stück dieses aus aller Rück-
sicht sehr merkwürdigen sonderbaren Gesteins vor
mir. Es ist dem Gemenge nach ein wahrer Gra-
nit, nur von sehr ungleichem Verhältniß seiner
drey Bestandtheile. Von Glimmer nemlich ist nur
hin und wieder eine ganz kleine kaum merkliche
Spur zu erkennen. Den bey weiten größten Theil
macht der Feldspat aus, der von einer röthlich
grauen Farbe ist. Der Quarz endlich bildet un-
zählige meist scharfeckichte keilförmige Splitter und
Blättchen, womit der Feldspat ganz dicht und nach
einer bestimmten Richtung wie durchzogen ist; so
daß ein Stück dieses sonderbaren Gesteins, wenn
es in die Quere durchschnitten und polirt wird,
nichts geringers als einen wahren Graptoli-
then
voller syrischen und arabischen Buchstaben
darstellt, der weiland die ehrlichen Lusus-naturae-
Männer entzückt haben würde! Ich zeigte meine
Täfelchen unserm großen Orientalisten, dem Hrn.
Prof. Tychsen, und nannte es im Scherz die
allerälteste Inschrift. Die Antwort des Hrn. Prof.
war:

‘„Auf dem Granitstück sind wirklich einige Züge,
die mit syrischen Buchstaben große Aehnlich-
keit haben: – Aber weit mehr Züge gleichen den
Cufischen oder Altarabischen, wie man sie auf
den ältesten arabischen Chalifen-Münzen findet.
Ich lege eine Zeichnung des Steins bey, wo die
Buchstaben, um sie auf dem Stein wieder finden
zu können, mit Ziffern bezeichnet sind etc. Ew.
werden aus der beygefügten Erklärung sehen, daß
sich fast das ganze cufische Alphabet herausbringen
läßt. Es sind sogar ganze hebräische Worte dar-
auf, und ein Buxtorf würde hier eine merk-
würdige Bestätigung seiner lingua primaeva finden.
Z.B. ahab (amavit); lahem (illis); u.s.w. ei-
[Seite 22] ne glücklichere Phantasie als die meinige würde
leicht noch mehrere entdecken. Ew. hatten also
allerdings Recht, diesen Stein die älteste In-
schrift
zu nennen, da er nicht nur Buchstaben
sondern auch Wörter enthält. – Da aber die
Sprache wahrscheinlich präadamitisch ist,
die der Orientalist die Erlaubniß hat nicht zu
verstehen, so bleibt der Commentar zu Inschrif-
ten dieser Art billig dem Naturforscher über-
lassen.“’ –

*).
[Seite 26]

Vergl. hiermit Hrn. Prof. Voigts mehrsedach-
ten Aufsatz a.a.O. 17 u.f.

*).
[Seite 27]

– ‘„The result, therefore, of our present
enquiry is, that we find no vestige of begin-
ning, – no prospect of an end.
“’



Blumenbach, Johann Friedrich and Hutton, James. Date:
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