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Magazin
für das Neueste
aus der
Physik
und
Naturgeschichte,
zuerst herausgegeben
von dem Legationsrath Lichtenberg,
fortgesetzt
von Johann Heinrich Voigt,
d.W.D. Prof. der Mathematik zu Jena, und Corresp. der
Königl. Gesellsch. der Wissens. zu Göttingen.

Neunten Bandes erstes Stück, mit Kupf.

Gotha
1794
.
bey Carl Wilhelm Ettinger.
[[I]] [[II]] [[III]] [[IV]]

Neue Beobachtungen.

[Seite 1]

I.
Herrn de Luc’s geologische Briefe, vom
Herrn Professor Blumenbach.

Aus der französischen Handschrift.


Zweyter Brief. Zergliederung der geologischen Phänomene, die auf
die Bestimmung ihres Ursprungs leitet.



Es ist sehr gewöhnlich daß man sagen hört, die
Menschheit werde heutiges Tages sehr aufgeklärt:
und auf den ersten Blick scheints kaum daß diese Be-
[Seite 2] hauptung einem Zweifel unterworfen seyn könne;
und doch ist sie im Grunde sehr zweydeutig; und
ihre unbedingte und ungeprüfte Annahme könnte sehr
große und selbst traurige Folgen haben. Dieß be-
wegt mich von dem Gegenstand den ich in diesen
Briefen behandle, Anlaß zu nehmen sie zu zerglie-
dern und auf ihre wahre Beschaffenheit zurück zu
bringen.

1.

Vor allen Dingen darf man die sehr wesentliche
Bemerkung nicht vergessen, daß die Wissen-
schaften
, in sofern sie das Resultat der Beob-
achtungen und Untersuchungen des Menschen sind,
aus zweyerley Stücken von sehr verschiedener Natur
bestehen, die bey weitem nicht immer den gleichen Gang
zusammen nehmen. Das eine ist die Masse der
Axiomen und Thatsachen, die in sich selbst vom
Menschen unabhängig sind, und ihm erst durch die
äussern Gegenstände geliefert werden müssen. Das
andere hingegen sind die Theorieen und Systeme
die aus jenen Datis erst gezogen worden. Dieß
sind die beyden verschiedenen Gesichtspunkte, aus wel-
chen man die Aufhellung einer Generation prüfen
muß.

2.
[Seite 3]

Und selbst bey dieser Prüfung stellt sich der all-
gemeine Gegenstand der Wissenschaften wiederum
von zweyen sehr verschiedenen Seiten dar. Man
darf nemlich die Summe von reeller Aufhellung bey
einer gewissen Anzahl von Individuen, bey weitem
nicht mit dem Grade derselben verwechseln der unter
die übrigen Menschen verbreitet ist. Denn nach
diesen beiderley Gesichtspunkten kann eine Menschen-
generation unter sehr ungleichem Lichte erscheinen.

Wenn sich die Kenntnisse unter den Menschen
erweitern, so sind sie bey weitem nicht immer gleich
von Anfang in ihrer vollen Reinheit: es braucht
erst Zeit bis sie durch eine gewisse Classe von Indi-
viduen geprüft, berichtigt, entwickelt worden, und
nur das was am Ende alle diese Proben besteht, kann
als reiner Zuwachs zum Stock der wahren Wissen-
schaft
angesehen werden.

Sehr oft aber ist es blos der erste unbestimmte
Schimmer, oder auch die unrechte Art die neuen
Gegenstände anzusehen, die sich zuerst unter den
großen Haufen verbreiten, was dann, – freylich
nur für eine Zeitlang, aber zuweilen gerade in den
wichtigsten Zeitpunkten –, nachtheiliger ist als der
Mangel der Aufhellung selbst.

[Seite 4]

Wenn man also unsrer Generation damit schmei-
chelt daß sie aufgeklärter sey als die vorhergehenden,
so versteht man allgemein verbreitete Aufhellung
darunter; und dieß ist folglich der Gesichtspunkt
unter welchem ich das Problem prüfen muß, das
freylich von andern aus einem von dem meinigen gar
sehr verschiedenen Gesichtspunkte angesehen wird.

3.

In allen Generationen machen die Gelehrten
eine ausgezeichnete Menschenclasse in Bezug auf die
Wissenschaften aus; da sie es vorzüglich sind
denen die Wissenschaften ihre Erhaltung und Fort-
gang, die übrigen Classen aber auch ihre Aufhellung
in demjenigen zu verdanken haben, was sie nicht
selbst entdecken oder durch Nachdenken ergründen
können. Manche dieser Lehrer der Menschheit schrän-
ken sich blos darauf ein, entweder blos die neuen
Facta, oder aber die allgemeine Uebersicht von
den bekannten Factis darzustellen, ohne weitere Er-
läuterungen darüber beyzufügen; so daß auf diese
Weise die einfachen Resultate der Erfahrung und
Beobachtung die durch eine gewisse Zahl von Schrift-
stellern gesammlet worden, unter die übrige Genera-
tion verbreitet werden und dadurch der feste Grund
zu den Wissenschaften unter ihnen gelegt wird.
Aber diese einfache Darstellung der Thatsachen
[Seite 5] ist im Grunde eine große Seltenheit, so häufig sie
auch angekündigt zu werden pflegt. Der menschliche
Geist liebt das Generalisiren; er nimmt gar zu leicht
das was er nur zuweilen beobachtet hat, als allge-
mein und beständig an; zieht zu geschwinde Folge-
rungen daraus oder glaubt die Ursachen davon aus-
gemittelt zu haben: und alles dieß oft ohne es zu
bemerken: so daß man in der That schon tief ins
innere der Wissenschaften eingedrungen seyn muß,
um genau die positiven und bestimmten Thatsa-
chen
die sie enthalten, von den dazwischen verfloch-
tenen und oft innig verwickelten Hypothesen un-
terscheiden zu können. Wie sollen daher nun dieje-
nigen die ihre wissenschaftlichen Kenntnisse
nur aus der zweyten, dritten Hand erhalten, sich vor
Irrthum bewahren können?

Folglich aber ist es auch fürwahr nicht genug,
daß eine Generation viel von Wissenschaften
schwazt um sie deshalb für sehr aufgeklärt zu hal-
ten; man muß erst strenger prüfen worinn denn
nun ihre wissenschaftlichen Einsichten be-
stehen?

4.

Je mehr sich der Stock von wissenschaftlichen
Thatsachen in einer Generation häuft, desto mehr
Zeit braucht es den neuen Zuwachs derselben von
[Seite 6] den Hypothesen zu säubern, die ihnen so oft von
denjenigen, die sie vortragen oder wiederholen, unter-
gelegt werden.

Folglich ist auch die Fülle von Thatsachen
die von einer Menschengeneration gesammlet wor-
den ebenfalls bey weitem noch kein sicheres Merkzei-
chen von dem verhältnißmäsigen Fortgang in ihrer
wahren Aufklärung; und nichts hemmt vielmehr
diesen Fortgang so sehr, als der Mangel von be-
stimmtem Unterschied zwischen diesen Datis und den
Folgerungen die man zu voreilig daraus zieht; ein
Fehler der zumahl in der gegenwärtigen Generation
sehr gemein geworden ist. Und doch wäre es Pflicht
aller derer welche neue Entdeckungen ankündigen oder
verbreiten, diesen Unterschied streng zu beobachten;
weil widrigenfalls der große Haufe der dadurch un-
terrichtet werden soll, nicht genug auf seiner Hut
bleibt von seiner eignen Urtheilskraft Gebrauch zu
machen.

5.

Wenn diese Vorsicht überhaupt schon aus billi-
ger Achtung gegen das Publicum beobachtet werden
sollte, dessen Aufmerksamkeit man ambirt; so wird
sie vollends zur ernstlichsten Pflicht, wenn die Gegen-
stände die man ihm vorträgt auf Thun und Lassen
[Seite 7] und auf die Glückseeligkeit des Menschen Einfluß
haben. Und in diesem Falle lehrt selbst die Moral,
daß man immer bemerkbar machen müsse, wie weit
sich die Folgen erstrecken können und sogar müssen,
die man aus gewissen Factis zieht; damit diejeni-
gen die ihre Aufmerksamkeit darauf richten, sie der
Wichtigkeit des Gegenstandes anmessen mögen.

6.

Ich habe bisher blos solche Ideen und Maxi-
men vorgetragen, die gerade deshalb weil sie aufge-
klärten Personen von selbst einleuchten, trivial
und sogar langweilig scheinen könnten. Aber
gar oft entstehen die Verirrungen der Menschen ge-
rade dadurch, daß sie die allereinfachsten und aller-
verbindlichsten Maximen vergessen: und um ein
großes Beyspiel von diesen Verirrungen zu geben,
und mich zugleich selbst vor der Vergehung zu sichern,
die ich in der leztern obigen Maxime angegeben ha-
be, so benachrichtige ich gleich jezt die neuen Leser
die ich ohne Zweifel durch Ihre Vermittelung erhal-
ten werde:

‘„Daß die geologische Abhandlung, von
welcher ich in diesen Briefen einen Auszug zu
geben versuche, mich gerade auf die Bestäti-
gung der Gewißheit der mosaischen Offen-
barung
führt.„’

7.
[Seite 8]

Und nun frag ich: handeln diejenigen Geologen
eben so aufrichtig, die seit langer Zeit Systeme ent-
worfen haben, deren Folgen darauf hinauslaufen,
diese Offenbarung über den Haufen zu werfen? Ha-
ben sie, sage ich, diesen ihren Zweck so angekün-
digt, daß die Zuhörer auf ihrer Hut bleiben gegen
eine unvollständige Darstellung der Thatsachen, oder
gegen ärmliche physische Hypothesen die bey einem
so wichtigen Gegenstand in Irrthum verleiten könn-
ten. Ich weis sehr gut wie man sie darüber wird
entschuldigen wollen, daß sie nicht so offenherzig ge-
wesen. Sie schreiben zu einer Zeit (wird man sa-
gen) wo ihnen eine solche Offenherzigkeit den Un-
willen des großen Publicums und selbst obrigkeitliche
Ahndung zugezogen haben würde. Ich lasse diese
Rechtfertigung an ihrem Ort gestellt seyn; die in
einigen Fällen gültig seyn mag. Aber nie wird man
weder diese Schriftsteller noch ihre Nachbeter recht-
fertigen können, wenn es von ihnen allgemein be-
kannt ist, daß sie aufs gerathewohl und doch ganz
keck und dreist Fragen abgeurtheilt haben, die ihrer
Natur nach das tiefste Naturstudium erfoderten;
und daß sie den Ruf von aufgeklärten Köpfen worin
sie standen, gemisbraucht haben um das Volk ganz
sachte zu den traurigsten Irrthümern zu verführen.

8.
[Seite 9]

Viele Leute täuschen sich in dieser Rücksicht auf
eine gefährliche Weise. Um den Werth der Auf-
klärung
die unsrer Generation zugeschrieben wird,
und das Verdienst derjenigen recht zu erheben; die
dieselbe verbreiten, schildern sie die Unwissenheit
als den allergefahrvollsten Zustand für den Menschen.
Allein, ehe man der Eigenliebe der Menschen über
ihre Einsichten schmeichelt, und sie so über die Ge-
fahr einschläfert die aus ihrer eingebildeten Weis-
heit
entstehen kann, einer Gefahr die größer und
dauerhafter ist als diejenige der man durch die Un-
wissenheit
ausgesetzt wird, sollte erst geprüft wer-
den was man denn nun ihre Aufklärung nennt?
ja ich getraue mir so gar ist Rücksicht vieler die diese
Täuschung verbreiten helfen, zu behaupten, daß sie
erst damit hätten anfangen müssen, sich selbst in
den Stand zu setzen, so eine Prüfung, wenigstens
was die wichtigsten Punkte derselben betrift, unter-
nehmen zu können. Und hierzu gehört denn ohne
Widerrede auch der Gegenstand dessen ich vorhin
Erwähnung that, und über welchen so viele soge-
nannte aufgeklärte Menschen ganz decisiv urtheilen,
ohne sich erst die nöthigen Kenntnisse dazu verschaft
zu haben.

[Seite 10]

Die Geologie, diejenige Wissenschaft die man
zu Rathe ziehen mußte um die Meynung über die
mosaische Offenbarung zu verificiren, umfaßt
eins der weitesten Felder im ganzen Naturstudium;
und gerade eins worin man wahrhaftig die Menschen
am mindesten irre führen sollte! und doch werde ich
nun zeigen, was diejenigen Männer, deren Wort
man hierin glauben zu können meynte, für eine Art
Aufhellung darüber verbreitet haben.

9.

Die Geologen von denen ich spreche haben Sy-
steme geschaffen, die durch ihre Folgerungen gerade
darauf abzwecken, der ersten von unsern Offenba-
rungen
zu widersprechen; derjenigen, die allen
folgenden zur Grundlage dient. Und um den Ein-
druck zu schwächen, den natürlicherweise ein solcher
Anfall bewirken mußte, haben sie die Leser zu über-
reden gesucht, als sey die Stiftung des Christen-
thums von der mosaischen Religion sehr unabhängig,
und als sey es für jenes sehr unwesentlich, ob man
die ersten Capitel des ersten Buchs Mosis für
eine Offenbarung halte.

Da nun diese Schriftsteller behaupten, daß ihre
Schlußfolgen von selbst aus den Einsichten flößen,
die man sich über unsere Erde erworben; so sind
[Seite 11] diese Folgerungen von sehr vielen andern Schriftstel-
lern und Lehrern der Naturgeschichte mit noch
weniger Zurückhaltung wiederholt worden. Ihre
Behauptungen haben sich durch die Lectüre ihrer
Schriften und durch die Vorlesungen über dieses
Modestudium fortgepflanzt: und da sie auf diese
Weise über einen großen Theil der feinern und soge-
nannten aufgeklärtern Welt verbreitet worden; so
sind wir endlich so weit gekommen, daß die mehre-
sten Menschen die sich mit wissenschaftlichen Stu-
dien
abgeben, befürchten für Ignoranten gehal-
ten zu werden, wenn sie nicht denen beypflichten,
die jenen ersten Theil der Weltgeschichte, der uns
durch die Juden überliefert worden, für eine Er-
dichtung
erklären: eine Behauptung, der man so-
gar unter den Juden selbst Eingang zu schaffen ge-
wußt hat.

So ist es gekommen, daß eine so große Menge
von Gelehrten, die übrigens weder Naturhistoriker
noch Physiker waren; sondern die nur das als ein-
mal erwiesen voraussetzten, was man das Zeugniß
der Natur
nannte, einige historische und morali-
sche Argumente gegen die Aechtheit der mosaischen
Schöpfungsgeschichte immer mehr geradezu und im-
mer mit größerm Erfolg wiederholt haben; die zwar
sämmtlich vorlängst von Juden und Christen wider-
legt worden, und die überhaupt auf den großen
[Seite 12] Haufen niemals einigen Eindruck gemacht haben
würden, wenn man ihnen nicht den Anstrich gege-
ben hätte als ob sie aus der Natur selbst geschöpft
wären.

Und freylich, wenn in der That die Tradition
vom Alter und ersten Zustand unsrer Erde durch
die Natur widerlegt würde, so würde ein so un-
erschütterliches Zeugniß selbst über allen bisherigen
Beyfall gesiegt haben, den die Menschen der Tradi-
tion geschenkt hätten: aber eben dieses angebliche
Zeugniß der Natur ist es, was wir nun näher un-
tersuchen wollen.

10.

Alle die Theorieen der Erde, die man der
mosaischen Offenbahrung entgegengesetzt hat,
enthalten einen gemeinschaftlichen Satz, der auch
in allen das Grund-Argument gegen diese Offen-
bahrung
ist: nemlich, daß unser festes Land von
einem sehr hohen Alter sey. In der That wäre
dies ein ganz peremtorisches Argument gegen denje-
nigen Theil von Mosis Erzählung, der den An-
fang der Bevölkerung der Erde auf eine große phy-
sische Catastrophe folgen läßt, welche die ganze Erde
betraf, und die von da an die Geschichte des Men-
schengeschlechts in eine Reihe von Generationen be-
[Seite 13] ginnt, die sich dann an die eigentliche bürgerliche
Geschichte anschließt. Allein, je wichtiger diese geo-
logische Behauptung für die Geschichte des Men-
schengeschlechts würde, um desto nothwendiger war
es auch, sie durch solche Beobachtungen zu beweisen,
die unmittelbar über und an unserm festen Lande
angestellt worden: und doch hatte man nur nicht
einmal daran gedacht, sie unter diesen Gesichtspunkt
zu prüfen. Man suchte ihren Ursprung zu erklä-
ren: weil es sehr einleuchtend ist, daß sie nicht mit
unserer Erdkugel selbst von gleichem Alter sind, und
daß sie sich durch irgend eine physische Ursache haben
bilden müssen: aber die verschiednen Ursachen denen
man sie zuschrieb, hätten mit solcher Langsamkeit
agiren müssen, daß alle Geschicht-Kunde nicht hin-
gereicht hätte diese Würkungen begreiflich zu machen.
Und da man es also für unmöglich hielt das Alter
des jetzigen Zustandes unsrer Erde durch unmittel-
bare Beobachtungen einzuschränken; so setzte man
demselben überhaupt keine anderen Grenzen, als die
das System forderte, das man sich zu schaffen belieb-
te. Mithin ist die ganze Idee vom prodigieusen
Alter unsers jetzigen festen Landes wodurch man
die mosaische Schöpfungsgeschichte so entschei-
dend zu widerlegen meynt, keinesweges aus Factis
gezogen; sondern sie ist nichts mehr als eine Hy-
pothese
, die man hat adoptiren müssen um andre
Hypothesen dadurch aufzustutzen.

11.
[Seite 14]

Demohngeachtet wollen wir einmal für einen
Augenblick von der Meynung dieser Geologen aus-
gehen, daß sich auf unserm festen Lande selbst
keine gültigen Beweise fänden woraus sich ihr Alter
bestimmen ließe. Nun dann, wenn also eine uner-
meßlich lange Zeit, die man den eingebildeten Ur-
sachen
eingeräumt, das große Ganze der geologi-
schen Phänomene hätte erklären können, so wäre es
sehr natürlich gewesen dieselbe anzunehmen. Als ich
daher in meinen Briefen über die Geschichte
der Erde und des Menschen
diese Systeme
prüfte, so machte ich anfangs gegen die Zeit gar
keinen Einwurf; sondern hielt mich einzig an die
angeblichen Ursachen; und da ich nun mit jeder
derselben die Wirkungen verglich, die ihr zugeschrie-
ben werden, so zeigte ich, daß sie mir hätten kön-
nen aufgestellt werden, wenn ihre Erfinder auch nur
oberflächlich von den geologischen Phänomenen wä-
ren unterrichtet gewesen; da unter allen auch nicht
eine ist, die, man möchte ihr auch noch so lange
Zeit zugestehen, nur die allergemeinsten dieser Phä-
nomene zu erklären im Stande wäre.

12.

Und doch ist diese – an und für sich so precäre,
und für die Geologie so unnütze Hypothese – das
[Seite 15] einzige Argument, das man als Zeugniß der Na-
tur der mosaischen
Erzählung von einer Er-
neuerung des Menschengeschlechts mittelst einer großen
Revolution, die unsre ganze Erde vor einer nicht
sehr langen Zeit betroffen hat, entgegensezte. Nach-
dem ich also die Systeme dieser Geologen widerlegt
und dadurch gezeigt hatte, wie unüberlegt ihre Aus-
fälle gegen die Offenbahrung gewesen seyen; so bewies
ich dagegen durch das Zeugniß der Natur, und
durch die verschiedensten peremtorischen Beweise,
daß unsre Erdkugel nothwendigerweise jener Revo-
lution
erfahren haben müsse; da unser festes
Land
im Grunde nicht älter ist, als es jene histo-
rische Theil der Offenbahrung angiebt, welches dann
in Rücksicht der Größe des Ereignisses, eine sehr
auffallende Bestätigung ist. Ich habe einige dieser
Phänomene in meinen vorigen Briefen angeführt,
und ich werde zeigen, daß man sich noch auf eine
ganze Folge von übereinstimmenden Zeugnissen hierü-
ber gefaßt machen muß; freylich wohl zum großen
Erstaunen aller derer, die sich durch diese grundlosen
geologischen Systeme zu ihrem großen Nachtheil
verleiten lassen.

13.

Aegypten und Indien sind die beyden Länder,
von welchen man unter dem Schutz der Unwissenheit
[Seite 16] in gründlicher Geologie die allermehresten chrono-
logischen
Fabeln entlehnt hat, die sich auf das ob-
scure Zeugniß einiger Unwissenden oder anmaaßen-
den Secten gründeten. Aber der Einfluß der An-
tiquarien die uns diese Erdichtungen überlieferten
und mit ihren Muthmaßungen begleiteten, muß
jezt den Naturforschern weichen, die das zuverläßige
Licht der wirklichen Phänomene verbreiten. Der
Commandeur de Dolomieu, dessen Meynung ich
schon in meinem vorigen Briefe angeführt habe, hat
nun im Journal de physique eine Abhandlung über
Aegypten geliefert; die für die Geschichte unsrer
Erde von großer Wichtigkeit ist. Dieser aufmerk-
same Beobachter erläutert darin viele geologische
Phänomene durch die großen, daselbst von Menschen-
händen unternommnen, Arbeiten, die zu der Zeit
ausgeführt worden da Aegypten stark bevölkert war,
und die dazu dienten theils das Wasser abzuleiten
und zu vertheilen, theils es während der Ueber-
schwemmung zu sammlen, um es dann zur Zeit der
Dürre benutzen zu können. Die gleichen Bedürf-
nisse haben auch in der Indischen Halbinsel auf der-
gleichen Auswege geführt, wo sie vielleicht zuerst
erfunden worden; wie ich dieß aus einer Be-
schreibung jenes Landes ersehe die ich vor kurzem er-
halten habe. Nun fragt sich: ist es der Einbil-
dungskraft erlaubt, diesen Unternehmungen, sie
mögen auch noch so auffallend groß seyn, ein ganz
[Seite 17] unbestimmt hohes Alter zuzuschreiben? Nein, ge-
wiß nicht. Denn, abgerechnet, daß sie größten
Arbeiten der Art, die man in Aegypten findet,
unleugbar unter der bekannten Regierung des Seso-
stris
ausgeführt worden; so zeigt die Beschreibung
die Hr. de Dolomieu von den Operationen der
natürlichen Ursachen in jenen Gegenden und
von dem Fortgange und Laufe derselben giebt, die
auffallende Aehnlichkeit derselben mit dem was wir
mit allen Umständen in vielen Gegenden von Euro-
pa eben so bemerken können; und nachdem Hr. de
Dolomieu
diese Vergleichung genau auseinander-
gesetzt hat, so kan er sein Erstaunen darüber nicht
bergen, daß Schriftsteller, die für Geologen pas-
sirten, so lange Zeit, und recht um die Wette diese
Meynung vom hohen Alter des jetzigen Zustandes
unsrer Erdkugel haben behaupten können; die doch
durch eine solche Fülle von Phänomenen widerlegt
wird, die ihnen überall vor den Füßen und vor
Augen lagen!

14.

Wenn man die Geschichte der cosmogenischen Sy-
steme studirt, so findet man daß es die sogenann-
ten Versteinerungen sind die zur Geologie den
ersten Anlaß gegeben haben. Die erste Idee die
dieses bewunderswürdige Phänomen veranlassen muß-
[Seite 18] te, war natürlicherweise die, daß unser Planete
irgend eine große Revolution erfahren haben
müsse. Zu der Zeit, da die Offenbahrung
noch nicht unter denjenigen Völkern bestritten ward,
die sich doch zu ihr bekennen, war wiederum die
Vorstellung sehr natürlich daß diese so unverkenn-
bare Revolution durch die Sündfluth erfolgt
seyn müsse, die in unsern heiligen Büchern beschrie-
ben ist, und wovon sich die Tradition unter allen
asiatischen Völkerschaften findet. Freylich aber wur-
den die geologischen Phänomene anfangs nur ober-
flächlich beobachtet, und die ersten Beschreibungen
derselben durch mancherley Irrthümer verunstaltet;
folglich mußten in der Folge gar mancherley Ver-
bindungen die man zwischen den Phänomen und die-
sen eingemengten Irrthümern geknüpft hat, durch
das zunehmende Wachsthum der Wissenschaften wieder
aufgelößt und vernichtet werden. Und dieß hat denn
einige Naturalisten die den Text mit den Commen-
tatoren
verwechselten, dahin verleitet, das allge-
meine Verdammungsurthel über beyde zugleich aus-
zusprechen.

Wir lassen uns jezt um alle diese Systeme un-
bekümmert, die das Wachsthum der wahren Auf-
klärung
allgemach zu Grabe gebracht hat; sondern
halten uns zunächst an jenes erste Wahrzeichen einer
großen mit unserm Planeten vorgegangnen Revo-
[Seite 19] lution, nemlich an die Reste von organisirten
Körpern
die mitten in den Steinlagern unsers
festen Landes vergraben sind; und wollen versu-
chen ob nicht die Natur selbst ganz allein uns darü-
ber Aufschluß geben kann, wenn wir nur sie an-
hören und ihr nicht länger die Einbildungskraft –
diese größte Freundin der Naturwissenschaft
zum Dolmetscher geben!

15.

Diejenigen Reste von organisirten Körpern
die am allerallgemeinsten in unsern Erdlagern
verbreitet sind, gehören bekanntlich Seegeschöpfen
zu, und ich werde zuerst bey diesen verweilen. Ein
wichtiger diese Körper betreffender Umstand, den
man durch aufmerksame und ausgedehnte Beobach-
tung entdeckt hat, ist der, daß sie offenbar von
sehr verschiednem Datum sind, und daß die neu-
sten
darunter, sich blos in oberflächlichen Lagen
finden, die aus Sand und andern lockern Stoffen
bestehen. Diese Foßilien sind größtentheils von der
nemlichen Art, wie die noch jezt im Meere leben-
den Geschöpfe; und die Vollkommenheit ihrer Er-
haltung in einem Boden den das Regenwasser unauf-
hörlich durchnetzt, giebt sogleich einen Beweis von
dem unbeträchtlichen Alter der Revolution durch
welche dieser Boden aufs Trockne versetzt worden.
[Seite 20] Und daß man eben diese Körper im nemlichen
Grade der Erhaltung in so ganz verschiednen Höhen
findet, ist ein zwar ganz gemeines aber um nichts
desto minder wichtiges Factum, welches zum Er-
weise dient, daß das Meer unser festes Land
in einer einzigen Revolution verlassen, und seit der-
selben sein Niveau nicht merklich verändert hat; ein
Umstand, wobey wiederum Hr. de Dolomieu sich
verwundert, wie man ihn solange hat verkennen
dürfen, da er doch überall auf unserm festen Lande
am Tage liegt, und zugleich jeden Gedanken von
einem allmählichen Zurücktreten des Meeres von
unserm festen Lande, (man möge dieß einer Ursache
zuschreiben, welcher man wolle,) geradezu wi-
derlegt.

16.

Diese oberflächlichen lockern Sandlager sind
selbst eins der lezten Producte des alten Meeres,
ehe es sich plötzlich von unserm festen Lande zurück-
gezogen. Ich habe die Beweise dafür schon in mei-
nem vorigen Briefe berührt, und besonders die ab-
solute Unmöglichkeit gezeigt, sie etwa der Decompo-
sition von vorher anderwärts unter andrer Gestalt
existirenden festen Substanzen zuschreiben zu wollen,
die durch Ströme dahin geführt worden wären.
Herr de Dolomieu giebt ebenfalls einen sehr frap-
[Seite 21] panten Erweis dieser Unmöglichkeit in seiner Ab-
handlung über Aegypten, wo er bey der Beschrei-
bung der unermeßlichen Menge Sand, die dieses
Land (so wie in Libyen und Arabien) bis an die
Hügel bedeckt, sowohl aus der Lage der Gegenden
als aus der Natur des Bodens beweißt, daß es
ganz unmöglich ist, daß dieser Sand sollte haben
können durch Ströme herbeygeführt werden. Und
da er besonders vom Sand in Aegypten spricht,
so macht er einleuchtend, daß dieser an seinem jetzi-
gen Ort und Stelle schon hat existiren müssen, ehe
noch weder Nil noch sonst ein Fluß da gewesen
ist; d.h. bevor Aegypten und seine mit Sandbe-
deckten Hügel
als trocknes Land existirt hat.
Er macht bey dieser Gelegenheit eine allgemeine Be-
merkung, auf die ich auch schon mehrmalen durch-
sehr frappante Beyspiele geführt werden bin, daß
nemlich die Gelehrten nur gar zu oft versucht ha-
ben, solche Fragen mittelst irgend einer abgerißnen
Stelle aus einem Geschichtschreiber und einem
demselben angepaßten Commentar ihrer Imagination
zu beantworten, die doch ihrer Natur nach nicht für
die Litteratur, sondern für die physische Erd-
beschreibung
gehören; wodurch sie denn nicht we-
nig Irrthümer über die Geschichte der Erde verbrei-
tet haben. Er hingegen beschreibt die Gegenden
und die würklichen Operationen des Nils, und
zeigt deutlich, daß, das periodische bey diesen leztern
[Seite 22] abgerechnet, was vom Clima abhängt, alles übrige
sich eben so wie in den ähnlichen Lagen der Euro-
päischen Ströme verhält. Der abgesetzte Nie-
derschlag
im Nil bildet einen durchgehends hori-
zontal
liegenden schwarzen, zähen und fruchtbaren
Schlamm; da hingegen die Sandlager über wel-
che sich das Nilwasser nicht verbreiten kann, nir-
gend Wasserpaß liegen, ferner von weisser oder
rother Farbe, und von einem so feinen und lockern
Korne sind, daß sie unaufhörlich vom Winde umher-
getrieben werden; so daß eben deswegen, und dann
wegen der großen Hitze die sie in der trocknen Jahrs-
zeit vermehren, keine Vegetation auf ihnen statt
haben kann.

17.

Man sieht also aus diesem einzigen Beyspiel,
das unter verschiednen Abänderungen auf alle sandige
Gegenden paßt, wo Flüße laufen; daß man den
Sand der so allgemein nicht nur über unsre Erd-
fläche, sondern auch auf dem gegenwärtigen Meeres-
boden verbreitet ist, sorgfältig, und in verschiednen
Weltgegenden, und in seinen mancherley Lagen und
Verbindungen hätte studiren sollen, ehe man über
seinen Ursprung entschieden hätte. Dieser Sand
findet sich in parallelen Schichten zuweilen von
beträchtlicher Tiefe, auf Anhöhen sowohl als in
[Seite 23] Ebnen; und zwar enthalten einige dieser Schichten
eine Fülle von Seegeschöpfen, zuweilen von einer
und eben derselben Art, zuweilen aber auch von
mehreren untereinander, gerade so wie es auf dem
Boden unsers jetzigen Meeres der gleiche Fall ist.
Die Anhäufung dieser Sandlager ist also in nichts
von derjenigen Stoffe ihrer verschieden, welche die
festen Steinlager ausmachen, die von jenem Sande
bedeckt werden. Sie sind so wie diese auch eben
den Rissen und Senkungen ausgesetzt gewesen,
die, wie ich in meinem vorigen Briefe gezeigt habe,
als eines der allerwichtigsten geologischen Phänomene
anzusehen sind.

18.

Das Studium dieses großen Ganzen hat endlich
den aufmerksamen Naturforschern den einzigen Weg
gebahnt, um in der Geologie Fortschritte zu ma-
chen. Was half es zur Geschichte der Erde, wenn
man vorher die Entstehung der unermeßlichen Men-
ge von lockern Stoffen die auf der Erdfläche ver-
breitet sind, so ganz willkührlich der Zerstörung älte-
rer fester Stoffe zuschrieb, ohne die Steinlager
untersucht zu haben, die davon bedeckt werden, und
bey welchen doch am Ende die nemlichen Fragen wie-
derholt werden mußten! Wie konnte man sich ein-
bilden bis zu den wahren Ursachen zu gelangen,
[Seite 24] wenn man nicht die sämmtlichen dadurch veranlaßten
Phänomene zusammen umfaßt? hingegen ist es der
Befolgung dieser Regel, der Totalübersicht aller
Phänomene zusammen zuzuschreiben, daß nun die
Herren de la Metherie, de Saussüre, de Do-
lomieu, Pini
und ich über diesen Hauptgrund-
satz vollkommen einverstanden sind, daß alle die
Substanzen die jezt sowohl die Masse unsers festen
Landes
als auch das Bette des Meeres ausma-
chen, (den Granit mit eingeschlossen) einst, in
irgend einer entfernten Epoche, einen Theil einer
Flüßigkeit ausgemacht haben müssen, die unsere Erd-
kugel bedeckt hat, und aus welcher sie sich nach
und nach
und nach chemischen Gesetzen abgesondert
haben; daß dieß folglich eine festzusetzende Epoche
ist, von welcher man dann ausgehen muß, wenn
man den jetzigen Zustand unsrer Erde erklären will,
der nichts anders ist als eine gewisse Periode in
einer ununterbrochnen Folge von Phänomenen die
von jener Epoche ihren Anfang genommen haben.
Und dieß ist dann der Gegenstand mit welchem ich
mich gegenwärtig beschäftige.

19.

Um sich zu dieser Epoche durch die Analyse der
Phänomene zurück zu finden, so werde ich wieder
von den Resten abgestorbener Seegeschöpfe aus-
[Seite 25] gehn die sich in unsern Erdschichten finden. Es
ist unmöglich diese Geschöpfe in den mannichfalti-
gen Schichten die dergleichen enthalten, zu studie-
ren, ohne sogleich zu erkennen, daß die Thiere
von deren ehmaligen Existenz sie zeugen, an Ort und
Stelle wo wir sie jezt finden, auch vordem gelebt
haben müssen, und daß sie da erzeugt worden, wäh-
rend die mineralischen Substanzen worin sie
enthalten sind, sich daselbst anhäuften; aber auch
allgemach verschiedne Arten dieser letzten sowohl als
verschiedner Arten der Seegeschöpfe selbst Lager-
weise abwechselten; da man unverkennbar sieht,
daß sich mit jenen anfänglichen Flüßigkeiten suc-
cessive Veränderungen zugetragen haben, welche die
verschiednen Successionen von thierischen Bewoh-
nern zur Folge gehabt haben.

Man bemerkt an gewissen schroffen Felsenflächen
die Durchschnitte der successiven großen Schichten,
so, daß man da die Geschichte des vormaligen Mee-
res
lesen kann, so wie man die Geschichte des Men-
schengeschlechts in den Archiven der Völkerschaften
ließt. Man sieht z.B. an einer solchen schroffen
Fläche zu unterst Thonlager welche die Reste von
gewissen Arten von Seegeschöpfen enthalten: un-
mittelbar auf diesen ruhen Schichten von Kalk-
stein
, die zwar ebenfalls Reste von Seethieren ent-
halten, oder von Gattungen die sehr merklich von
[Seite 26] den vorigen verschieden sind. Auf diese zweyte Classe
von Schichten folgen dann etwa ebenfalls kalkar-
tige, aber wiederum von einer ganz andern Art,
z.B. Kreidelager in welchen die darin enthaltenen
Seegeschöpfe sehr große Veränderungen erlitten
haben. Weiter hinauf folgen vielleicht Sandstein-
lager
, die gar keine Spur von Seegeschöpfen ent-
halten; oder lockere Sandlager voller See-
geschöpfe und zwar von den nemlichen Arten die
noch jezt im Meere leben.

Wenn man nun endlich alle diese successiven
Folgen der Ursachen studirt hat, die ehedem auf
unsre Erde gewürkt haben, und dann mit der glei-
chen Aufmerksamkeit das beobachtet, was nun ge-
genwärtig auf dem Meeresboden vorgeht, so findet
man unverkennbar, daß alle jene successiven partiel-
len Ursachen jezt erschöpft und auf andere Ursa-
chen
reducirt sind, die nun keinem weitern merkli-
chen Wechsel unterworfen sind. Das jetzige Meer
wälzt und bewegt zwar auf seinem Boden den Sand
der ihn bedeckt, oder den Schlich (la vase) und
den Grand der ihm durch die Flüße etc. zugeführt
wird, mengt auch die thierischen Reste seiner jetzigen
Bewohner darunter; bewürkt aber keine chemische
Präcipitationen
mehr, und bringt nichts hervor
was mit unsern Steinlagern die mindste Aehn-
lichkeit hätte. Auch dies hat Hr. de Dolomieu
[Seite 27] völlig eben so wie ich bemerkt, und es ergiebt sich
daraus offenbar, daß man, um unsre geologi-
schen Denkmähler
zu verstehen, weit höher als
zu den gegenwärtig würkenden Ursachen zurückge-
hen müsse.

20.

Da es nach den Thatsachen wovon ich oben nur
einen kleinen Entwurf gegeben, unverkennbar ist,
daß die Seegeschöpfe die man in unsern Stein-
lagern
findet, auch darin gelebt und sich fortge-
pflanzt haben, so wie sich die Stoffe derselben aus
der Flüßigkeit absonderten, so mußte ihre allmäh-
lige Anhäufung auf einen zusammenhängenden
und würklich horizontalen Boden erfolgen; und
doch finden sich nun jene Schichten zerrissen, ge-
stürzt, verschoben u.s.w. und zeigen nichts als un-
förmliche Ruinen, so daß man die Spuren der
Folge der Ursachen mitten unter der größten Un-
ordnung der Denkmähler aufsuchen muß. Da-
her haben aber auch diejenigen die sich damit begnüg-
ten die geologischen Phänomene nur oberflächlich zu
studiren, und dabey doch zu den ältesten Ursachen
zurückgehen wollten, von welchen uns Denkmäh-
ler
übrig sind, nichts als confuse Systeme geliefert,
deren Irrthümer in gleichem Maaße aufgedeckt wur-
den, so wie sich das Licht über die wirklichen Facta
[Seite 28] immer mehr verbreitete. Ich kann nicht umhin nur
ein einziges Beyspiel davon zu geben.

21.

Einige Naturforscher, welche die Schichten
von verschiedenen Seegeschöpfen blos auf einigen
Hügeln und Ebnen gesehen hatten, wo dieselben
meist horizontal lagen, haben sich eingebildet daß
diese jetzige Horizontalität das unterscheidende
Wahrzeichen von Stoffen sey, die langsam und nach
einander (successivement) im Meere zu Boden
gesetzt
worden. Von dieser Idee giengen sie aus;
und da sie in der Folge keine andern primitiven
Gebirgsarten (unter welchen der Granit den er-
sten Rang behauptet) sahen, als nur in gewissen
Gebirgen wo sich die Abtheilungen (divisions)
ihrer Massen in allerhand verschiedenen Neigungs-
winkeln
und zuweilen fast senkelrecht zeigten;
so nahmen sie diese Abtheilungen für zufällige Risse
und schrieben diese Steinarten die vor dem Daseyn
der Seegeschöpfe existirt hatten, auf die confuse
Anhäufung von dichten Stückchen die entweder durch
plötzliche Crystallisation, oder durch gewaltsame Be-
wegung der vormahligen Flüßigkeit, oder durch ir-
gend eine andere eben so confuse Ursache bewürkt
worden sey. Nun aber finden sich unter den Ge-
birgsarten welche Seegeschöpfe enthalten, und
[Seite 29] die sich folglich in zusammenhängenden und meist
horizontalen Schichten zusammengehäuft haben
müßten, an sehr vielen Orten, ungeheure Massen,
die ganze Gebirgsketten bilden, wo die Schichten
fast senkelrecht liegen, und ihren Queerbruch oder
Durchschnitt oben in der Höhe zeigen; und von der
andern Seite ist es eben so gemein, daß man primi-
tive
Gebirgsarten, und besonders den Granit in
eben so horizontalen Schichten findet, als sonst
diejenigen zu seyn pflegen die Seegeschöpfe ent-
halten. Hier dienen uns also abermahls diese Ge-
schöpfe
zu Wegweisern; denn ihre Gegenwart in
den fast senkelrechten Schichten die doch einst
haben horizontal liegen müssen, zeigt uns über-
haupt, daß jetzige Horizontalität bey weitem nicht
nothwendig ist um primitive Stratification anzu-
nehmen; und daß eine jetzige sehr schräge gestürzte
oder selbst senkelrechte Lage bey weitem nicht ur-
sprüngliche Horizontalität auszuschließen braucht.
Mit einem Wort: daß die Schichten von allen Ge-
birgsarten haben ehedem können horizontal liegen,
ob wir gleich heutiges Tages in allen Classen dersel-
ben so viele sehen die von jener Lage so sehr entfernt
sind. Ich werde nachher auf diesen Punkt zurück-
kommen, will nur aber erst zu den Beyspielen die
ich im Journal de physique von der häufigen Ho-
rizontalität
der Granitlagen und überhaupt
[Seite 30] von der wirklichen Stratification dieser Steinart
gegeben habe, noch ein neues hinzufügen.

22.

Was ich oben von der Indischen Halbinsel
anführte, ist aus einer Beschreibung dieses Landes
entlehnt, die von den Englischen Ingenieurs die es
im letzten Kriege besucht haben, ans Gouvernement
von Bengalen geschickt worden, wovon denn einer
von meinen Söhnen der sich in Indien befindet, ei-
nige Auszüge erhalten hat, worunter sich auch fol-
gende Stelle über Mysore den höchstliegenden Theil
jener Halbinsel, findet:

‘„Das ganze Land besteht aus Granit der
in sehr deutlichen Lagen geschichtet ist, die
von verschiedener Dicke, doch selten über 2 Fuß
stark sind: überhaupt hat er eine horizontale
Lage, ausgenommnen in den schroffen Fel-
sen
. . . . . Seine Schichten lassen sich
leicht von einander lösen, und man zerschlägt
sie zu meist rechtwinklichten Bausteinen, denn
sie mit dem Meisel zu behauen, würde zu viel
kosten.„’

Also, wenn man diese primitiven Gebirgsarten
und dann die so Seegeschöpfe enthalten, auch nur
[Seite 31] einzeln jedes für sich betrachtet, so ist die ursprüng-
liche Stratification der erstern eben so unbezwei-
felt als der letztern ihre, und man kann bey allen
beyden, wenn man sie an Ort und Stelle untersucht,
immer erkennen, daß ihre gegenwärtige Lage blos
die Folge von großen gewaltsamen Revolutionen ist;
aber noch leichter entdeckt man dieß, wie ich zeigen
werde, in ihren Verbindungen unter einander.

23.

Besonders sind es die großen Gebirgsketten
auf welchen man die uranfängliche Verbindung der
primitiven Gebirgsarten mit denen die zunächst
nach ihnen hervorgebracht worden, bemerkt. Denn
obgleich die Revolutionen, wodurch diese großen
Anhöhen hervorgebracht worden, schon an und
für sich sehr gros gewesen, so zeigen sich doch ihre
Ursachen daselbst weit einfacher, minder verwickelt
durch neue Gebirgslagen und neue Catastrophen,
als in den übrigen Gegenden des vormaligen Mee-
resboden.

Am häufigsten findet man auswendig an diesen Ge-
birgsketten
, und zwar in ihrer ganzen Länge,
Kalklagen die mit Seegeschöpfen gefüllt sind,
wo die Schichten sehr verschiedene Neigungs-
winkel
haben: Diese Kalklager sind oft unterbro-
[Seite 32] chen, und diese Unterbrechungen, sind so wie alle
übrigen, wodurch die Gebirgsketten in den ver-
schiedenen Anhöhen durchschnitten werden, durch
Risse und Einsturz der Schichten verursacht.

Auf diese ersten Lager folgen nach innen zu an-
dre, ebenfalls von Kalkstein, aber mit weit weni-
gern und theils fast gar keinen Seegeschöpfen;
diese zweyten Lager liegen meist höher hinauf als
die vorigen, und ihre Schichten sind oft so ge-
stürzt
, daß die Queerdurchschnitte derselben,
sich auf der Spitze mächtiger Anhöhen finden, und
an andern Stellen schroffe Flächen bilden.

Diese gestürzten Massen stützen sich weiter nach
innen auf die Lager von Schiefer und von
Grauwacke (roche grise) die, wenn gleich mit
Ausnahmen, doch im Ganzen noch stärker und all-
gemeiner gestürzt liegen, als die vorhergehenden.
Auch gehören diese Gebirgsarten nun schon zu den
primitiven, das heißt, ihre Entstehung ist offen-
bar vor der Schöpfung der organisirten Körper
vorausgegangen, als von welchen sich keine Spur
in denselben findet.

Endlich stützen sich diese leztern Schichten,
deren Queerbruch oder Durchschnitt sich fast
überall auf den Gipfeln ihrer Anhöhen zeigen, an
[Seite 33] den Granit und andre ihm nächst verwandte Ge-
birgsarten, die gleichsam den Kern dieser Gebirgs-
ketten
ausmachen. In diesem Kerne herrscht das
größte Chaos, so wie unter den Ruinen die über
den zertrümmerten Schichten hinaus ragen; deren,
einige mehr oder weniger ihre horizontale Lage
erhalten haben, andre hingegen als Obelisken sich
erheben, so daß ihre Schichten fast senkelrecht
stehen.

24.

Man muß die Beschreibung solcher Gebürge in
den Abhandlungen des Hrn. Pallas über Sibirien,
des Hrn. Patrin über Daurien, des Hrn. de
Dolomieu
über Tyrol, des Hrn. Ramond de
Charboniere
über die Pyrenäen, oder in den
ausgemahlten Kupfern des Hrn. von Mechel;
vor allen aber in den Alpenreisen des Hrn. de
Saussure
sehen, diesem für die Geologie so claßi-
schen Werke, sowohl wegen der Fülle von genau-
beschriebenen Thatsachen die es enthält, als auch
wegen verschiedener Fundamental-Bemerkungen.
Unter andern verdanken wir es diesem letztgenann-
ten Naturforscher, daß er endlich das Chaos von
Substanzen in den großen Gebirgsketten ins reine
gebracht hat, so daß nun jeder aufmerksame Beob-
achter anerkennen muß, daß die verschiedenen Schich-
[Seite 34] ten die nun jetzt schräg an einander lehnen,
anfänglich in horizontaler Lage (eine über der an-
dern) haben gebildet werden müssen; wie dieß in
Rücksicht der Kalkflöze mit Seegeschöpfen ganz
augenscheinlich ist, deren Schichten sich jetzt schräg
an einander lehnen, gerade so wie sie sich sämmt-
lich an die primitiven Gebirgsarten anlegen; und
daß es den Rissen und Spalten der ganzen ge-
schichteten
Masse an den Stellen, die jetzt die Mit-
te dieser Gebirgsketten ausmachen, und den Ein-
senkungen
der Seitentheile der auf diese Weise
getrennten Massen zuzuschreiben ist, wenn die ur-
sprünglich niedrigen Lagen sich jetzt in der Mitte
der Gebirge erhoben und umgestürzt, und hingegen
die anfänglich obern Lagen sich nun nach aussen
herumgeworfen zeigen.

25.

Hr. de Saussure geht auch von den Seege-
schöpfen
, als unsern ersten Führern in der Geolo-
gie, aus; und macht besonders durch diese die Re-
volutionen bemerkbar, welche die Massen von so
verschiedenen Stoffen, woraus unsre großen Gebirgs-
ketten zusammengesetzt sind, seit ihrer Bildung haben
erleiden müssen. Die innige dichte Verbindung der
Schichten von allen diesen verschiedenen Stoffen
gestattet gar die Voraussetzung nicht, daß etwa
[Seite 35] die einen ihre Lage ohne die andern hätten verändern
können: – Nun aber haben diejenigen von diesen
so stark gestürzten Schichten, welche Seege-
schöpfe
enthalten, nothwendig in einer meist hori-
zontalen
Lage gebildet werden müssen; folglich
mußten auch die primitiven Schichten ohne
Seegeschöpfe, die so nahe an jenen anliegen, eben
so wie sie gestürzt sind, und auf welche jene sich
anlehnen, auch ursprünglich horizontal und un-
ter
jenen liegen. Und doch, so evident auch dieser
Beweis ist, so war es doch nicht das erste was Hrn.
de Saussüre hier auffiel. Die Gewohnheit mach-
te, daß auch Er hier in die gleiche Unaufmerksamkeit
verfiel, die in dieser Rücksicht bis dahin bey allen
Geologen geherrscht hatte. Er bedurfte irgend eines
andern neuen Phänomens um ihn hierüber nachden-
kend zu machen; und dieses fand er mitten im Her-
zen der primitiven Gebirgsarten selbst, wo er
nemlich Schichten von Breschen (Puddingstein,
Nagelfluhr
etc.) sah, die eben so schräg in die
Höhe gekehrt
, oben ihren Queerbruch zeigten,
wie die Schichten von Thonschiefer und Granit
zwischen welche jene eingeschlossen waren; ein Phä-
nomen wovon man zahlreiche Beyspiele findet. Nur
aber haben solche Schichten nothwendig müssen
in einer meist horizontalen Lage gebildet werden:
denn da sie Trümmern von andern Steinarten
enthalten, so mußten sie einst weich gewesen seyn;
[Seite 36] und es ist gar nicht denkbar, daß solche Schichten,
die übrigens unter einander eben so parallel liegen,
als die in den übrigen Classen von Gebirgsarten,
in einem weichen Vehikel in einer fast verticalen
Lage sollten haben können gebildet werden. Folg-
lich bleibt die gleichförmige ursprüngliche Lage der
sämmtlichen Schichten, die unsre Gebirgsmassen
ausmachen, keinem weitern Zweifel unterworfen;
alle, vom Granit anzufangen, sind in horizon-
taler
Lage geformt, und folglich zeigt uns die Ord-
nung, in welcher sie von innen nach aussen aufeinan-
der liegen, eine Reihe von chemischen Präcipi-
tationen,
die sich in der Flüßigkeit, die einst unsre
ganze Erdkugel bedeckte, ereignet haben.

26.

Ich schränke mich hier auf dieses einzige Beyspiel
ein, das aus unsern beträchtlichsten Gebirgsketten
entlehnt ist; weil diejenigen Schichten die erst nach
jenen Totalconvulsionen, wovon diese großen Denk-
mähler zeugen, entstanden sind, sich erst auf einen
schon zerrissenen Boden, der selbst schon partielle Ca-
tastrophen erfahren hatte, angehäuft haben; was
dann Local-Veränderungen in der Flüßigkeit selbst,
und abgeänderte Präcipitationen zur Folge hat-
te; so daß sich daher auch in der Folge dieser
Schichten wenig Gleichförmigkeit zeigt. Ich wer-
[Seite 37] de das vorzüglichste dahin gehörige in meinem näch-
sten Briefe anzeigen; hier sind hingegen diese ein-
zelnen Umstände unnöthig, da jetzt meine Absicht
blos war zu beweisen, daß die ganze Masse unsers
festen Landes aus Schichten besteht, die nach
und nach in einer Festigkeit gebildet worden; denn
niemand hat noch die Stratification der soge-
nannten secundären Stoffe geläugnet (die man,
ich weis nicht warum, auch zuweilen tertiäre
nennt) wovon die primitiven Gebirgsarten so
bedeckt sind, daß wir ohne die Revolutionen, welche
Stücken davon nach aussen geführt haben (– theils
in großen Geschieben, wie dieß in manchen Gebir-
gen und Hügeln der Fall ist; theils aber nur in
kleinen Trümmern die fast überall auf dem Boden
zerstreut und verbreitet sind –) von ihrer Existenz
nichts wissen würden.

27.

Ich sah mich in meinem vorigen Briefe und auch
hier in diesem genöthigt, den großen Charakter der
geologischen Denkmähler, nemlich die Umstürzun-
gen,
die in allen Classen von Gebirgslagen sich
zeigen, als ein Factum anzuführen (ohngeachtet
ich bis jetzt noch von der Ursache desselben nicht
sprechen konnte) weil dieses Factum unentbehrlich
war um zu zeigen: ‘„daß die ganze Masse von Stof-
[Seite 38] fen, die unser festes Land, soweit wir es kennen,
ausmachen, aus einer Folge von Schichten zu-
sammengesetzt ist, worunter die von Granit und
den ihm verwandten Steinarten, zuerst gebildet
worden, und sich durchgehends unter allen übrigen
Gebirgslagern finden müssen.„’ Aber setzt lasse
ich diese Zufälle beyseite, die ihre besondern Ursa-
chen haben, ohngeachtet auch diese mit allen übrigen
Ursachen in Verbindung stehen; und ich werde mich
gegenwärtig blos mit der Folge dieser Schichten
selbst beschäftigen, um zu ihrem Ursprung zu ge-
langen.

28.

Als ich in meinem vorigen Briefe den bewun-
dernswürdigen Bau unsers festen Landes ausein-
ander setzte, das nichts als Ruinen darbietet,
so merkte ich an, daß man sich keinen richtigen Be-
grif von dieser confusen Zusammenstellung so un-
gleichartiger Stoffe machen könne, wenn man
nicht ausgefunden hat, wie sie gebildet worden;
und nun glaube ich gezeigt zu haben: ‘„daß sie an
Ort und Stelle selbst wo sie gefunden werden,
durch chemische Präcipitationen aus einer Flüßig-
keit gebildet worden, die anfänglich die ganze Erde
bedeckte, und daß sie sich nach und nach aus dieser
Flüßigkeit unter der Gestalt von Schichten zu
[Seite 39] Boden gesetzt haben, welche Schichten dann sich
nach den unmerklichen Unebenheiten und Neigun-
gen dieses Bodens richteten.„’ – Aber wie neh-
men nun diese Operationen ihren Anfang? welche
Ursache kam dazu um sie zu einer gewissen Zeit
zu vollenden? Diejenigen die sich eingebildet hatten,
daß wir blos zur Einbildungskraft unsre Zu-
flucht nehmen müßten um Begebenheiten von einem
so hohen Alter zu verfolgen, ahndeten nicht, daß
uns die Beobachtung einst entscheidende Facta dar-
bieten würde, um die Epoche jenes Anfangs
zu bestimmen, und das zwar durch Kennzeichen, die
der Physik Anlaß geben würden eine Ursache fest-
zusetzen, durch welche alles das hat bewürkt werden
können, was wir in diesem Bezug auf unsrer Erd-
kugel bemerken.

29.

Wir wissen also, daß von der Bildung der
Granitlagen an, sich auf dem Boden einer an-
fänglichen Flüßigkeit eine ununterbrochne Folge
von andern Arten mineralischer Schichten nie-
dergesetzt hat; daß nach einem gewissen Zeitraum,
diese Flüßigkeit mit Seegeschöpfen ist bevölkert
worden, deren Arten ebenfalls nach und nach ab-
geändert worden; und daß die Reste dieser verschie-
denen Thiere in den verschiedenen Schichten bis
[Seite 40] zuletzt im Sande und andern lockern Stoffen, die
einen großen Theil der Oberfläche unsers Erdbo-
dens
bedecken, ihr Grab gefunden. Wir haben
ferner gesehen, daß die schon gebildeten und ver-
härteten Schichten von Zeit zu Zeit gewaltsame
Erschütterungen erlitten haben, wodurch sie
gröstentheils eingestürzt und blos da wo sie ein-
gebrochen einige Anhöhen, nemlich unser Gebirge,
hinterlassen; und wir können endlich aus zahlreichen
Phänomenen mit Gewißheit schließen, daß durch
eine dieser Erschütterungen und zwar durch die
letzte wovon wir Spuren finden, unser jetziges
festes Land aufs trockne versetzt worden.

30.

Wir haben also hier eine ununterbrochne Folge
von Operationen, die mit der Bildung des Granits
ihren Anfang nehmen; und wenn die Bildung die-
ser Gebirgsart in einer unbestimmt weit entfernten
Zeit zurückgesetzt würde, so würde auch alles was
ohne Dazwischenkunft neuer fremder Ursachen, die
Folge davon gewesen seyn müßte, ebenfalls auch seit
einer unbestimmten Zeit vollendet seyn. Nun aber
war unser festes Land bey seiner Entstehung schon
mit Ruinen bedeckt, in welchen sich namentlich ge-
stürzte Granitschichten fanden; und durch die
in der freyen Luft würkenden Ursachen mußten alle
[Seite 41] die schroffen und geborstnen Flächen dieser Ruinen
allgemach verwittern, und in Brocken zerfallen.
In der That nahm auch diese Operation damals
schon ihren Anfang; allein sie dauert noch immer
fort und ist noch gar weit von ihrem Ende entfernt.
Folglich wird die Bildung der Granitschichten,
mit welchen die Folge von Operationen beginnt,
wovon wir die Denkmahle auf unsrer Erde finden,
zu einer bestimmten Epoche; die, sie mag auch
von noch so hohem Alter seyn, wenigstens in einer
endlichen Entfernung steht; d.h. sie verläuft
sich nicht bis in den Anfang der Dinge, ein
Ausdruck, dessen man sich zuweilen bedient, ohne
ihm einen für Menschen begreiflichen Sinn beylegen
zu können. Dieß lehren uns schon die Facta, und
nun werde ich zeigen daß die Physik uns Mittel
darbietet auf deren gleichen Wege auf die Stufen-
folge der Ursachen zurückzugehen.

31.

Zuerst bietet sich hierbey eine Frage dar, deren
Beantwortung ins Gebiete der Chemie gehört.
Da die Bildung der Granitschichten die erste von
denen Operationen ist, wovon wir Denkmahle auf
unsrer Erde finden, und da dieß eine chemische
Operation hat seyn müssen, so fragt sich: was ist
das also für eine Ursache, die vor dieser Epoche
[Seite 42] nicht existirt hat, sondern erst dann eingetreten ist,
und nun diese erste Operation und vermuthlich auch
alle die folgenden bestimmt hat? Sobald sich diese
bestimmte Frage dem philosophischen Chemiker dar-
stellt, und er alle untergeordneten oder zufälligen
Ursachen bey Seite setzt, so gelangt er sehr bald zu
einer causa sine qua non, nemlich zur Flüßigkeit.
Denn in der That würde es vergebens seyn, wenn
man Ingredienzen, die nach ihren Verwandschaf-
ten einer wechselseitigen Verbindung oder Zersetzung
fähig sind, aufs feinste gepülvert untereinander men-
gen wollte. Wenn nicht die Flüßigkeit darzu kä-
me, würde doch keine Würkung daraus erfolgen.
Aber sobald diese nun hinzuträte, würden die Affi-
nitäten in Thätigkeit gesetzt, und alles was dadurch
bewürkt werden könnte, würde nach und nach eintre-
ten. Ich habe die Ursache davon in meinen Schrif-
ten auseinander gesetzt, und nehme die Sache hier
als ein Factum an. Folglich hätten alle die In-
gredienzen
deren verschiedene Verbindungen nicht
blos unsre Mineralschichten und alle Modifica-
tionen derselben, sondern auch unsre Atmosphäre
und die Flüßigkeit des jetzigen Meeres hervor-
gebracht haben, mit einem Wort alles was wir auf
unsrer Erde bemerken; alles alles das hätte ewig
zusammen gemengt seyn und bleiben können, ohne
jemals seinen Zustand zu verändern, wenn nicht
die Flüßigkeit hinzugekommen wäre. Aber sobald
[Seite 43] diese nun statt hatte, so mußten aste die chemi-
schen Verbindungen
, deren diese Ingredien-
zen
fähig waren, anfangen, und so lange fortfah-
ren, als die schon erfolgten Verbindungen andre
neue bewürken, und die Producte im Stande wa-
ren ihren Zustand oder Lage zu verändern. Folglich
können wir ganz sicher von dem Grundsatz ausgehn:
‘„dass die Epoche, von welcher alle die Operationen
auf unsrer Erde begonnen haben, wovon wir
die Denkmahle vor Augen haben, durch diesen un-
mittelbaren chemischen Character bezeichnet wird,
daß die Flüßigkeit damahls in die Substanzen zu
würken anfieng, aus welchen ihre Masse zusam-
mengesetzt war.„’

32.

Dieses wichtige Resultat der von mir hier ent-
worfenen Phänomene, das in der Folge die Grund-
lage einer auf Physik gegründeten Geschichte der
Erde
wird, fließt auch noch aus einem andern
großen Factum, das dem ersten Anschein nach, von
dem vorigen unabhängig ist, im Grunde aber durch
die nemlichen Ursachen damit zusammenhängt. Die
kuglichte Gestalt der Erde hatte seit langer Zeit
auf den Gedanken geleitet, daß ihre Masse, wenig-
stens bis in eine gewisse Tiefe, flüßig gewesen seyn
müsse: und Newton, der von dieser Idee, in
[Seite 44] Verbindung mit der bestimmten Bewegung in der
Umwälzung der Erdkugel ausgegangen war,
hatte gefunden, daß sich der Durchmesser derselben
zwischen ihren beiden Polen zum Durchmesser ihres
Aequators verhalten müsse, wie 229. zu 230.
Nun aber findet sich in den philosophical Transa-
ctions
der königlichen Societät zu London, vom
J. 1791. eine Abhandlung des Hrn. Dalby, in
welcher er die allgemeine Uebersicht der Resultate von
Messung eines Grads des Meridians in verschie-
denen Breiten giebt, und daraus zeigt, daß diese
Bestimmung Newton’s durch die Erfahrung so
sehr bestätigt ist, als man es nur von diesem letztern
Mittel der Bestimmung erwarten konnte. Wir
wissen also nun, daß unsre Erdkugel in der That
anfangs flüßig gewesen, wenigstens bis in eine ge-
wisse Tiefe; und daß, als sie in den zu ihrer Ge-
stalt nothwendigen Theilen Festigkeit erhielt, sie
offenbar die gleiche Geschwindigkeit in ihrer Um-
walzung
hatte, die wir noch jetzt an ihr finden.
Und dieß ist das Factum von welchem ich sprechen
will.

33.

Jetzt wollen wir nun das prüfen, was uns
von dem festen Theil unsrer Erde bekannt ist, un-
sre sogenannten Welttheile (continens). Erstens
[Seite 45] ist derselbe ganz aus Schichten zusammengesetzt:
ferner wissen wir daß die Stoffe dieser Schichten
sich haben aus einer Flüßigkeit abscheiden müssen:
und wir haben gesehen, daß diese Operationen so-
gleich anfangen mußten als Flüßigkeit in die Erde
würkte. Nun aber hat unser festes Land die
nemliche Gestalt wie die flüßige Masse, aus wel-
cher sich seine Schichten abgesondert haben, nem-
lich das Meer. Ich rede hier blos von der allge-
meinen Masse unsers festen Landes, die von ei-
nem Pol zum andern offenbar die gleiche Erhebung
über die jetzige Meeresfläche zeigt. Denn was
die Richtung der einzelnen besondern Schichten be-
trift, so folgen die keiner einzigen bestimmten Re-
gel, sondern alles ist untereinander geworfen, in den
Ebnen und auf den Hügeln, so wie in den Gebir-
gen: aber diese Verwirrung verursacht doch nichts
als unordentliche Ziczacs nach allen Richtungen auf
einer gemeinschaftlichen Kugelfläche, deren ihre große
Unebenheiten, nemlich unsre hohen Gebirge, da sie
weder bestimmte Breite noch Richtung halten,
um desto deutlicher zeigen, daß sie von andern be-
sondern Ursachen herrühren, die von der allgemei-
nen Gestalt unsrer Erdkugel unabhängig sind. Folg-
lich können wir nun unsern ersten Grundsatz noch
bestimmter ausdrücken und ihn in folgenden umän-
dern: „Sobald die Erde Flüßigkeit erhalten,
und dadurch ihre gegenwärtige Gestalt angenom-
[Seite 46] men hatte, so fiengen die Mineralschichten an
sich über irgend einen dichten Kern (von welchem
aber jetzt noch weiter nicht die Rede ist) zu bilden.

34.

Wir sind bey unsern analytischen Fragen über
die Ursachen der geologischen Phänomene nicht ehe
beschränkt, als bis die Physik uns ihre Antwort
versagt. Dem zufolge können wir also auch jetzt
nun weiter fragen, was ist das für eine Ursache die
vor dieser Epoche nicht existirte, aber nachher ein-
treten mußte, um Flüßigkeit in die Ingredien-
zen
zu bringen, aus welchen die Masse unsrer Erde
zusammengesetzt war. Hier wird uns sogleich durch
die Physik eine causa sine qua non angegeben. –
Flüßigkeit ist eine Würkung des Feuers. Kei-
ne flüßige Substanz findet sich in diesem Zustand
anders als durch die Verbindung einer gewissen
Menge Feuers mit ihren eigenthümlichen Stoffen;
und diese Verbindung erfolgt jederzeit bey jeder
schmelzbaren Substanz unter einer gewissen be-
stimmten Temperatur. Folglich würden die
schmelzbaren Substanzen beständig im Zustand der
festen Stoffe verbleiben, wenn sie nicht von der
zu ihrer Schmelzung erfoderlichen Menge Feuers
durchdrungen würden; sobald aber das Feuer satt-
sam überhand nimmt, so nehmen sie diese erfoderli-
[Seite 47] che Menge in sich auf, und werden dadurch
flüßig.

35.

Um dieses physicalische Princip auf die Geologie
anzuwenden, muß man ferner die Temperatur
bestimmen, die erfoderlich war, um Flüßigkeit
in den Ingredienzen hervorzubringen, woraus
die Masse der Erde zusammengesetzt war. Und dieß
können wir nun jetzt durch das Wachsthum unsrer
geologischen Kenntnisse, die in Rücksicht der Bil-
dung der Erde, nur die Vulcane ausgenommen,
übrigens jede Idee von solcher Schmelzung wie des
Glases seine oder der Metalle ihre, verbannt ha-
ben: da alle aufgeklärten Geologen darin mitein-
ander übereinkommen, daß unsre Mineralschich-
ten
durch eine bloß wässerichte Flüßigkeit her-
vorgebracht worden. Folglich wird nun unser Fun-
damentalsatz, nach diesem neuen Zusatz, also lauten:
‘„Daß die Epoche mit welcher sich alle die Opera-
tionen anfiengen, wovon wir die Denkmahle auf
unsrer Erde finden, diejenige war, wo ihre Masse
mit sattsamen Feuer durchdrungen ward, um
Flüßigkeit in der Substanz des Wassers zu be-
würken, und dem Fluidum was sich anfangs bil-
dete, und das alle Elemente der übrigen bekann-
ten Stoffe enthielte, die zu deren chemischen
[Seite 48] Verbindungen erfoderliche Temperatur zu ge-
ben.„’

36.

Dieß ist also eine Epoche, gegen deren Existenz
in irgend einem Theil der Dauer der Erde nichts ein-
zuwenden ist, und die ganz unbezweifelt den Ur-
sprung
aller der Phänomene bezeichnet, die wir hier
bemerken. Aber wo kam dieses Feuer her, das
diese große Veränderung in einer Masse von Stof-
fen hervorbrachte, die bis dahin keine chemische
Würkung aufeinander geäussert hatten? Wenn dieß
die Grenze wäre, über welche unsre Kenntnisse nicht
hinausgiengen, so müßten wir freylich von da wie-
der zurückgehn, um die bekannten Phänomene zu er-
klären. Aber noch lassen uns weder Geologie noch
Physik im Stiche; vielmehr werden wir durch die
Phänomene, welche die eine uns zeigt, und die an-
dere zu erklären sucht, aufgemuntert weiter zu gehn:
was denn aber einige vorläufige Erläuterungen er-
fodert.

37.

Ehe in neuern Zeiten die Entdeckungen über die
chemischen Würkungen des Lichts gemacht wur-
den, läugneten einige Physico-Mathematiker seine
[Seite 49] Existenz als eines besondern Fluidums, und selbst
des Feuers seine. Sie hatten sich eingebildet, daß
die Phänomene von Licht und Wärme nichts an-
ders wären, als Modificationen der Stoffe selbst, an
welchen sie sich zeigten; gewisse Schwingungen
ihrer Bestandtheile die durch ein Medium fort-
gepflanzt würden, so wie der Schall: sie brachten
nun die Mathematik in diese Hypothese, um einige
besondere Phänomene zu erklären: und so wie alles,
was aus mathematischen Lehrsätzen zu fließen
scheint, gar zu leicht diejenigen verführt, die nicht
zuförderst das prüfen, was man für Data angiebt;
so hatte denn auch diese Theorie, die übrigens den
Weg zu den wichtigsten physischen Untersuchungen
versperrt, zahlreiche Anhänger gefunden. Allein die
Chemie und die Meteorologie haben nun diesem Streit
ein Ende gemacht, und heutiges Tages werden
wohl wenige Physiker mehr übrig seyn, die nicht
überzeugt seyn sollten, daß Hellung und Wärme
die Würkungen zweyer Flüßigkeiten, des Lichts
und des Feuers sind, die, wenn sie frey sind, jene
besondern Würkungen hervorbringen; die aber auch
mancherley chemische Eigenschaften besitzen, wo-
durch sie in Verbindungen eintreten, wo sie so-
lange aufhören jene Phänomene hervorzubringen,
bis sie wieder frey werden. Es ist gröstentheils
diesen Entdeckungen zuzuschreiben, daß die Physik
unter unsrer jetzigen Generation so große Fortschritte
[Seite 50] gemacht hat; und wahrscheinlich wird dadurch diese
Epoche in den Annalen der Wissenschaften eben so
merkwürdig bleiben als die, wo Pascal den Druck
der Luft auf die Körper, und Newton das Da-
seyn der Schwere erwies.

38.

Es kann keine Entdeckung in der Chemie ge-
macht werden, ohne daß die Geologie auch dadurch
gewinnen sollte. Denn die Ursachen der allgemei-
nen Phänomene abgerechnet (die Schwere, die
Cohäsion, das Ausdehnungsvermögen und
die Affinitäten als abstractes Phänomen); so sind
alle die so wir auf der Erde bemerken, nichts an-
ders als Resultate chemischer Verbindungen.
Nun aber ist unter den eigentlichen geologischen
Phänomenen
ein sehr großes, dessen ich noch
nicht Erwähnung gethan habe, und das eine
aufmerksame Prüfung erfodert, das ist das Licht,
das sich bey so vielen Modificationen der minerali-
schen Substanzen
äussert.

39.

Seit der Entstehung der wissenschaftlichen Che-
mie
, sah man immer die Analyse der Körper,
nemlich die Untersuchung ihrer Bestandtheile als
[Seite 51] einen ihrer wichtigsten Gegenstände an: eine Classe
von Versuchen, die auch in der That eine Menge
nützlicher Entdeckungen hervorgebracht hat; wodurch
doch aber im Grunde die Physik selbst wenig Berei-
cherung erhalten haben würde, da die ersten Chemi-
sten sich blos an die festen Producte hielten, die
an und für sich fast gar nichts über den Ursprung
der natürlichen Körper lehren. Erst in unsrer
Generation sind die Fortschritte hierüber beschleu-
nigt worden, da man angefangen hat sich so eifrig
mit den flüchtigen Producten, nemlich den ex-
pansiblen Flüßigkeiten
zu beschäftigen: und
doch würde auch dieß noch von wenigem Belange ge-
wesen seyn, wenn nicht der Fortgang der Chemie in
andern Fächern die Chemisten zu der Erkenntniß
gebracht hätte, daß die Phänomene der Wärme,
die man bey verschiedenen ihrer Operationen bemerkt,
von einer eigenen Substanz herrührt, die chemi-
scher Verwandschaften
fähig ist, nemlich vom
Feuer, der unmittelbaren Ursache der Wärme.
So haben wir nun eine Substanz, die bey der
Zusammensetzung der Körper von größer Wich-
tigkeit ist, und die uns doch entwischt, wenn wir
die Verhältnisse der Producte blos durchs Ge-
wicht
ausdrücken. Aber konnten wir glauben,
daß wir nun alle die unwiegbaren Substanzen
entdeckt hätten, die zur Zusammensetzung der natür-
lichen Körper
beytragen, da wir doch nicht im
[Seite 52] Stande waren, einen einzigen dieser Körper vom
neuen zusammen zu setzen? Konnten wir besonders
die Phänomene der Hellung vernachläßigen, da
uns doch alles darauf führt, daß das Licht eben-
falls eine chemische Substanz ist? Diese Unauf-
merksamkeit ist nun nicht mehr bey philosophischen
Chemikern zu befürchten, denen der Fortgang unsrer
Kenntnisse schon hinreichend gezeigt hat, was die
unwiegbaren Substanzen für große chemische
Würkungen hervorbringen können. Wir sind daher
durch die Beobachtungen über die Phosphores-
cenz der mineralischen Stoffe
zu der Ueberzeu-
gung gekommen, daß das Licht als Bestandtheil
zu ihrer Zusammensetzung gehört; und daß folglich
der Einfluß desselben in die geologischen Phänomene,
von der Entstehung einer Flüßigkeit seinen Anfang
nimmt, welche alle Ingredienzen dieser Stoffe
enthielt, und in welcher sie sich bildeten.

40.

Wenn wir endlich, nach der Erweiterung unsrer
Kenntnisse, die Verhältnisse prüfen, die zwischen die-
sen beiden ersten unwiegbaren, aber unverkennba-
ren, Flüßigkeiten vorwalten, so finden wir auch
hier diejenigen, wovon uns die Chemie bey andern
Stoffen, von welchen die einen mit zur Zusam-
mensetzung
der andern beytragen, so zahlreiche
[Seite 53] Beyspiele giebt. Oft nemlich wirft das Licht nur
als Ursache der Hellung; und das Feuer als Ur-
sache der Wärme. Aber in andern Fällen wird
das Licht, indem es Hellung hervorbringt, auch
zugleich Ursache der Wärme; und das Feuer, in-
dem es Wärme hervorbringt, bewürkt endlich auch
Hellung. In solchen Fällen bringt die eine Sub-
stanz, wenn sie alleine ist, ihrer Natur nach, ein
charakteristisches Phänomen hervor, das sie auch dann
noch von sich giebt, wenn sie zum Theil zur Zusam-
mensetzung einer andern Substanz beytritt, die sich
zugleich ebenfalls durch ihre eigenthümlichen Phäno-
mene auszeichnet. Und wenn diese letztre, während
sie allein würkt, sich wieder zum Theil decompo-
nirt
, so äussert dann die dadurch frey gewordene
erstere Substanz die ihr eigenthümlichen Phänomene.
Es folgt aber aus der Totalübersicht der Phänomene
dieser Classe, und aus den Phänomenen des Lichts
und des Feuers, daß das erstere ein Ingrediens
des letztern ist; und aus dem nemlichen Grunde ist
es auch ein Ingrediens des electrischen Flui-
dums:
das Licht bewürkt die Entstehung dieser
Flüßigkeiten, indem es sich mit andern Stoffen
verbindet, und es verräth sich, wenn diese wiederum
decomponirt werden und jenes nicht unmittelbar
wieder in eine andere Verbindung eintritt.

41.
[Seite 54]

Ich will hier das nicht wiederholen, was ich
über diese Gegenstände, sowohl in meinen Ideen
über die Meteorologie
, als auch in neuern
Briefen im Journal de physique gesagt habe; da
es aber eine Theorie betrift, die von eben so wesent-
licher und unmittelbarer Wichtigkeit für alle Zweige
der Physik der Erde (physique terrestre) als
für die Geologie ist; so ersuche ich diejenigen mei-
ner Leser, denen dieselbe etwa noch zu hypothetisch
vorkommen möchte, die Beweise dafür in jenen
Werken zu prüfen; und im Vertrauen auf diese
Prüfung ziehe ich hier den Schluß: daß vor der
Epoche, in welche ich den Anfang der bekannten
geologischen Phänomene festgesetzt habe, die Masse
der Erde
zwar wohl dasjenige Element enthal-
ten konnte, welches in Verbindung mit dem Lichte,
das Feuer hervorbringt, so wie auch das Element
des Wassers und die aller übrigen Substanzen der
Erde; und daß sogar alles dahin führt, daß jene
Masse dieses Element auch würklich enthielte:
Aber –, daß sie dann noch nicht das Element des
Lichts selbst enthalten konnte: weil dasselbe ver-
möge seiner unmittelbaren und so starken Verwand-
schaft zur eigenthümlichen Substanz des Feuers
dieses sogleich hervorgebracht haben würde: – Und
hätte dieses einmal existirt, so würde dasselbe nun
[Seite 55] die Flüßigkeit in der Substanz des Wassers her-
vorgebracht haben; und die Flüßigkeit würde un-
mittelbar die ersten Verbindungen aller Ele-
mente
veranlaßt haben, deren einigen sich das
Licht ebenfalls, aber unter andern Formen beyge-
mischt haben würde, da wir sehen, daß sich dasselbe
in denselben findet. – Folglich, würde auch seit
einer unbestimmten Zeit der erste Stoß zu allen den
Operationen gegeben worden seyn, von welchen ich
oben die für diese Untersuchung wesentlichen Denk-
mahle beschrieben habe: und in diesem Fall, wür-
den diejenigen die einer Beendigung unterworfen
waren, auch schon seit einer unbestimmten Zeit zu
selbiger gelangt seyn: nun aber dauern sie noch im-
mer fort, sind noch nicht zu Ende: und folglich
war das Licht nicht eher mit der Masse der übrigen
Elemente verbunden, als in derjenigen Epoche,
die durch die so eben ausgeführte Analyse festgesetzt
worden.

42.

Ich stehe hier bey der Kette der Ursachen, von
welchen alle bekannten geologischen Phänomene
herrühren, stille; weil ich in der Physik nichts vor
mir sehe, was uns noch weiter führen könnte. Das
nächste entfernte Glied dieser Kette müßte nun die
Quelle dieses Lichts seyn, dessen Verbindung mit
[Seite 56] den übrigen Elementen so ganz bestimmt eine ge-
wisse erste Epoche in der Geschichte unsrer Erde
bezeichnet: allein die Physik scheint uns hierin nicht
einmal nur auf eine irgend wahrscheinliche Vermu-
thung zu leiten. Hingegen bringt jene natürliche
Grenze, bey welcher ich stehen bleibe, weder Dun-
kelheit noch Verwirrungen die folgenden Phänome-
ne, die sämmtlich, indem sie davon ausgehen, aus
bekannten physischen Ursachen entstehen: – Und
so schließe ich endlich nach ihrer Verbindung mit
jenen ersten der Physik erklärbaren Gliede der Kette:
‘„Daß nichts von alle dem, was wir auf unsrer Erde
sehen, hat anfangen können zu würken, ohne die
Verbindung einer gewissen Menge von Licht mit
allen übrigen Elementen, die bis dahin keine
chemische Einwürkung auf einander hatten; und
daß folglich der Anfang aller bekannten geologi-
schen Phänomene
von dieser Vereinigungs-
Epoche an datirt werden muß.„’

* * *

Und so habe ich denn jetzt den ersten Theil der
Arbeit, die ich unternommen hatte, erfüllt: Die
Auseinandersetzung des analytischen Ganges, den
ich in unsern Unterredungen befolgt hatte. Ich
habe, indem ich diesen Gang in meinen beiden ersten
[Seite 57] Briefen verfolgte, um so auffallender gefühlt, wie
richtig ihre Bemerkung war, daß eine solche vor-
läufige Erörterung der Mittel, welche uns die Phy-
sik darbietet, um zu den vormaligen Ursachen
zu gelangen, gar sehr den synthetischen Weg,
den ich im Journal de physique betreten habe,
aufhellen; und zugleich schon beym Eintritt zeigen
würde, daß die Epoche von welcher ich ausge-
gangen bin, um die physische Geschichte der
Erde zu entwerfen, keinesweges willkührlich und
den selbsterdachten Hypothesen ähnlich ist, wel-
che die Geologie würklich in Mißcredit gebracht ha-
ben. Ich werde nun mit größerm Vortheil den
synthetischen Gang befolgen, und, indem ich an
dieser festgesetzten Epoche auf den gegenwärtigen
Zustand der Erde zurückgehe, so werde ich den vor-
züglichsten geologischen Denkmälern folgen, die
die mit jener uranfänglichen Ursache, aber durch
Dazwischenkunft von andern Ursachen, in Verbin-
dung stehen.

Dieß wird der Gegenstand meines nächsten Brie-
fes seyn.


Dritter Brief. Geschichte der Erde, vom Anfang der darauf
bemerklichen Dinge, bis auf die Bildung der
Sandstein-Schichten.

[Seite 58]


Ich schloß meinen vorigen Brief mit folgendem
Satz, der aus der Analyse der vorzüglichsten geolo-
gischen Phänomene fließt:

‘„Daß nichts von dem, was wir auf unsrer
Erde bemerken, hätte hervorgebracht werden
können, wenn nicht das Licht zu den übrigen
Elementen wäre hinzugefügt worden, aus
welchen die Masse derselben zusammengesetzt
war; daß aber, sogleich nach dieser Zugabe
die chemischen Operationen beginnen muß-
ten, die dieses große Ganze von Phänomenen
hervorgebracht haben.„’

[Seite 59]

Und so bestätigt schon die Natur selbst den großen
Ausspruch Gottes, womit Mosis Schöpfungsge-
schichte anhebt: ‘„Es werde Licht!„’

Die Operationen, die seit dieser großen Epoche
bis auf die Schöpfung des Menschen statt hatten
und ebenfalls im ersten Cap. der Genesis erzählt
werden, sind daselbst in sechs Perioden eingetheilt,
die unsre Uebersetzer Tage genannt haben: und ge-
rade dieses Wort ist es, worauf die Unglaubigen
ihre allerblendendsten Einwürfe gegen die Offen-
bahrung
gegründet haben. Denn ob sie gleich
nur sehr seichte geologische Kenntnisse besaßen, so
war es ihnen doch leicht, eine Menge Phänomene ei-
ner solchen Folge von Ereignissen entgegen zu setzen,
wenn dieselbe nur sechste unsrer Tage von 24.
Stunden begriffen haben sollte. Allein das irrige
einer solchen Auslegung ergiebt sich aus dem Texte
selbst. Denn unsre Tage von 24. Stunden sind ja
nach der Umwälzung unsrer Erde um ihre Axe
und der Beleuchtung berechnet, die sie dabey von
der Sonne selbst erhält: Nun aber erscheint ja die
Sonne in jener Schöpfungsgeschichte erst am
vierten dergleichen Tage: Folglich sind unter die-
sen keine Tage wie die unsrigen von 24. Stunden
gemeynt, sondern Perioden von einer unbestimm-
ten Länge: und die kritischen Ausleger haben vor-
längst angemerkt, daß das Wort im Grund-Texte,
[Seite 60] im gleichen Sinne auch an andern Stellen der Gene-
sis
gebraucht wird, wo das Wort Morgen den
Anfang, und das Wort Abend das Ende ir-
gend einer Periode bezeichnet. Ferner ist dies die
einzige Weise die Bezeichnung eines jeden dieser
Tage zu verstehen: ‘„Da ward aus Abend und
Morgen der erste Tag und so die übrigen.„’
Denn da die Zwischenzeit zwischen Abend und
Morgen nur einen Theil eines Tages von 24.
Stunden ausmacht, und keinen Ganzen, so sieht
man offenbar, daß jenes unmöglich der Sinn des
Wortes seyn kann. Dieß ist die einzige Bemerkung
über den Text die ich voraus schicken mußte, ehe
ich die bewundernswürdige Uebereinstimmung unsrer
geologischen Denkmäler mit allen Theilen die-
ser erhabnen Erzählung und der bestimmten Ord-
nung derselben zeige. Und ohngeachtet ich mich von
nun an blos darauf einschränke, diesen Gegenstand
einzig und allein aus Naturhistorischen und
physicalischen Gesichtspunkten zu beleuchten; so
will ich doch, damit aufmerksame Leser diese Ueber-
einstimmung bemerken können, die Folge von Ope-
rationen, die von der Entstehung des Lichts an
bis auf die Erscheinung des Menschen auf unserm
Planeten sich ereignen mußten, in sechs Perioden
abtheilen, und das wird den Gegenstand dieses und
des nächstfolgenden Briefes ausmachen.


Erste Periode. 2.
[Seite 61]

Ich habe in meinem vorigen Briefe erwiesen,
daß vor dem Beytritt des Lichts zu den übrigen
Elementen, aus welchen die Masse der Erde zusam-
mengesetzt war, alles daselbst in einer vollkommen
relativen Ruhe sich befand; weil dann noch keine
Affinitäten würken konnten. Folglich können wir
auch diese primitive Masse uns nicht anders vor-
stellen, als wie aus verschiedenen Elementen zu-
sammengesetzt, die aber keinen Zusammenhang
unter einander haben.

3.

Und dieß ist gleich der erste Schritt, wo unsre
Sophisten, welche die Bildung der großen Welt-
körper
im Raume unmittelbar aus den Kräften
der Materie erklären wollen, von der gesunden
Physik aufgehalten werden. Denn wenn man
auch die Schwere für einen Augenblick als Ei-
genschaft
der Materie annimmt, so ist sie doch
viel zu schwach und unzureichend, um zwey Par-
tikeln
die sich im Raume bewegen und einander
treffen, zusammen zu verbinden, jede wird ihren
Weg verfolgen, nur mit einiger Abweichung. Die
[Seite 62] Schwere hält freylich die Partikeln an den
großen Weltkörpern, durch ihren Trieb nach
der großen Masse
, zusammen; aber erst muß diese
Masse existiren; und die Schwehre an sich ist nim-
mermehr fähig sie zu bilden. Nun aber ist nicht
der mindste Grund zu der Voraussetzung, daß die
im Raum zerstreuten Partikeln daselbst irgend
einem andern Triebe, wie z.B. dem, welchen wir die
Cohäsionskraft nennen, unterworfen seyn sollten:
Dann alle die uns bekannten Körper, an welchen
wir Zusammenhang ihrer Partikeln bemerken, sind
chemische Producte, die auf jenen großen Körpern
hervorgebracht worden, und die Feuer und folglich
auch Licht zu ihrer Entstehung bedurften. Die
bestimmten Beobachtungen hierüber liefert unsre
Erde. Allein man kann das gleiche vom Monde
behaupten, denn auch er hat seine Berge und Vul-
cane:
und das nemliche gilt denn auch von den
übrigen großen Körpern unsers Sonnen-
Systems
; denn ihre Kugelform setzt voraus,
daß sie einst müssen flüßig gewesen seyn, und dieß
konnte nicht ohne Licht möglich seyn, das ebenfalls
in irgend einer Epoche andern Elementen ohne
Zusammenhang zugesellt worden. Uebrigens
wird sich aus der Folge der geologischen Phänomene
zeigen, daß die Masse unsrer Erde ursprünglich aus
einfachem Staube (de simples Pulvicules) zusam-
mengesetzt gewesen seyn muß, der blos durch die
[Seite 63] Schwere in einer besondern Masse geblieben,
und folglich durch eine von der Physik unabhängi-
ge Ursache muß so zusammen verbunden worden
seyn.

4.

Das Licht aber was anfangs der Erdmasse
zugesellt worden, erhielt dieselbe keinesweges etwa
von einem leuchtenden Körper, wie die Sonne:
denn, da das Licht nur durch seine Verbindung
mit dem Elemente des Feuers Wärme hervor-
zubringen im Stande ist, so würden die Sonnen-
strahlen
, wenn sie auf jene Masse gefallen wä-
ren, nur auf der Aussenfläche derselben haben Feuer
hervorbringen können, indem sie sich daselbst mit
allem was sie von ihrem Element getroffen hät-
ten, verbunden haben würden: worauf denn ihre
Wärme erzeugende Würkung für immer Null ge-
wesen seyn würde. Dieß ist ihre gegenwärtige Wür-
kung, die sich, wie ich in der Folge zeigen werde,
in Rücksicht auf Wärme, bloß darauf einschränkt,
das Feuer welches sich decomponirt, zu ersetzen.
Folglich mußte der erste Zutritt des Lichts zu
den übrigen Elementen der Erde in einem
Durchdringen jener Substanz durch die ganze
Masse derselben bestehen. Und auch dieß ist
wieder eine Handlung, die keiner der be-
[Seite 64] kannten physischen Ursachen zugeschrieben wer-
den kann.

5.

Ich habe schon in meinem vorigen Briefe die
unmittelbaren Würkungen dieses Beytritts ange-
zeigt; das sind nemlich: die Entstehung des Feuers
durch die Verbindung des Lichts mit einem beson-
dern Elemente; die Schmelzung des Wassers
durch die Verbindung des Feuers mit dem Ele-
mente
desselben; und verschiedne andere chemische
Verbindungen des Lichts. Von diesem Punkte an
verfolge ich also nun diese Operationen weiter.

6.

Das Element des Wassers fand sich nur bis
zu einer gewissen Tiefe in der Erdmasse; war
aber daselbst in großem Ueberflusse: so, daß gleich
nach seiner Schmelzung ein unordentliches Ge-
menge aller Elemente entstand, die eine dicke und
trübe Flüßigkeit bildeten, aus welcher sich nach und
nach alle die Substanzen absonderten, die wir auf
unsrer Erde kennen. Allein ehe wir zu diesen Ope-
rationen gelangen, müssen wir erst die Gestalt
betrachten, welche die Erdmasse unmittelbar nach
Schmelzung des Wassers annahm.

7.
[Seite 65]

Ich habe in meinem vorigen Briefe erwiesen,
daß vor der Entstehung unsrer Mineralschichten,
und ehe die Erde einige feste Theile hatte, sie doch
schon ihre gegenwärtige Form; und so auch diesel-
be Bewegung von Rotation hatte. Nun aber
offenbahrt sich auch hier wieder eine Ursache die
von der Materie unabhängig ist: Denn es ist un-
möglich, daß eine flüßige Masse oder die aus
Staubpartikeln (pulvicules) ohne Zusammen-
hang besteht, und in dem Raume schwebt, diese
Bewegung durch irgend einen Stoß hätte erhal-
ten können. Ein Körper, der mit einem hinläng-
lichen Momentum herbeygekommen wäre, um
diese Würkung auf eine Masse wie die Erde (vor-
ausgesetzt, daß diese solide gewesen) hervorzubrin-
gen, indem er seitwärts an diese Masse ohne Zu-
sammenhang angeschlagen hätte; würde die Portion
davon die sich in seinem Wege befunden, entführt,
und ohne andern Widerstand als der Trägheit mit
sich fortgezogen haben. Denn die Neigung die diese
Portion zu der übrigbleibenden Masse durch die Ur-
sache der Schwehre haben könnte, würde augen-
blicklich durch ihre Neigung nach dem Körper mit
welchem sie vereinigt worden, compensirt, und dann
durch die Entfernung überwogen worden seyn: und
der Rest der ersten Masse wurde sogleich wieder eine
[Seite 66] kuglichte Gestalt angenommen haben, mit einiger
progressiven Bewegung auf dem Wege desjenigen
Körpers, gegen welchen ihn, da er in seiner Nähe
war, anfangs die Schwere gezogen haben würde;
aber es würde keine Rotation erfolgt seyn, die
zum wenigsten nöthig gewesen wäre, weil alle die
kleinen partiellen Bewegungen sich durch die Wie-
derumbildung der Masse in Kugelform in eine ein-
zige vorlohren haben würden.

8.

Die Verfechter der Favorit-Hypothese der Athei-
sten: daß nemlich die Bewegung eine wesentli-
che
Eigenschaft der Materie sey, haben versucht
die verschiedenen Bewegungen der Planeten, die
von denenjenigen verschieden sind, die sie unaufhör-
lich von der Ursache der Schwere erhalten, durch
die Zusammenkunft oder Verbindung der in Bewe-
gung
begriffenen Partikeln zu erklären, deren ge-
meinschaftliche Bewegung die aus allen den einzel-
nen Bewegungen der Partikeln zusammengesetzt
ist, in diesen großen Körpern, wie man gefunden
hat, sowohl die Bewegung der Rotation, als die
des projectilen Laufs hervorbringe. Nun habe
ich zwar schon gezeigt, daß die Schwere eine
viel zu schwache Kraft ist, um die Partikeln der
Materie untereinander zusammenhängend zu
[Seite 67] machen; aber doch will ich ihr dieses Vermögen ein-
mal zugestehen, und mich blos an die Bewegung
halten.

9.

Jedermann der nur den gemeinen Menschenver-
stand hat, wird eingestehen und die Atheisten selbst
werden es zugeben, daß diese Hypotheken von we-
sentlicher Bewegung
, so lange blos sinnlose
Worte bleiben, bis man sie durch Anwendung auf
ein bestimmtes Phänomen näher bestimmt. Nun
so wollen wir sie also auf die Rotation der Erde
anwenden, die durch diese Hypothese müßte erklärt
werden können, um sie doch irgend einer physi-
schen
Ursache zuzuschreiben, da sie durchaus nicht
als Würkung eines Stoßes angesehen werden kann.
Sobald man voraussetzt, daß die Bewegung den
Partikeln der Materie wesentlich ist, so folgt
hieraus nothwendig eine unabänderliche Neigung
einer jeden Partikel sich gegen einen Punkt des
Raums zu bewegen, der einer ihrer Seiten ent-
gegengekehrt ist; sie wird sich, sage ich, sobald sie
frey ist, in alle Ewigkeit, unabänderlich gegen
einen solchen Punkt bewegen: so bringt es eine
wesentliche Eigenschaft der Bewegung mit
sich. Wenn zwey dieser Partikeln, die sich mit
gleicher Geschwindigkeit und gleicher Masse bewe-
[Seite 68] gen, einander in gleicher Linie conträrer Rich-
tung begegnen, so werden sie einander wechselseitig
aufhalten; allein ihre Bewegung wird dadurch
nicht vernichtet werden, sondern (wie man sich in
dieser Theorie ausdrückt) in nisu seyn. Aber, wenn
sie einander in schräger Richtung begegnen und sich
zusammen verbinden, so werden sie nun gemeinschaft-
lich eine Mittelrichtung zwischen ihren beiden
vorigen erhalten und sich dadurch herumwälzen.
Folglich hat in einer solchen Masse, wie unsre Erde
ist, die eine eigne Bewegung von Rotation zeigt,
keine Partikel ihre eigenthümliche Bewegung ver-
lohren; es ist die Verbindung aller dieser Bewe-
gungen
mittelst des Aneinanderhängens der
Partikeln, wodurch eine Rotation hervorge-
bracht worden.

10.

Hier wird, so wie in allen den Fällen wo man
einem bestimmten Phänomen eine Hypothese anpassen
will, ihre Richtigkeit auffallend, die sich sogleich
aus einem Factum ergiebt. Daraus nemlich, daß
unsre Erde, da sie durch ihre Rotation ihre
sphäroidale Gestalt angenommen hat, flüßig
seyn mußte, wenigstens bis zu einer hinlänglichen
Tiefe. Nun aber ist es gegen alle Physik, daß
die einzelnen Bewegungen der Partikeln sich in
[Seite 69] einer Flüßigkeit auf eine solche Weise sollten ver-
binden können, daß sie der Masse ihre mittlere
Richtung
nach den einzelnen Richtungen die sie
bey ihrer Zusammenkunft hatten, mittheilen könn-
ten: Da der geringe Zusammenhang ihrer Mo-
lekuln
untereinander eine der Eigenschaften der
Flüßigkeiten ausmacht. Man müßte also (gegen
alle denkbare Wahrscheinlichkeit) voraussetzen, daß
sich durch die Zusammenhäufung aller dieser in Bewe-
gung
begriffenen Partikeln eine dichte Spheroi-
de
genau so gebildet habe, wie sie durch ihre bekannte
Rotation die auf eine flüßige Masse würkt, ge-
bildet seyn würde: und dann erst würde sich die
dichte Masse der Erde mit ihren Bergen und
schroffen Felsen um ihre Axe drehen können.
Aber was müßte denn nun, auf diesen Fall, einem
von irgend einem dieser Felsen abgerissenen Stücke
begegnen? Um das zu begreifen, müssen wir wieder
zur Hypothese zurückkehren. Jede Partikel be-
hält ihre eigene Bewegung, d.h. eine gewisse
Geschwindigkeit nach einer gewissen auf eine Seite
deshalben sich beziehende Richtung: dieß ist ihr
wesentlich, und äussert sich unaufhörlich, selbst in
nisu
, wo Compensationen erfolgen. Das
Fragment wird folglich auch aus einer gewissen
Anzahl dieser Partikeln zusammengesetzt seyn, die
unter einander zusammenhängen, die ihre Eigen-
schaft von gewisser Geschwindigkeit und Rich-
[Seite 70] tung behalten, und gemeinschaftlich eine gewisse Ge-
schwindigkeit
und Richtung der kleinen abge-
sonderten Masse bewürken, die sie in Verbin-
dung mit ihrer Bewegung als schwer, im Au-
genblick befolgen muß, da sie sich von dem Felsen
losreißt
. Aber wird nun diese Bewegung die
gleiche seyn wie der Erdmasse ihre? Werden die
Bewegungen aller Fragmente, die sich bis jetzt
vom Felsen losgerissen haben – und die sich noch
unaufhörlich losreißen, zufälliger Weise unter
einander und mit der Bewegung der großen Masse
gleich
seyn? Es wäre absurd dieß anzunehmen.
Nun aber sind alle Fragmente die sich von den
Felsen losgetrennt haben und noch trennen, wäh-
rend ihres Falls allen Bewegungen der Oberflä-
che der Erde in der Parallele wo sie sich finden,
gefolgt, und folgen ihnen noch. Folglich haben
die Partikeln der Materie nicht die mindste eig-
ne Bewegung
, und alle Partikeln aus welchen
die Erde besteht haben zusammen den Eindruck
der Bewegung bekommen, den sie behalten.

11.

Ich übergehe hier was die ausdehnbaren
Fluida
*) betrift, deren Partikeln ihre Kraft
[Seite 71] durch Stöße äussern. Aber diese Bewegungen
haben eine mechanische Ursache die unaufhörlich
thätig ist, die auch die Schwere, den Zusam-
menhang
und die chemischen Verwandschaf-
ten
hervorbringt, und die ich, nach dem schönen
System des Hrn. Le Sage in dreyen Briefen im
Journal de physique vom Februar, März und
Julius 1793. erklärt habe. Bey diesen großen
physischen Ursachen erfolgt wiederum alles von
Eindrücken der Bewegung die nirgend anders
als von einer von der Materie unabhängigen Ur-
sache
herrühren können. Und das Ganze dieser ge-
nau bestimmten Phänomene ist eine Widerlegung
durch Thatsachen von der absurden Idee einer we-
sentlichen Bewegung
. Blos durch eine eben so
imaginäre Physik als diejenige ist, aus welcher
schon so manche phantastische Systeme über die Ge-
schichte der Erde
gefolgert worden, hat man sich
diese wesentlichen Eigenschaften bilden können,
mit welchen man auch Geschichten des Weltalls
(des Histoires de l’Univers) zu entwerfen versucht
[Seite 72] hat; und diese chimärischen Ideen enthalten sich bey
manchen Leuten blos dadurch, weil sie das durch
ihre Einbildungskraft fassen wollen, was sich-
doch blos durch ein aufmerksames Studium der
Physik und der Geologie ergründen läßt. Die
Irrthümer prägen sich leicht durch Worte dem
Gedächtniß ein; und die Einbildungskraft bedient
sich dann ihrer aus Bequemlichkeit. Aber die
Wahrheiten die Thatsachen sind, und ihre
logischen Verbindungen, erfodern immer eine
große Aufmerksamkeit, um vom Verstande gefaßt
zu werden, und eben dieß ist die Ursache ihres lang-
samen Fortgangs.

12.

Durch genaue Befolgung dieser letztern Metho-
de, habe ich nun als Product der ersten Periode
von Operationen, wovon wir die Monumente
auf unsrer Erde finden, festgesetzt: daß nach dem
Zutritt des Lichts zu seinen übrigen Elementen,
(der durch eine Ursache bewürkt seyn muß, welche
wir in der Physik nicht finden;) eine Bewe-
gung von Rotation
, (zu welcher sich eben so we-
nig ein Anlaß in der Materie findet,) diese Masse,
die damals noch keinen festen Theil hatte, die
sphäroidale Gestalt hat annehmen lassen, die sie
behalten hat: eine dicke und trübe Flüßigkeit machte
[Seite 73] den Aussentheil derselben bis auf eine gewisse Tiefe
aus, und den Rest blos staubartige Theile (Pul-
vicules
) ohne Zusammenhang. Von da gehe
ich nun aus, und die Uebereinstimmung der geo-
logischen Denkmäler
mit dem was aus diesen
nun festgesetzten Ursachen folgen muß wird auf
jeden Schritt die Realität derselben zeigen.


Zweyte Periode.
13.

Von nun an muß die allgemeine Chemie in
Rücksicht auf die Principien unsre einzige Führerin
seyn; und es ist noch nicht lange her, seit sie uns
in dieser Rücksicht wahres Licht verbreitet: auch ha-
ben alle die Systeme über den ältesten Zustand un-
srer Erdkugel, die vor dieser Zeit erdacht worden,
einander wechselseitig zerstört und sind wie Träume
dahin geschwunden. Der erste wesentliche Schritt
den man auf dieser Bahn gethan, ist die Entdeckung,
daß alle die Substanzen welche unsere Mineralien-
Lager
ausmachen, durch chemische Verbindun-
gen
in einer wässerichten Flüßigkeit entstanden
seyn müssen. Hr. de la Metherie machte zuerst
diese Idee A. 1767. bekannt, da er alle unsere
[Seite 74] steinartigen Massen einer Cristallisation zu-
schrieb. Hr. von Saussüre faßte nach mehr all-
gemeinen und mehr bestimmten Bemerkungen zuerst
die Idee, daß alle die Substanzen, die er überhaupt
aus Schichten bestehend gefunden hatte, sich durch
verschiedene auf einander folgende Niederschläge
in der gleichen Flüßigkeit gebildet haben. Der P.
Pini hat ebenfalls erwiesen, daß diese Operationen
haben in einer wässerichten Flüßigkeit erfolgen müs-
sen. Endlich hat Hr. von Dolomieu, der übri-
gens nach seinen Beobachtungen in verschiedenen
Weltgegenden dem System des Hrn. von Saussü-
re
beygetreten ist, noch den großen Umstand hinzuge-
fügt, worin ich ihm nach meinen eigenen Bemer-
kungen und der ganzen Summe der dahin einschla-
genden Thatsachen vollkommen beypflichte; daß sich
nemlich in unsern jetzigen Meeren schlechterdings
nichts ereignet, was nur die mindeste Aehnlichkeit
mit der Entstehung der in Schichten gelagerten
mineralischen Substanzen hätte, die weiland
auf unsrer Erdkugel statt gehabt.

14.

Dem Fortgange der Chemie verdanken wir al-
so, wie gesagt, die ersten Bemerkungen aus wel-
chen sich ein solider Grund für die Geologie legen
läßt, und die uns zugleich den Weg zu neuen Ent-
[Seite 75] deckungen geöfnet haben, indem sie uns wahre all-
gemeine Principien liefern. Ich habe von diesen
Principien in mehrern meiner Briefe im Pariser
Journal de physique gehandelt: da aber eins der
allerwichtigsten auch vom Hrn. von Dolomieu in
seiner Abhandlung über die zusammengesetzten
Steine und die Felsen
(im May 1792. des
nemlichen Journals) vorgetragen worden, so lasse
ich ihn selbst darüber sprechen: ‘„Bey der Analyse
der Steinarten (sagt er) ist es weit wichtiger
die Art der Verbindung zu unterscheiden und
zu bestimmen, welche die Bestandtheile dadurch
untereinander haben, daß ihnen ein Fluidum
entweder zugemischt oder entzogen wird; als blos
die Verschiedenheit und die genauen Verhältnisse
der Stoffe zu wissen, die man durch die Analyse
daraus erhält. Denn die wahre Natur eines sol-
chen zusammengesetzten Körpers, wird weit
mehr durch die besondere Art seiner Zusammen-
setzung
, als durch die Stoffe selbst bestimmt
und aufgehellt. So gehören zu den Verbindun-
gen
der nemlichen in die Sinne fallenden Sub-
stanzen
die dichtesten Steine und die lockersten,
die härtesten und die weichsten, die so der Würkung
der Sauren am stärksten widerstehen und die so
sehr leicht von denselben angegriffen werden, die
so sich nur äusserst schwer, und die welche sich sehr
bald zerlegen lassen, die strengflüßigsten und die
[Seite 76] leichtflüßigsten. Mit einem Worte, Steine die
nach ihren äussern Kennzeichen einander noch so
unähnlich sind, zeigen oft nichts destoweniger bey
der Analyse die gleichen Bestandtheile; zum
Beweis, daß die Chemie von einem nicht sehr be-
deutenden Nutzen für die Lithologie bleiben muß,
so lange sie sich blos darauf einschränkt die Dosen
der heraus analysirten Bestandtheile abzuwä-
gen
und hingegen die für die Verbindung der-
selben wichtigsten Umstände vernachläßigt, die
doch dabey am allermeisten bewürkt haben und in
welchen es liegt, daß gerade diese oder jene Stein-
art
in der That von einer andern verschieden
ist, ohngeachtet beider ihre Bestandtheile ohn-
gefehr die nemlichen sind.„’ – Diese allgemei-
nen Bemerkungen sind das Resultat einer Menge
von Beyspielen die Hr. von Dolomieu anführt;
und das sich ein jeder aufmerksame Physiker ohne-
hin aus der sonderbaren Aehnlichkeit ziehen muß,
die in den tabellarischen Uebersichten der Be-
standtheile
so vieler der allerverschiedensten Foßi-
lien
oft so auffallend ist.

15.

Durch diese Betrachtungen, die auch mir vor-
längst aufgefallen waren und die ich schon in meinen
Briefen über die Geschichte der Erde und
[Seite 77] des Menschen entwerfen hatte, sind wir beide,
Hr. von Dolomieu und ich, auf die gleiche Theo-
rie der chemischen Niederschläge gekommen,
wovon sich die Grund-Ideen in unserer beider Ab-
handlungen im Journal de physique finden, und
die ich hier ganz kurz zusammenfassen will. Die
Bildung der in die Sinne fallenden festen
Körper
durch Niederschlag aus Flüßigkeit
setzt verschiedene Ereignisse (Actes) voraus. Das
erste Ereigniß ohngeachtet es von unsrer directen
Beobachtung am entferntesten liegt, ist nichts desto-
weniger dasjenige, worüber uns die Physik die aller-
gewissesten Principien liefert, nemlich die Umbil-
dung der flüßigen Molekuln in feste Mole-
kuln.
Der Begrif von Flüßigkeit ist heutiges
Tages sehr gut festgesetzt, da man weiß daß sie von
einer Verbindung des Feuers mit den Mole-
kuln
gewisser Substanzen abhängt, die bey einer
jeden derselben unter einer bestimmten Tempera-
tur
erfolgt und die hingegen durch Abkühlung un-
ter
dieser Temperatur aufgehoben wird. Diese
Verbindung muß aufhören, oder in eine andere
umgewandelt werden, wenn solche Molekuln die
vorher die Flüßigkeit ausmachten, nunmehr einen
festen Körper bilden sollen. So lange keine an-
dere Veränderungen mit den Molekuln einer li-
quesciblen
Substanz vergehen, als blos die Ver-
schiedenheiten des Wärmegrads, so bleibt sie über
[Seite 78] einer gewissen Temperatur flüßig, und wird
hingegen unter derselben fest. Allein, wenn nun
in der Flüßigkeit gewisse Ingredienzen neu hinzu-
treten, oder aber ihr entzogen werden, sie mögen
auch noch so unmerklich scheinen, so bildet sich
nun eine größere oder geringere Menge von Mo-
lekuln
, welche, mit oder ohne Verlust des Feuers,
wodurch sie in Schmelzung erhalten wurden,
nun die Eigenschaft verlohren haben, eine Flüßig-
keit zu bilden, es sey nun unter der gleichen oder
unter jeden andern Temperatur, so lange sie we-
nigstens keine anderweitige Veränderung erfahren.
Und das ist es was ich unter der Bildung, der fe-
sten Molekuln
in einer Flüßigkeit verstehe; ei-
ner Operation deren Grund in der Physik genau be-
stimmt liegt; und die Verwandschaften die sich
bey diesem ersten Ereigniß jedes chemischen
Niederschlags
äussern, und die auch Hr. von
Dolomieu
unterschieden hat, werden in seiner Ab-
handlung Verwandschaften der Zusammen-
setzung
(Affinités de composition) genannt.

16.

Und so müssen denn (ehe wir es gewahr werden
können) die Niederschläge der festen Theile in
den Flüßigkeiten ihren Anfang nehmen: und schon
dann bilden sich Molekuln, die, mit den gleichen
[Seite 79] wiegbaren Ingredienzen, so wie wir sie endlich
in unsern Analysen finden werden, nichts destowe-
niger sehr einander unähnliche feste Körper bilden
werden: und wenn man das Ganze der Phänomene
studirt, so wird man zu der Ueberzeugung geführt,
daß diejenigen Ingredienzen deren Abwesenheit
oder Daseyn zur Bestimmung dieses ersten Ereig-
nisses
beyträgt, von einer Beschaffenheit sind, die
sie unsrer unmittelbaren Beobachtung entzieht; wie
sich das in der Folge ausweisen wird. Diese festen
Molekuln
haben verschiedene Gestalten, so wie
auch verschiedene chemische Verwandschaften
die sich durch bestimmte Flächen (par des faces
determinées
) äussern; und hierdurch erhalten
denn die dadurch hervorgebrachten festen Körper
selbst, entweder besondere regelmäsige Gestalten
wie die Crystalle; oder ein eignes Korn und eine
eigne Art des Bruchs, so wie wir dieß bey allen
Foßilien bemerken. Es äussern sich folglich als-
dann neuere Verwandschaften, welchen die von
den schon hervorgebrachten Molekuln zur Basis
dienen; und das sind die, welche Hr. von Do-
lomieu Verwandschaften der Anhäufung

(Affinitées d’aggregation) nennt. Und bis hieher
sind wir noch nicht im Stande zu erkennen, ob es
in dieser zweyten Ereigniß oder in der vorherge-
henden geschieht, daß die in die Sinne fallenden
festen Körper
die Eigenschatten erhalten, die wir
[Seite 80] bey unsern Analysen an denselben bemerken, nemlich
gewisse ausdehnbare Fluida entweder hervor-
zubringen
oder zu verschlucken, die wir zwar
nach ihren äussern Eigenschaften kennen, deren Zu-
sammensetzung aber (wie ich in meinen Briefen im
Journal de physique gezeigt habe), noch sehr im
Dunkeln liegt. Endlich ist die Anhäufung selbst
wieder von zweyerley sehr verschiedener Gattung,
die auch von der Natur der ersten festen Mole-
kuln
abhängt, die sich in den Flüßigkeiten bil-
den, oft mit denselben wiegbaren Substanzen, die
zuletzt in unsern Analysen erscheinen. Die eine Gat-
tung dieser Anhäufungen bringt unmittelbar
größere mehr oder minder regelmäsige feste Körper
hervor; nemlich die eigentlichen Crystallen und
dann die undeutlichen Crystallisationen von man-
cherley Form: Die andre Gattung bringt anfäng-
lich nichts weiter als Pulver oder feine Körner
hervor, die in der Flüßigkeit zu Boden fallen;
und diese Gattung theilt sich dann wieder in zwey
Unterarten, in deren einen diese kleinen festen
Theilchen unverbunden
lose bleiben, da sie
hingegen bey der andern die Eigenschaft haben,
durch ihren längern Aufenthalt auf dem Boden der
Flüßigkeit in welcher sie sich gebildet haben, sich zu
großen Massen zusammen zu verdichten. – Diese
letztere Art von Anhäufung: ist es, die unsere
Fossilien-Steinlager hervorgebracht hat.

17.
[Seite 81]

Unsere chemischen Analysen sind freylich weit
vollkommner als die, womit man sich in den vorigen
Generationen begnügen mußte. Denn jetzt fassen
wir nicht nur alle die haltbaren (coërcibles)
Fluida auf, die aus den analysirten Substanzen
entbunden werden; sondern wir können nun auch
diejenigen Fluida erkennen, die sich durch Zutritt
mit denselben verbinden; wir unterscheiden die einen
von den andern durch feste Charaktere und bestim-
men ihre Quantitäten durchs Gewicht. Aber
noch wissen wir nicht 1. In welcher Epoche der
Bildung des analysirten festen Körpers derselbe
das Vermögen erhalten hat, Fluida hervorzu-
bringen oder zu verschlucken (absorbiren): 2. Ob
die Fluida die sich während unsrer Analyse entbin-
den, würklich so wie sie sind, in einer Periode der
Bildung der analysirten Stoffe ihnen beygetreten
sind, oder aber ob es nicht neue Producte der Ana-
lyse selbst sind. 3. Ob die Fluida die während
der Analyse verschluckt werden, würklich dieselben,
eben so zusammengesetzten Substanzen sind, welche
die ursprüngliche Flüßigkeit hat verlieren müs-
sen, um den festen Körper hervorzubringen, den
wir analysiren; oder aber ob nicht irgend eins der
Producte der Analyse eine neue Zusammen-
setzung
ist, die mittelst dieser Flüßigkeiten her-
[Seite 82] vorgebracht worden. 4. Endlich, wissen wir auch
nicht, ob das Feuer und das Licht die wir bey
ihrer Entbindung oder bey ihrer Absorbtion durch
die sie verrathenden Eigenschatten gewahr werden,
die einzigen unhaltbaren (incoërcibles) und un-
wiegbaren
Substanzen sind, die während unsrer
Analysen hinzukommen oder davon gehen. Jeder
Chemiker der zugleich Physiker ist, wird, wenn er
die Analysen die bisher von den Fossilien, und
zwar sowohl von denen in den Gebirgslagern
selbst, als von ihren verschiedenen Gängen ge-
macht worden, aus diesen verschiedenen Gesichts-
punkten prüfte, ohne Widerrede zugeben, daß wir
schlechterdings ausser Stand sind alle Ingredien-
zen
aus welchen sie zusammengesetzt sind, und die
Art ihrer Verbindung zu bestimmen, und den all-
gemeinsten Beweis dieses Unvermögens finden wir
schon darin, daß wir fast keine einzige dieser Sub-
stanzen wieder zusammen setzen können, wenn wir
es versuchen die Ingredienzen die uns unsere
Analysen geliefert haben, von neuem mit einander
zu verbinden.

18.

Hr. von Dolomieu hat also gar sehr Recht,
wenn er in der oben angeführten Stelle sagt: ‘„daß
die Chemie von einem nicht sehr bedeutenden Nu-
[Seite 83] tzen für die Lithologie bleiben müsse, solange sie
sich blos darauf einschränkt die Dosen der heraus-
analysirten Bestandtheile abzuwägen“’ und es
sind die gleichen Betrachtungen gewesen, die am
Ende uns beide, ihn und mich, jeden für sich, auf
die Schlußfolge geleitet haben: daß man bey der
jetzigen Verfassung der Dinge auf unsrer Erde, ver-
gebens nach einem Auflösungsmittel suchen wür-
de, in welchem unsere mineralischen Stoffe
einst aufgelößt gewesen; weil damals nichts als
einfache Elemente da waren, und wir hingegen
jetzt nichts als zusammengesetzte Stoffe sehen;
blos Licht und Wasser als die einzigen für uns
bemerkbaren einfachen Stoffe, ausgenommen.
Im Anfang war auf unsrer Erde weder Auflö-
sungsmittel
noch aufzulösender Stoff; es bil-
dete sich damals ein Chaos von Elementen in ei-
ner Flüßigkeit, deren Basis das Wasser war.
Und aus dieser ersten Mischung schieden sich nach
und nach alle die Substanzen, worüber sich nun jetzt
unsere Beobachtungen und Versuche erstrecken Folg-
lich müssen wir blos nach den allgemeinen Principien,
welche die Physik schon aus der Chemie gefolgert
hat, in Verbindung mit der Betrachtung unserer
Erdkugel; (keinesweges aber nach den besondern
Gesetzen, die wir heutiges Tages zwischen unsern
Substanzen bemerken,) diejenigen Modificationen
der Elemente verfolgen die zu Anfang der Dinge
[Seite 84] auf unserer Erde bewürkt worden sind und wovon
uns blos die Denkmale übrig geblieben; die aber
an sich verständlich genug sind, um den Physiker
zu leiten.

19.

Die erste Scheidung vom Stoffe die in der Pri-
mordial-Flüßigkeit
statt hatte, diente als Vor-
bereitung zu vielen nachfolgenden Würkungen: Eine
große Menge fester Molekuln, die in ihrem er-
sten Zustand von Verbindung zu schwer waren, um
in der Flüßigkeit sich schwimmend zu erhalten
und sich darin allen denen Umbildungen (transfor-
mations
) zu unterziehen, deren sie fähig gewesen
wären, sanken darin zu Boden und häuften sich da-
selbst auf der Masse von Staub (des pulvicules)
an, und so entstand dadurch eine sehr dicke Schicht
von einer Art Schlamm der mit der Flüßigkeit ge-
mischt war; die andern Elemente blieben in der-
selben schwimmend, wo sie nach und nach in ver-
schiedene Verbindungen traten, mit Hülfe der neuen
Substanzen, die sich anfangs aus dem gedachten
Schlamme, und nachher aus dem Staube er-
hoben, wenn derselbe mit der Flüßigkeit durchzo-
gen worden war; von welcher sich dann auch zugleich
ausdehnbare Fluida entwickelten, die sich um
die Erdkugel herum verbreiteten und allgemach
[Seite 85] die Atmosphäre derselben, so wie sie ist, bil-
deten.

20.

Das erste Resultat dieser Folge von Verbindun-
gen, war der gleichzeitige Niederschlag der verschie-
denen Crystallen des Granits, so wie auch der
verschiedenen mehr homogenen Substanzen mit denen
er durchzogen ist. Diese ersten aller bekannten Nie-
derschläge
hatten so wie alle folgenden zuweilen
ihre Pausen, (Suspensions) und dann ihre Wie-
derholungen
; weil es nach der Absonderung einer
gewissen Menge von festen Molekuln aus dem
obern Theile der Flüßigkeit durch die Entbindung
der ausdehnbaren Fluida immer erst einige Zeit
brauchte, damit der gleiche Zustand in diesem Theil
der Flüßigkeit wieder hergestellt, und diejenigen
Fluida hingegen, deren Entbindung den Nieder-
schlag bewürkte, wieder von neuem entweichen konn-
ten. Diesen Pausen, die oft mit einigen Local-
Veränderungen in der Flüßigkeit verbunden wa-
ren, ist es zuzuschreiben, daß man oft merkliche
Verschiedenheiten in der Größe, Farbe und Ver-
hältniß der Menge der verschiedenen Crystallen in den
unmittelbar auf einander folgenden Granitlagen
findet, und daß sie zuweilen mit andern Lagen
blos von einer oder von zweyen der Bestandtheile
[Seite 86] des Granits durchzogen sind, und was derglei-
chen Veränderungen in der Art und Weise wie sie
fest geworden, mehr sind.

21.

Diese ersten Niederschläge bildeten rund um
die Erde eine sehr dicke Rinde; wovon die großen
Gebirgketten zeugen, deren Ränder wir durch Ca-
tastrophen umgestürzt sehen, wovon wir die Ursache
bestimmen müssen. Aber keine Spur von organi-
sirten Körpern
zeigt sich in diesen Gebirgsla-
gen
, also existirten auch keine in der Flüßigkeit
zu der Zeit als sie noch die ganze Erdkugel bedeckte.


Dritte Periode.
22.

Nachdem die Flüßigkeit desjenigen Stoffes be-
raubt war, woraus die Granitlagen gebildet
worden, so entwickelten sich aus derselben neue
ausdehnbare Fluida, wodurch denn wiederum
neue Verbindungsarten der festen Molekuln er-
wuchsen, woraus abermals Niederschläge entstan-
den, die aber von den vorhergehenden sehr verschie-
[Seite 87] den waren: dieß sind diejenigen so den Gneis,
die Wacken, die Gang-Schiefwarken (les
Schistes primordiaux
) und die verschiedenen Arten
von andern Lagen die mit diesen vermengt sind,
hervorgebracht haben. Auch alle diese mächtigen La-
gen findet man vorzüglichst in den großen Gebirgs-
ketten, wo sie gemeiniglich an einander, sämmtlich
aber auf dem Granit aufliegen. Dieß sind die
Gebirgsarten den Granit mit eingeschlossen,
die man seit einiger Zeit uranfängliche genannt
hat, weil sie noch nicht die mindeste Spur von or-
ganisirten Körpern
enthalten.

23.

Ehe ich weiter gehe in der Bestimmung der be-
sondern Lagen aus den verschiedenen Perioden,
so muß ich vorher genauer die Ursachen ihrer Abän-
derung und zugleich der nachwärtigen Revolutionen
bestimmen, die sie erfahren haben. Ich habe ge-
sagt, daß man die bis jetzt genannten Lagen vor-
züglich in den großen Gebirgsketten und folg-
lich in den höchstliegenden Gegenden auf unserer Erde
bemerkt: und doch waren diese Lagen zu allererst
auf dem Boden der Flüßigkeit gebildet: in ihrem
jetzigen Zustand aber sind sie weder mehr zusammen-
hängend
noch Wasserpaß; sondern getrennt
und 0. Und eben in den dadurch zum
[Seite 88] Vorschein gekommnen Durchschnitten dieser großen
Erhabenheiten, sehen wir nun wie die verschiede-
nen Gebirgslagen auf einander folgen, die, ohne
diese Gebirge und einige Hügel uns schlechterdings
unbekannt geblieben seyn würden, ob wir gleich durch
andere Phänomene die von den gleichen Ursachen
abhängen, vergewissert werden, daß sie unter un-
serm ganzen Boden fortlaufend: und dasselbe gilt auch
von mehrern andern Arten von Gebirgslagen,
die erst nach jenen gebildet worden. Folglich sind
nun die successive Abänderung in der Art der Ge-
birgslagen
, und die Revolutionen die sie erfah-
ren haben, die beiden wichtigsten geologischen Phä-
nomene die erklärt werden müssen. Denn ihre Ur-
sachen sind es, die durch ihre abwechselnde Wür-
kung seit der Bildung der Granitlagen bis auf
die Entstehung unsers trocknen festen Landes
diesem alle die Charactere ertheilt haben, die wir
nun an selbigem bemerken. Ich gehe also zur An-
zeige dieser Ursachen über.

24.

Ich habe gesagt, daß unsere ersten Gebirgsla-
gen
, die wir kennen, die vom Granit nemlich,
auf einen Schlamm abgesetzt worden, der mit
Flüßigkeit durchzogen war: diese letztere seigerte
sich nach und nach in die innere Staubmasse
[Seite 89] (masse des pulvicules) und verursachte daselbst
Einsenkungen, so wie wir sie auf jeden Sand-
oder Staub-Haufen entstehen sehen, wenn Wasser
darauf gegossen wird. Diese Staubtheile waren
von verschiedener Art, daher denn die eingeseigerte
Flüßigkeit hier und da besondere Verbindungen
hervorbrachte, wodurch ebenfalls nach und nach
große, harte, und verschiedentlich gleichsam wie in
Zweige sich vertheilende Massen entstanden, derglei-
chen man in vielerley lockern oder weichen Substan-
zen, wie im Sande, im Thone und in ver-
schiedenen kalkartigen Erden etc. findet. Diese
verhärteten Partieen, die im Anfang der Ein-
senkung
widerstanden, bildeten Stützen für die
Rinde von Erdlagen, die sich folglich einige
Zeitlang waagrecht erhalten konnte, indeß sich durch
die Einsenkung der lockern Staubtheile in ihren
Zwischenräumen Hölen bildeten, in welchen sich
ausdehnbare Fluida sammelten, die durch die
innern chemischen Operationen hervorgebracht wor-
den waren. Aber wenn sich die Einsenkung der
Staubtheile weiter und bis unter die Grundfläche
jener verhärteten Partieen erstreckte, die nun die
Scheidewände der Hölen bildeten, so senkten
sich dann diese Scheidewände selbst, und da folg-
lich die obere Rinde (als die Decke der Holen)
nun ihre Stütze verlohren hatte, so brach sie ein,
und senkte sich nun selbst in einem weitern oder en-
[Seite 90] gern Umfange. Da sich hierauf ein Theil der
Flüßigkeit in die Hölen verlief, so trieb er die
ausdehnbaren Fluida, die sich darin gesammlet
hatten, heraus. Diese schwängerten nun die obere
Flüßigkeit mit neuen Ingredienzen, und verän-
derten dadurch die chemischen Verbindungen in selbi-
gen; und da sich hierauf von neuem ausdehnbare
Fluida
von der Oberfläche derselben entbanden,
so verursachte dieß wieder neue Arten von Nieder-
schlägen
. Jene successiven Ergießungen der Flüßig-
keit
veranlaßten aber wiederum neue Hölen, in-
dem sie neue Einsenkungen der Staubmassen
verursachten: dadurch ward aber die äussere Menge
der Flüßigkeit allgemach vermindert; und da jene
successiven Portionen von verschiedener Natur wa-
ren, weil die äussere Flüßigkeit sich immer mehr
durch neue Niederschläge von ihren uranfängli-
chen Ingredienzen entblößte, so entstand daraus
jedesmal eine neue Art von ausdehnbarem Flui-
dum
im Innern; und hierauf wieder neue Ver-
bindungen in der obern Flüßigkeit, wenn jene
Fluida sich darin verbreitet hatten.

25.

Dieß ist der allgemeine Entwurf der Ursachen,
die lange Zeit hindurch im innern und äussern unse-
rer Erdkugel auf einander gefolgt sind: sie haben
[Seite 91] alle nach generischer Analogie ihren Grund in be-
kannten Phänomenen: und ich habe gezeigt, daß
man gar nicht erwarten darf, daß die zu jener Zeit
bewürkten Operationen sich aus specifischen Analo-
gieen mit dem was wir im jetzigen Zustande der Erde
bemerken, sollten erklären lassen. Diese Ursachen
haben also a priori allen Grund dessen sie nur fä-
hig sind; und ich werde sie nun a posteriori fest-
setzen, durch die Art wie sie, in den gleichen gene-
rellen Ausdrücken über alles das Aufschluß geben,
was wir an unserer Erdkugel bemerken.

26.

Nach allerhand Catastrophen, die sich mit der
Erdrinde zugetragen haben, da sie noch mit
Flüßigkeit bedeckt war, und während welcher dieje-
nigen Stellen, die durch die Scheidewände der
Hölen unterstützt wurden, in ihrer primitiven waa-
gerechten Lage geblieben waren, wo sie auf dem Bo-
den dieser Flüßigkeit Ketten von Erhabenheiten
oder Bergen bildeten; erfolgte endlich eine Epoche,
wobey, durch große Einsenkungen des Staubes
(pulvicules) die Grundflächen der Scheide-
wände
der Holen in einem großen Theile der
Erde zugleich unterminirt wurden, und sich daher
die Erdrinde in diesem ganzen Umfange einsenken
mußte. Dieß ist die erste große Revolution die
[Seite 92] einen tiefen Eindruck auf unserer Erdkugel zurückge-
lassen hat; – Denn sie ist es wodurch sich die Ober-
fläche derselben zuerst in Meer und festes Land
trennte; weil sich alle die Flüßigkeit, womit sie
damals von aussen umgeben war, in diese einge-
senkten Gegenden zusammen floß, und der Nest der
Rinde hingegen über ihr hinausragte.

27.

Und so bildeten sich dann die ersten Welttheile
(Continens) die wahrscheinlich viel größer waren
als die jetzigen; und ob sie schon seit dem verschwun-
den sind, so sind wir doch von ihrer damaligen Exi-
stenz so gut versichert als vom vormaligen Daseyn
einer alten Stadt, wovon die Geschichte erzählt und
von welcher wir Denkmale finden. Ich werde dieß
in der Folge zeigen. Diese Welttheile hatten
Berge die unter dem Wasser durch die Catastrophen
die ich nun erklärt habe, gebildet worden waren.
Und diese Berge haben sich lange Zeit erhalten; seys
weil sie nun von der Last der Flüßigkeit befreyt
waren; oder seys weil nun die Flüßigkeit nicht
mehr unmittelbar in den unter ihnen befindlichen
Staub dringen und da die Hölen erreichen und
die Grundflächen ihrer Scheidewände untergraben
konnte.

28.
[Seite 93]

Ausser dieser Bildung der großen Welttheile
durch die allgemeine Erniedrigung der Fläche jener
Flüßigkeit und durch das Verlaufen dieser letztern
in eine einzige Gegend der Erdkugel, blieben auch
noch andere Partieen der Erdrinde in den Gegen-
den wo sich die Flüßigkeit hin verlaufen hatte, über
derselben hervorragend, und bildeten dadurch eine
Menge von Inseln und Halbinsel. Die Vege-
tation
begann hierauf auf diesem trocknen Lan-
de
, aber die Gewächse jener Weltperiode, wo
noch keine Sonne die Erde beleuchtete, waren
gar sehr von den jetzt existirenden verschieden; wir
kennen sie aus ihren Ueberresten die in den spätern
Fossilien-Lagern vergraben sind; und sie beson-
ders sind es, von welchen, wie ich zu seiner Zeit
erklären werde, unsere Steinkohlenflöze her-
rühren.

29.

Diese Epoche ist auch deshalb merkwürdig, weil
unser gegenwärtiges festes Land darinne, so wie
es jetzt ist, auf dem Boden des damals sich bilden-
den Meeres hervorgebracht worden ist. Dieser Bo-
den bestand anfangs blos aus Primordial-Lagen,
die aber schon sehr zerrissen waren, besonders weil
[Seite 94] die Rinde beym Einsinken hier und da durch die
obern Kanten der Scheidewände der Holen,
wenn dieselben sich nicht weiter in die drunter lie-
genden weichen Substanzen einsenkten, aufgehalten
wurde. An diesen Kanten sage ich, brach sie ent-
zwey, und so bildeten sich die Anlagen zu unsern
großen Gebirgsketten. Da bersteten auch die
Lagen selbst nach allen Richtungen und ihre Spal-
ten
wurden die Fugen zu unsern Gängen, wie
ich zu seiner Zeit erklären werde. Ein großer Theil
der Flüßigkeit drang wiederum durch diese Brüche
der Rinde ins innere der Erdkugel, wodurch denn
die Oberfläche der Flüßigkeit in Vergleich zu den nun
entblößten Theilen des festen Landes noch niedriger
ward, und im Innern nun so wohl neue Einsin-
kungen
in der Staubmasse, als auch neue che-
mische Operationen entstanden. Die ausdehnba-
ren Fluida
, die damals in den Hölen eingeschlos-
sen waren, und nun durchs Einsinken der Rinde
und durchs Eindringen der Flüßigkeit gepreßt wur-
den, und folglich mit der größten Gewalt durch ir-
gend einige Spalten herausdrangen, rissen und
stießen dabey eine Menge von Trümmern vor sich
her, die dann auf dem Meeresboden verbreitet
und nachher mit andern Substanzen vermengt unsre
Breschen und Puddingsteine etc. bildeten, deren
einzelne Ingredienzen aus Primordialsteinen be-
stehen. Da endlich die aussere Flüßigkeit mit die-
[Seite 95] sen neuen Fluidis abermals geschwängert ward, so
verursachte dieß wiederum Niederschläge von neu-
er Art.


Vierte Periode.
30.

Die Hauptveränderung wodurch sich diese Pe-
riode
auszeichnet ist von der Art, daß ihre Erklä-
rungen und Beweise die genauesten Erörterungen aus
der Physik erfordern, weil man darunter alle Mo-
dificationen von Feuer und von Licht begreifen
muß; Allein da diese Erörterungen keines solchen
Auszugs wie der gegenwärtige, fähig sind, indem
sie allein einen wesentlichen Theil verschiedener meiner
Schriften ausmachen; so sehe ich mich genöthigt auf
diese selbst, oder wenigstens auf meinen 10ten Brief
im Journal de physique der die Principien davon
enthält, zu verweisen, und mich hier auf bloße
Rückweisungen einzuschränken.

31.

Ich habe es als ersten Grundsatz der Geologie
festgesetzt, daß zu Anfang aller der Operationen,
[Seite 96] deren Spuren sich auf unsrer Erdkugel zeigen, die-
selbe eine erste Menge von Licht erhalten hat, die
in der ganzen Masse derselben eine gewisse Tempe-
ratur
hervorbrachte, wahrscheinlich von einem hö-
hern Grad als sie gegenwärtig ist. Allein dieser
erste Grad von Wärme mußte natürlicherweise
durch alle die Operationen vermindert werden, bey
welchen Licht und Feuer verbraucht wurden, in-
dem sie sich chemisch mit andern Substanzen ver-
banden, und indem Feuer decomponirt und da-
durch Licht entbunden ward. Auch sind dieß die
einzigen Ursachen, durch welche unsere Erdkugel sich
abkühlen konnte; denn ausserdem kann weder das
Feuer, noch die Substanz die sich darin mit dem
Lichte verbunden befindet, von derselben entweichen,
um sich in dem Raume zu verbreiten, weil sie durch
die Schwere zurückgehalten werden. Aber sobald
das Feuer sich chemisch mit andern Substanzen
verbindet, so hört es auf Wärme hervorzubringen;
und eben dieses Vermögen verliert es auch, indem
es aufhört ausdehnbar zu seyn, wenn es sich de-
componirt
; denn alsdann wird das Licht, das
ihm die Ausdehnbarkeit verliehen hatte, frey,
und seine Bewegung ist so schnell, daß es, ohnge-
achtet der Schwere, dennoch in den Raum hinein-
fliegt. Das Licht kann also auch durch keinen
Körper zurückgehalten werden, seine Masse möchte
auch seyn welche sie wollte, wenn dasselbe nicht
[Seite 97] wenigstens chemisch mit irgend einer Substanz
verbunden ist: aber anderseits ist auch keine Sub-
stanz bekannt, die mannichfaltigerer Verbindun-
gen
fähig wäre: sie findet sich fast in allen irdi-
schen (terrestres) Substanzen; und alle die aus-
dehnbaren Fluida
, deren Existenz wir aus der
Meteorologie kennen, (Fluida, die sich zum er-
stenmal während der Operationen bildeten, von
welchen ich handle) haben durch dieselbe ihre Aus-
dehnbarkeit
erhalten.

32.

Dieß waren also die Ursachen, wodurch unsere
Erdkugel Stufenweise einen Theil ihres anfängli-
chen Grads von Wärme verlohr; und zugleich die,
warum es zu neuen Verbindungen in der Flüßig-
keit
nothwendig war, daß sie beständig mit neuem
Lichte durchdrungen ward. Dieß ist nun die Epo-
che, wo diese große Veränderung in den Ursachen er-
folgte. Ich werde erst dieselbe erklären, und
nachher die Würkungen davon zeigen.

33.

Zur gleichen Zeit da die Erde ihre erste Quan-
tität Licht erhielt, empfieng auch die Sonne, die
damals eben nichts weiter als eine abgesonderte
[Seite 98] Masse im Raum war, eine mächtige Menge dessel-
ben, die dann auch in ihr den ersten Stoß zu che-
mischen
Operationen gab; allein da ihre Masse
von ganz andrer Natur war, als unserer Erde
ihre, so entstanden daraus auch chemische Verbin-
dungen von einer ganz andern Art. Die Flüßig-
keit
ward zwar auch in ihr hervorgebracht, so wie
in den übrigen großen Weltkörpern unsers Sy-
stems
, wodurch sie dann sämmtlich durch die Be-
wegung der Rotation, die sphärische oder sphäroi-
dale Gestalt annahmen: was aber die Sonne be-
trift, so kommt alles was wir bis jetzt von den che-
mischen Operationen wissen, die in ihrer Masse
statt hatten, darauf hinaus, daß sie nach einer
gewissen Zeit anfieng sich zu decomponiren, wie das
unsern Phosphoren begegnet; und daß sie seit der
Zeit fortgefahren hat Licht zu verbreiten. Und in
dieser Verfassung befindet sich die Sonne noch bis
jetzt: sie ist ein ungeheurer Phosphorus, der sich
langsam decomponirt: und eben in der Periode
von der ich jetzt handle, war es, da die Erde ins-
besondre anfieng den Einfluß davon zu erfahren.

34.

Ich habe oben gezeigt, (§. 4.) daß vor Anfang
der Operationen, die ich bisher beschrieben habe, es
der Erde nichts geholfen haben würde, wenn auch
[Seite 99] die Sonne als leuchtend existirt hätte. Denn sie
würde niemals die Masse derselben erwärmt ha-
ben, wenn sie dieselbe auch gleich in alle Ewigkeit
beleuchtet hätte. Aber wohl hat sie eine daselbst
schon existirende Wärme unterhalten können: denn,
wie ich oben gesagt habe, das Feuer erhält sich an
unsrer Erde durch die Schwere, und seine Menge
kann daselbst nicht anders vermindert werden, als
durch Decompositionen auf der Oberfläche, wo
dieser Verlust aber zugleich durch die Sonnen-
strahlen
unaufhörlich wiederum recomponirt
wird; gerade so, wie neues Feuer daselbst den
wässerichten Dunst recomponirt, der sich durch
den Verlust desjenigen, das ihn vorher hervorge-
bracht hatte, decomponirt. Die Sonnenstrah-
len
beförderten auch verschiedene Veränderungen auf
der Erde; aber davon ist jetzt noch nicht der Ort
zu sprechen; ich komme erst in der Folge darauf
nach Erzählung der Thatsachen. Das, was wir
gegenwärtig zu betrachten haben, sind die Würkun-
gen, welche sie in der Flüßigkeit hervorbrachten,
die sie wegen der Durchsichtigkeit derselben durch-
drangen; Würkungen die durch ihre bestimmten
Denkmale unverkennbar sind, welche ich in der
fünften Periode bemerkbar machen werde.

35.
[Seite 100]

Folglich würden seit der Epoche, wo die Son-
ne
auf die Erde zu würken anfieng, die Decom-
positionen des Feuers sowohl auf der Oberfläche der-
selben, als in ihrer Atmosphäre, und die Entbin-
dungen des Lichts in andern Decompositionen nach
und nach durch die Strahlen dieses Fixsterns er-
setzt. Inzwischen hat man doch Grund zu glauben,
daß die Erdkugel dennoch allgemach noch einen Theil
ihrer damaligen Wärme verlohren hat; weil von
dieser sowohl als von dem Lichte ein Theil in den
Operationen verbraucht ward, die lange Zeit hier-
durch sowohl in der Flüßigkeit, als auf der Aus-
senseite der Gebirgslagen auf einander folgten.
Als aber alle diese Operationen durch die Entstehung
unsers festen Landes (wovon wir aber hier noch
weit entfernt sind) beendigt waren, und hingegen
die so darauf folgten, auf die noch jetzt existirenden
Alternativen zurückgebracht waren, die sich nach
dem Wechsel von Tag und Nacht und der Jahrs-
zeiten
richten, so war das Gleichgewicht in der
Temperatur, das wir nun in ihrer Masse bemer-
ken, festgesetzt; und wird wahrscheinlicherweise so
lange das nemliche bleiben, als die Sonne fort-
fahren wird die gleiche Menge von Licht zu ver-
breiten. Dieß ist alles was sich in einem simplen
Auszug über die Modificationen des Feuers und
[Seite 101] des Lichts und ihrer vormaligen und gegenwärti-
gen Würkung auf unsre Erdkugel sagen läßt: Die
Beweise zu diesen physischen Principien finden sich in
den oben angeführten Schriften, und die Folge der
Thatsachen wird sie bestätigen.


Fünfte Periode.
36.

Nach dieser großen Veränderung in den irdi-
schen (terrestres) Ursachen, wurden die Nieder-
schläge
in der Flüßigkeit gar sehr abgeändert, und
es erfolgte anfangs für eine lange Zeit eine von ei-
ner neuen Art die sich Schichtweise auf die Gang-
schiefer
(Schistes primordiaux) ansetzte; dieß
sind die Schichten von feinkörnichten (dichten)
grauen Kalksteinen, die gröstentheils sehr dicht,
doch auch zuweilen schieferartig sind, oder sich
an der Luft blättern, und die man zumal in den
großen Gebirgsketten sieht, wo sie gewöhnlich um-
gestürzt
und an die Gangschiefer angelehnt
sind. Ich habe die Schichten in meinem eilften
Briefe im Journal de physique beschrieben, und
dabey Hrn. von Saussüre über die Alpen, und
Hrn. Pallas über die asiatischen Gebirge citirt,
[Seite 102] woraus sich denn die Allgemeinheit des Phänomens
ergiebt.

37.

In diesen Schichten finden sich nun die ersten
Spuren von versteinten Thieren, und zwar sind
dieß Ueberbleibsel von Seethieren; so daß also
das Meer in jener Periode anfieng bewohnt zu
werden: aber man wird in der Folge sehen, daß alle
organisirten Körper, die Pflanzen, so wie
die Thiere und zwar die Seegeschöpfe sowohl als
die Landthiere große Veränderungen in dem Maaße
erlitten, wie die Flüßigkeit dieses Meers und
die Atmosphäre so wohl durch die Folge der che-
mischen Operationen, welche die folgenden Schich-
ten
bildeten, als durch die Revolutionen die der
Meeresboden erlitte, verändert wurden. So,
daß wenn der Leser diesen Fortgang mit rechter Auf-
merksamkeit verfolgt, er durchgehends mit physi-
schen
aus der Erfahrung abstrahirten Principien
Phänomene verschiedener Art bemerken wird, die
sehr dunkel schienen, so lange man sie einzeln be-
trachtete, die aber sämmtlich aus den Ursachen fol-
gen, die durch diese Principien bestimmt werden.

38.
[Seite 103]

Durch diese neuen Schichten, deren Masse
sehr beträchtlich ist, verdichtete sich die Erdrinde,
(die in der großen Revolution der dritten Periode
zerbrochen und dadurch die Oberfläche der Erdkugel
in Meer und festes Land getheilt worden,) sattsam
um sich lange Zeit ohngeachtet der ungeheuren innern
Hölen die sich darin bildeten, zu erhalten; welche
Hölen durchs Einsinken der Staublagen entstan-
den, da eine so große Menge der Flüßigkeit in
diese Revolution durch die Lagen der Urgebirge
(couches primordiales) eingedrungen war. Aber
da sich dieses Einsinken endlich auch unter die
Scheidewände dieser Hölen erstreckte, die bis
dahin die Stütze der Erdrinde gewesen waren; so
erfolgte ein zweyter Einsturz in dem ganzen glei-
chen Umfange, wodurch sie von neuem, aber noch
weit stärker, über den nemlichen Scheidewänden
zerrissen ward, die ihr bey ihrem ersten Sturz
noch zur Haltung gedient hatten. So, daß, da
sie sich in die dadurch entstanden Zwischenräume
senkte, nichts weiter von ihr in der Höhe blieb, als
blos die Ränder der Brüche, die sich gegen die
Scheidewände zu beiden Seiten der Zweige oder
Arme (die diese in ihrem Laufe gleichsam bildeten)
anlehnten.

39.
[Seite 104]

Dieß ist der Ursprung unserer großen Gebirgs-
ketten
, und der Anfang der Unordnung in den
mineralischen Schichten, woraus unser festes
Land zusammengesetzt ist; eine Unordnung die
ich in meinem ersten Briefe als einen ihrer Hauptzü-
ge beschrieben habe. Die ganze Masse der damals
existirenden Lagen, vom Granit an, brach über
den als Stütze darunter stehenden Zweigen oder
Armen (der Scheidewände) entzwey. Und da
sich also die Ränder der Brüche zu beiden Seiten
dieser Stützen lostrennten, so mußten die Kalk-
schichten
als die allerobersten auf die Aussen-
seite
der Bergketten geworfen werden, und daran
hinabschurren, bis sie unten an den Grundflä-
chen
der Stützen aufgehalten wurden; da hinge-
gen die Granitlagen, die unmittelbar auf den
obern Kanten der Stützen auflagen, in der Mitte
der Bergketten am höchsten stehen blieben; und
die Ganggebirgsschichten zu welchen der Schie-
fer
gehört, die Mittellagen zwischen jenen beiden
Classen (zwischen dem Granit der Urgebirge und den
Kalk-Flözgebirgen) ausmachen mußten. Dieß ist
die allgemeine Anordnung der verschiedenen Classen
von Gebirgelagen in den großen Bergketten,
die man ehedem für so schwierig und unerklärbar
hielt, und die doch jetzt so sehr belehrend für uns sind.

40.
[Seite 105]

Dieß ist nun der dritte von den physischen
Fundamentalgegenständen, die in der Geschichte
der Erde
ausgemacht werden müssen. Denn nach-
dem wir die beiden ersten Fragen beantwortet
haben:

1) Warum haben die chemischen Opera-
tionen
wovon wir die Denkmale auf unserer
Erdkugel finden, erst in einer gewissen Epoche
ihren Anfang genommen?

und 2) Woher rühren unsere Fossilien-
Lager
? (couches minerales)

So müssen wir nun auch die beiden andern Fragen
beantworten, die offenbar durch irgend eine gemein-
schaftliche Ursache unter einander verbunden sind:

3) Warum steht jetzt die Oberfläche des
Meeres, das doch ehedem die Stoffe unserer
höchsten Berge hat absetzen müssen, gegen-
wärtig so tief unter denselben?

und 4) Warum sind die Lagen dieser
Stoffe, die doch bey ihrer Bildung zusam-
menhängend
und waagerecht gewesen seyn
müssen, nun jetzt zerrissen, nach verschiedenen
[Seite 106] Richtungen schräg gelehnt, und gleichsam ins
innere des Erdbodens hinein gestürzt?

Um auf diese lezteren Fragen zu antworten, will
ich mit einem Beyspiel anfangen, das nach analo-
gen Thatsachen zeigen wird, wie sich alle diese Er-
habenheiten
die sich in Ruinen über den allge-
meinen Boden unsers festen Landes erheben, ge-
bildet haben; und woher alle die Verschiedenheiten
rühren, die man in der Anordnung der Trümmern
von Schichten bemerkt, aus welchen sie zusammen-
gesetzt sind.

41.

Die Herbst-Regen überschwemmen zuweilen die
niedrigen Gegenden großer Wiesen, und das ange-
sammelte Wasser bedeckt dann die Unebenheiten des
Bodens so, daß es ihm das Ansehen eines Sees
giebt. Wenn es dann friert, so wird die ganze
Oberfläche des Wassers mit einer Eisrinde be-
deckt. – Mit solch einer Rinde vergleiche ich die
Masse von Erdschichten von welchen ich schon ge-
sprochen habe, so wie sie anfangs bey ihrer Ent-
stehung auf dem Boden der Flüßigkeit gewesen
sind. – Inzwischen verliert sich doch nach und
nach das Wasser in den Boden, und das Eis wird
noch einige Zeit durch die kleinen Hügel gestützt, die
[Seite 107] dasselbe bedeckt hatte: aber endlich bricht es auf
diesen Stützen, senkt sich in die Zwischenvertie-
fungen, und blos seine Ränder bleiben noch in
der vorigen Höhe, schräg gegen diese Stützen wie
angelehnt. Wenn irgend einer dieser drunter lie-
genden festen Stützen groß genug an Umfang
ist, daß das Eis rund herum brechen kann, so
bleibt ein Stück Eis, mehr oder weniger waage-
recht
oben drauf liegend. Und wenn die Ketten
oder Zweige dieser kleinen Hügel unterbrochen
sind, so bricht das Eis in diesen Zwischenräumen,
senkt sich daselbst, und seine nach verschiedenen Rich-
tungen sich neigenden Ränder, stellen einen bloßen
Haufen Eisstücken vor. Oft trift sichs, daß nach
diesen ersten Katastrophen der Eisrinde, Schnee
fällt. – Diesen vergleiche ich mit denjenigen Ge-
birgslagen
, die erst nach der Bildung unserer
großen Gebirgsketten hervorgebracht worden. –
Dann bilden alle die umgestürzten Ränder der
Eisrinde, auf der beschneiten Oberfläche gleich-
sam kleine Bergketten. Nach einiger Zeit ist die
Schneerinde hart genug gefroren, um zugleich
mit dem Eis zu brechen. Inzwischen fährt das
Wasser fort sich in den Boden einzuziehen; die Eis-
und Schnee-Rinde senkt sich; sie stößt wiederum
auf drunterliegende Erhabenheiten die aber
niedriger sind als die vorigen; hier bricht sie und
senkt sich in die Zwischenräume derselben, und nun
[Seite 108] sieht man die Trümmer der äussern Schnee-Rinde
sich gegen das Eis rund um die kleinen Hügel
anlegen.

42.

Jetzt wollen wir die Scene vergrößern. –
Statt der Eisrinde, die sich auf unsern Wiesen
bildet und nachher mit Schneelagen bedeckt wird,
wollen wir uns nun die unermeßliche Rinde von
den successiven Gebirgslagen unserer Erde geden-
ken. – Statt der kleinen Ketten von Erhabenhei-
ten auf den niedrigern Gegenden der Wiesen, setzen
wir die Zweige (ramifications) der großen festen
Körper, die sich in den weichen Stoffen gebildet
hatten; und statt der unbeweglichen Stützen auf
welchen die Eis- und Schnee-Rinde zerbricht,
nehmen wir die harten Körper die unter unsern
Gebirgslagen gebildet waren, die aber selbst auch
einsinken konnten, wenn sich die Einsenkung der
Staubmasse bis unter dieselben erstreckte. –
Endlich, statt des flachen Bodens der Wiese auf
welchem das Eis zu liegen kommt, nachdem sich das
Wasser ganz in denselbigen gezogen hat, denken
wir uns das Durchseigern der Flüßigkeit die sich
in der Staubmasse bis zum Mittelpunkt der Erd-
kugel erstrecken und dadurch eine große Einsen-
kung
des Staubes selbst verursachen könnte. –
[Seite 109] Und so würden alle die allgemeinen Phänomene
an unsern geologischen Ruinen, von den großen
Gebirgsketten an, deren Bildung ich schon ange-
geben habe, bis auf unsere Hügel und bis auf die
Unordnung der Schichten in unsern niederern
Ebnen die ich in der Folge beschreiben werde, aus
bestimmten Ursachen abgeleitet werden, die sich nach
der Analogie auf das Beyspiel stützen, welches ich
jetzt angeführt habe. Die großen Thäler von wel-
chen die Gebirgsketten durchzogen werden, sind
Stellen wo die innern Stützen unterbrochen,
und dadurch ein großer Theil der Gebirgsschich-
ten
in diese Zwischenräume verschüttet worden sind.
Minder vollkommne und mehr geschlängelte Unter-
brechungen, verursachten im Innern der Gebirgsket-
ten Umwerfungen (renversemens) der Schich-
ten
in unordentlichen Richtungen und selbst Um-
sturz (culbutes) wodurch die Ordnung der Schich-
ten in den großen Trümmern verkehrt ward; hier,
findet man die Art von Schichten nicht mehr,
die ohnfern davon sich noch in ihrer behörigen Lage
findet; dort haben dieselben Schichten die in dem
grösten Theil der Gebirgskette gestürzt liegen, ihre
Horizontalität erhalten; manche oben in ihrer
ursprünglichen Höhe, die andern mehr oder weni-
ger drunter; mit einem Wort, überall kann die äus-
sere Unordnung auf die bestimmte Gestalt der
drunter liegenden innern Formen reducirt werden,
[Seite 110] auf welchen die Gebirgslagen zerbrochen worden
und ihre Trümmern auf und an jene Formen gestützt
gelassen haben.

43.

Seitdem mir diese helle Idee vom Zerreissen
und Umsturz der Gebirgsschichten durch Hrn.
von Saussure mitgetheilt worden, bin ich nie in
die Gebirge und schroffe Hügel zurückgekehrt, oh-
ne daß nur daselbst die Evidenz dieser Ursache auf-
gefallen und mir dadurch der Grund aller ihrer Phä-
nomene so einleuchtend geworden seyn sollte, als
wenn sie unter meinen Augen sich zugetragen hät-
ten: auch hat es mir nie Mühe gekostet jedem auf-
merksamen Reisegesellschafter die gleiche volle Ueber-
zeugung beyzubringen. Denenjenigen aber die nicht
selbst Gelegenheit haben Gebirge zu beobachten,
empfehle ich die wahren Abbildungen ihrer großen
Massen, die Hr. Chr. von Mechel zu Basel
in drey großen ausgemalten Blättern geliefert hat,
wovon zwei den Mont Blanc und den St.
Gotthard
nach den Modellen des Hrn. Excha-
quet
, die dritte aber die höchste Gegend aus
der Mitte der Schweiz
nach dem berühmten
Model des Hrn. Gen. Pfifer zu Lucern vorstellt:
vor allen aber müssen Sie die Kupfer in den Alpen-
Reisen des Hrn. von Saussüre, dieses mit so
[Seite 111] großem Rechte berühmten Gelehrten studiren, dem
wir den ersten Leitfaden in dem großen Labyrinth
der Gebirge verdanken.

44.

Bey weitem aber sind es nicht blos die Euro-
päischen
Gebirge, welche die Ursache bestimmen,
die ich diesen Ruinen zuschreibe; sondern man er-
kennt dieselbe mich in den Beschreibungen die die Herren
Pallas und Patrin von den Asiatischen gegeben
haben; nur Hr. von Dolomieu hat sie eben so
in den Africanischen Gebirgen aufgefunden: man
lese nur z.B. folgende hieher gehörige merkwürdige
Stelle, die aus seiner schon oben von mir ange-
führten Abhandlung über Aegypten genommen ist:
‘„Ich kann (sagt er) mir nichts anders als eine au-
genblickliche Trennung
gedenken, wodurch diese
lange Reihe von schroffen fast senkelrechten Felsen-
wänden
hat abgeschnitten werden können, die
sich an der ostlichen Kette der Gebirge in Ober-
Aegypten
zeigt, und wodurch ihr oberer Rand
weit über die Fläche der gegenüberstehenden Berge
hat erhoben werden können, mit welchen sie ausser-
dem sowohl in der Höhe und in der Lage ihrer
Schichten hätten übereinstimmen müssen, als sie
in der Steinart woraus sie bestehen, mit dersel-
ben übereinkommen. Ich vermuthe sogar, daß es
[Seite 112] der Gewalt dieses Sturzes zuzuschreiben ist, daß
diese Kette auch in die Queere in mehrere Ab-
schnitte zerrissen worden, und dadurch zwischen
den unermeßlichen schroffen Klüften die drey
Durchgänge entstanden sind, die nach dem rothen
Meere führen (Journal de physique. Dec. 1793.)“’

45.

Hier ist auch der Ort von den Erzgängen zu
reden, deren erste Ursache, nemlich Spalten und
Risse in den Gebirgslagern ich oben (§. 29.) ge-
zeigt habe. Ich verweise jetzt der Kürze wegen auf
Hrn. Werners classisches Werk über die Gänge,
wovon ich Auszüge im Pariser Journal de physique
(vom May und Jun. 1792.) gelesen habe; denn
nach den Thatsachen die dieser geschickte Beobachter
anführt, scheint es mir unmöglich, daß man unsere
gemeinschaftliche Meynung noch bezweifeln könne,
daß nemlich die Gänge sich in den Spalten der
Gebirgslagen gebildet haben, wo man sie findet.
Doch hat man eine plausible Einwendung gegen diese
Idee von der schrägen Richtung mancher Gänge
hergenommen, und daraus geschlossen, daß der
durch den Gang gefüllte Raum nie und zu keiner
Zeit habe leer seyn können, weil sonst der obere
Theil (das Hangende) auf den untern (das Lie-
gende
) gefallen, und so die Spalte, wenn sie ja
[Seite 113] in solch einer Richtung hatte entstehen können, so-
gleich wieder geschlossen seyn würde. Dieß ist der
einzige Einwurf den man nicht beantwortet hatte:
ist er gehoben, so dient das Factum auf welchem er
sich gründet vielmehr darzu die Revolutionen, deren
ich bisher Erwähnung gethan, zu bestätigen.

46.

Ich habe gesagt, daß bey der großen Revolu-
tion der dritten Periode, in welcher sich die Rin-
de
der Primordial-Lagen in einen großen Theil
der Erdkugel einsenkte und dadurch dem ersten
Welt-Meere sein Bette bereitete, diese Rinde
schon auf den nemlichen innern harten Massen ent-
zwey brach, wo sie, wie wir gesehen haben, unsere
großen Gebirgsketten bildeten, und daß eben da-
durch eine Menge Spalten und Risse entstanden.
Dieser Spalten finden sich zumal in den Thon-
schiefergebirgen
unzählige, wie man aus der
Menge von Gangen von Spath, Quarz und
andern halbdurchsichtigen Gangarten sieht, welche
diese Sprünge ausgefüllt haben, die auch zuwei-
len mit den ansehnlichen Drusen besetzt sind, welche
eine Zierde unserer Sammlungen ausmachen. Die-
jenigen von diesen Spalten, welche in den Ge-
birgslagen
bis auf eine unbekannte Tiefe gedrun-
gen, sind zu unsern Erzgängen geworden: und
[Seite 114] man weis aus den Cornwaller Gruben, daß sich
dieselben bis auf den Granit erstrecken. Ich bin
weit davon entfernt, die Art und Weise erklären zu
wollen, wie sich der Gang selbst gebildet, der nun
diese Spalten gefüllt hat: denn ich halte es für un-
möglich irgend eine von den specifischen Procedu-
ren jener Vorzeit zu bestimmen, wo der Zustand der
Elemente aller unserer Substanzen so verschieden
von dem gegenwärtigen war: was sich, wie ich
schon vorher angemerkt habe, bis auf die Entste-
hung der Substanzen der Gebirgslagen erstreckt.
Aber das hindert nicht, daß wir demohngeachtet
die Geschichte jener Spalten sollten verfolgen kön-
nen: Sie wurden mit Gangart gefüllt, als sie
noch völlig oder doch fast senkelrecht standen; d.h.
zu der Zeit da die Gebirgslager blos erst geborsten
waren und sich nur wenig erst gesenkt hatten. Aber
nach der Hand erlitte die ganze Masse derselben und
zwar zu wiederholtenmalen große Katastrophen,
wodurch denn auch die Gänge die sie enthielt und
die schon mit dem grösten Theil ihrer Gangart ge-
füllt waren, zerrissen und umgestürzt wurden. Dieß
sind die Katastrophen, die ich in allen unsern Ge-
birgslagern
bemerklich machen werde, denn sie er-
strecken sich auch auf die Flözlagen (couches se-
condaires
) wo sich Flözwerke (zumal Rücken
und Wechsel) und Steinkohlen finden: Ja die
Gänge von denen ich spreche, geben selbst einen
[Seite 115] Beweis davon, weil man wenig derselben findet,
die nicht an verschiedenen Stellen ihres Laufs zer-
trümmert
und verdrückt seyn sollten: so daß
man den Fortgang des Ganges mittelst des Durch-
bruchs des Nebengesteins über oder unter oder zur
Seite des Orts wo man arbeitet, suchen muß, im-
mer aber jenseits einer andern Gangart, die die
neue Spalte ausgefüllt hat. Und so zeigen uns
wie gesagt, die Gänge selbst, die Mannichfaltig-
keit der Katastrophen, die unsere Gebirgslagen
erlitten haben.

47.

Nach dieser zweyten großen Katastrophe, veran-
laßte eine neue in der Flüßigkeit (durch ihre
Schwängerung mit den ausdehnbaren Fluidis,
die aus den Hölen drangen) hervorgebrachte Verän-
derung, den Niederschlag einer neuen Classe von
Kalk-Schichten, deren Entstehung mit einem
großen Zuwachs in der Anzahl der Gattungen und
der Vermehrung der Seethiere begleitet war: Die
Ueberbleibsel derselben finden sich zuweilen in so
großer Menge in diesen Schichten, daß sie einen
sehr großen Theil ihrer ganzen Masse ausmachen:
und daher hat Hr. von Büffon die Meynung ge-
faßt, der auch andere Geologen beygepflichtet sind, daß
aller unsrer Kalkstoff von zermalmten Conchy-
[Seite 116] lien und Madreporen herrühre: was doch eine
irrige Behauptung ist, wie ich es in meinem eilften
Brief im Journal de physique gezeigt habe. Dieß
Phänomen der Kalkschichten dieser Classe, das in
Europa so gemein ist, findet sich ebenfalls auch in
den andern Welttheilen bestätigt. Hr. Pallas den
ich in meinem 12ten Brief angeführt habe, gedenkt
dieser Schichten in seiner Beschreibung des nord-
lichen Asiens
; auch aus Bengalen habe ich von
meinem Sohne eine Probe von dieser nemlichen
Art Kalksteinen erhalten; und so findet sich der-
selbe auch an der Magellanischen Meerenge,
wie man aus folgender Stelle in Hrn. von Bou-
gainville’s
Reisebeschreibung sieht: ‘„Zwischen dem
Cap rond*) und dem Cap Forward (– Fro-
ward
–) sieht man vier Buchten, wovon zwey
durch eine Landspitze von einander abgesondert sind,
die über 150. Fuß über der Meeresfläche hinaus-
ragt und ganz aus Schichten von versteinten
Conchylien
besteht: und am Fuße derselben fin-
det man mit dem Senkbley in einer Tiefe von
100 Klaftern (brasses) noch keinen Grund.„’

Dieß Phänomen ist also wie gesagt in allen
Welttheilen sehr gemein; was aber die verticalen
[Seite 117] Durchschnitte dieser Schichten bis in die Tiefe
des Meeres betrift, so sind dieß die Würkungen
anderer Katastrophen von welchen ich nun reden
werde.

48.

Seit der Bildung dieser letztern Kalkschichten,
wurden die Revolutionen auf dem Meeresboden
so häufig, und sie brachten so sehr verwickelte Wür-
kungen hervor, daß es unmöglich ist, für die Bil-
dung aller dieser zahlreichen Arten von Schichten,
wovon wir an verschiedenen Orten sehr große Mas-
sen antreffen, bestimmte Epochen anzugeben; weil
ihre Verbindungen mit andern Schichten und ihre
zufälligen Veränderungen so sehr variiren. Aber
das hat keine Schwierigkeit, die Ursachen von die-
ser Unordnung in den Phänomenen selbst anzugeben,
und eben hierauf werde ich mich einschränken. Bey
jedem Bruch der Rinde der Erdlagen, drang eine
neue Portion der Flüßigkeit ins innere der Erdku-
gel, und dafür traten neue ausdehnbare Fluida
heraus. Durch diese wurden neue Niederschläge
in der äussern Flüßigkeit bewürkt; und durch die
neue Portion dieser Flüßigkeit, die ins innere
drang, entstanden daselbst wieder neue ausdehnba-
re Fluida
, die nach und nach in mancher Rücksicht
von einander verschieden waren, weil die Flüßig-
[Seite 118] keit stufenweise aussen in den Zwischenräumen ihrer
Einseigerung Veränderung erlitte. Dieß ist die all-
gemeine Ursache, die ich schon beym Eingang ange-
geben habe. Wenn man nun den Umfang dieses
Meeres bedenkt; die Ungleichheit die wahrscheinli-
cherweise zwischen den verschiedenen Gegenden in dem
Gemenge derjenigen Primordial-Ingredienzen statt
hatte, die am wenigsten geschickt waren sich mit ein-
ander zu verbinden, seys aussen oder seys innen;
und die Verschiedenheiten, die durch die erstern Un-
regelmäßigkeiten nun für die folgenden Operationen
bereitet wurden, sowohl in den chemischen Proces-
sen als in den Katastrophen der Schichten; so wird
man weder die zunehmenden Unregelmäßigkeiten in
den Produkten dieser Operationen, noch auch das
befremdend finden, daß man einige dieser Produkte
nur in gewissen Weltgegenden antrift. Besonders
habe ich einer besondern Verbindungsart, die sich
nur in einigen Gegenden ereignet hat, die Bildung
der Steinsalz-Flöze zugeschrieben; worüber ich
aber auf den 24ten meiner Briefe im Journal de
physique
verweisen muß.

49.

Zu denjenigen Phänomenen bey welchen wir in
vielen Gegenden, die nemliche Ordnung der Folge
bemerken, bey welchen doch aber an andern Orten
[Seite 119] auch große Verschiedenheit herrscht, gehören die
Sandsteinflöze, die auf unserm festen Lande so
häufig sind. Da ich diese Flöze in meinem 12ten
Brief im Journal de physique beschrieb, habe ich
ebenfalls Hrn. Pallas dabey citirt, um auch bey
diesem neuen geologischen Phänomen, die Ueberein-
stimmung zwischen Asien und Europa zu zeigen.
Ich berühre jetzt die Meynung derjenigen nicht wei-
ter die die Sandflöze einer neuen Operation ha-
ben zuschreiben wollen, welche erst nach der Entste-
hung unsers jetzigen festen Landes erfolgt sey: weil
ich sie schon im ersten dieser Briefe, und noch um-
ständlicher im letzten der so eben gedachten, wider-
legt habe. Uebrigens wird man finden, daß auch
diese Steinlagen, die nemlichen Katastrophen, wie
alle übrigen, vor dem Verlaufen des Meeres erlit-
ten haben.

50.

An denjenigen Stellen wo man die Grundfläche
dieser Sandsteinflöze antrift, findet man sie auf
den Kalksteinflözen, die ich beschrieben habe,
aufliegend. Aus diesem Phänomen erhellt eine der
allerbeträchtlichsten Veränderungen, welche die See-
thiere
erfahren haben, und wie sehr ihre Existenz
und ihre Lebensweise an die Modificationen der
Flüßigkeit des damaligen Meeres gebunden war.
[Seite 120] Eine dieser Veränderungen war um die Zeit da sich
die Sandsteinflöze bildeten, ganz allgemein; das
war die Vertilgung verschiedener Thierarten, die
man nun nicht weiter, weder in den darauf folgen-
den Gebirgslagern, noch auch im jetzigen Ocean,
findet. Ich nenne davon hier nur die große Fami-
lie der Ammoniten, mehrere Arten von ästigen
und gegliederten Thieren
, das Geschlecht der
Lenticuliten (lapis numularis, phacites etc.) und
die Belemniten; die alle, vor jener Epoche in
gröster Menge an gewissen Stellen des Meeres leb-
ten. Aber ausser dieser allgemeinen Veränderung,
auf welche noch mehrere andere folgten, die allge-
mach die damaligen Seethiere den jetzt lebenden
näher brachten, erfolgte auch eine sehr merkwürdige
partielle Veränderung; daß nemlich überall, wo die-
jenigen Niederschläge erfolgten, wodurch unsere aller-
mehresten Sandsteinflöze entstanden sind, alle
Seethiere starben. Denn, ohngeachtet diese
Flöze auf den von Seegeschöpfen gleichsam wim-
melnden Kalkflözen aufliegen, so habe ich doch
nie eine Spur derselben in jenen bemerkt.

51.

Inzwischen haben doch diese unter einander so-
wohl in Rücksicht der Seegeschöpfe als ihres
Stoffes so sehr von einander verschiedene Flöze wie-
[Seite 121] derum manche gemeinschaftliche Katastrophen erlitten,
wovon sich die erste sehr große und sehr allgemeine
im Meeresgrunde ereignet hat. Nach der Bil-
dung dieser Kalksteinflöze nemlich, senkte sich die
ganze Schichten-Masse von neuem, indem sie
auf denen Scheidewänden der Hölen zerbrach,
die sich unter ihr zu bilden fortgefahren hatten: so,
daß das, was man secundäre Gebirge nennt,
die ich aber jetzt Berge (oder zuweilen Hügel)
nenne, die aus secundären Schichten zusammen-
gesetzt sind, aus nichts als aus Ruinen dieser
Schichten besteht, die auf den Ketten der festen
innern Massen ruheten. Wenn man diese Berge
und Hügel mit der mindesten Aufmerksamkeit be-
trachtet; wenn man zumal die Durchschnitte die-
ser Schichten beobachtet, sowohl zu beiden Seiten
ihrer Thäler, als auch an vielen ihrer Wände,
die nach Ebnen zugekehrt sind; so erkennt man
unbezweifelt, daß der größere Theil ihrer Masse
einst eingestürzt seyn muß: und man sieht an meh-
rern dieser Durchschnitte, zumal an den Hügeln,
daß die Sandsteinschichten entweder auf den
Kalksteinschichten ruhen, oder sich an denjenigen
Stellen an sie stützen, wo diese Massen an den
Seiten ihrer Grundlagen umgestürzt worden. Ohne
diese Trennungen und ohne das Einsinken der großen
Massen zwischen denselben und um sie herum, wür-
den wir wahrscheinlich nie erfahren haben, worauf
[Seite 122] die unterste dieser Schichten ruhete. In den
Thälern aber, sage ich, und an den schroffen
Wänden
der Aussenseiten dieser Bergketten, ent-
deckt man alle Katastrophen, die unsere Gebirg-
schichten
erfahren haben, so gut als ob man Au-
genzeuge davon gewesen wäre; und nun findet man
es auch nicht befremdend, wenn man beym Graben
in den Boden der Ebnen, wozu uns mancherley
Interesse veranlaßt, auch daselbst die Schichten
in der gleichen Unordnung antrift.


Doch ich muß blos dießmal hier abbrechen:
denn ich komme nun an zwey große Phänomene,
welche, ohngeachtet sie zur gleichen Periode gehö-
ren, doch nicht mit in diesen ohnehin schon langen
Brief gebracht werden können: dieß sind die vulca-
nischen Ausbrüche
und die Steinkohlenflöze.
Ohngeachtet ich in diesem Auszuge kurz zu seyn su-
che, so darf ich doch nicht darüber dunkel werden,
denn sonst wäre er ganz vergeblich: und ich würde
dunkel werden, wenn ich nicht die ganze Geschichte
der vorzüglichsten Ereignisse entwürfe, wie sie an
ihre Ursachen geknüpft sind, und dieß deutlich
genug, um bey aufmerksamen Lesern das Ver-
langen zu erregen in meinen andern Schriften das
[Seite 123] ausführlichere über die Facta und über die phy-
sischen Principien
nachzusuchen. Ich hoffe
nicht, daß mich die Leser der Weitläuftigkeit be-
schuldigen werden, wenn sie erwägen, daß ich die
Geschichte der Erde nach ihren Denkmalen
entwerfe.

Ich habe die Ehre etc.


Notes
*).
[Seite 70]

Da mir kein verständliches deutsches Synonym für
Flüßigkeit bekannt ist; so habe ich geglaubt am
[Seite 71] besten zu thun, wenn ich dieses Wort immer da
brauchte, wo in der Urschrift Liquide steht; und
hingegen die daselbst oft gleich dabey vorkommen-
den Fluides expansibles um Verwirrung zu ver-
meiden geradezu durch ausdehnbare Fluida gäbe.

Anm. des Uebers.

*).
[Seite 116]

Point Shut-up der Englischen Karten.



Blumenbach, Johann Friedrich and Deluc, Jean André. Date:
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