Da in dem ausgestopften Exemplare des
Schnabelthiers, das ich durch die zuvorkommen-
de Güte des Herrn Baronet Banks erhalten
habe, glücklicherweise noch der Schedel befindlich
war, so habe ich der Versuchung nicht widerstehen
können, den Kopf in Wasser einzuweichen, und
die Haut behutsam abzulösen, um soviel als mög-
lich vom innern Bau desselben zu untersuchen.
Ich eile das merkwürdigste von dem was ich
daran gefunden, hier mitzutheilen, da gerade das
was die Entdeckung dieses abentheuerlichen Ge-
schöpfs so allgemein interessant macht, nämlich die
Aehnlichkeit, die sein Kopf mit dem von einer
Ente hat, im innern Bau noch ungleich auffal-
lender ist als in der äußern Bildung.
Schon die Totalform des ganzen Schedels ist
so, daß wenn man die doppelten condylos occipita-
les (– a. b –) Tab. IV. Fig. 3. und die ansehnlichen
ossa intermaxillaria (– w –) übersieht, man ihn
auf den ersten Blick eher einem solchen Wasservogel
[Seite 285] als einem Säugthiere zuschreiben würde. Die
beyden Kiefer so breit und so niedrig wie bey den
Enten, und die eigentliche Hirnschaale (calvaria),
wenigstens bey meinem Exemplar, eben so ohne
Spur von Suturen, wie sie überhaupt bey er-
wachsenen Vögeln zu seyn pflegt.
Auch in der innern Schedelhöhle (caverna
encephali) findet sich eine Sonderbarkeit, derglei-
chen mir bey keinem andern vierfüßigen Säug-
thier, aber wohl etwas analoges aus der Classe
der Vögel bekannt ist, nämlich eine ansehnliche
knöcherne falx (– g –) die längs unter der Mit-
te des Stirnknochens und der Scheitelbeine liegt.
Ueberhaupt ist bey jenen Quadrupeden auch
der Sichelförmige Fortsatz der harten Hirnhaut
nur sehr schmal, und theils kaum merklich; sogar
bey denen die doch ein knöchernes tentorium ce-
rebelli haben. Daß sich aber bey irgend einer
Gattung derselben, so wie beym Ornithorhyn-
chus eine knöcherne falx finde, davon ist mir,
wie gesagt, kein Beyspiel bekannt*); ich müßte
[Seite 286] denn eine bloß anomalische Varietät dafür gelten
lassen, die ich im Schedel einer 30jährigen Weibs-
person vor mir habe, als in welchem die sogenann-
te tabula vitrea des Stirnbeins da wo der pro-
cessus falciformis anliegt, ebenfalls wie beym
Schnabelthier eine knöcherne Sichelförmige crista
bildet.
Hingegen habe ich unter den Vögeln, denen
Willis u.a. den Sichelförmigen Fortsatz der har-
ten Hirnhaut gänzlich absprechen, doch im Sche-
del des Auerhahns eine knöcherne crista gefunden,
deren Lage und Bildung mit der im Ornithorhyn-
chus auffallend übereinkommt.
Das sonderbare Gebiß dieses neuentdeckten
Thiers besteht aus dem schnabelähnlichen vorder-
theile, der am Seitenrande des Unterkiefers wie
bey den Enten sägeförmig eingekerbt ist (– q –),
und aus dem eigentlichen Kauwerkzeug das nach
hinten, innerhalb der Backen liegt, und in mei-
nem Exemplare weder Zähne noch auch nur deutli-
che Spur von Alveolen hat, sondern bloß aus ei-
nem Paar sonderbar gebildeter breiter Fortsätze
der Ober- und Unterkiefer besteht, welche mit wellen-
förmiger Oberfläche aufeinander passen (– n.o. –).
Auch Hr. D. Shaw sagt von dem Exemplare
das er untersucht hat, es habe keine Spur von
[Seite 287] Zähnen*). Hingegen meldet mir jetzt Herr Ba-
ronet Banks, daß der berühmte Wundarzt Herr
Home in einem Specimen des Schnabelthiers,
das der naturforschenden Gesellschaft zu Newcastle
gehört, aus jeder Seite jedes Kiefers zwey kleine
flache Backenzähne gefunden habe.
Der vordere Schnabelförmige Theil dieses ano-
malischen Gebisses ist mit einer lederartigen Haut
überzogen und eingefaßt, an der man dreyerley
Theile unterscheiden muß, nemlich 1) den eigent-
lichen Ueberzug des Schnabels (integumentum
rostri); 2) die Lippenförmigen Ränder desselben
(margines labiales); und 3) eine sonderbare
Saumförmige Einfassung der Schnabelhaut (lim-
bus transversarius).
In alle diese drey Regionen dieser Membran
vertheilt sich eine Menge Nerven, von welchen die
im Oberschnabel vom zweyten Aste des fünften
Paares entspringen, nemlich in dem limbus
transversarius, der so durchs foramen infraor-
bitale selbst heraustritt (– s –); in den margo
labialis, welcher hinter den ossibus interma-
xillaribus hervorkommt (– t –); endlich ins in-
tegumentum rostri drey Zweige die auf der fla-
[Seite 288] chen Synchondrose zwischen den ossibus inter-
maxillaribus auslaufen (– u. –).
Dieser mächtige Apparat von Nerven der in
die Schnabelhaut verbreitet ist, läßt wohl keinen
Zweifel, daß derselbe zum Organ des Tastens be-
stimmt sey, und daß folglich dieses Thier einen
Sinn besitzt, der außer dem Menschen und den
Quadrumanen wohl nur sehr wenigen andern
Säugthieren zukommt. Versteht sich nemlich, wenn
man das Tasten, d.h. das Vermögen, die Gestalt
äußerer Gegenstände, und die Härte u.a. ähn-
liche Eigenschaften ihrer Oberfläche mittelst eines
besondern absichtlich dazu bestimmten
Organs zu exploriren, vom gemeinen Gefühl un-
terscheidet, als welches wohl allen Thieren ohne
Ausnahme zugestanden werden muß; mittelst des-
sen sie aber nur von der Temperatur, oder höch-
stens von der bloßen Anwesenheit andrer fühlba-
rer Gegenstände unterrichtet werden, aber nicht
von den genannten, erst durchs Tasten zu unter-
scheidenden Eigenschaften derselben.
So dient z.B. wahrscheinlicherweise den Fle-
dermäusen ihre Flatterhaut, und besonders ihr
äußeres Ohr zum Organ des gemeinen Gefühls,
wodurch sie, auch selbst nachdem sie geblendet wor-
den, doch ohne anzustoßen herum flattern können.
[Seite 289] So scheinen auch vielen Thieren die Barthaare
(vibrissae) dazu zu dienen, um von der Gegen-
wart fühlbarer Gegenstände avertirt zu werden,
(weshalb sie D. Darwin mit den Antennen
der Insecten vergleicht); aber ohne dadurch die ge-
dachten andern Eigenschaften derselben unterschei-
den zu können, als welches bloß mittelst des wirk-
lichen Tastens geschieht, welches, wie gesagt, außer
dem Menschen und den Quadrumanen wenigen
andern Säugthieren zuzukommen scheint.
Denn wenn man auch mit Derham den
Rüssel des Maulwurfs oder mit Büffon die
Schnauze und Zunge mehrerer anderer Säugthiere
für Organe des Tastens annehmen wollte, so ist dieß
doch wenigstens nur ein secundärer Gebrauch von
Werkzeugen, die hauptsächlich zu ganz andern
Zwecken bestimmt sind. Eben dieß gilt vom Elephan-
tenrüssel, den Büffon ebenfalls für ein Organ des
Tastens ansieht, ohngeachtet sich, was dieses colos-
salische Thier betrift, nicht einmal absehen läßt,
wozu demselben, bey seiner Nahrungsweise und
Lebensart im freyen Naturzustande das Tasten nö-
thig seyn sollte?
Ganz anders verhält sichs hingegen mit dem
Ornithorhynchus, dem die Natur bey der Aehn-
lichkeit seines Aufenthalts und der Art sein Fut-
[Seite 290] ter zu suchen mit der Enten ihrer, auch eben so
ein merkwürdiges besondres Organ des Tastens,
nemlich eine so Nervenreiche Schnabelhaut wie
diesen Wasservögeln, verliehen hat. Ein Beyspiel
von Analogie im Bau eines sonderbaren Sinnor-
gans bey einzelnen Gattungen von Thieren aus
zwey ganz verschiednen Classen, das für die ver-
gleichende Physiologie überaus belehrend ist, und
wodurch das Schnabelthier zu einer der merkwür-
digsten Erscheinungen in der Zoologie, und seine
Entdeckung überhaupt zu einer der wichtigsten in-
teressantesten wird, die dieses Jahrhundert in der
Naturgeschichte aufzuweisen hat.
a. b. Die beyden Condyli occipitales.
c.d. e. Der Rand des weggebrochnen Theils
der Scheitelknochen, um die cavitas en-
cephali f. zu zeigen.
h. Das foramen rotundum auf der rechten
Seite der basis encephali.
i. Der sehr enge äußere Gehörgang.
[Seite 291]m. Der zweyte Ast des fünften Paares der Ge-
hirn-Nerven.
n.o. Die beyden breiten processus molares.
p. Der runde condylus des Unterkiefers.
q. Der margo serratus des Unterkiefers.
r. Ein processus beym limbus transversarius.
s. Der Nerve der sich in diesen limbus ver-
theilt.
t. Derjenige Nerve der in den margo labialis
geht.
u. Diejenigen, so sich in die obere Schnabel-
haut verbreiten.
Ausdrücklich spreche ich hier bloß von den warm-
blütigen Quadrupeden. Denn bey manchen Ceta-
ceen findet sich etwas ähnliches wie ich an zwey
Schedeln des Tummlers (Delphinus delphis)
vor mir sehe.