2.
Ueber den Proteus anguintus, das
räthselhafte Amphibium im Sit-
ticher See in Kärnthen.

[Seite 727]

Aus einem Aufsatze des Hrn. Dr. C. Schrei-
bers zu Wien, in den philosoph. Transact.
for 1801.

Unter den mancherley Seen und unterirdischen
Wasserhöhlen in Kärnthen, die sämmtlich unter
einander und zumal mit dem berühmten Czirknitzer
See, als ihrer gemeinschaftlichen Quelle, in Ver-
bindung stehen, ist der Sitticher See besonders
für die Naturgeschichte deshalb merkwürdig, weil
er, wenn er übertritt, zuweilen, aber doch nur
sehr selten, den so räthselhaften Proteus anguinus
ausschwemmt, den Laurenti vor 34 Jahren in
seiner trefflichen Synopsis reptilium zuerst be-
kannt gemacht und abgebildet hat. Dieses selt-
same Geschöpf ist Eidexenartig, aber Fußlang und
Daumensdick, hat eine nackte Schuppenlose Haut
von hellrother Farbe, einen langgestreckten meist
cylindrischen Leib, eine Floßenartige Einfassung
an der obern und untern Seite des Schwanzes,
vier kurze Beine, die vordern mit drey und die
[Seite 728] hintern mit zwey Zehen, und ist, so wie die Kaul-
quappen der Frösche, und wie die Larven des Sa-
lamanders und der Wassermolch, mit gefiederten
Kiemen zu beyben Seiten des Halses versehen.
Da das wenige, was man bisher von diesem son-
derbaren Thiere wußte, nur sehr fragmentarisch
und unbestimmt war, so verdient Hr. D. S.
großen Dank der Naturforscher, daß er ihnen
nun ausführlichere und genauere Nachrichten da-
von, und zumal eine überaus interessante Zer-
gliederung desselben liefert, wovon wir denn das
merkwürdigste hier ausheben.

Die Gestalt des ganzen räthselhaften Ge-
schöpfs zeigt Taf. XII. Fig. 3.

Die Kiemenöffnung jeder Seite ist durch
drey einfache gefäßlose Membranen abgetheilt, die
an eben so vielen knorpligen Bogen befestigt sind,
und nur zwey Mündungen zwischen sich lassen.

Das Thier hat weder Nasenlöcher, noch
äußere Ohren. Auch keine geöffneten Augen-
lieder, und dennoch liegen ein paar kleine Au-
gen unter der Haut an der Basis des Schnabel-
förmigen Oberkiefers verborgen.

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Jeder Kiefer ist mit einer Reihe sehr kleiner
scharfer Zähnchen versehen.

Die Zunge ist ziemlich breit und fleischigt.

Hinten im Rachen liegt eine kleine Stimm-
ritze, ohne Kehldeckel.

Im innern Bau sind besonders die Lun-
gen merkwürdig. Diese beginnen unter (oder
nach der horizontalen Lage des Thiers zu spre-
chen – hinter) der Stimmritze mit einem Luft-
sack von sehr einfachem Bau, der durch eine lon-
gitudinelle Scheidewand wie in zwey Hälften ab-
getheilt ist. Jede dieser beyden Hälften verläuft
sich aber in ein langes dünnes Luftgefäß, und die-
ses endet dann auf jeder Seite in eine länglichte
Luftblase. Der Luftsack und die letztgedachten
Blasen sind jedes etwa einen Zoll lang, das Ver-
bindungsgefäß zwischen beyden etwa 2½″.

Das Herz hat Einen Ventrikel und Eine
Aurikel.

Die Leber ist fast 5 Zoll lang.

Die Gallenblase von ansehnlicher Größe.

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Auch Milz und Pancreas sind deutlich zu er-
kennen.

Von ein paar andern Eingeweiden des Unter-
leibes hält der Vf., doch nur Vermuthungsweise,
das eine für Nieren, das andere für die Gebär-
mutter.

Das Rückgrat erstreckt sich mit seinen Wir-
beln in den Schwanz. Hingegen sind weder Rip-
pen noch Brustbein vorhanden.

Das lebendige Thier ist langsam und
gleichsam bedächtlich in seinen Bewegungen.

Es nährt sich namentlich von Fluß-Schneck-
chen und kleinen Fischen.

Giebt oft eine zischende, ziemlich laute Stim-
me von sich.

Zeigt sich, wie obgedacht, nur beym Uebertre-
ten des Sitticher Sees, und zwar bloß in den
Sommermonaten, zumal im August und Sep-
tember.

Der Meynung, daß dieser Proteus ein
noch nicht völlig ausgebildetes Geschöpf, eine
[Seite 731] bloße Larve sey, steht doch hauptsächlich das ent-
gegen, daß aller sorgfältigen vieljährigen Nach-
stellung und den häusigen Fischereien, die in den
oberwähnten Seen und Wasserhöhlen gehalten
werden, ungeachtet, doch noch nie ein Thier ent-
deckt worden, zu welchem dieses die Larve seyn
könnte.

Offenbar hat der Proteus viele Aehnlichkeit
mit der famosen Siren lacertina; doch ist bey
dieser die Form der Lungen-Blase anders, auch
hat sie nur zwey Füße, (kein hinteres Paar) und
einen anders gebildeten Kopf, mit kleinen spitzen
Mund, Nasenlöchern und offnen Augen.

J.F.B.

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