Aus einem Briefe des Herrn Direktors Have-
mann zu Hannover vom 19. Sept. 1804.
Ich ließ im Dec. vorigen Jahres (so schreibt
mir dieser vortreffliche Veterinararzt) eine 12 bis
14 Jahr alte magre Stute für die Zergliederung
kaufen, die an der linken Seite oben am Halse, ge-
rade da wo der sogenannte Luftbeutel der Eustachi-
schen Röhre liegt, eine längliche Geschwulst hatte,
die ohngefähr in der Dicke einer halb durchschnittenen
Maasbouteille hervor ragte, und größtentheils hinter
der Tuberosität der Hinterkinnlade verborgen lag. Da
[Seite 217] das Pferd ungemein lange Haare hatte, so fie diese
Geschwulst eben nicht sehr in die Augen. Bei der
nähern Untersuchung aber bemerkte man, daß sie
hart und etwas höckrig anzufühlen, auch im Gan-
zen beweglich war, und sich in etwas hin und her
schieben ließ. Die Haut darüber lag ganz natürlich
los und konnte leicht als eine Falte aufgehoben wer-
den. Das Pferd fraß und soff natürlich und ohne
alle Beschwerde, auch zeigte es in der Haltung des
Kopfs nichts besondres. Da nun diese so ganz son-
derbare Geschwulst (die ich namentlich wegen ihrer
ganzen Lage, Form und Beweglichkeit durchaus für
keine scirrhöse Parotis halten konnte) meine ganze
Aufmerksamkeit erregte, so suchte ich mich zuförderst
deshalb bei dem gewesenen Eigenthümer des Pferds
zu erkundigen, von dem ich aber nichts weiter er-
fahren konnte, als daß er diesen Gaul nur etwa
zwei Monat gehabt und ihn schon mit dieser Beule
in voller Größe und Beschaffenheit bekommen habe.
Das Pferd habe zwar dabei arbeiten können, doch
bei der Arbeit geröchelt und etwas mühsam Athem
geholt. – Vom vorletzten Besitzer des Pferds er-
fuhr ich, daß er es zu Ende Julius vorigen Jahres
erhalten habe. Damals sey die Beule nach dicker
gewesen, welches ihn denn veranlaßt habe, sie auf-
zustechen, da denn nur wenig eiterartiges Fluidum
herausgeflossen, die Oeffnung aber bald wieder zu-
geheilt sey. Weil das Pferd dabei habe arbeiten
[Seite 218] können, so habe er hierauf die Beule in Ruhe ge-
lassen. Zufällig habe er erfahren, daß das Pferd
im vorhergegangenen Mai eine sehr starke Drüse
gehabt, jedoch sey ihm nicht bekannt, ob die Beule
bei dieser Gelegenheit erst entstanden sey, oder ob
sie das Pferd schon vorher gehabt.
Bei der Section fand ich die Haut durch ein
natürlich lockres Zellgewebe mit der Geschwulst ver-
bunden, und nach deren Wegnahme zeigten sich die
unmittelbar darunter liegenden Theile, und na-
mentlich die Parotis, völlig gesund. Bei der vor-
sichtigen Absonderung dieser Drüse, so wie der sty-
lomaxillaris und der großen Gefäße, die den so-
genannten Luftbeutel bedecken, erschien dieser bei-
nahe noch einmal so groß als im natürlichen Zu-
stande. Ich machte einen großen Einschnitt in den-
selben, da es sich dann zeigte, daß er mit einem zä-
hen Schleim und einer Menge sonberbarer knor-
pelartiger Concremente angefüllt war. Der
Schleim war weiß, sehr zusammenhängend und zähe,
so wie man ihn wohl im Rachen bei Pferden anzu-
treffen pflegt und mochte dessen Quantität etwa
zwei Theetassen voll betragen. – Der gedachten
Concremente waren nicht weniger denn 136 Stück.
Im frischen Zustande waren sie weiß, nach Verhält-
niß ihrer Größe leicht, und im ganzem Habitus, be-
sonders auch in Rücksicht ihrer Elasticität, knorpel-
[Seite 219] ähnlich. Ihre Gestalt war ungleich; doch bei den
mehresten rundlich, mit mehr oder weniger platt
gedrückten Flächen. Die kleinsten hatten die Größe
von Zuckererbsen; die größten fast die eines kleinen
Hühnereies; die bei weitem mehrsten aber die von
großen Haselnüssen. Beim Durchschneiden zeigten
sie ein blättriges Gefüge von concentrischen Lamel-
len, die wie Zwiebelschalen um einander lagen.
Die Haut des Luftbeutels, der diese Körper
enthielt, war etwas dicker als die des gesunden auf
der rechten Seite, auch war sie mit einigen ziemlich
starken Blutgefäßen durchzogen. Die ansehnliche
Klappe, hinter welcher sich der Luftbeutel im Ra-
chen des Pferdes öffnet, war fest verklebt, so daß
auf dieser Seite gar keine Kommunikation zwischen
der Eustachischen Röhre und dem Rachen statt fand.
Unter trefflicher Chemiker, der Herr Apotheker
Gruner hat diese Concremente analysirt und ge-
funden, daß sie, wie wohl zu erwarten war, fast
ganz aus Eiweißstoff bestehen.*)
Bekanntlich öffnet sich diese Röhre beim Pferde
nicht unmittelbar in den Rachen, sondern in jene
geräumige Höhle an den Seitenflügeln des Unter-
kiefers, oben am Halfe, unter der parotis, und
diese Höhle wündet dann erst wieder mit einer knorp-
lichten Klappe und einer länglichten Spalte an
jeder Seite des Rachens. – Vergl. Bourgelat,
Elémens de l’art vétérinaire. Par. 1769. 8. pag.
498 u.f. – (Eine Note die beiläufig auch als ein
Nachtrag zu S. 364 und 256 meines Handbuchs
der vergleichenden Anatomie angesehen
werden kann).
Diese sonderbaren Körper ähneln in ihrem ganzen
Habitus, und namentlich auch in der lamellösen
Textur, den kleinen mandelförmigen Knorpeln die
man zuweilen bei Menschen, z.B. in der Gelenk-
[Seite 220] kapsel des Kniees, oder auch in den bursis mucosis,
und in der hydrocele und zwar auch theils in zahl-
reicher Menge beisammen gefunden hat.