Aus einem Briefe desselben an Hrn. Hofr. Blu-
menbach.
Peter-Paulshafen auf Kamtschatka
den 7. Jun. 1805.
– Zuerst nur gleich die Antwort auf einen
Punct in Ihrem herzlichen Briefe. Seyn Sie ver-
sichert, daß ich mich nie durch das Befremden irre
machen ließ, das man zuweilen darüber äußerte,
wenn ich unter fernem Himmel mir auch solche Na-
turproducte anmerkte, die in unserm Vaterlande
noch so allgemein bekannt und trivial sind. Um
so inniger freuten mich daher Ihre Gedanken über
das große Interesse, das es fürs philosophische Stu-
dium der Naturgeschichte hat, zu wissen, welche
einander sehr ähnliche oder gar gleiche Naturpro-
ducte, die von einander noch so entlegenen Weltge-
genden zusammen gemein haben, welche sich z.B.
von Portugal bis zum nordöstlichsten Ende Asiens
finden u. dgl. m. – So haben Sie z.B. gleich
[Seite 298] zur Probe nur die Menge einiger europäischen
Schmetterlinge, die ich im vorigen Jahre auch
hier in Kamtschatka fand. Bom. plantagi-
nis, B. caja, Pap. machaon, P. napi, P. da-
plidice, P. urticae, P. maturna, P. euphro-
syne, P. Apollo. Von letzterem lege ich eine
getreue Abbildung bei, woraus Sie doch die klima-
tische Abweichung von unserm europäischen ersehen
können, als für welchen man ihn sonst auf den er-
sten Blick halten würde. – Eben so habe ich auch
eine Menge anderer europäischen Insecten in Kamt-
schatka gesammelt. – Land–, Fluß–, und See-
conchylien, und überhaupt die Würmer habe ich ganz
dem Fleiße des Hrn. Hofr. Tilesius überlassen.
Von der Stellerschen Seekuh (– Tri-
chechus manatus β. –) auf welche Sie mich
vorzüglich aufmerksam machen, höre ich leider, daß
sich dieselbe schon seit vielen Jahren ganz nach Nor-
den, und beinahe dis nach der Beringsstraße zurück-
gezogen habe, so daß sie mir schwerlich in den
Wurf kommen dürfte. Denn namentlich an der
Kupfer- und der Berings-Insel soll sie sich jetzt
eben so wenig mehr, als an einer der übrigen Aleu-
ten finden.
Den Schädel des hiesigen sogenannten wilden
Schafes (– Argali, Capra Ammon –) habe
[Seite 299] ich schon bei meinem vorigen Hierseyn präparirt
und für Sie bestimmt. Dießmal hatte auch Herr
Hofr. Tilesius einen erhalten, wovon er Ihnen
eine schöne Zeichnung zugedacht hat. Auch wird
er, der wahrscheinlich früher, als ich nach Europa
zurückkehrt, Ihnen jenen Schädel in meinem Na-
men zustellen.
Jetzt hole ich erst etwas nach, was ich Ih-
nen von der Südsee schuldig war. – Ich sprach
nämlich in meinem Briefe vom 23sten Aug. vor.
Jahres von der wunderschönen Tatowirung der
Marquesas-Insulaner, und schon mehrmalen habe
ich mir es seitdem zum Vorwurf gemacht, daß ich
Ihnen nicht gleich durch eine genaue Zeichnung
eine anschauliche Vorstellung davon gegeben habe.
Nun wohlan, so reiche ich Ihnen noch jetzt über
ferne Lande und Seen die Hand – der schönen
Königin Katanuäh in Nukahiwa (– s. Taf.
V. –) Sie ist getreu und sorgfältig gearbeitet,
und auf die gleiche Art habe ich auch eine ganze
männliche Figur nach der Natur von vorn, und eine
von der Rückenseite ausgearbeitet. Doch wage ich
es nicht, sie gleich mitzuschicken, weil ein Brief
auf einer Reise von Kamtschatka nach Göt-
tingen gar mancherlei Unfällen ausgesetzt seyn
kann.
Da ich, wie Sie aus meinem Briefe an Hrn.
[Seite 300] Dr. Noehden das Nähere ersehen werden,
noch nicht so bald wieder nach Europa zurückkehre,
so habe ich Hrn. Dr. Horner gebeten, Ihnen
einstweilen meinen besten Schädel eines Mar-
quesaner’s zu überreichen; mir selbst wird ja
wohl noch etwas anders zu Theil, womit ich Sie
dann eben so sehr erfreuen kann.
Nun auch ein Paar Worte von unserer Reise
nach Japan.
Den 7ten Sept. 1804 verließen wir den
hiesigen Haven, und nahmen unsere Fahrt nicht
durch die coreische See, sondern steuerten nach
Süden, um Japan von der Ostseite zu um-
schiffen.
In dieser Absicht durchschnitten wir die Wellen
der noch so wenig bekannten, von europäischen
Schiffen befahrnen, und von jeher gefürchteten ja-
panischen Gewässer, und wenn wir auch nicht
das Vergnügeu hatten, neue Länder und Inseln
zu entdecken, so ist uns doch dagegen das Verdienst
zu Theil geworden, von manchen Inselgruppen, die
man an die S.O. Küste von Japan legte, zu er-
fahren, daß sie entweder gar nicht, oder wenig-
stens nicht da existiren, wo sie auf den Charten an-
gegeben sind. Wie z.B. die Volcano-Inseln,
[Seite 301] die wir von 30° bis 34° Breite und 213° bis
216° Länge vergeblich suchten.
Den 1sten Oct. erlebten wir einen furchtbaren
Orkan, worüber ich Ihnen Einiges aus meinem
Journal mittheile, wobei Sie bedenken müssen,
daß wir nach aller Berechnung dem Lande sehr nahe
seyn mußten, und nach den Charten schon über
die kleinen Liquäo-Inseln (– petite Lekeyo
bei La Perouse –) wegsegelten.
An jenem Schreckenstage war es (unter 226°
Länge) des Morgens noch, so wie mehrere Tage vor-
der, windig, trübe und regnicht; gegen Mittag
klärte sich der Himmel wieder auf: man konnte Ob-
servationen nehmen, und fand 31° 7′ d. Breite.
Barometerstand 29″40 engl. – Aber bald nach-
her, gegen 1 Uhr ward es wieder trübe, der Wind
wie vorher heftig, die Wellen hoch, das Barometer
fiel stündlich, und der Wind nahm verhältnißmäßig
zu. Gegen 4½ überzog sich der Himmel so sehr,
daß uns dicker Nebel und Regen, und die über
unser Schiff wegstäubenden Wellen in Nacht ein-
hüllten. Kaum konnte man den Vordertheil des
Schiffs, kaum die Masten erkennen. Nun thürm-
ten sich die Wellen fürchterlich, und das Barometer
war allmählich gegen 5½ Uhr bis zu 28″ gefallen.
Noch immer war Zunahme des Windes, und
[Seite 302] man konnte nur noch die zwei kleinsten Sturmsegel
tragen; aber die guten und starken Taue derselben
wurden auch bald nun der Heftigkeit des Sturms
zerrissen, und die Segel flatterten nun wie Taschen-
tücher mit fürchterlichem Geräusch. – Nun wa-
ren wir, das Ruder angebunden, ohne Segel, ein
Spiel des furchtbarsten Orkans und der schrerklich-
sten Wellen, die Schlag auf Schlag einander ver-
folgten. Tiefe Nacht lag auf uns, das Baro-
meter sank noch immer, und der Wind nahm bis
zu einem vielleicht noch kaum erhörten und unbe-
schreiblichem Grade zu. Die Masten drohten in je-
dem Augenblicke zu stürzen, und die Beile lagen
schon zum Kappen in Bereitschaft. Durch das
Tauwerk saußte es schaudervoll, und die Mündun-
gen der Kanonen auf der Schanze (dem höhern
Hintertheile des Schiffs) lagen auf dem Wasser.
Eine Welle nach der andern schlug über das Schiff,
und die Pumpen waren in beständiger Arbeit. Um
8 Uhr Abends sank das Quecksilber immer tiefer,
und war bald darauf, nach der gewöhnlichen Ein-
richtung der englischen Barometer, deren Scale
einige Linien unter 28″ anfängt, nicht mehr zu
sehen, oder höchstens nur bei den stärksten Schwin-
gungen des Schiffs noch bemerkbar. Das ganze
Commando war natürlich in der größten Thätigkeit,
um dem, dem Schiffe jeden Augenblick zustoßenden
Schaden, nach Kräften zu steuern. Indeß der
[Seite 303] Sturm dauerte fort. Die Sprachröhre konnten
nicht mehr gehört werden, und die ganze Natur
schien wie im Aufruhr. Um 10 Uhr war der Ba-
rometerstand auch bei der höchsten Schwingung des
Quecksilbers nicht mehr zu bemerken. Gegen 11
Uhr, ach ich eben mit Hrn. Dr. Horner der Wie-
derkehr desselben entgegen sah, kam ein furchtbarer
Schlag, die Welle durchbrach eine doppelte Wand
in des Capitän’s Cajüte, in welcher wir uns ge-
rade befanden, wir wurden von einer Ecke zur an-
dern geworfen, und standen, so wie alle Kisten,
Instrumente etc. tief im Wasser. Wir alle schienen
einander das letzte Lebewohl zu sagen. Doch spra-
chen die Officiere den Matrosen Muth ein, und
das Leck in der Cajüte wurde glücklich gestopft.
Gegen 1 Uhr kam das Quecksilber bei der stärksten
Schwingung desselben wieder zum Vorschein. Wind
und Wetter waren aber natürlich bei einem Baro-
meterstande von wenigstens 27″ 60 noch fürchterlich.
Gleich der Rückkehr eines alten Freundes sahen
wir der des Quecksilbers entgegen, aber in dem
Augenblicke der Freude, da wir es so eben wieder
erblickten, kam noch ein heftiger Stoß, und das
Barometer ward los und in Stücken gerissen.
Der Wind schien sich indeß nach und nach zu
legen, und die See sich zu besänftigen; und gegen
[Seite 304] 4 Uhr Morgens durften wir uns aus aller sichtli-
chen Gefahr errettet glauben.
Die Morgensonne begrüßte uns wieder freund-
lich, und nie glaube ich, ist ihr liebliches Licht mit
dankvollerem Herzen bewillkommt worden, als von
uns an diesem 2ten Oct. – Aber wie sah es nun
um uns und auf unserm Schiffe aus! Das war
alles die größte Zerstörung. Kisten, Fässer Taue,
Segel, kurz, alles lag durch einander; in den
Cajüten stand alles voll Wasser, und Kleider, Bü-
cher, Papier wurden nun zum Trocknen an die
Sonne gebracht etc.
Nach der mäßigsten Schätzung muß das Ba-
rometer 27″ 30 gestanden haben, und die Große
der Gefahr, in der wir geschwebt, bestätigte sich
dadurch, daß wir gegen Mittag Land sahen.
Den 8ten kamen wir glücklich vor Nanga-
saki vor Anker.
Von Japan selbst, wo wir überwintert ha-
ben, kann ich Ihnen nicht gar viel hier mittheilen.
Doch darf ich Sie mit Recht auf die Menge der
merkwürdigsten und seltensten Fische aufmerksam
machen, die hier gesammelt wurden; so daß da-
durch die Ichthyologie einen bedeutenden Zuwachs
[Seite 305] erhalten hat. Hr. Hofr. Tilesius hat von vie-
len die vortrefflichsten Abbildungen verfertigt, wo-
zu ich die Belege in natura mitbringe. Wir ha-
ben gleichsam gewetteifert, und Sie werden finden
daß wir, trotz unserer dasigen Eingezogenheit, wo
wir von allem Umgange mit den Einwohnern ab-
geschnitten waren, doch keine geringe Aerndte in
jenem Fache gehalten haben. Ich lege hier nur in
der Eile ein, doch lange nicht vollständiges, Ver-
zeichniß der Fische bei. Die Geschlechter Sciaena,
Bodianus, Perca, Labius, Sparus, Holo-
centrus etc. habe ich lieber vor der Hand noch
unter die zweifelhaften gesetzt, und die Species
nicht bestimmt. In der Folge soll das alles ins
Reine gebracht werden. Wo ich Linné angeführt
habe, ist die Gmelinsche Edition gemeint. Eine
Menge Fische, deren japanische Namen ich nicht
erfahren konnte, habe ich ausgelassen.
Ich bin kein so vorzüglicher Zeichner, als
Hr. Hofr. Tilesius, indeß habe ich doch auch
darin nach meinen Kräften, und auch für Sie ge-
arbeitet; und so erhalten Sie gleich hier heiliegend
einige sehr charakteristische auf das beste getroffene
Silhouetten von Japanesen, und damit Sie
doch wissen, was das für eine sonderbare Weise ist,
das Kopfbaar zu binden; so füge ich auch eine colo-
rirte Abbildung unsers Thorschließers hinzu.
Jetzt eile ich nun alle meine Kisten mit Natu-
ralien etc. zu packen, und sie mit unserm bisherigen
Schiffe nach Europa zu senden, indeß ich auf einem
andern nach der Nordwestküste von Amerika, und
namentlich nach Kadjak (– Kodjak oder Kich-
tak –) an Cook’s Einfahrt, reise.
Namenverzeichniß einiger japanischen
Fische.
Matsukasa iwo. Gasterosteus japonicus
Linn.
Irasakotschi. Trigla minuta Linn.
Sebi iwo. Triglae volitantis var. s. potius.
nova species.
Mischimaschoroschi. Uranoscopus scaber
Linn. var. corpore nigricante
albo maculato.
Kittaco. Gymnothorax cafenatus Bloch.
Sajori. Efox brasiliensis Linn.
Kannagaschira. Trigla cuculus Linn.
[Seite 307]Umikinkio. an Percae nova species?
Anaki. Blennius muraenoides Linn.
Jazume anaki. Petromyzon fluviatilis.
Komuki. Chaetodontis species nova.
Ginno waschi. Zeus argenteus mihi, no-
va species.
Ogosse. Scorpaena didactyla Linn.
Uschinosta karei. Pleuronectes bilineatus.
Horranda mebaru. das holländische Großauge.
an Holocentrus perca?
Sakkino iwo. Cepolae nova species.
Zuschibo. Ostracion, an nova species?
Jamome kamome. Ostracion, an nova spe-
cies?
Nokon nooso. Squali nova species, pristi
affinis, sed rostro cirrhato.
Aka anko. Lophius Faujas.*) Lacep.
Itoi jori, an Perca lineata Linn.
Jaino iwo. Chaetodon guttatus Bloch.
[Seite 309]Sima iwo. Chaetodon vespertilio Bloch.
Jë. | Raja rubus. Raja aquila. Rajae species nova. Cauda apice pin- nata, aculeo longo serrato arma- ta, corpore laevi glabro. |
Okikotschi. Callionymus japonicus.
Karei. Pleuronectes zebra labio super. cir-
rhato.
So erfahren wir also hierdurch die Heimath die-
ses sonderbaren, und in Europa so seltenen, Fi-
sches, daß mir bis jetzt nur zwei Exemplare davon
bekannt sind; das eine im Nationalmuseum zu Pa-
ris, wohin es mit dem Erbstatthalterischen Ca-
binete gekommen; und das andere in meiner eig-
nen Sammlung.