(Aus einem Briefe des Hrn. Hofraths Tile-
sius aus Kamtschatka, vom 9. Jun. 805.)
Auf Nukahiwah fanden wir, was Wuchs
betrifft, die schönsten Männer, die man sehen kann.
[Seite 493] Wahre Ideale und die doch beweisen, daß die höch-
sten Meisterwerke der griechischen Bildhauerkunst,
der farnesische Hercules, Apollo, Antinous, Mer-
cur, die Fechter etc. ganz nach der Natur gearbeitet
sind, da sich noch jetzt solche Urbilder dazu unter
den reinen Naturmenschen finden.
Ihre Hautfarbe ist etwas gelblicher, als bei
den südlichern Europäern doch nicht so dunkel, wie
die der Portugiesen. Das Haar ist durchaus
schwarz; nur bei einzelnen jungen Männern, Kna-
ben und Mädchen an den Spitzen strohgelb (viel-
leicht durch Salben). Die Augen durchgängig groß
und schwarz. Die Zähne schneeweiß. Die Joch-
deine stehen etwas vor und machen die Köpfe etwas
breit, doch bei weitem nicht so, wie bei den Japa-
nesen, Kamtschadalen und Kurilen. Die Lippen
sind mäßig aufgeworfen und die Nase vorn etwas
gedrückt. Das Profil ist fast immer regelmäßig,
und im Vollgesichte (en face) sieht man eine meh-
rentheils gutmüthige, einfältige, leichtsinnige, doch
bisweilen auch wilde (farouche) Physiognomie.
Und so ist auch größtentheils ihr Charakter; denn
sie leben mit ihren Nachbarn der angränzenden Thä-
ler und der benachbarten Inseln Sta Christina
und Riou’s Eyland in beständigem Kriege;
braten und verzehren die erschlagenen Feinde, und
tragen die Schedel und die abgeschnittenen Haare
[Seite 494] derselben auf Stangen als Siegeszeichen in den
folgenden Feldzügen. Ihre Wassen sind Lanzen,
Streitkeulen, Bogen, auf welchen sie Steine ab-
schießen, Schleudern etc. Ihre Weiber sind klein,
minder gut gewachsen und schön von Gesicht.
Dabei roh und schamlos. Alles geht nackend.
Nur selten sind sie mit Laub- oder Blumenschürzen,
oder mit einem Stück Zeug von der Rinde des Pa-
piermaulbeerbaums umgürtet. Sie werden schon
im 8ten oder 9ten Jahre mannbar, altern aber auch
vorzeitig. Bei den mehresten von 18 bis 20 Jah-
ren hatte der Busen schon ganz seine jugendlichere
Form verloren und sie ähnelten eher bejahrten Wei-
bern. Sie schwammen schaarenweise, so wie die
Männer, mit der größten Leichtigkeit und halbe Tage
lang im Meere umher, brachten so die Cocosnüsse
und Brodfrüchte vor sich her getrieben an unser
Schiff, schrieen und lachten, wie die Kinder. Auch
Weiber sprangen von den höchsten Felsen ins Meer
herab, selbst da, wo die Brandung am wüthig-
sten war.
In jedem Thale ist nur ein einziger Tatuwi-
rer, welcher mittelst eines Vogelknochens, der in
mehrere feine Zinken zugespitzt ist, regelmäßige Fi-
guren in die Haut schlägt, und dann Nusfarbe von
der marquesanischen Oelnuß*) in die blutenden
Punkte einreibt etc.
Von einem der schönsten und größten Wilden
dieser Insel, Namens Mafaü Taputacaya
einem jungen zwanzigjährigen Krieger, habe ich fol-
gende Dimensionen seines Körpers auf’s genauste
genommen:
Hoch = 6 Fuß 2 Zoll paris. Maas.
Achselbreite = 19 Z. 2 Linien. In der Peri-
pherie aber = 40 Z.
Länge des Arms vom Achselgelenke bis an die
äußerste Fingerspitze = 22 Z. 4 L.
Höhe des Kopfs vom Scheitel bis ans Kinn
= 10 Z.
Umfang des Kopfs über die Stirn und nahe
über den Ohren herum gemessen = 23½ Z.
Peripherie des Unterleibes in den Hypochon-
drien (er hatte eine sehr schlanke Taille) = 32 Z.
Peripherie des großen Beckens, über die Hüf-
ten herum gemessen = 42 Z.
Peripherie des Oberschenkels = 25 Z.
Des Schienbeins, einen Zoll hoch über dem
Fuße, wo es am dünnsten ist = 10 Z.
Vom Scheitel bis zum Nabel = 31½ Z.
Vom Nabel bis zur Theilung der Schenkel
= 10½ Z.
Von der Theilung der Schenkel bis zur Fuß-
Sohle = 38 Z.
Nukahiwah selbst ist durchaus bergicht, und
die Gebirgsarten lassen vermuthen, daß diese Insel
ehemaligen vulcanischen Ausbrüchen ihre jetzige Ge-
stalt zu verdanken habe. Auf den höchsten Gipfeln
fanden wir rothe Asche, an den Abhängen verwit-
terte Schlacken*), in den mehresten Bergrissen,
Schluchten und geborstenen Fellenwänden, schörl-
haltige Breschen etc. Sonst viel Trapp. – Die
Berge sind zwar größtentheils schroff und steil und
mächtig hoch, doch sind sie nicht so entblößt und
schwarz, wie auf Teneriffa, sondern mit Vege-
tation bekleidet, und mehrentheils, besonders tie-
fer landeinwärts, waldig.
Die einzigen Säugethiere, welche außer dem
Menschen auf diesem Eilande bemerkt wurden, wa-
ren das zahme Schwein und die Ratte*), welche
letztre so äußerst zahm ist, daß sie sich willig von
Jedermann erhaschen läßt und aus der Hand frißt.
Die Einwohner führen sie in Menge, an Stäbe ge-
bunden, zu ihrem Vergnügen und zur Speise mit
sich herum.
Außer einem Gecko und einer sehr schönen me-
tallisch glänzenden Eidechse sahe ich keine Amphibien.
Die letztre darf man nicht unsanft anrühren, sonst
zerbricht sie. An einer, die beim Erhaschen den
Schwanz verloren hatte, bemerkte ich nach einigen
Wochen, daß auch diese Gattung eine starke Repro-
ductionskraft besitzt. So lange die lästigen Flie-
genschaaren, die uns noch von Nukahiwah aus
eine gute Strecke weit verfolgt hatten, auf dem
Schiffe waren, hatte sie immer frische Nahrung.
Da sich diese aber verloren, erhielt sie sich dem An-
schein nach fast bloß von dem verdichteten Wasser-
dunst im Glase, den sie beständig mit behender
Zunge ableckte. Und doch fieng sich, trotz dieser
[Seite 498] kärglichen Nahrung, die untere Hälfte des verstüm-
melten Schwanzes wieder an zu ersetzen. Ich
habe den ganzen Vorgang dieses Geschäftes genau
beobachtet, um zu erfahren, ob es bei diesen kalt-
blütigen Thieren auch durch eine Art von Entzün-
dung erfolge; ich habe aber nichts wahrnehmen kön-
nen, als eine schwarze Geschwulst am Bruche, von
welchem auch zweimal Häutchen und Stücken ab-
gesondert wurden, wie beim Sphacelus der warm-
blütigen Thiere; worauf sich aber unter beständiger
Absonderung eines klebrigen bräunlichen Saftes aus
der Wunde der Schwanz in Zeit von vier Wochen
gänzlich wieder ersetzte. Anfänglich war er abge-
rundet und glatt, ohne Schuppen; in der Folge
aber ward er zugespitzt, allmählich geringelt und
mit Schuppen bedeckt. Indessen sich man aus der
Verschiedenheit des Farbenspiels den neuen Ansatz
sehr deutlich. M.s. Taf. VI. Fig. 3.