Die Schnelligkeit womit die Haustauben
große Reisen in einem Fluge zurücklegen kön-
nen, und ihre Anhänglichkeit an ihren Schlag
oder Kobel, dem sie aus der weiten Ferne
wieder zueilen, hat vorlängst den ganz na-
türlichen Gedanken veranlaßt, sich ihrer zum
Brieftransport zu bedienen: ein Einfall, den
man seit langen Jahrhunderten in allen drey
Theilen der alten Welt realisirt hat. Am
häufigsten, und vermuthlich auch zuerst in
den Morgenländern, wo man sich zu diesem
Gebrauch einer eignen schwarzblauen Art von
Tauben bedient, die sich besonders durch
rothe Fleischwarzen um den Schnabel und
um die Augen herum auszeichnet, die aber
doch keine verschiedne Gattung, sondern eine
[Seite 124] bloße Spielart von der gemeinen Haustaube
zu seyn scheint. Ein Reisender in Aegypten
oder Klein Asien etc. der gern Nachricht an
den Ort seiner Abfahrt senden will, nimmt
von da wenn er abgeht einige Tauben aus
dem Schlag mit, und bindet ihnen dann un-
terwegs seine Depeschen in einem kleinen
Briefchen unter die Flügel, womit sie, sobald
sie losgelassen worden, eiligst ihrem alten
Schlage zufliegen, wo ihnen dieselben, der
Abrede gemäß, von dem auf ihre Ankunft
wartenden Correspondenten abgenommen wer-
den. Der alte ehrliche Reisige Schildtberger
von München, der zu Anfang des funfzehn-
ten Jahrhunderts etliche und dreissig Jahre
lang seine berühmten Abentheuer erst als
Bajazets, und dann als Tamerlans Gefang-
ner bestanden, versichert, daß man zu seiner
Zeit den Tauben, die man zum Brieftragen
bestimmt, zu Hause immer Zucker unter ihr
Futter gethan, um sie desto mehr an ihre
Heimat zu gewöhnen, damit sie aus der
Ferne, wo sie dieses ihr Lieblingsfutter ge-
nießen, desto eiliger zu ihr zurückkehren möch-
[Seite 125] ten. Sonst nimmt man auch zu gleicher Ab-
sicht bloß männliche Tauben mit, weil die
dann desto hitziger wieder zu ihren Weibchen
eilen. Am sichersten ist es zumahl wenn
diese eben Eyer brüten oder Junge haben.
Ehe der Reisende seine Briefträger wieder flie-
gen läßt, füttert er sie aufs reichlichste, da-
mit sie nicht der Hunger treibt sich unter-
wegs zu verweilen. Zu gleichem Zweck wer-
den ihnen auch vorher die Füße in Essig ge-
badet, weil sie dann das Baden im Wasser
unterwegs unterlassen, was sonst ihre Briefe
verderben würde. Zum Ueberfluß werden aber
doch diese selbst mit Wachs überzogen, um
sie auf allen Fall gegen Nässe zu sichern. Und
wo möglich werden doch Duplicate vom Brief
gemacht und zweyen Tauben zugleich mitge-
geben, falls ja etwa eine von beiden bey
trüben Wetter sich verirren oder gar verun-
glücken sollte.
Das geringste ist daß so eine Taube ei-
nen Weg, wozu der schnellste Fußgänger we-
nigstens sechs Tagereisen braucht, in einem
einzigen Tage zurücklegt. Den Weg von
[Seite 126] Scanderona nach Aleppo, der volle eilf deut-
sche Meilen beträgt, machen sie in weniger
als sechs Stunden.
Noch bis zu Anfang dieses Jahrhunderts
wurden zwischen manchen Orten in der Le-
vante, z.B. zwischen den beiden gedachten
Städten, zwischen Damiata und Hiske etc.
ordinäre Taubenposten unterhalten. An man-
chen dieser Orte, auch zu Alexandrien etc., wa-
ren öffentliche Tauben-Posthäuser, wo die
Reisenden welche zur Miethe kriegen, und
ihre Correspondenten dann die von den wie-
derkommenden Tauben mitgebrachten Briefe
bey dem Aufseher abholen konnten.
In manchen Gegenden, wie z.B. in Bas-
sora, Bagdad etc. bedient man sich der Tau-
benpost auch noch bis diese Stunde.
Den wichtigsten Gebrauch hat man von
den Brieftauben im Kriege gemacht. Die
Leser des Tasso wissen, wie die Brieftaube
die Sultan Solyman an Aladin nach Jeru-
salem abgeschickt hatte, gerade über dem christ-
lichen Lager von einem Falken verfolgt in
Gottfrieds Schooß flüchtete und dadurch der
[Seite 127] ganze feindliche Plan verrathen und vereitelt
wird. Nun das ist freylich mit dichterischer
Licenz ausgeschmückt. Aber daß allerdings in
den Kreuzzügen häufiger Gebrauch von den
Posttauben gemacht worden, ist aus den
gleichzeitigen Schriftstellern bekannt. So ließen
z.B. die Abgeordneten, die der Fürst von
Hasart an Gottfried schickte, sobald sie den
Bund mit demselben geschlossen hatten, ihre
zwey mitgebrachten Tauben mit der Nach-
richt davon, ihrem Herrn zufliegen.
Aber so hat man sich auch schon bey den
alten Römern der Tauben zu Kriegsdepeschen
bedient. So correspondirten in der Belage-
rung von Modena Hirtius und Decimus Bru-
tus miteinander.
Und so sind noch erst vor ein paar hun-
dert Jahren auch im nordlichen Europa,
nähmlich in dem Spanisch-Niederländischen
Kriege, (namentlich in der Belagerung von
Haarlem und in der zweyten Leidenschen) ge-
meine Haustauben, die man noch zeitig ge-
nug aus der Stadt zur Armee des Prinzen
Wilhelm von Oranien gebracht hatte, oft
[Seite 128] mit glücklichem Erfolg von diesem zum Brief-
transport gebraucht worden: bis durch einen
Zufall so eine Brieftaube in der belagernden
Spanier Hände fiel, und da man hinter ihre
Aufträge kam, dann alle über das Lager flie-
gende Tauben ohne Unterschied weggeschossen
wurden.