Göttingen. In der Versammlung der Königl. Societät der
Wissenschaften am 2. Febr. legte Hr. Hofr. Blumenbach eine
zweyte Decade aus seiner Sammlung von Schädeln verschiedener
Völkerschaften vor. Sie war wieder so, wie die erste, nach dem
auffallendsten Contrast der Nationalformen ausgewählt, und nach
der Folge der von dem Hrn. Hofr. schon anderwärts bestimmten
Varietäten des Menschengeschlechts geordnet. – Also von der
[Seite 399] ersten Varietät: 11) Der Schädel eines ächten Zigeuners, der
im Gefängniß zu Clausenburg gestorben, von Hrn. Dr. Patacki
daselbst. – Auffallend ist die Aehnlichkeit der ganz charakteristi-
schen Form dieses Kopfs (– So charakteristisch, daß ihn schon
mehrmahlen Siebenbürgen unter den übrigen Schädeln sogleich
von selbst für einen wahren Zigeuner-Schädel anerkennt ha-
ben –) und des von der Aegyptischen Mumie in der ersten
Decade. Beyde zeichnen sich dadurch von allen übrigen 64 Schä-
deln fremder Völkerschaften, die Hr. Hofr. Bl. gegenwärtig be-
sitzt (Worunter nähmlich kein einziger deutscher begriffen ist),
auf den ersten Blick aus, ein Umstand, der bey alle dem, was
Hr. Pr. Grellmann für die Abstammung der Zigeuner aus Hin-
dostan gezeigt hat, doch um so mehr Aufmerksamkeit verdient,
je augenscheinlicher die von Hrn. Hofr. Meiners erwiesene Ue-
bereinkunft der Hindus selbst mit den alten Aegyptiern ist. –
12) Der Schädel eines Casanischen Tatarn, eine edle, schöne
Form! Auch nicht ein Zug von der so oft wiederhohlten Schilderung,
die Büffon, und so viele Andere nach ihm, von den Tatarn mach-
ten, und die sich, wie Hr. Hofr. Bl. gefunden hat, ursprünglich aus
Yvo’s von Narbonne Nachricht von der zu seiner Zeit, An. 1243, er-
folgten Invasion der sogenannten Tatarn nach Deutschland, her-
schreibt, offenbar aber von Mogolen, und keineswegs von Tatarn zu
verstehen ist. (Diesen und die nächst folgenden 6 Schädel verdankt
Hr. Hofr. Bl., so wie so viele andere in seiner Sammlung, der un-
ermüdeten thätigen Unterstützung des Hrn. Baron von Asch zu St.
Petersburg.) 13) Von einem Starschinen (Volks-Aeltesten)
der Kirgis-Kaisacken, von Hrn. Dr. Sanden aus Ufa. – Von
der zweyten Varietät: 14) Ein Calmücke, dessen ganzes, vom
Hrn. Pr. Karpinski zu St. Petersburg verfertigtes Gerippe Hr.
Hofr. Bl. besitzt. – Es kann kaum ein größerer Abstand in der Form
der Schädel gedacht werden, als der zwischen diesem sowohl als den
übrigen ächten Calmückenschädeln in der Blumenbachischen Samm-
lung, und hingegen dem angeblichen Calmückenschädel, den der sel.
Camper in seinem Posthumenwerke über seine Gesichtslinie hat ste-
chen lassen, welcher ohne Zweifel einem Neger zugehört hat, und
[Seite 400] doch von dem verdienten Manne als Muster der Nationalgesichtsbil-
dung der Einwohner von ganz Asien, Nordamerika und den Südsee-
inseln, bis zu unsern Antipoden in Neuseeland aufgestellt worden!
– 15) Ein Jakutenschädel, den Hr. Hofr. Laxman von Irkutzk
mitgebracht. Bekanntlich sind die Jakuten von manchen Geschicht-
forschern für ein Tatarisches, von andern aber für ein Mogolisches
Volk gehalten worden. Der Schädel spricht für die letztere Mei-
nung, und bestätigt des ältern Gmelin’s Bemerkung, da er als Au-
genzeuge sagt: ‘„In der Gestalt des Gesichts glichen die Jakuten
den Calmücken, hatten eine platte Nase etc.”’ – 16) Von einem
sogenannten Rehnthier-Tungusen aus dem Gilgekirskischen Stam-
me, der sich selbst erdrosselt hat, von Hrn. Stabschirurgus Schil-
ling, der die Legalobduction verrichtete. – – Von der dritten
Varietät wieder drey Negerschädel wie in der ersten Decade, nur
noch mehr als jene in der Form verschieden und gegen einander con-
trastirend. – 17) Nähmlich von einem, den Hr. Pr. Wolff zu St.
Petersburg zergliedert. – 18) Von einem aus Congo, vom Hrn.
Collegienrath Reineggs zu Petersburg. – 19) Von einer 28jähri-
gen Negresse aus Guinea, die kürzlich in Amsterdam gestorben, vom
Hrn. Prof. van Geuns dem jüngern zu Utrecht. – – Von der
vierten Varietät endlich 20) der Schädel einer Caraibischen
Frau von St. Vincent. So wie der von dem Heerführer die-
ses nun meist ausgestorbenen Volks in der ersten Decade ein
Geschenk des Hrn. Baronet Banks. – Eine ganz monströse Ge-
staltung! gleichsam ohne alle Stirne, so platt fällt diese nähm-
lich zurück. Der Hinterkopf hingegen ragt abentheuerlich hinaus.
Beydes ganz offenbar Werk der Kunst; Folge des gewaltsamen
Bindens und Drucks in der ersten Kindheit. Die ganze Form
entspricht vollkommen der genauen Beschreibung, die Hr. Dr.
Amte zu Guadeloupe neuerlich von der Einrichtung dieser Carai-
bischen Kopfpresse gegeben hat. A.d.G.g.A.