Herr Franz macht in der That den Aerz-
ten, Naturkundigen und Liebhabern
der griechischen Litteratur ein angenehmes Ge-
schenk, indem er die Ueberbleibsel eines al-
ten Arztes vom neuen herausgegeben hat, die
bisher nur in andern, theils grossen, theils
seltnen Werken versteckt, wenig bekannt, und
fast gar nicht genutzt waren. Ehe wir von
Hrn. F. Verdiensten um den Xenocrates re-
den, wollen wir vorher etwas von diesem al-
[Seite 534] ten Arzte selbst erwähnen, um so viel mehr,
da Hr. F. auserdem was er aus Gesners
Ausgabe, Fabricii griech. Bibl. und Schenks
Bibl. Jatrorum abdrucken lassen, wenig von
ihm meldet, und einige wichtige Quellen zu
seiner Geschichte, z.B. le Clerc, Lambecius
u.a. übersehn zu haben scheint.
Die eigentliche Zeit wann X. gelebt, ist
unbestimmt. Vermuthlich war es unter Ti-
berius oder Nero, wie man aus einigen
Stellen beym Galen vermuthen darf. Ge-
wiß ist er nicht der alte Platoniker, wofür
ihn Artedi in Bibl. ichthyol. und so gar Har-
duin in indice auctorum ad Plin. H.N. hal-
ten. Die neuern Herausgeber des Plinius
mit der Französischen Uebersetzung und neuen
Noten (Paris 1771. gr. 4) haben ihrem gros-
sen Landsmann auch diesen Fehler nachgeschrie-
ben und verweisen uns mit ihm auf den Dio-
genes Laertius, der uns die Titel seiner übri-
gen vielen Schriften aufbehalten hätte. Man
wird aber unter allen diesen keinen finden, von
dem man auf den Verf. eines Buchs von eß-
baren Wasserthieren schliessen könnte. Laer-
rius sagt wohl am Ende, daß noch 6 andre
gleiches Namens bekannt wären, erwähnt
auch 4 von diesen, aber ebenfalls den unsri-
gen nicht mit darunter. Unser X. war nach
[Seite 535] Artemidors u.a. Zeugnisse aus Aphrodisium
(in Cilicien) und, so viel wir wissen, ein
berühmter Arzt seiner Zeit. In den Gemähl-
den des bekannten Wiener Codex vom Dios-
corides sitzt er unter Machaon, Chiron, Ni-
ger, Heraclides, zwischen Mantias und Pam-
philus. Ausser dem Oribasius führen ihn
Galen, Aetius, Plinius u.a. häufig an.
Galen ist besonders bey seinen Verdiensten
um die Materia medica sehr weitläufig, ta-
delt aber die seltsamen ekeln Arzneyen, be-
sonders aus Theilen und Auswürfen des
menschlichen Körpers, die X. ernstlich em-
pfohlen.
Von seinen Schriften hat uns Oribasius
im 2ten B. seiner medicinal. collector. ad
Imp. Julianum dasjenige erhalten, was vom
Genuß der Wasserthiere handelt, und wel-
ches uns nun Hr. F. in einer neuen Ausgabe
liefert. Denn daß Photius in seiner Biblio-
thek auch Excerpte aus X. Schriften habe,
wie Mackenzie sagt, ist irrig.
X. redt in unserm Werke erst überhaupt
von der Verschiedenheit der eßbaren Fische
in Rücksicht ihres härtern oder weichern Flei-
sches, des Orts ihres Aufenthalts, der Zeit
wenn sie gefangen werden, ihres Alters, ih-
rer Theile und Zubereitung. Dann geht er
[Seite 536] sie namentlich einzeln durch, und nimmt zu
seiner Absicht immer am mehresten auf die
Beschaffenheit ihres Fleisches und der Nah-
rung die sie geben, Rücksicht. Hierauf fol-
gen eßbare Thiere aus der Classe der Wür-
mer. Gröstentheils Muscheln, doch auch von
der See Nessel und der Tethya. Beyläufig
vom Krebs Pinnophylax (canc. pinnotheres
Linn.). Zuletzt von eingesalznen Fischen aus
Seen und Flüssen.
Man sieht leicht, daß X. zur Erläute-
rung alter Naturkundiger, Aerzte und
Schriftsteller von der Kochkunst gut genutzt
werden könne; und daß die wenigen unvoll-
kommenen Ausgaben dieses Schriftstellers,
die zeither bekannt waren, Ursach sind, daß
dieß noch so wenig geschehen ist.
Es erschien dieß Buch anfangs blos la-
teinisch in Rasarius Uebers. des Oribasius;
aber nicht wie Hr. F. meynt, zuerst zu Ba-
sel 1557. sondern auch vorher ohne Anzeige
der Jahrszahl zu Venedig bey Paul Manu-
tius, und 1555 zu Paris apud Bernard. Tur-
risanum wo die collecta medicinalia in 8 be-
sonders edirt sind. Conrad Gesner erhielt
nachher von Wilh. Rondelet eine unvollstän-
dige griechische Handschrift vom X. und diese
[Seite 537] kam 1559 mit Rasarius vollständiger Ueber-
setzung als ein Anhang zum Dubravius de pi-
scinis etc. heraus. Heinr. Stephanus druck-
te auch dieselbe Uebersetzung an ihrer Stelle
beym Oribasius in seinen med. art. princ. ab.
Joh. Alb. Fabricius nutzte ein ungleich
vollständiger Mscr. von P. Vindiny und lies
das ganze Werk nebst Rasar. Uebers. im 9ten
B. seiner B. Gr. S. 453 u.f. abdrucken.
Dieß war bisher die vollständigste Ausgabe
des X. freylich aber auch noch voll Fehler.
Hr. F. erhielt ein Exemplar von Gesners
Edition, wo ein Gelehrter die darin noch be-
findlichen Lücken des griechischen Textes sup-
plirt, und Varianten aus zwey bekannten
Handschriften der Pariser Biblioth. und des
Vatikans beygeschrieben hatte. Er bediente
sich dieses Hülfsmittels und hat gesucht, uns
nun eine vollständigere und richtigere Ausga-
be des X. zu liefern. Hr. F. hat in der Zu-
schrift an den Hrn. Pr. Plaz selbst erwähnt,
was er bey seinem neuen X. geleistet habe.
Nächst dem aus obiger Quelle verbesserten
Text sind Rasarius Uebers. und Gesners An-
merkungen über sein Fragment, abgedruckt.
Diesen hat Hr. F. seine eigene Noten bey-
gefügt, die sowohl als das angehängte Glos-
sarium in Xenocratem theils Anzeige der Va-
[Seite 538] rianten, hin und wieder eine Conjectur, Pa-
rallelen meist aus dem Oppian und seinem
Scholiasten, und aus dem Athenäus, auch
Erläuterungen aus der Naturgeschichte und
Diätetik, enthalten. Es wäre freylich zu
wünschen gewesen, daß mehrere alte Schrift-
steller, oder die wenigen doch mit mehr Ge-
nauigkeit genutzt worden wären; da viele der
angeführten Stellen nicht eben mit pünktlich-
ster Genauigkeit citirt sind, auch einige nicht
eben am schicklichsten Orte zu stehen scheinen.
Auch von neuern würden viele den X. sehr er-
läutert, und die Vergleichung mit andern al-
ten erleichtert haben. Nur z.B. Bellonius de
aquatilibus, der selbst den X. mehrmalen ci-
tirt. Rondelet der den zuerst genutzten Co-
dex des X. besaß. Gesner, der ihn von ihm
erhielt; Salvian, der in seinem seltnen Wer-
ke fast alles erschöpft hat, was die Alten von
den durch ihn beschriebnen Fischen sagen,
und ausserdem in seinen vorgesetzten tabulis
piscatoriis die Synonymen und Anzeige der
Parallel Stellen ans den mehresten Alten ge-
sammlet hat. Hr. F. verweist uns in dieser
Absicht fast blos mit K. Gesnern auf Ed.
Wotton de animalium differentiis, der zwar
den X. hin und wieder anführt und erläutert,
der aber doch eben nicht andre Quellen neben
sich verdrängt haben sollte. Ausser ihm wer-
[Seite 539] den dem Leser zum weitern Unterricht, beson-
ders der Kupfer wegen Ioach. Camerarii em-
blemata empfohlen. Es war freilich Hrn. F.
Absicht gemäßer, seinen Autor aus der Phi-
lologie als aus der Naturkunde zu erläutern;
doch sieht man, daß die Vernachläßigung der
leztern, auch der Critik zum Nachtheil gereicht
ist. Würklich reden zuweilen X. im Text, und
Hr. F. in den Noten dazu, von ganz verschie-
denen Thieren. Nur einige Beyspiele: χρυ-
σοφρυς, aurata (Sparus aurata Linn.) wird
mit unsrer Forelle (Salmo fario L.) verwech-
selt, da doch beide Fischarten schon beym er-
sten Anblik große Verschiedenheit zeigen. Das
ςερεος und συγϰριτος (im Texte steht irrig
συχϰριτος) durfte schwerlich auf unsere Forelle
passen. Hingegen wird der Goldbrachse aus
diesem Grunde vom Marsitheus beym Athenä-
us, auch vom Cornel. Celsus unter die harten
und schwer zu verdauenden Speisen gesetzt.
Der wahren Forelle gedenkt überdem gar kein
alter griechischer Schriftsteller.
Ουρανοσϰοπος. Hiervon heists im Glossa-
rio: Icesius vocat λυϰον ap. Athen VII. 7. &c.
Der Uranoscopus heist weder λυϰος noch λευ-
ϰος, und beym Athenäus ist in der angeführ-
ten Stelle gar nicht einmal die Rede von die-
sem Fische, sondern vom Anthias (Labrus An-
[Seite 540] thias Linn.) Ja, Hr. F. citirt die nemliche
Stelle des Athenäus auch beym Ellops (aci-
penser sturio L.).
Im Glossario ist nicht selten das wieder-
holt, was schon in den Noten unterm Text
gesagt worden.
Ausser dem wünschten wir dem ganzen
Werke weniger Druckfehler, von denen die
wenigsten am Ende angemerkt sind, und die
zuweilen wunderlichen Sinn geben. Aetius de
trab. statt tetrab.