Die Erfindung des Getraidebaues hat mit
vielen andern von ähnlicher Wichtigkeit
das Schicksal gemein gehabt, daß ihr Vater-
land, der Name der Personen die sich zuerst
um sie verdient gemacht, und die Zeit wann
dieß geschehen, so sehr vergessen worden, daß
selbst aus den ältesten Geschichtschreibern nur
wenige Spuren von ihnen zu errathen sind.
Da neuere Reisende in verschiedenen Welt-
gegenden einige unsrer Getraide-Arten wild
wachsend gefunden hatten, so glaubten einige
Gelehrte, aus diesen Nachrichten das Vater-
land dieser Feldfrüchte beweisen zu können.
Allein man darf blos bedenken, wie wahr-
scheinlich diese Aehren Ueberbleibsel von ehe-
maligem Anbau gewesen, um einzusehn, daß
man schwerlich den ursprünglichen Stammort
des Waizen, des Korns, und der Gerste bey
den Baschkiren, und des Habers auf Juan
Fernandez suchen dürfe. Hr. Hofrath Heyne
ist einen andern und ungleich schicklichern Weg
zu dieser Untersuchung eingeschlagen, da er
die ältesten Geschichtschreiber und andere Denk-
male des Alterthums dabey zu Rathe gezogen
hat. Wir werden unsern Lesern das Resul-
tat von den Bemühungen dieses berühmten
Mannes vorlegen.
Anfänglich waren wohl Wurzeln, Früch-
te und ähnliche Nahrungsmittel zureichend,
[Seite 100] bey den ersten Menschen den Hunger zu stillen.
Ihre rauhe einfache Lebensart konnte sich
ohne Schaden der Gesundheit mit Speisen
begnügen, deren anhaltender Gebrauch unserm
verwöhntern Körper nachtheilig seyn würde.
Da sich aber die Anzahl der Menschen vermehr-
te, da sie sich ausbreiten mußten, und Völker
wanderten, so war es nöthig eine allgemei-
nere, und dem Körper angemeßnere Speise
ausfündig zu machen, eine Speise, die theils
ihren Bestandtheilen nach, dem menschlichen
Körper zuträglich und nahrhaft, außerdem
leicht anzubauen und wovon die geerndete Frucht
schicklich aufzubewahren seyn muste. Nichts
konnte hierzu passender seyn als das Getrai-
de; und vermuthlich hat auch damals der Zu-
fall – diese reiche Quelle der Entdeckungen –
das bewirkt, was tiefes Nachsinnen und fei-
ne chimische Untersuchungen schwerlich wür-
den bewerkstelliget haben. Aus den alten
Geschichtschreibern und den Zeugnißen der Rei-
senden weiß man, daß man anfangs die Ge-
traide Körner frisch aß. Wenn sie aber reif-
ten und trockneten, wurden sie zu dem Ge-
brauche zu hart und ungeschickt, und man
mußte auf Mittel sinnen, ihnen durch Kunst
diese eben so natürliche als nachtheilige Eigen-
schaft wieder zu benehmen. Dieß geschah
durchs Rösten und Einweichen der Körner. Mit
dieser Beyhülfe konnte schon Getraide aufs
Jahr bewahrt werden, und nun war der
nächste Schritt leicht zum Zermalmen. Erst
zwischen zwey bloßen Steinen, dann im Mör-
ser – beydes Proceduren die noch heute bey
mehrern wilden Völkern gebräuchlich sind.
Später erst kam man auf den Gedan-
ken, Mehl auf der Mühle daraus zu machen.
Anfangs mischte man dieß blos mit Wasser,
und genoß es als Brey, Suppe, oder kurz in
einer jeden weichen flüßigen Gestalt. Nach
der Hand erst fiel man darauf wirkliches Brod
daraus zu backen. Man schnitt Mehlteich in
Scheiben, und kochte oder röstete ihn auf
heißen Steinen – und nun war Kuchen da,
den man anfangs ohngesäuert und jedesmal
nur auf einen Tag oder auf eine Mahlzeit
backte.
Was zum Beweise des bisher gesagten
dienen kann, sind die Spuren die sich von
allen diesen Erfindungen noch in den Opfer-
gebräuchen verschiedener alter Völker lange
Zeit hindurch erhalten haben. Noch im Ho-
merischen Zeitalter opferten die Griechen die
ganzen Gerstenkörner, und in Italien erhielt
sich ein ähnlicher Gebrauch, da man geschro-
tenen Spelt auf den Altar brachte. Die fla-
chen Kuchen im Heiligthum der Israeliten,
und der Brey beym Wahrsagen der Römi-
schen Priester durch heilige Hüner, gehören
ebenfalls hieher.
Die Griechen haben es in der Kunst
des Brodbackens vor andern Nationen weit
gebracht. Ihnen sind wir die Wassermühlen
schuldig: sie hatten viele Gattungen feinen
Mehls, und allein fünf Wörter zu verschiede-
nen Bereitungen ihres rohen Breys. Der
Backofen lehrte sie alsdann allerhand mehr
zusammengesetztes Backwerk bereiten, eine
Kunst, die zumahl die Athenienser mit vor-
züglichem Succeß betrieben haben.
Dieß wäre der natürliche Fortgang der
Bearbeitung des Getraides überhaupt. Die
zahlreichen Gattungen und Verschiedenheiten
dieser Gewächse machen die Beantwortung der
Frage schwerer: in welchem Lande und zu
welcher Zeit sind diese einzelnen Arten zuerst
bearbeitet worden? Das was wir oben von
der Nothwendigkeit des Fruchtbaues bey Aus-
breitung der Völker erwähnten, macht vor-
züglich Hrn. Hofrath Heynens Meynung ein-
leuchtend, der die Gegend zwischen dem Eu-
phrat und Tiger d.i. Babylonien und Assy-
rien fürs Vaterland dieser Art von Kultur
hält. Gewiß bildete sich in Babylonien die
erste Nation, die nach dem Zeugniß der äl-
testen Geschichtschreiber Städte anlegte, Kün-
ste und Handwerker erfand u.s.f. – Lage
und Klima, alles fällt dieser Meynung bey –
und will man selbst das Wildwachsen des Ge-
traides für einen Beweis dazu annehmen,
so hat schon Berosus gesagt, daß der Wai-
zen oder der Mayz (die Zea der Alten) da-
selbst wild gefunden worden.
Die Aegypter genossen eine Art Spelt,
die wir itzo verkennen; und verabscheuten, aus
uns unbekannten Gründen, den Genuß des
Waizen und der Gerste. Die Phönicier ha-
ben wohl wenig selbst Früchte gebaut, son-
dern, wie schon aus Hirams und Salomo’s
Handelschaft erhellt, das meiste von Fremden
erhalten: mit ihnen aber kam der Fruchtbau
nach Karthago, und von da nach Spanien.
Attica hatte zuerst Gerste, und man kann
noch itzo bey Eleusis das Feld sehen, wo diese
Getraide-Art zuerst geerndet worden. Den
[Seite 103] Waitzen cultivirte man besonders in Sicilien,
und Diodor gedenkt noch dieser Getraide-Art
als wildwachsend auf dieser Insel. Eigent-
lich scheint der Dinkel Italiens einheimische
Frucht gewesen zu seyn. Andere Getraide-
Arten bekamen sie aus Sicilien. Die Tauri-
ner hatten zwar, nach Plinius Zeugniße, Korn:
aber dieß war vermuthlich von jenseits der
Alpen zu ihnen gekommen; und es sind Grün-
de die es wahrscheinlich machen, daß sie die-
ses wichtige Geschenk unserm Deutschland zu
verdanken gehabt.