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Göttingen den 30ten März 1807
Ew Excellenz
erstatte ich zuförderst meinen innig erkennt-
lichsten Dank für Ihr abermaliges mir aus vielseitiger Rücksicht
überaus schätzbares Geschenk der mir ganz neuen und ausnehmend
merkwürdigen Carlsbader Foßilien, die ich erst vor Kurzem, also
nach langen Umweg, aber aufs Wohlbehaltenste durch meinen braven
Mit Fellow Hrn Osborn erhalten habe.
Das Specksteinähnliche Foßil worin der Feldspath und [s?]eine schönen
Krystallen umgewandelt sind, verdiente eine nähere Untersuchung.
Mit dem Gehalt des Bildsteins oder Agalmatoliths nach Vauquelin kommt
der des Feldspaths nach Lampadius mehr überein.
Der durch Kohle gefärbte Quarz gibt ein schönes Gegenstück zu Quarz
von Conil in Sevilla und zu Feuerstein von Poligny (Depart.t du Jura)
in meiner Sammlung die beide auf ähnliche Weise mit Schwefel tin-
girt sind.
Demnächst erfolgen hierbey Winckelmanns Anmerkungen mit
seinen handschriftlichen Zusätzen, denen ich einige Autographa für
Ihre Sammlung und auch ein Paar Zeichnungen von neuerlich
erhaltnen Memorabilien aus der meinigen zu beliebigem Gebrauch
beylege.
Jene sind a) von unserm großen Herm. Boerhaave. ich habe
den Brief als eine Heiligen Reliquie vom alten Prof. vanGeuns
in Utrecht erhalten. b) von dem berühmten Reisenden und
claßischen Botaniker Prof. Sibthorp in Oxford, und c) vom
verstorbnen Zimmermann in Hannover.
Die beiden Zeichnungen sind 1. der wundersam mumisirte
[verso]
Kopf eines Brasilianers, den ich Ihren Durchlauchtigen Herrschaften
und deren Reisegesellschaft im vorigen Oct. zu zeigen die Ehre gehabt,
und von welchem in den hiesigen Gel. Zeit. v. vorigen J. 157 St einige
vorläufige Nachricht gegeben ist. Nie habe ich noch eine so vollkommne
Conservation der Form mit Haut und Haar durch Mumisirung
gesehen. NB Der Kopf ist nicht etwa von einer ganzen Mumie
genommen, sondern muß gleich von der frischen Leiche abgelößt
und so zubereitet seyn, wie man an der schwer zu begreifenden
Weise sieht mit der unten die Haut am Halse (ohne Naht p)
straff angespannt worden. Sogar die Nationalfarbe derselben
(the true copper-colour) hat sich rein erhalten. Die Bedeutung des
mit festen Harz im Maule an seinen beiden Enden befestigten
Stricks ist mir noch ganz räthselhaft. Hingegen stellen die bei-
nernen Querstifte auf dem Harz in den orbitis wohl ohne
Zweifel die geschloßnen Augenlieder des Todten vor.
2. Der äußerst seltne abentheuerliche Proteus anguinus aus
dem unterirdischen Sitticher See in Krain, den ich vor wenigen
Wochen erhalten und zugleich überhaupt zum erstenmal in na-
tura zu sehen gekriegt habe. Die Zeichnung ist in natürlicher
Größe. Einige nähere Notiz von diesem famosen Wunderthier
steht in Voigts neuen Magaz. IV B. S. 727 u. f. (wo aber durch
einen Schreibfehler Kärnthen statt Krain gesetzt ist)[.] Ist das nun
ein vollkommen ausgebildetes animal sui generis? mit solchen
Kiemen p[.] Das streitet doch gegen alle Analogie. Und sollte es
hingegen eine Larve seyn wie unsre Kaulquappen p so müßte
[Blatt 2]
(ihrer Größe nach zu urtheilen) eine Art von Crocodil daraus werden
das vor der Hand incognito im Herzen von Deutschland unter der
Erde hauste.
Wollte doch nur der Himmel daß Sie uns bald wieder einmal
so einen frohen Besuch schenkten wie den der uns den Sommer 1801
so unvergeßlich macht. Sie fänden auch gar manche intreßante
Merkwürdigkeit der Natur und Kunst die sich seitdem bey mir wieder
zugesammelt hat.
À propos von Kunst lege ich doch die Abbildungen der Schnitzarbeit
an einem alten elfenbeinernen Ex voto Kästchen bey, das ich besitze,
und von unserm Riepenhausen nach den Zeichnungen seiner Söhne
(die noch in Rom sind) gestochen worden. Dr. Schlosser hat in unsers Hrn.
K. Reinhardt Taschenbuch für d. J. die Vorstellungen auf den 4
Seiten auf die Sage von dem Grafen von Gleichen mit 2 Frauen
gedeutet.
Und wieder à propos von dieser toreutischen Arbeit fällt mir
ein kleiner Nachtrag zu Ihrem Benven. Cellini bey den ich in dem
seltsamen Mischmachbuche the Memoirs of Th. Hollis London 1780
II vol. in gr. qt. gefunden habe, das eine Menge trefflicher Kupfer
v. Cipriani und Bartolozzi enthält. Das St. quæstionis stellt die
sterbende Cleopatra mit einer Kammerfrau vor. Die Unterschrift
des Kupfers ist: Cleopatra animam efflans. De cereo exemplari
eiusdem magnitudinis (es ist 7″ lang, 5 ½ breit) auctore Benv.
Cellini penes Th.m Hollis, Ioh. Bapt. Cipriani Florentinus del.t et
aquæ fortis ope insculpsit.
[verso]
Ihr günstiges Urtheil von meinem wackern Neveu Dr Voigt habe
ich mit herzlicher Freude und die thätigen Beweise Ihrer Güte für
ihn mit warmer Erkenntlichkeit gelesen. Bey seinen Fähigkeiten
und Kentnißen und Application hoffe ich daß Sie ihn deßen was Sie
für ihn tun, nie unwerth finden werden.
Könnte ich Ihnen doch die Innigkeit der Theilnahme ausdrücken
mit welcher ich und die meinigen alles lesen und hören was
Weimar in den drey letzten Octoberwochen erfahren hat. Aber
vor allem auch unsre hohe Bewunderung und Verehrung Ihrer
großen Retterin.
Der durchlauchtigen Herzogin Amalia und der Prinzeßin Ca-
roline haben Sie die Güte uns zu gnädigem Andenken aufs
ehrerbietigste zu empfelen, und uns auch bey den gnädigen
Damen die sie begleiteten so wie bey Hrn Geh. R. von Einsiedel in
eine gewogentliche Erinnerung zu bringen, so wie die hiesigen
meinigen (das ist jetzt meine Frau und jüngste Tochter) sich
nebst mir Ew Excellenz aufs allergehorsamste empfelen.
J. Fr. Blumenbach
PS Erlauben Sie mir noch eine Bitte um gütige Be-
lehrung. Was ist wohl das Porporino woraus in
Rom Damenschmuck verfertigt wird. Eine gefaßte
Probe die ich davon unter diesem Namen gesehen, äh-
nelte rother Kupfergahrschlacke. Und von eben solcher
Schlacke sind mir auch kleine Anticaglien (Anubis Köpfchen,
Nilometer p) vorgekommen die in Ægyth. Mumien gefunden waren.
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