Blumenbach – Online Digitalisate und Transkriptionen zu den Briefregesten
Absender/Empfänger: August Conrad Havemann an Blumenbach.
Datum: 1817, Juni 3
Ort: Hannover
Überlieferung: Göttingen, Universitätsbibliothek, Cod. Ms. Blumenbach XI, nach S. 122.
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Transkription
Hannover den 3ten Juny 1817.

Wohlgebohrner Herr,
Hochzuverehrender Herr Geheimer Obermedicinal-Rath!

Ew. Wohlgebohren an mich erlassene Fragen über ein Paar die
Zergliederung des Dromedars betreffenden Punkte, würde ich
längst beantwortet haben, wenn ich nicht erst hätte die Reini-
gung des Kopfs auf dem Wege der Maceration abwarten
müssen, um die verlangte Auskunft in Absicht der Schneide-
zähne im Oberkiefer geben zu können.

Da der Kopf nun völlig rein ist, so ermangele ich nicht
gehorsamst anzuzeigen, daß sich im Oberkiefer an jeder
Seite drey sehr starke den Haken bey Pferden ähnliche Zähne
befinden. Der vorderste befindet sich in dem Intermaxillar-
knochen und könnte daher wohl für einen Schneidezahn gelten,
allein nach seiner Form qualifizirt er sich vollkommen zu
einem Haken. Backenzähne befinden sich im Oberkiefer an
jeder Seite 5. Die Hinterkinnbacke enthält 6 schaufelförmige
Schneidezähne, und an jeder Seite 2 starke Haken, und 4 Backen-
zähne.
Die sogenannte bursa palatina ist nichts anders als


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der Gaumensegel (velum palatinum), der aber besonders durch
seine Größe und Textur höchst merkwürdig ist.

Nachdem der Gaumensegel einige Finger breit von den
Gaumenbeinen hinabgestiegen, verwandelt er sich in eine
dünne Haut die zusammengeschrumpft im Rachen gelagert
ist. Die Länge des Gaumensegels beträgt, wenn er mäßig
angezogen wird, gegen einen Fuß, und dessen Breite etwa
6 Zoll[.]

In dem großen dünnhäutigen Theil des Gaumensegels
befinden sich viele Drüsen die einen unregelmäßigen Sitz
haben, 1–2 Zoll von einander entfernt sind, und in der
Größe wie Linsen und kleine Erbsen erscheinen.

Eine Höhle oder Tasche ist in dem Gaumensegel überall
nicht zu finden, sondern die beyden zarten Membranen,
die dieses Organ bilden, sind durch ein lockeres Zellen-
gewebe zusammen gefügt.

Ich entsinne mich in meiner Jugend einen Dromedar
gesehen zu haben, der zu Zeiten das Maul aufsperrte und
eine große röthliche Blase aus dem Grunde desselben
hervortrieb. Daß diese vermeintliche Blase der Gaumen-
segel gewesen, ist nicht zu bezweifeln. Die aus der
Luftröhre gegen die Mitte des langen und dünnhäutigen


[Seite 3]

Gaumensegels geblasene Luft treibt solchen in Gestalt einer
Blase hervor.

Ich wüste von diesem enorm großen und sonderbaren Organ
keinen andern Nutzen zu errathen, als den ihm zugeschriebenen,
daß es nemlich zur Anfeuchtung des Rachens dient.

Die Magen von dem crepirten Dromedar waren, als
sie mir zu Gesichte kamen, bereits aufgeschnitten und von
Futter entleert. Nach Außage derjenigen, die bey der Oef-
nung zugegen gewesen, so hat sich kein Wasser in den Zellen
des 1ten und 2ten Magens befunden, sondern es ist Futter darin
enthalten gewesen. Ob dieses Folge der Krankheit gewesen,
wodurch vielleicht die Mündung der Zellen ihre zusammen-
ziehende Kraft verlohren, vermag ich nicht zu bestimmen.

In dem großen sehr starkhäutigen 1ten Magen befinden
sich zwey gegen einander überstehende Lagen von Zellen
die von verschiedener Größe sind. Sie haben die Gestalt
eines Vierecks und sind durch dünnhäutige ins Kreuz lau-
fende Scheidewände in kleinere getheilt. Die grösten
Zellen mögen gegen 3 Zoll im Durchmesser haben.

Der 2te Magen der hinter dem großen seine Lage
hat und wohin die Rinne, die unvollkommener als


[Seite 4]

beym Rindvieh, hinzuführen scheint, ist auch allgemein mit Zellen
versehen die aber viel kleiner als im 1ten Magen sind.

der 3te Magen ist wohl über 4 Fuß lang, und ist an
seiner innern Seite mit der Länge nach laufenden Falten,
gleich dem 4ten Magen des Rindviehes, versehen.

Es thut mir sehr leid, daß ich nicht im Stande bin
etwas mehreres über die Einrichtung und Beschaffenheit
der Magen zu sagen da solche, wie sie mir zu Gesichte
kamen, schon zu sehr verletzt waren.

Mit unbegrenzter Hochachtung habe ich die Ehre
mich zu nennen
Ew. Wohlgebohren
ganz gehorsamsten Diener
A C Havemann.
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