Blumenbach – Online Digitalisate und Transkriptionen zu den Briefregesten
Absender/Empfänger: Maximilian zu Wied-Neuwied an Blumenbach.
Datum: 1817, Nov. 17
Ort: Neuwied
Überlieferung: Göttingen, Universitätsbibliothek, Cod. Ms. Blumenbach XI, nach S. 454.
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Transkription
Verehrtester Herr Hofrath

Erlauben Sie mir beykommend einige osteologische
Kleinigkeiten Ihnen zu senden – Meine Sachen
werden vielleicht in 4–5 Monathen erst von Bahia
ankommen, wie aus einem kürzlich von ...
erhaltenen Brief ersah; ich kann indessen nicht
umhin, Ihnen einige brasilische Kleinigkeiten
zu senden- – Sie finden einige Knochen aus der
männlichen Ruthe verschiedener Quadrupeden,
vom Guassini (Ursus Lotor) oder lotor america-
nus vielleicht ist er [gestrichen: auch] verschieden vom Lotor
cancrivorus und alsdann gehört der Knochen
dem letztern Thier, worüber ich Ihnen später
die Bestätigung geben werde) ferner von der
Lutra brasilienis (Lontra der Portugiesen)
vom Cuati di bando (Nasua rufa.) u.s.w.
Von der Cavia finden Sie beyliegend den Knochen
aus der Eichel, allein auch die äußerlich daran an-
gebrachten Hacken und Stacheln, so wie 2 gepaar-
te innere lange Stacheln. – Alle diese Larien [Lavien?]
haben die Eigenheit mit den Katzenarten ge-
mein, daß ihre Eichel eine Menge Hacken u.
Stacheln besitzt, ich weiß nicht ob dies schon von
allen diesen Thieren, namentlich besonders dem
Paea(?), dem Aguty und dem Moco(?)
(einem wie ich glaube noch nicht beschriebenen
Thier) bekannt ist? Beym Capivara


[Seite 2]

hat die Ruthe einen kurzen Knochen, allein
es befinden sich keine Stacheln an der Eichel.
Jetzt erlauben Sie mir einige Fragen. –
1) Kennen Sie eine Abhandlung von Vater über
die americanischen Sprachen? Befindet sich
dieselbe in einem besondern Werke? Ade-
lungs Mitridates oder in der allgemeinen
Sprachkunde?
2) Kennen Sie das Buch, Venegas über Califor
nien, ist es interessant? wahrscheinlich ist die
Abbildung des Argali darin schlecht?
3) Ich habe in Brasilien einen großen fahlgrau
gelblichen Affen gefunden u. mitgebracht
welchen Geoffroy unt[e]r dem Nahmen des Ate-
les arachnoides aufgezählt hat (Annales
du Musée [lies: Muséum] Tom 19 [1812].) Von diesem Thier
erzählten mir alle Jäger daß das Männchen
beständig ein Stück Palmkohl (Palmitto) in
der Ruthe verberge. Ich vergaß diese Sage vollkom-
men, bis ich neulich den ersten Affen dieser Art unter-
suchen konnte. Jetzt war ich ich nicht wenig erstaunt
zwar keinen Palmkohl, allein eine ganz eige-
ne Substanz in der Vorhaut dieses Thiers zu finden.
Zwischen der Eichel u. der Vorhaut saß nemlich eine
bläulich weiße knorpelartig talgartige Masse
von etwas [bock?]artigem Geruche, ohne Zweifel
die verhärtete Samenfeuchtigkeit oder eine


[Seite 3]

andere ähnliche Feuchtigkeit des Thiers.

[Zeichnung]

a. Ist die Ruthe selbst.
b. Die äußere Haut mit
der Vorhaut.
c: die weiße Substanz, welche
mit einer Spitze in die Harn-
röhre eindringt, ein Beweiß
daß sie aus derselben heraustrat. Diese Masse hat
auf den ersten Anblick große Aenlichkeit mit dem
Palmenkohl, es ist daher dem unkundigen Jäger
dieser Fehlgriff leicht zu verzeyhen. – Ich habe leider
nichts mehr von dieser Substanz, ich besaß aber eine Por-
tion davon, welche indeß verloren ging. – Haben
Sie die Güte verehrtester Herr Hofrath, mit Ihre Meinung
über diese und die vorhergehenden Fragen zu sagen,
verz[e]yhen Sie aber meine vielen Fragen. – In
kurzer Zeit kann ich Ihnen die Bixo's do pé [lies: Bichos de pé] (Pulex
penetrans) und noch einige andere Dinge senden,
denn meine in Lisboa zurück gelassenen Sachen
sind angezeigt, sie haben schon seit 20 Tagen Rotter-
dam lassen, allein die Rheinschiffarth, Strohm
aufwärts geht sehr langsam. – Gestern haben wir
hier bey Neuwied ein englisches Steam-Schiff
vorbey schiffen gesehen; es geht sehr schnell, lärmt
aber ganz gewaltig.

Indem ich recht sehnlichst auf einen Brief von Ihrer werthen
Hand hoffe, empfehle ich mich Ihnen bis die Zeit heran-
nahen wird, wo ich plötzlich in Natur vor Ihnen stehen
kann. – Leben Sie wohl verehrtester Herr Hofrath
ich wünsche Ihnen sehr das erwünschteste Wohlbefinden.

Ihr Max P[rinz] z[u] Wied. Neuwied am 17ten Nov. 1817


[Seite 4]

N.S[t?]. Da ich einige Prachtwerke von Ihrer
Bibliothek hoffe, so habe ich es für zweck-
mäßig gehalten, an Herrn Hofrath Reuß
zu schreiben und Ihm ebenfals diese Bitte
vorzutragen, dieser Brief liegt bey, und
ich hoffe verehrtester Herr Hofrath, Sie werden
die Güte haben, ihn zu übersenden; ich habe
darin demselben geschrieben, die Bücher welche
ich zu haben wünschte würde ich Ihnen anzeigen.
Sie sind folgende: 1) Seba Thesaurus.
2) Catesby natural history of Carolina.
3) Jacquin Collectanea. 4) Russel indian
Serpents. 5) Le Vaillant hist. natur. des
Parroquets. 6) Temminck hist. nat. des
Pigeons et des Gallinacés. –

Um den Brief schneller ankommen zu machen, habe
ich meinen Entschluß geändert, die osteologischen
Gegenstände gehn allein, und Sie erhalten Sie
durch den Postwagen.
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