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Göttingische
Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band.
auf das Jahr 1779.


Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Göttingen.

[Seite 913]

Bey Dieterich: J.F. Blumenbach prolusio
anatomica de sinibus frontalibus
, 28 S.
in Quart, nebst einer Kupfertafel in schwar-
zer Kunst. Es ist die Einladungsschrift zur An-
trittsrede des medicinischen Ordinariats. Berengar
von Carpo habe der Stirnhölen zuerst gedacht. Die
ältern Aerzte erwähnen zwar der Würmer und an-
derer Zufälle dieser Hölen, aber ohne sie selbst zu
kennen. Nur die vorzüglichsten Abweichungen in
ihrem Bau, denn eigentlich sind unzählig, und
es sey fruchtlos, solchen Spielarten kümmerlich
nachzujagen: das macht selbst das grössere osteolo-
gische Werk des Albinus zuweilen langweilig. Die
Schriftsteller haben gar zu leicht vielen Schedeln
die Stirnhölen abgesprochen: aber sie fehlen doch
[Seite 914] äusserst selten: nur sind sie oft klein, und zuweilen
nur in die Nasenwurzel eingegraben, wie es der V.
im Kopf eines Burgundiers fand, den er aus dem
berühmten Beinhaus zu Murten erhalten hat. Die
trichterförmige Röhre, mit welcher jede Höle rück-
lings in den mittlern Nasengang hinabsteigt: sie
ist im Kupfer deutlicher vorgestellt, als bisher auf
des Hrn. v. Haller und den vom Hrn. Girardi ohn-
längst herausgegebnen anatomischen Tafeln des San-
torini. Von der Bildung der Stirnhölen im kleinen
Kinde. Wie und warum überhaupt die Geruchswerk-
zeuge beym neugebohrnen Kinde noch so unvollständig
sind, folgends im Vergleich mit dem Ohr und Auge.
Anfänglich zeigt sich unten in jeder Hälfte des Stirn-
beins nur eine kleine Grube, die algemach vergrös-
sert wird, indem der Stirnmuskel das äussere Blatt
des Stirnknochen vom innern abzieht. Denn daß
der kleine Runzelmuskel das bewirke, kan der Verf.
dem Hrn. von Haller nicht zugeben, da den Thieren
mit den größten Stirnhölen dieser Muskel gänzlich
abgeht. Daß die Hölen allerdings im Zellenraum
zwischen beyden Knochentafeln, und nicht zwischen
den Blättern einer von diesen Tafeln selbst gebil-
det werden, gegen Gagliardi. Die Haut, die die
Hölen auskleidet, sey zärter, als die übrige Schleim-
haut der Nase, auch spricht ihr der V. die Schleim-
grübchen ab, die Kaauw in ihr zu finden meynte.
Daß sie sehr empfindlich sey und Nerven empfange,
ist ausgemacht; aber diese sind nicht immer glei-
chen Ursprungs. Ob auch die Enden der Geruchs-
nerven sich bis dahin erstrecken, läßt sich wohl
schwerlich entscheiden. Nun vom Nutzen der Hö-
len, umständlich. Daß sie zur Verstärkung der Re-
de oder auch nur der thierischen Stimme beytrügen,
kan der Verf. aus mehrern Gründen nicht anneh-
men. Die andere Meynung, daß ihre Haut, so
[Seite 915] wie die in der Nase selbst den Geruch empfinde und
in so fern zur Verstärkung dieses Sinnes nutze, ist
freylich wahrscheinlicher; und der Verf. giebt auch
zu, daß die hartnäckigen Gerüche, die zuweilen Tage-
und Wochenlang in der Nase merklich sind, die
z.B. Aerzte noch lange nach dem Tode ihrer Krebs-
patienten gerochen haben, in diesen Hölen einge-
sperrt gewesen seyn mögen. Aber zum Hauptnutzen
der Stirnhölen giebt der Verf. an, daß in den un-
zähligen Gefässen ihrer Haut der wässerichte Theil
des Rotzes abgeschieden werde, der unvermerkt
durch den Trichter auf die Schleimhaut der Muscheln
herabrinnt, sie anfeuchtet, sich mit dem schleimi-
gen Theile des Rotzes mischt, und dadurch den Ge-
ruch schärft. Beyläufig von der Würde dieses
Sinns, daß er alle übrigen an Feinheit des Ein-
drucks und kräftiger Wirkung übertreffe. Seine
Meynung vom Nutzen der Hölen unterstützt der V.
vorzüglich durch die Vergleichung dieses Theils in
den Schedeln der Thiere, wovon hier eine beträcht-
liche Anzahl, theils aus dem akademischen Museo,
und theils aus des Verf. eigener Sammlung be-
schrieben wird. Nur die Säugethiere haben Stirn-
hölen, und auch von diesen bey weitem nicht alle.
Die Thiere, die keines feinen Geruchs bedürfen,
haben auch keine Stirnhölen. So die Affen, Amei-
senbären, Fledermäuse, Eichhörnchen und viele der
sogenannten Nagthiere, Delphine u.s.w. Hinge-
gen haben viele Thiere mit dumpfer Stimme, aber
feinem Geruch, ungeheure Stirnhölen. Der Ele-
phant die allergrößten und zahlreichsten; die Raub-
thiere, das Pferd, die wiederkauenden Thiere mit
gespaltener Klaue u.s.w. Zuletzt von den Krank-
heiten der Stirnhölen. Erstens solche, wodurch
ihre Ausbildung verhindert oder vernichtet wird.
Dahin rechnet der Verf. den innern Wasserkopf,
[Seite 916] die Englische Krankheit, die Lustseuche. Sodann
die, die in den Stirnhölen selbst ihren Sitz haben:
Schnuppen; Geschwüre in diesen Theilen, die doch
nicht so unheilbar sind, als man ehedem geglaubt
hat; und die jammervolle Krankheit, der Gestank
aus der Nase. Steinwüchse und fremde Körper,
die von aussen in die Hölen gerathen: Pfeilspitzen,
Kugeln etc. Und endlich Thiere: Insecten nemlich
und Würmer. Von jenen die Bremsenlarven, vor-
züglich die von der Schaafbremse. Auch wol Tau-
sendfüsse. Von den Würmern Spulwürmer, Egel-
schnecken und Blutegel. Von den Zufällen, die da-
durch verursacht werden, besonders vom Schwindel.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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