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Göttingische
Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1795.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Göttingen.

[Seite 1401]

In der Versammlung am 1. August ward der
königl. Societät der Wissenschaften ein ihr zu dieser
Absicht zugeschickter Aufsatz des Hrn. Hofr. Söm-
merring
vorgelegt, der eine sehr auffallende und
unerwartete Entdeckung enthält, die derselbe am
menschlichen Auge gemacht hat. Er hat nämlich
zuerst den 27. Jan. 1791 an den Augen eines we-
nige Stunden vorher Ertrunkenen, und seitdem we-
nigstens an 50 andern deßhalb von ihm untersuch-
ten Augen, gefunden, daß die Markhaut (retina)
in ihrem Mittelpuncte, zwey Linien weit vom Ein-
tritt des Sehenerven, nach aussen, ohngefähr in
gleichem Abstand von den in beträchtlicher Entfer-
nung drüber und drunter hinlaufenden Hauptstämm-
chen ihrer beyderley Blutgefäße, mit einer kleinen
runden, etwa ¼ Linie im Durchmesser haltenden,
Oeffnung (foramen centrale) wie durchbohrt, und
diese mit einem gelben Rande (limbus luteus),
der aber nach dem Loche zu eine scharfe Kante bil-
[Seite 1402] det, umgeben ist. Am deutlichsten sieht man die-
selbe, wenn man vom Hintergrunde eines ganz fri-
schen Augapfels das mittlere Stück sclerotica und
chorioidea behutsam unter Wasser ablöset. Durch-
schneidet man hingegen den Augapfel nach andern
Richtungen, so entstehen, zumal wenn die Augen
nicht mehr frisch sind, leicht Runzeln auf der Re-
tina, und zumal auf dem angegebenen Mittelpunct,
wodurch dann sowohl die Oeffnung, als ihr gelber
Rand, gleichsam versteckt werden. In Kinderaugen
ist der gelbe Fleck blaß, im jugendlichen Alter hin-
gegen von hochgelber Farbe, die gegen die dann
recht weisse Retina am deutlichsten absticht, im
hohen Alter aber gleichsam wieder in etwas ver-
bleicht.

Der Hr. Hofrath schließt seine mit ausnehmend
saubern Zeichnungen erläuterte Beschreibung seines
foraminis centralis mit einigen Folgerungen:
Punctum ergo nigrum, sagt er, sive locus coe-
cus, in peculiari situ oculi proprii animadver-
tendum
(in den Mariottischen Versuchen) absque
dubio hoc foraminulum centrale erit, neque
locus, quo Nervus opticus per scleroticam in
globum penetrat; prouti hucusque credeba-
tur
. – Corruit ergo etiam opinio teleologo-
rum, circa usum insertionis nervi optici ad
latus interius axis globi oculi
. – Quem ergo
finem habeat foramen centrale, limbo luteo
cinctum, diiudicare vix audeo. – Mirabun-
tur profecto Physiologi, in eo ipso loco, quo
plerique eorum punctum acutissimi et perfectis-
simi visus statuebant, nervi optici expansionem
abesse, sive ob defectum nervi optici, vel ob
foraminulum, ibidem locum coecum adesse.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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