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Göttingische Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1796.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Braunschweig.

[Seite 1637]

Physiologische Untersuchungen. Von Dr.
Th. G. Aug. Roose (Prof. am anat. chirurg.
Collegium zu Braunschweig.
) 102 S. in Octav.
Sie enthalten fünf ausführlichere Aufsätze, und dann
einige kurze Bemerkungen. I. Ueber die Eintheilung
der Physiologie, als der Lehre vom lebenden und
gesunden menschlichen Körper, besonders in Bezug
auf die bekannten vier Classen von Functionen, die
aus dem guten Grunde gerechtfertigt werden, weil
sie allgemein verständlich sind, und man mit ihren
Benennungen, so unpassend sie auch scheinen, doch
genau bestimmte deutliche Begriffe verbindet (– ver-
ba valent sicut numi.
Nennt man doch die Schlag-
adern Arterien, ungeachtet man wohl weiß, daß
das keine Luftbehälter sind. –) II. Ueber das An-
schwellen des männlichen Gliedes im gesunden Zu-
stande. Der hiesigen königl. Societät der Wissensch.
vorgelegt. (s. diese Anz. vom vor. J. im 169 St.)
III. Ueber das Ersticken neugeborner Kinder. (s. eben-
falls diese Anz. vom vergangenen J. im 12. St.)
IV. Ueber die vermeinten geheimen Harnwege, und
wie wenig insgemein die zu Behauptung derselben
[Seite 1638] angeführten Gründe beweisen. V. Einige Erinne-
rungen gegen Hrn. Fourcroy, der die Präexistenz
der Galle im Blute durch directe Erfahrungen de-
monstrirt zu haben glaubte. Der Gallenstoff, den
er im Blute fand, konnte auch erst aus der Leber
durch ihre zahlreichen einsaugenden Gefäße diesem
letztern zugemischt seyn. – Nun die kurzen Be-
merkungen. 1. Von Lessing war gesagt worden,
er habe nie geträumt. Das wird hier widerlegt.
2. Wie die Meinung, daß die in den Brüsten ab-
gesetzte Milch fast bloß aus dem Blute abgesetzter
Chylus sey, besonders auch durch das Verhältniß
Wahrscheinlichkeit erhalte, das man gewöhnlich zwi-
schen der Menge derselben und der Menge der vor-
her genossenen Nahrungsmittel bemerkt. 3. Ueber
die Absonderung des Fettes per diapedesin, und
wie sich damit doch der Begriff von organischen
Secretionswegen verbinden lasse. 4. Die Rückwir-
kung des Nervensystems scheine nicht sowohl als
ein Vermögen, facultas, desselben, sondern viel-
mehr als ein Gesetz des Empfindungs- und Bewe-
gungsvermögens anzusehen zu seyn. (– Man kann
antworten, alle Verrichtungen in der Oeconomie der
organisirten Körper setzen facultates voraus, sine
quibus
, wie schon Cicero das Wort definirt, ali-
quid confici non potest
; und die dann nach be-
stimmten Gesetzen wirken. –) 5. Die Fischotter
habe eine auffallend große Brustdrüse, woraus sich
bey der eigenen Lebensweise dieses Thiers vielleicht
etwas auf den Hauptzweck dieses räthselhaften Theils
schließen lasse. 6. Ueber den Durchgang der Hoden
durch den Bauchring beym ungebornen Knäbchen.
Der Cremaster sey bey demselben mit dem so genann-
ten gubernaculum Hunteri verbunden, und da
nun die Fasern desselben auch zum Theil außer-
[Seite 1639] halb des Bauchringes von der vordern Seite des
Schaambeines entsprängen, dann durch den Bauch-
ring hineingingen, und so zum Hoden hinaufstiegen,
so könnten sie bey ihrer Wirkung allerdings den
Hoden aus der Höhle des Bauches hervorziehen.
(– Allein a) ist jener Ursprung des Cremaster bey
weitem nicht beständig; b) ist überhaupt das Ver-
hältniß dieses Muskels beym Fötus noch nicht auf-
geklärt; und c) sind doch wohl, alles Uebrige zu-
gegeben, die gedachten Fasern zu schwach, um den
merkwürdigen schnellen Durchgang des beträchtlich
großen Geilen durch den engen Bauchring zu be-
wirken. –) Die ganze kleine Sammlung verräth
einen selbstdenkenden bescheidenen Wahrheitsforscher.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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