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Göttingische Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band,
auf das Jahr 1797.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Gotha.

[Seite 895]

Ueber die fabelhaften Thiere. Ein Versuch von
Chr. Richter, Lehrer am Gymnasium zu Gotha.
[Seite 896] Bey Perthes. 137 S. in Octav. Sicherlich gibt es
in der Naturhistorie so wenig, als in jeder andern
Geschichte, irgend eine, wenn gleich noch so aben-
teuerlich klingende, Sage, die nicht etwas Wahres
zum Grunde haben sollte, das nur durch Mißdeutung,
Vorurtheil, Uebertreibung, Zusatz u.s.w. zur Fabel
entstellt worden: und es ist eben so belehrend als un-
terhaltend, die Spur solcher naturhistorischen Fabeln
zu verfolgen, und auf ihre Quelle in der Natur selbst
zurück zu führen. Der Vf. der Schrift, die wir anzei-
gen, gibt hiervon eine seinen Einsichten u. seinem Flei-
ße rühml. Probe, da er verschiedene fabelhafte Thiere
zu enträthseln versucht, und z.B. zeigt, wie zum Greif
u. Vogel Ruc, der Lämmergeyer (ein wahrer Vultur);
zu den Drachen, große Schlangen; zum Basilisk der
Alten, die Brillenschlange; hingegen zu den spätern
Sagen vom tödtl. Blick der in Kellern hausenden Basi-
lisken, mephitische Luftarten haben Anlaß geben kön-
nen. Da er selbst seiner Schrift den bescheidenen Titel
eines Versuchs gibt, so wäre es ungerechte Rüge, noch
manche von ihm unberührte fabelhafte Thiere, oder
Schriftsteller, die er hätte benutzen können, aufzuzäh-
len: und der gerechtere Vorwurf, daß er das Deutsche
Wort Gattung, das Species bedeutet, für Genus
braucht, trifft bey weitem nicht ihn allein: nur könnte
man das, was er S. 28 sagt, ‘”Thiere aus verschiede-
nen Gattungen begatten sich nicht mit einander,”’
für eine Satyre auf diese Verwechselung selbst halten,
die eine Etymologie gibt, wie lucus a non lucendo.
Daß man dem Straus, nach S. 38, das Hufeisen zuerst
als Sinnbild der Geschwindigkeit in den Schnabel ge-
geben, ist nicht wahrscheinlich. – Noch erinnern wir,
daß das erste Wort im Register nicht hinein gehört;
denn es ist nicht der Nahme des Thiers, sondern
der Sprache.




Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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