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Göttingische Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band,
auf das Jahr 1799.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

London.

[Seite 937]

A voyage to the South-Atlantic and round
Cape Horn into the pacific Ocean, for the pur-
pose of extending the Spermaceti whale fishe-
ries, and other objects of commerce etc. by
Cptn Jam. Colnett.
1798. XVIII und 197
Seiten in gr. Quart. Mit Karten und Kupfern. –
Der Verfasser, ein versuchter erfahrner Seemann,
der den Capt. Cook auf seiner zweyten Reise um
die Welt begleitet hatte, ist besonders durch die
Unfälle allgemein bekannt geworden, die ihn vor
zehn Jahren auf einer Fahrt nach Nutka-Sund
betroffen, da er von dem Spanischen Cptn Mar-
tinez auf eine treulose Weise gefangen und mit
einer Unmenschlichkeit behandelt worden, die ihn
für eine Zeit lang in Wahnsinn stürzte; aber auch
ein Großes zu Ergreifung der Maßregeln bey-
[Seite 938] trug, wodurch sich die Brittische Flagge Genug-
thuung vom Spanischen Hofe zu verschaffen, und
ihren freyen Handel nach jenen Gegenden des nord-
westlichen America zu behaupten wußte. – Bald
nach seiner Rückkunft nach England ward ihm
nun die Führung eines Fahrzeuges anvertrauet,
um damit aus dem Südatlantischen Meere um
Cap Horn nach dem stillen Ocean zu segeln, und
sich nach sichern Häfen und Landungsplätzen um-
zusehen, wo die Britischen Schiffe, die seit eini-
ger Zeit in großer Anzahl auf den so wichtigen
Südsee-Wallfisch- und Caschelotfang ausgehen,
Erfrischung und Ablager finden könnten. – Diese
mühsame und gefahrvolle Expedition beschreibt er
nun in dem Werke, das wir anzeigen. Er brachte
22 Monathe auf dieser Reise zu, ohne einen be-
kannten Hafen zu besuchen, ausser hinwärts Rio
Janeiro, und heimwärts St. Helena. – Zur
Völkerkunde darf man hier keine Beyträge von
ihm erwarten, da gerade seine Absicht war, lau-
ter unbewohnte Inseln aufzusuchen: aber über
diese Inseln gibt er viele neue interessante Noti-
zen, nahmentlich über manche, die weiland durch
die Bucaniers und durch Anson’s unvergeßliche
Fahrt berühmt, aber seitdem auf keiner beschrie-
benen Reise wieder besucht worden. – Wir he-
ben einige einzelne Bemerkungen aus. Im Süd-
atlantischen Meere finden sich die eigentliche Wall-
fische (Balänen) in unsäglicher Menge: die Ca-
schelote hingegen häufiger auf dem stillen Ocean. –
Bey einem Wirbelwinde fielen zwey Feuerkugeln
aufs Schiff, deren eine im Zerspringen zwey See-
leute stark beschädigte; sie hatten Brandschaden
davon am Leibe gekriegt, als wenn sie mit einem
heissen Eisen gemacht wären. – C. segelte über
[Seite 939] die Stelle hin, wo sich nach la Roche’s Angabe
seine Isle grande (hier heißt sie the Isle of Grand)
finden sollte. Aber manche Anzeigen von Scha-
ren von Küstenvögeln etc. lassen ihn vermuthen,
daß sie doch wohl unfern davon wirklich liegen
mag. – An der Westküste von Patagonien kam
er an die durch Anson’s Reise bekannte Wagers-
Insel, die ihren Nahmen von dem Schiffe führt,
das damahls an derselben Schiffbruch litt, und
dessen Mannschaft doch zum Theil, durch endlos
mannigfaltige Abenteuer auf ganz verschiedenen
Wegen, nach langen Jahren nach Europa zurück
kam. Beyläufig biographische Nachrichten von
dem durch seinen fast 40jährigen Aufenthalt in
Patagonien und das davon gelieferte Werk be-
kannten Pat. Falkner. – Schon die kleinen wü-
sten Inseln St. Felix und Ambrosius schienen ihm
zu Landungsplätzen für die Englischen Caschelot-
fänger sehr bequem, zumahl aber die Galapa-
gos (Schildkröten-Inseln). Er fand da Land-
schildkröten von drey Centnern am Gewicht. Die
kleinern sind die größte Delicatesse für Seefahrer.
Bey Rio Janeiro hatte er eine See-Schildkröte von
fünf Centnern harpunirt, die größte, die ihm auf
seinen weiten Seereisen vorgekommen. Die kleine
Cocos-Insel (in Nordost von den Galapagos)
nennt er wegen ihrer üppigen Vegetation und
schönen Wässerung, Klein-Utaheiti. Er hinter-
ließ daselbst Ziegen und Schweine, und säete Gar-
tengewächse aus. – Als ein bewährtes und
angenehmes Mittel gegen den Scharbock empfiehlt
er reife Cocosnuß-Kerne, zwey Stunden lang mit
Wasser aufgegossen und dann durchgeseiht. Aus-
ser dem bediente sich auch sein Volk des Sauer-
krauts (so powerful an antiseptic, wie ers mit
[Seite 940] Recht nennt) in Überfluß. Auch das Erdbad ist
den scorbutischen Seeleuten gut bekommen. –
Während er auf der Südsee kreuzte, ward seine
ganze Mannschaft mehr oder weniger vom gel-
ben Fieber befallen. Er behandelte sie aber da-
bey so, wie er es in seiner ehemahligen Gefan-
genschaft im nordwestlichen America gelernt hatte:
ließ nähmlich den Kranken den Kopf scheren,
Schläfe und Scheitel mit verdünntem Weinessig
waschen, den übrigen Leib warm baden, gab
dann eine Abführung und James’s Pulver, und
verlor bey dieser Methode nicht Einen Mann. –
Da er weder Arzt noch Wundarzt am Bord hatte,
so kamen ihm die medicinischen Kenntnisse, die
er sich zu erwerben gesucht, sehr zu statten.
Manche dieser Kenntnisse, nahmentlich diagnosti-
sche, sind einem See-Capitän in Seiner Lage
schon deßhalb nützlich, um, wie oft der Fall ist,
Scheinkranke, die nur nicht arbeiten mögen, von
den wirklichen Patienten zu unterscheiden.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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