Table of contents

[titlePage_recto]
Göttingische
gelehrte Anzeigen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1807.

Göttingen,
gedruckt bey Heinrich Dieterich.

[Seite 2074]

Auch hat die königl. Societät der Wissenschaften von
ihrem thätigen Correspondenten, dem Hrn. Cammer-
Secretär Hausmann zu Braunschweig, abermahls
eine lehrreiche handschriftliche Abhandlung, nähm-
lich Resultate geognostischer Beobachtungen auf
einer Reise durch einen Theil von Dänemark,
Norwegen und Schweden
erhalten, die sich an
seine geognostische Skizze von Süd-Niedersachsen an-
schließen, wovon im 201. Stücke des vorigen Jahr-
ganges dieser Blätter Anzeige geschehen. Hier
diese neuen Früchte seiner einjährigen Reise durch
jenen beträchtlichen Theil des nördlichen Europa
sind um so bedeutender und willkommener, je we-
niger bis jetzt noch von der allgemeinen geognosti-
schen Uebersicht Skandinaviens, ungeachtet der rei-
chen Ausbeute, welche die ungeheure Felsenmasse
dieses Erdtheils sowohl an den nützlichsten Metallen,
als an so mancherley neuerlich entdeckten, ihr bis
jetzt ausschließlich eigenen, merkwürdigen Fossilien
gibt, bekannt geworden. – Voran gehen auch
geognostische Beobachtungen über den Strich des
nördlichen Deutschlands durchs Lüneburgische und
Holsteinische, nahmentlich in Bezug auf die darin
verbreiteten vielartigen Geschiebe, deren verschiedne
Abstammung von zweyerley einander entgegen strö-
menden Fluthen, theils nähmlich von einer südlichen
[Seite 2075] über den Harz her, theils aber von einer aus Nor-
den, aus Skandinavien, einbrechenden, der Verf.
schon in der gedachten Skizze (s. Gött. gel. Anz.
1806 S. 2007) geahnet, aber nun im Verfolg sei-
ner Reise vollkommen bestätigt gefunden. – Schon
bey Lüneburg im Kleinen die erste Erscheinung von
Kreideflözen mit knollenförmigem Feuersteine, die
dann an Rügen und den Dänischen Küsten so mäch-
tig werden. – Der bekannte isolirte Fels ältern
Flözgypses bey Segeberg im Holsteinischen ist nach
den Untersuchungen des Verf. wohl die nördlichste
Spur dieser Flözgebirgsart in Europa. – Nun
Skandinavien selbst. Zuvörderst eine allgemeine
Uebersicht seiner physischen Geographie, nahment-
lich mit Rücksicht auf die zahllosen Fiorden, womit
besonders die Westküste von Norwegen wie einge-
schnitten erscheint, und die sich aus der schroffen
Abdachung dieser Westküste und dem steilen Fall
der dahin strömenden Flüsse erklären lassen; ferner
auf die Menge von Landseen in Norwegen und
Schweden; auf die zusammenhängende Felsenrinde,
welche diese Länder deckt, ohne sich in beträchtlich
hohe Gebirge zu erheben; und auf die damit zu-
sammenstimmende schwächere Thalbildung, als wel-
che dort, so zu sagen, noch im Entstehen ist. –
Dann die eigentlich geognostischen Beobachtungen,
nach der gleichen Ordnung, wie in der erwähnten
Skizze, nach der Altersfolge in den IV Hauptclas-
sen von Grund-, Uebergangs-, Flöz- und aufge-
schwemmten Gebirgsarten. Wir können hier da-
von nur wenige Bemeckungen ausheben. – I.
Grundgebirge. Eine auffallend interessante Be-
obachtung ist, daß sich dort gar kein ältester Gra-
nit findet. Hingegen gehört zu den ältesten Gebirgs-
arten Skandinaviens der ältere Glimmerschiefer,
[Seite 2076] aus welchem die Hauptgebirgskette des nördlichen
Europa besteht. – Eine bisher nur in wenigen
Erdgegenden, und da zum Theil nur in geringem
Umfange, beobachtete Gebirgsformation, die aus
jüngerm Granit, Gneus und Glimmerschiefer zu-
sammengesetzt ist, findet sich dagegen in Schweden
und Norwegen bey weitem am allgemeinsten ver-
breitet, und ist wegen der zahlreichen wichtigen Erz-
lager, die sie einschließt, für jene Länder in aller
Hinsicht die wichtigste. Hier von den ungeheuren
Eisensteinslagern, deren Mächtigkeit zuweilen so
groß ist, daß sie ganze Stuckgebirge bilden, wie
z.B. der Smålandische Taberg, und die Eisensteins-
berge in Gellivara Lappmark. Eben so von der co-
lossalischen ellipsoidischen Kupfer- und Schwefelkies-
niere zu Falun u.d.m. – II. Unter den Ueber-
gangsgebirgsarten
der merkwürdige Uebergangs-
Syenit, für welchen das Vorkommen von Zircon
und Labradorischen Feldspath in demselben so cha-
rakteristisch ist. Die Uebergangs-Porphyre, der-
gleichen der Verf. auch schon am Harz entdeckt
hat (s. Gött. gel. Anz. 1806 S. 2006), darunter
aber hier einige neue Arten, der Kieselschiefer
und Basalt-Porphyr. – Die wunderschönen Ar-
beiten, die das Elfdalsche Porphyrwerk liefert.
Manche Sorten kommen den berühmten antiken
Aegyptischen zum Täuschen nahe. – III. Flöz-
gebirge
bloß in Schonen und auf Bornholm, und
doch auch nur in geringer Verbreitung. Wie sich
die auffallende Abnahme dieser Ordnung von Ge-
birgen im Norden als Folge von der Wirkung der
Centrifugal-Kraft während des Ueberganges der
Massen, welche die nachherige Rinde unsers Pla-
neten bildeten, aus dem flüssigen Zustand durch
den welchen in den festen, erklären lasse. – Eben
[Seite 2077] so ist auch IV. das aufgeschwemmte Land nur
im südlichen Skandinavien von bedeutender Mäch-
tigkeit, im nördlichen von sehr geringer Masse. –
Die meisten dieser Beobachtungen haben durch die,
welche der vortreffliche Geognost, Hr. Leopold
von Buch,
theils in Gesellschaft des Verfassers,
theils in andern Gegenden Skandinaviens allein,
angestellt hat, volle Bestätigung erhalten.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
This page is copyrighted