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Göttingische
gelehrte Anzeigen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1808.

Göttingen,
gedruckt bey Heinrich Dieterich.

Göttingen.

[Seite 1441]

Die königl. Societät der Wissenschaften hat von
ihrem verdienten Correspondenten, Hrn. Hofrath
Tilesius zu St. Petersburg, einige treffliche Früchte
der ergiebigen Ernte erhalten, die er auf der neu-
lichen Russischen Reise um die Welt zu sammeln
und die Naturgeschichte dadurch zu bereichern die
glückliche Gelegenheit gehabt hat. Die von ihm
eingesandte, mit meisterhaften, von ihm selbst ge-
zeichneten, Abbildungen begleitete, Abhandlung
enthält die Bestimmung eines neuen Geschlechts
der Mollusken (Nereus), und einiger neuen Gat-
tungen des Medusengeschlechts. Von beiden hier
nur vorläufig ein Wort, so viel sich ohne die Ab-
bildungen sagen läßt.

Das Nereus-Geschlecht, das in der Nordsee,
bey den Orcaden, zu Hause ist, charakterisirt sich
durch einen freyschwimmenden gallertigen, fast glas-
hellen, sackförmigen Körper, der am obern Ende
seine einzige, wie mit Deckelklappen zu schließen-
de, Oeffnung hat, die mit einer einfachen oder
doppelten Reihe von langen, sehr beweglichen,
Fühlfäden eingefaßt ist. Im System würde das-
[Seite 1442] selbe seine passendste Stelle zwischen den Actinien
und Medusen erhalten.

Die Eine, vom Hrn. Hofrath entdeckte, Gat-
tung, die er wegen einiger Aehnlichkeit der Total-
Form und der Bewegungen des Thiers mit man-
chen Wasserspinnen, Nereus hydrachna nennt,
hat eine einfache Reihe von eilf meist zolllangen
Fangarmen an der Mündung ihres der Länge nach
gleichsam gerippten sackförmigen Körpers, der un-
gefähr die Größe einer Zuckererbse hat, und einen
ansehnlichen Magen und Darmcanal enthält. An-
dere kleine Seethiere scheinen wie betäubt zu wer-
den, wenn die Hydrachna dieselben mit den Enden
ihrer Fangarme berührt. (So wie Fel. Fontana
was Aehnliches von den Armpolypen angemerkt hat.)

Die andre Gattung, N. hydrastes, die sich
durch eine doppelte Reihe von Fangarmen aus-
zeichnet, war schon von Ol. Swartz beschrieben,
aber für eine Actinie gehalten worden.

Die neuen Gattungen des Medusengeschlechts
sind aus dem Japanischen Meere bey Nangasacki.

1. Medusa saltatrix (wegen ihrer hüpfenden
Bewegungen) Japan. Kassa Kuragé. Der Körper
glockenförmig, vier Zoll hoch; der Rand mit acht
carmoisinroth punctirten Ausschnitten, und eben
so vielen Büscheln von langen Fühlfäden; inwen-
dig vier spiralförmige Bunde von Därmen, die
mit 4 oder 8 röhrenfömigen Rippen des Körpers
anastomosiren.

2. M. saccata. Der fast wasserhelle Körper,
wie ein Sonnenschirm, der durch sechs Stäbchen
ausgespannt wäre, deren gallertige Umkleidung
sich unten an der Mündung mit eben so vielen
Bündelchen von kurzen Fühlfäden endigt. Der
Rand des Schirms, der ¾ Zoll im Durchmesser hält,
ist mit zahlreichen rothen Kügelchen besetzt, von deren
jedem ein einzelner kurzer Fühlfaden herabhängt.

[Seite 1443]

Ueberall sind die Unterscheidungszeichen dieser
Thiere von andern schon beschriebenen und ihnen
etwa einiger Maßen ähnelnden angegeben.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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