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Göttingische
gelehrte Anzeigen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band
auf das Jahr 1811.

Göttingen,
gedruckt bey Heinrich Dieterich.

Göttingen.

[Seite 561]

Vom Hrn. General-Inspector Hausmann zu
Cassel, welcher der königl. Societät der Wissenschaf-
ten schon mehrmahlen interessante neue Beobachtun-
gen und Aufsätze mitgetheilt hat, ist derselben bey
ihrer neulichen Versammlung abermahls eine sehr
lehrreiche Abhandlung über den gelben Eisenocher
in chemischer, mineralogischer und metallurgischer
Hinsicht vorgelegt worden. – Der chemische Unter-
schied zwischen zweyen Arten von Eisenoxyden, dem
rothen nähmlich, und dem schwarzen, war vorzüg-
lich durch die Versuche von Proust, Bucholz und
Berzelius dahin bestimmt, daß sich letzteres als ein
unvollkommenes, ersteres aber als ein vollkomme-
nes Oxyd zeigt. Noch blieb aber die Aufgabe über
den Oxydationszustand der beiden andern, obendrein
allerhäufigsten, Arten, nähmlich des gelben und
braunen Eisenoxyds, zu lösen. In der Abhand-
lung, die wir anzeigen, hat der verdienstvolle Verf.
zuerst die Natur des gelben Eisenochers untersucht,
wo er bey Bestimmung der denselben enthaltenden
Minern besonders auch mehr, als neuerlich gesche-
hen, auf die Farbe des Strichs (scriptura Linn.)
[Seite 562] oder Pulvers achtet, das sie geben, als welches
äußere Kennzeichen in auffallender Uebereinstim-
mung mit ihrem chemischen Gehalte steht.

Die Eisensteine mit schwarzem Strich enthalten
das Eisen im oxydulirten Zustande, die mit rothem
im oxydirten; die aber so ein gelbes Pulver geben,
schon nach den Angaben früherer Analysten, außer
dem Eisenoxyde auch einen bedeutenden Wasserge-
halt; und so läßt sich aus einer Menge vom Verf.
aufgestellter Erfahrungen das Resultat ziehen: daß
die Bildung des gelben Eisenochers dann vor
sich geht, wenn die Oxydation des Eisens un-
ter dem Zutritt des Wassers geschieht; daß sich
hingegen rothes Oxyd bildet, wenn die Oxyda-
tion unabhängig von einer Wasser-Einwirkung

ist. Aus mehreren jener Erfahrungen läßt sich noch
überdem folgern: daß das Eisen in dem gelben
Ocher auf einer höhern Oxydationsstufe sich
befindet, als im Eisenoxydul,
denn – nur dann
bildet sich ein gelber Niederschlag aus der wässeri-
gen Auflösung eines Eisensalzes, wenn das Eisen
darin im oxydirten Zustande ist. – Erst dann fällt
gelber Ocher aus den Eisenwassern nieder, wenn
dieses eine Zeitlang der Atmosphäre ausgesetzt ge-
wesen ist, wodurch das Eisenoxydul in Oxyd ver-
wandelt wird, und die Kohlensäure fahren lassen
muß. – Erst nachdem der weiße Spatheisenstein
eine Zeitlang der oxydirenden Kraft der Atmosphäre
ausgesetzt gewesen ist, wird derselbe gelb. – Un-
umstößlich wird aber dieses dadurch bewiesen, daß
sich das gelbe Eisenoxyd durch Behandlung mit
desoxydirenden Substanzen, z.B. dadurch, daß
Fett darüber abgebrannt wird, in schwarzes, dem
Magnet folgsames, verwandeln läßt.

Um nun aber zu entscheiden, ob das Eisen im
gelben Ocher als rothes Oxyd enthalten sey, oder
aber darin auf einer eigenthümlichen, noch nicht
[Seite 563] bekannten, Oxydationsstufe stehe, mußte untersucht
werden, von welcher Ursache der Gewichtsverlust
abhängig ist, den der gelbe Ocher durch das Glühen
bey der Umwandlung in rothes Oxyd erleidet.
Proust erhielt bey seiner Untersuchung des gelben
Ochers von Artana = 12 Wasser, und die übrigen
88 Theile bestanden aus gleich vielem Sande und
Eisenoxyde, und da das erstere nur mit dem letz-
tern verbunden seyn konnte, so schloß er daraus,
daß dieses Oxyd sich in dem Zustande eines Hydrats
befinden müsse. – Um sich von der Richtigkeit
dieses Schlusses noch weiter zu überzeugen, und
zugleich mit möglichster Genauigkeit das quantitative
Verhältniß auszumitteln, in welchem das rothe
Eisenoxyd zu dem Wasser steht, stellte der Verf.
die in der Abhandlung ausführlich angegebene Reihe
von Versuchen mit dem gelben Ocher an, der sich
bey Goslar in eigens dazu vorgerichteten Behältern
aus den Wassern ansetzt, die auf dem Julius-For-
tunatus-Stollen aus dem Rammelsbergschen Berg-
werke abgeführt werden; welcher Eisenocher sich unter
andern auch durch die sehr wenigen Nebenbestand-
theile, die er zu enthalten schien, vorzüglich zu
dieser Untersuchung eignete.

Bey der Destillation gaben 100 Gran dieses
Ochers, scharf getrocknet, = 20 Gran Wasser,
und gerade so viel hatte das in der Retorte rück-
ständige Pulver an Gewicht verloren, dessen Farbe
übrigens beym Erkalten aus dem Schwärzlichbrau-
nen ins Röthlichbraune, und endlich ins Blutrothe
überging. Geruch, Geschmack und andere Eigen-
schaften, die jenes Wasser enhielt, verriethen einen
Gehalt an schweflichter Säure, der bey näherer
Prüfung in den 20 Grauen = 0,065 betrug. –
Aus dem rothen Rückstande entwickelte sich, da er
in einem offenen Tiegel einer dem Weißglühen nahe
kommenden Hitze ausgesetzt ward, anfangs noch ein
[Seite 564] Geruch nach schweflichter Säure; nach dem Erkal-
ten zeigte das Pulver aber noch dieselbe blutrothe
Farbe, und keinen bemerkbaren Gewichtsverlust.
Hieraus folgt, daß in dem Ocher Schwefelsäure
mit Eisenoxydul verbunden sey. Jene erleidet bey
Einwirkung der Hitze eine Zersetzung, schweflichte
Säure entweicht, der dadurch entstehende Gewichts-
verlust des Oxyduls wird aber durch Verwandlung
desselben in Oxyd compensirt etc.

Der aus dem gelben Goslarschen Ocher durch
Wasser ausziehbare Gehalt besteht in Eisenvitriol,
in welchem sich das Eisen im oxydulirten Zustande be-
findet, welches um so weniger auffallend ist, da eben
dieser Ocher auf Einer Lagerstätte mit dem Vitriol
durch Zersetzung von Kiesen gebildet, und von vi-
triolischen Wassern fortgeschlämmt wird. Denn das
Wasser im Julius-Fortunatus-Stollen hielt, nach
des Verf. Untersuchung, im Pfunde = 38 Grane
Gyps und 14 Grane schwefelsaures Eisenoxydul.

Bey Behandlung mit concentrirter Schwefelsäure
zeigt der gelbe Ocher eine große Verschiedenheit
von dem durch Glühung desselben frisch bereiteten
rothen Oxyde, indem auf letzterem die Säure ste-
hen bleibt, ohne es sichtlich zu verändern; jener
gelbe hingegen, außer andern Phänomenen, bald
in ein weißes schmieriges Salz umgewandelt wird.
Auch mit verdünnter Schwefelsäure behandelt, wird
ebenfalls die ganze Masse des gelben Ochers um-
geändert. Es bildet sich dasselbe weiße Salz, wo-
von sich aber ein Theil in der Flüssigkeit löset; wird
hingegen rother Ocher mit verdünnter Schwefel-
säure behandelt, so erleidet er keine sichtbare Ver-
änderung. Allmählich nimmt aber die Säure Eisen-
oxyd auf. Wird nach einiger Zeit die Flüssigkeit
abgegossen und verdampft, so erhält man als Rück-
stand denselben weißen Eisenvitriol, welcher,
nach des Verf. Versuchen, das Eisen im oxydirten
[Seite 565] Zustande – vermuthlich in neutraler Verbindung
mit Schwefelsäure – enthält. Auch glaubt er
annehmen zu können, daß das Eisenoxyd im Zu-
stande eines Hydrats darin befindlich ist, und daß
der weiße Eisenvitriol sich gerade hierdurch von
anderem, neutralen schwefelsaurem, Eisenoxyd
unterscheidet etc. – Das mit dem gelben Ocher
chemisch verbundene Wasser bewirkt, nach aller
Wahrscheinlichkeit, die schnelle Bildung jenes Sal-
zes, wenn der Ocher mit Schwefelsäure behandelt
wird. Die große Aneignung des Wassers zu dieser
Säure verstärkt ihre Verwandtschaftskraft zum Eisen-
oxyd, welche ohne diese Beyhülfe auffallend schwä-
cher wirkt. – Durch weitern Verfolg seiner Ver-
suche ward der Verf. auch auf die Bemerkung ge-
führt, daß die concentrirte Schwefelsäure ein em-
pfindliches Reagens für den Wassergehalt des Eisen-
oxyds ist, und ein gutes Prüfungsmittel an die
Hand gibt bey der Untersuchung, ob ein gelben Ei-
senocher enthaltendes Fossil durch das Glühen alles
Wasser verloren habe, oder ob das Glühen noch
fortgesetzt werden müsse, um die gänzliche Entwäs-
serung zu bewirken.

Ueberhaupt bestehen 100 Theile des Goslarschen
Ochers aus = 85,389 Eisenoxyd-Hydrat (nähmlich
60 Eisenoxyd und 16,389 Wasser) 4,000 Kieselerde,
2,500 Thonerde, 8,046 schwefelsaurem Eisenoxydul
(nähmlich 2,120 Eisenoxydul, 2,380 Schwefelsäure,
und 3,546 Wasser) – Verlust 0,065. Und in 100
Theilen Eisenoxyd-Hydrat sind enthalten = 81,142
Eisenoxyd, und 18,858 Wasser.

Durch alle diese Erfahrungen hält sich folglich der
Verf. zur Annahme eines Eisenoxyd-Hydrats
einer chemischen Verbindung von vollkommenem
Eisenoxyd und Wasser in einem constanten, quantitati-
ven Verhältnisse der beiden Bestandtheile, berechtigt.

[Seite 566]

Da das Eisenoxyd-Hydrat eine Quantität Kohlen-
säure locker zu binden vermag, so hat das manche
Chemiker verleitet, das gelbe Eisenoxyd, und nah-
mentlich den gelben Eisenrost, für kohlensaures
Eisen
zu halten: eine Meinung, deren bedingte
Bestimmung und Einschränkung der Verf. ausführ-
lich aus einander setzt, und hingegen noch mancher-
ley andere bemerkenswerthe Eigenschaften des Eisen-
oxyd-Hydrats aufstellt, die nur hier keines Aus-
zugs fähig sind.

In einem eigenen Abschnitt sind die Verbindungen
angegeben, in denen das Eisenoxyd-Hydrat in der
Natur vorkömmt. Nahmentlich 1) mit Eisenoxyd,
wie in manchen Thon-Eisensteinen, die eine röthlich-
gelbe Farbe haben. Ob dieß übrigens eine wahrhaft
chemische Verbindung sey, wagt der Verf. nicht zu
entscheiden. 2) mit Eisenoxydul, ebenfalls unter
den Thon-Eisensteinen, den so genannten Seeerzen etc.
3) mit kohlensaurem Eisenoxydul, auch in Thon-
Eisensteinen, deren gelbe Farbe dann einen Anstrich
von Grau zu haben pflegt. 4) mit Manganoxyd,
nahmentlich in Brauneisenstein. 5) mit Kupferoxyd,
in demjenigen Kupferziegelerz, das ein gelbes oder
gelbbräunliches Pulver gibt. 6) mit phosphorsau-
rem Eisenoxydul,
im Limonit (muschlichten Rasen-
Eisenstein). 7) mit schwefelsauren Eisenoxydul,
im Pittizit (Karsten’s Eisen-Pecherz). – Allein
außer diesen Hauptverbindungen findet sich das Eisen-
oxyd-Hydrat auch als Färbungsmittel in mancherley
andern Fossilien, im gelben und leberbraunen Eisen-
kiesel etc. – Zum Schluß dieser ersten Abhandlung
auch noch Vergleichung der obigen Untersuchungen
mit den Resultaten verschiedener von andern geliefer-
ten Analysen von Fossilien, welche Eisenoxyd-Hydrat
als wesentlichen Bestandtheil enthalten. Eine künf-
tige zweyte Abhandlung wird eine Reihe von Unter-
suchungen derjenigen Eisenminern liefern, welche
[Seite 567] dergleichen enthalten, mit vorzüglicher Berücksich-
tigung der vaterländischen; oryctognostische und
geognostische Bemerkungen über dieselben, so wie
Beobachtungen über die metallurgischen Processe,
die man zu ihrer Zugutmachung verwendet.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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