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Göttingische
gelehrte Anzeigen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band
auf das Jahr 1813.

Göttingen,
gedruckt bey Heinrich Dieterich.

Turin.

[Seite 1673]

Von den Abhandlungen, die der physischen und
mathematischen Classe der kaiserlichen Academie
der Wissenschaften
daselbst in den Jahren 1809
und 1810 vorgelegt worden, sind die zur Mathe-
matik und allgemeinen Physik gehörigen oben (S.
1354 u.f.) angezeigt worden. So jetzt die phy-
siologischen
und naturhistorischen.

Hr. Brugnone (– der sich schon vor 40 Jah-
ren als einen einsichtsvollen Veterinär-Arzt gezeigt
hat –) über die wiederkauenden Thiere, und über
die Rumination, in zwey sehr ausführlichen, 94 S.
füllenden, Abhandlungen. Beyläufig auch von der
ruminatio humana, das sey une fonction contre
nature.
(– Freylich wohl; doch aber gewiß was
Anderes, als, wie der Verf. meint, un vomisse-
ment
habituel.
Der Rec. hat vier Mannsperso-
nen gekannt, die wiederkaueten. In fremder Ge-
sellschaft, oder wo sie sich sonst genirt glaubten,
unterließen sie es; sonst aber thaten sie es, um so
lieber, da, ihrer Versicherung nach, das zweyte
Mahl besser schmecke, als das erste. –) Daß
[Seite 1674] Hasen und Kaninchen wiederkauen, bezweifelt er;
es sey ein bloßes Hin- und Wiederschieben des Un-
terkiefers bey leerem Maule. Er habe ein Kanin-
chen in so einem Moment mit der Hand erdrosselt,
und weder im Rachen, noch im Schlunde, einen
Bissen Futter gefunden. Eben so wenig ruminire das
Murmelthier, wie doch Aristoteles behauptet habe.
(– Wo sollte der große Stagirite des Murmelthiers
gedacht haben? Sein mus Ponticus, den Hr. Br.
dafür nimmt, ist die Zieselmaus, Marmota citillus,
welche Plinius genau vom Murmelthier unterschei-
det, ohne selbst auch das letztere für wiederkauend
zu halten. –) Den zweyten Magen unserer eigent-
lichen Ruminantien habe Aristoteles chechrufalos
(sic) genannt; das habe Gaza durch araneum über-
setzt. Aber, sagt der Verf., dans plusieurs édi-
tions de la traduction latine d’Aristote, au lieu
d’araneum on lit arsineum, faute typographi-
que qui a été copiée par quelques auteurs mo-
dernes etc.
(– Gerade umgekehrt. Araneum
wäre ein sehr unpassender Nahme für diesen Ma-
gen; hingegen reimt sich Arsineum, das der
wackere Gaza aus dem Festus kannte, aufs ge-
naueste mit κεκρυφαλος, so gut, als mit dem Fran-
zösischen bonnet, oder unsern Deutschen Benen-
nungen, Mütze, Haube etc. –) Ausführliche Be-
schreibung der vier Mägen und der wundersamen
Rinne, die der alte Joh. Faber vor anderthalb
hundert Jahren ganz witzig die Milchstraße nann-
te. Vergleichung und Beurtheilung der mancher-
ley Erklärungsarten des Mechanismus der Rumi-
nation. Daß sich das Rindvieh etc. gewöhnlich auf
die linke Seite legt, komme vom Uebergewicht des
Pansen nach derselben. Auf die so oft versuchte
teleologische Erörterung, warum nun eben die
Bisulca ruminiren müssen, hat sich der Verf. nicht
[Seite 1675] eingelassen. – Hr. Prof. F. Rossi über den
Scheintod. Versuche mit mancherley Thieren, die
er durch Untertauchen in Wasser, oder in gesperr-
ten Glocken, die mit irrespirablen Gasarten gefüllt
waren, oder auch durch die Ausdünstungen von Stech-
apfel und Belladonna, in diesen Zustand versetzt
hatte, und dann durch Einblasen von atmosphäri-
scher Luft mittelst der Tracheotomie und des Reitzes
der Volta’schen Säule wieder zu beleben suchte.
Während der Asphyxie habe er immer die Stimm-
ritze durch den Kehldeckel geschlossen gefunden.
(– Aus einer kleinen Uebereilung setzt der Verf.
auch die Hühner, die so wenig, als irgend ein
Vogel, eine Epiglossis haben, unter diejenigen
Thiere, bey welchen das von ihm bemerkt wor-
den. –) – Hr. Dr. Bonvoisin vom gemeinen
Titanschörl (oder dichten Rutil), der neuerlich
theils in daumensdicken Krystallen in Quarz, Glim-
mer, Chlorit oder Talk im Val d’Aosta gefunden
worden. – Hr. Prof. Buniva über die beiden
so genannten Porcupine-menaus Suffolk, die
sich vor einigen Jahren in einem großen Theile
der Continens (– auch hier in Göttingen –) sehen
lassen. Schade, daß der Verf. das nicht zu be-
nutzen gesucht was in Deutschland über diese eben
so merkwürdige als höchst seltene Hautkrankheit
dieses Brüderpaares, die sich bey den männlichen
Mitgliedern ihrer Familie nun schon in die dritte
Generation fortgeerbt hat, im Druck erschienen;
vor allem die treffliche Monographie unsers wür-
digen Correspondenten, des berühmten Weltumseg-
lers, Hrn. Hofr. Tilesius (Altenb. 1802, gr. Fo-
lio, mit zwey meisterhaften colorirten Kupfertafeln).
Interessant ist die Bemerkung des Verf., daß der
Harn dieser so genannten Stachelschweinmenschen
ungewöhnlich wenig phosphorsauren Kalk enthalten
[Seite 1676] habe. Nicht so belehrend ist manches Andere, was
hier über die Constitution dieser Brüder gesagt
wird, wie z.B. der ganze §. 25, der mit seiner
Ueberschrift also lautet: ‘“Poisons, leurs effets
sur eux.
Ils n’ont jamais été empoisonnés ni
accidentellement, ni expressement.”’ – Hrn.
Bonelli’s entomologische Bemerkungen (meist über
Piemonteser Insecten), deren Fortsetzuug in den
künftigen Bänden folgen soll. Hier der Anfang
über einige Coleopteren-Geschlechter, besonders
Sand- und Laufkäfer (Cicindelae und Carabi);
theils neue Gattungen derselben, theils genauere
Bestimmung von schon bekannten. – Hr. Gar-
neri
von ein Paar Zwillingskindern, die in einem
gemeinschaftlichen Schafhäutchen zur Welt kamen.
(– Bekanntlich eine seltene Anomalie bey Zwil-
lingsgeburten, dergleichen Hr. De Puyt bey der
Geburt von Esau und Jacob – 1. B. Mos. 25.
v. 26. – präsupponirte, um kunstmäßig zu erklä-
ren, wie Jacob mit seiner Hand die Ferse des
Esau habe halten können. –)



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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