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Abbildungen
naturhistorischer Gegenstände

3tes Heft.
Nro 21–30.

Göttingen
bey Johann Christian Dieterich
1798
.

[[2]]

21.
Gefleckter Neger.

[[3]]
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Figure 1. 21. Gefleckter Neger
[interleaf] [[5]]

Gesunde Hautfarbe ist auch beym blondesten
Teint doch nicht völlig weiss, sondern immer,
wenn gleich kaum merklich, ins blasseste Gelb
tingirt. Dieses noch so schwache Pigment
scheint bey dem weissesten Europäer von einer
sehr geringen, – so wie hingegen beym Wuluf-
Neger von der grössesten Menge Kohlenstoff
(carbone) her zu rühren, der im Malpighischen
Schleim unter der Oberhaut abgesetzt wird.
Eine Art von chemischen Process, der aber wie
so viele andre im belebten Laboratorium der
organisirten Körper, bestimmte Lebenskraft und
Thätigkeit der Gefässe voraussetzt*). Irgend
[[6]] eine Unthätigkeit oder Stockung in den Haut-
organen, die zu diesem färbenden Präcipitations-
Process nöthig sind, scheint den Fehler zu be-
wirken den man bey Menschen verschiedner
Rassen, bey Europäern sowohl als bey Negern
angemerkt hat, dass einzelne Stellen der Haut,
und meist auch einzelne Stellen des Kopfhaars,
eine ganz widernatürliche völlige Weisse an-
nehmen. Diess fällt um so mehr auf, je
dunkler übrigens Haut und Haar ist. Folglich
bey Negern am allermeisten.

Den hier abgebildeten habe ich in London
im Dec. 1791 gesehen und eine Probe von seinem
schwarz und weissen Wollhaar mitgebracht.
Nur die Stellung der Figur ist von einem eng-
lischen Kupfer eines andern gefleckten Negers
entlehnt, die Vertheilung der Flecken aber von
mir genau nach jenem angemerkt worden.


22.
MYRMECOPHAGA DIDACTYLA.
Der zweyzehichte Ameisenbär oder kleine
Tamandua aus Brasilien.

[[7]]
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Figure 2. 22. Myrmecophaga didactyla.
[interleaf] [[9]]

Sein ganzer Habitus, zumal der Füsse, zeigt
dass er unter die Bradypoda gehört. Hat wie
man sieht allerdings einen Rollschwanz, den
ihm linné absprach. Hat auch von Natur
hängende Ohrlappen, die manche Naturforscher
nur einigen Hausthieren zuschreiben, und für
eine Folge der Unterjochung halten wollten.
Hier diesem Thiere dienen sie vermuthlich zum
Schutz der Ohren gegen die Ameisen unter
denen es lebt, wogegen ihm auch die kleinen
mit einer Art von Wimpern verwahrten Augen,
und die engen Nasenlöcher zu statten kommen.
[[10]] Nachdem ich eins zergliedert, scheint mir seine
Zunge nicht zum Organ des schmeckens, son-
dern bloss zur Ingestion seiner Nahrung, der
Ameisen, bestimmt zu seyn.

Die Zeichnung ist nach einem von den
Exemplaren im academischen Museum verfertigt.
Es lohnt sich der Mühe sie mit den aben-
theuerlichen Abbildungen zu vergleichen die
edwards und buffon von diesem Thiere
gegeben.


23.
BOS GRUNNIENS.
Der Tibetanische Büffel (– Yak –)
mit dem köstlichen Schweif.

[[11]]
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Figure 3. 23. Bos grunniens.
[interleaf] [[13]]

Ein wichtiges Thier für das alpinische Tibet,
zumal für die nomadischen Horden desselben.
Sie brauchens als starkes und dauerhaftes Last-
thier, kleiden sich mit den Zeugen die sie aus
dem ziegenähnlichen Haar desselben weben,
nähren sich von seiner fetten Milch und der
ausnehmend schmackhaften Butter die sie gibt,
die sich in Schläuchen verwahrt in jenem kalten
Clima das Jahr durch hält, und einen wich-
tigen Handelsartikel für sie ausmacht. Mit
dem sonderbar langbüschlichten Schweif dieses
[[14]] Büffels wird bekanntlich in Indien viel Luxus
getrieben, zu Fliegenwedeln, Ohrgehängen für
Parade-Elephanten, Standarten-Zierrath etc. –
Das academische Museum besitzt einen unter
den grossen Aschischen Geschenken.

Die Abbildung ist aus dem neuesten Bande
der zu Calcutta herauskommenden Transactions
of the Bengal-Society
genommen.


24.
BVCEROS RHINOCEROS.
Der Nashornvogel, Calao.

[[15]]
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Figure 4. 24. Buceros rhinoceros.
[interleaf] [[17]]

In Ostindien. Fast von der Grösse eines wel-
schen Hahns. Der ungeheure Schnabel gibt
ihm, zumal im Fluge, ein abentheuerliches
Ansehen. Der Zweck dieses monstrosen Theils,
zumal der Stirncapsel auf demselben, hat den
Teleologen viel zu schaffen. gemacht. Manche
haben gemeynt er diene zur Aufnahme feiner
Geruchorgane; nach anderen sollte er gar eine
Vorrathskammer zur Speise, nach noch andern
ein Wasserbehälter seyn etc. Ein Schädel des
Thiers in meiner Sammlung hat mich von der
Grundlosigkeit dieser Einfälle und anderseits
[[18]] von der Gewissheit überzeugt, dass dieser Schna-
bel zu den neuerlich so berühmt wordnen Luft-
behältern der Vögel dient. Jener Schädel ist
Spannen lang, und wiegt doch nur 2 Loth, so
dass die Nashornvögel folglich mit Recht im
System unter die Levirostres gesetzt werden.

Zu den vielen anomalischen Eigenheiten
wodurch sich die Calaos auszeichnen, gehört
auch, dass sie sich von den so vielen andern
Thieren giftigen Krähenaugen (den Saamen von
strychnos nux vomica) nähren.

Die Abbildung ist nach einem einzelnen
grossen Kupferblatte gemacht, das der Prof.
allmand zu Leiden ehedem stechen lassen.


25.
PELECANVS SINENSIS.
Die Fischer-Scharbe, der Schinesische See-
Rabe. (Schinesich
Leu-tze.)

[[19]]
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Figure 5. 25. Pelecanus Sinensis.
[interleaf] [[21]]

Man hat bisher geglaubt, der berühmte Vogel,
dessen man sich in Schina so allgemein zum
Fischfang bedient, sey die gemeine Scharbe,
Pelecanus carbo (Cormoran, Corvorant) die sich
fast in allen Welttheilen findet, und namentlich
auch in Europa zu diesem Behuf benutzt wor-
den ist. Nach den Nachrichten aber, die in der
prachtvollen Reisebeschreibung der neulichen
englischen Gesandschaft nach Schina von jenem
dortigen Vogel gegeben worden, woher auch
diese Abbildung entlehnt ist, scheint er eine
[[22]] eigne Gattung des Scharben-Geschlechts auszu-
machen. Er ist braun, mit weisslichten, braun-
gefleckten Bauche, gelben Schnabel, und brau-
nen Augensternen.

Diese nützlichen Thiere werden besonders
in gewissen Gegenden von Schina gezogen und
abgerichtet, und von dannen durchs ganze
Reich versandt. Der Gebrauch derselben ist so
häufig, dass die englische Gcsandschaft bey einer
Fahrt auf dem grossen Canal tausende von
kleinen Booten mit diesen Fischer-Scharben sah.


26.
LACERTA CROCODILVS.
Der Nil-Crocodil.

[[23]]
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Figure 6. 26. Lacerta crocodilus.
[interleaf] [[25]]

Eins der allgemeinst bekannten berufensten
Thiere, das unzählige mal abgebildet und seine
Geschichte in eben so zahllosen Büchern be-
schrieben ist. Und doch sind unter jenen Ab-
bildungen nur äusserst wenige erträgliche; und
unter diesen Beschreibungen die mehrsten durch
fabelhafte Sagen verunstaltet. Denn so ist,
um nur eins von vielen zu berühren, der alte
Wahn, dass der Crocodil einen beweglich am
Kopfe eingelenkten Oberkiefer habe, da hin-
gegen sein Unterkiefer mit dem Brustbein
[[26]] einen gemeinschaftlichen unbeweglichen Kno-
chen bilde etc. noch von trefflichen Zergliede-
rern wie vesalius und columbus nachgeschrie-
ben worden.

Die Abbildung ist nach einem ausgestopften
Exemplar im academischen Museum, und nur
die Stellung von dem herrlichen Blatte mit der
Jagd des Crocodils und Nilpferdes entlehnt, das
soutman nach rubens gestochen hat.


27.
Der Nil-Crocodil noch im Ey.

[[27]]
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Figure 7. 27. Lacerta crocodiles.
[interleaf] [[29]]

Nach einem vortrefflichen Exemplar im aca-
demischen Museum.

Das Verhältniss des auskriechenden jungen
in Vergleich zur Grösse die das völlig erwach-
sene Thier erreichen kann, und die sich, wie
norden behauptet, auf 30 ja gar auf 50 Fuss
erstrecken soll, bleibt immer auffallend, wenn
auch gleich herodotus darin irrt, dass er
den Nil-Crocodil das grösste Thier aus dem
kleinsten Eye nennt.

Die Schaale des Eyes ist wie bey andern
Amphibien biegsam, zeichnet sich aber durch
[[30]] die sonderbaren feingeschlängelten Züge der
dicken äussern gleichsam lederartigen Lage aus,
womit die innere glatte Haut überzogen ist.

Die frischen Eyer sowohl als die darin
ausgebildeten Junge werden von manchen Ari-
eanischen Völkerschaften gegessen.


28.
ANGVIS PLATVROS.

[[31]]
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Figure 8. 28. Anguis platuros.
[interleaf] [[33]]

Diese und einige ähnliche Gattungen von gif-
tigen Seeschlangen, finden sich zumal an den
Küsten der Inseln des Südindischen Meeres und
des grossen (oder insgemein so genannten stil-
len) Oceans.

Meines Wissens ist der unendlich verdiente
Weltumseegler dampier, (dessen äusserst reich-
haltige Reisebeschreibungen noch lange nicht
genug für die Naturgeschichte benutzt sind)
der erste der sie näher beschrieben hat. Er
fand sie an der Westküste von Neu-Holland,
[[34]] so wie Hr. Baronet banks auf der schauder-
vollen Entdeckungsreise an der Ostküste dieses
fünften Welttheils.

Hier diese Abbildung ist aus Hrn. vos-
maer’s
Monographie entlehnt.

29.
GRYLLVS MIGRATORIVS.
Die verheerende Zugheuschrecke.

[[35]]
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Figure 9. 29. Gryllus migratorius.
[interleaf] [[37]]

Die unsäglichen Verwüstungen die dieses furcht-
bare Insect verursacht, wenn es in ungeheuren
Zügen, die im buchstäblichen Sinn den Tag
verdunkeln, einbricht, sind auch in den An-
nalen mancher Gegenden von Deutschland, zu-
mal durch die schreckliche Invasion von 1693
und ihre traurige Nachwehen, unvergesslich.

Bey der ungleich geringem Menge die im
Herbst 1749 nach Franken und einigen andern
deutschen Kreisen kam, liess der damalige
Verwalter des Anspachischen Stiftamts auf den
Feldern dieses Amtes täglich durch anderthalb-
hundert Mann die er dazu aufgeboten, von
Tagesanbruch bis um 9Uhr die Heuschrecken
todtschlagen und einscharren, die übrige Tages-
zeit aber ihre Eyernester auf den Stoppelfel-
[[38]] dern, dem Kohl- und Kartoffellande, Feldwegen
u.s.w. aufsuchen und einsammeln, da er dann
derselben 92Metzen zusammenbrachte, die nach
Hofr. hasenest’s Berechnung (im IVten Theil
seines medicinischen Richters S. 249) über 859000
Nester und diese über 73 Millionen Eyer ent-
halten haben müssten.

Dass aber auch diese, so wie manche andere
Gattungen des Heuschrecken-Geschlechts, noch
jetzt wie in den ältesten Zeilen von manchen
morgenländischen und africanischen Völkern in
Menge verspeisst wird ( so dass in Marocco mit
dem Anzug derselben der Preis des Fleisches
fällt) würde kaum der Erwähnung werth
scheinen, wenn nicht einige neuere übrigens
gute ehrliche Reisende die sich Jahre lang im
Orient aufgehalten, sich hätten beykommen
lassen, das Heuschreckenessen geradezu für eine
fabelhafte Sage auszugeben.

Die Abbildungen sind nach einigen lebenden
Exemplaren gemacht, die mir den 26. Sept. 1781
vom Felde bey Göttingen gebracht worden.


30.
THALIA LINGVLATA.

[[39]]
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Figure 10. 30. Thalia lingulata.
[interleaf] [[41]]

Linné hat im Natursystem die von browne
(in seiner natural history of Jamaica) beschrie-
benen Thalien unter die Mollusca und zwar ins
Holothurien-Geschlecht geschoben. Allein Herr
Dr. forster der bey seiner Reise um die
Welt auf dem atlantischen Ocean drey Gattun-
gen derselben frisch zu untersuchen Gelegen-
heit gehabt, hält sich dadurch überzeugt, dass
sie bey weiten nicht zu den Molluscis, sondern
als ein eignes Geschlecht unter die Zoophyten
gehören.

Seiner Gefälligkeit verdanke ich folgende
Characteristik des Geschlechts sowohl als der
hierbey abgebildeten Gattung, die nach seiner
eignen Zeichnung gestochen, und noch nirgend
bekannt gemacht worden.

[[42]]
THALIA. Corpus liberum, oblongum, gelati-
nosum, diaphanum.
Ore antico,
ano postico. Tubo intestinali cor-
pus peruadente.
Tentacula nulla.
TH. lingulata. Corpore oblongo, depresso. An-
tice in apicem acutum desinens;
crista, caudaque carens.
descr. Corpus hyalinum, oblongum,
antice desinens in apicem acutum;
depressum
; supra planiusculiun;
subtus vix concauum; medio in-
terne saccatum; postice emargi-
natum. Sub
ore subrotundo an-
tice globulus sanguineus
, inter-
aneus, exsertilis.
Cauitas saccata
ab ore ad anum subrotundum
abdomen occupat.
Tubulus re-
ctus, ab oris globulo ad anum,
articulis pluribus distinctus
, ab-
dominis cauum peruadit.

Notes
*).
[[5]]

Ich habe diese chemische Erklärung des Ursprungs der
verschiednen Hautfarbe in der dritten Ausgabe der
Schrift de generis humani varietate nativa weiter aus-
geführt.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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